Keynes als Philosoph
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Keynes als Philosoph
Volkswirtschaftliche Schriften, Vol. 458
(1996)
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Abstract
Über die Philosophie von John Maynard Keynes wird im angelsächsischen Sprachraum seit Jahren lebhaft diskutiert. Dabei gelten insbesondere die Philosophen Georg Edward Moore und Bertrand Russell als Vordenker. Es werden aber auch Analogien zu Aristoteles, Platon und Wittgenstein herausgearbeitet. Im Zentrum der aktuellen Auseinandersetzung stehen der Traktat über Wahrscheinlichkeitstheorie, den Keynes 1921 publiziert hat, sowie verschiedene Vorarbeiten (bislang unveröffentlichte Manuskripte) hierzu. Von Interesse ist, inwiefern diese Schriften einen Einfluß auf die Entwicklung der ökonomischen Theorie von Keynes haben. Da Keynes die Frage nur in einem Essay beantwortet hat, kann letztlich nur auf eine Rekonstruktion der Bedeutung der Wahrscheinlichkeitstheorie für die ökonomische Theorie verwiesen werden. Obwohl viele Beiträge Intuition und Erkenntnis ins Zentrum rücken, bleibt das Defizit der erkenntnistheoretischen Position von Keynes bestehen. Dies ist unbefriedigend, zumal Keynes in den bereits genannten Quellen zusammenhängend seine Erkenntnistheorie herausarbeitet.Die vorliegende Untersuchung intendiert eine Rekonstruktion der epistemologischen Sichtweise von Keynes. Dabei ist der historische Hintergrund der Cambridge Tradition unzweifelhaft relevant für die Beurteilung der Philosophie von Keynes. Zu prüfen ist allerdings, ob Intuition die Funktion einer Letztbegründung zukommt, wie dies von der Mehrzahl der Autoren behauptet wird. Unter Rückgriff auf die Funktionszuschreibung der Anschauung im Prozeß der Erkenntnis bei Kant wird eine alternative Interpretation der Intuition bei Keynes vorgestellt. Das methodisch zu verstehende Vorgehen einer Argumentation ad analogia erlaubt die Loslösung von einseitigen rationalistischen, empiristischen und intuitionistischen Vereinnahmungen. Keineswegs wird Keynes dadurch zum Kantianer etikettiert. Das Ergebnis dieser Untersuchung ist: Erkenntnis bei Keynes bedarf eines Verweisungszusammenhangs von Anschauung resp. Intuition und Begriff resp. Kategorie und basiert auf einer Synthese von rationalistischen und empirischen Urteilen. Die Konsequenz hieraus für eine Ökonomie, die auf Modellbildung nicht verzichten kann, ist evident: Ökonomische Modelle ohne Anwendungs- und damit Erfahrungsbezug sind leere Vernünfteleien und damit formaler Ästhetizismus.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung | 11 | ||
Erster Teil: Rekonstruktion der erkenntnistheoretischen Position von John Maynard Keynes | 16 | ||
1. Keynes und die Begründer der Analytischen Philosophie in Großbritannien | 16 | ||
2. George Edward Moore | 21 | ||
2.1. Wahrscheinlichkeit als aposteriori-Begriff | 23 | ||
2.2. Die tautologische Undefinierbarkeitsthese | 24 | ||
2.3. Das Prinzip der organischen Einheitlichkeit | 27 | ||
2.4. Zurückweisung des Egoismus | 28 | ||
3. Die Kritik von Keynes an der Philosophie Moores in den unveröffentlichten Manuskripten | 29 | ||
3.1. Wahrscheinlichkeit impliziert Unwissen | 31 | ||
3.2. Intuition und individual judgement | 37 | ||
3.3. Neukonzeption des Principle of Organic Unity | 41 | ||
3.4. Verteidigung des Egoismus und Absage an den Utilitarismus | 43 | ||
3.5. Keynes versus Moore | 48 | ||
4. Bertrand Russell | 53 | ||
4.1. Zu den Anfängen der Analytischen Philosophie | 54 | ||
4.2. Die zweistufige Erkenntnistheorie | 56 | ||
4.3. Die Gemeinsamkeiten zwischen Keynes und Russell | 59 | ||
4.4. Keynes versus Russell | 60 | ||
5. A Treatise on Probability – Eine erkenntnistheoretische Schrift | 62 | ||
5.1. Konzeptionelle Aufeinanderbezogenheit von direkter und indirekter Erkenntnis | 65 | ||
5.2. Die Metapher eines corpus of knowledge | 71 | ||
5.3. Wahrscheinlichkeit als rational degree of belief | 75 | ||
5.4. Plädoyer für einen erweiterten Logikbegriff | 78 | ||
5.5. Weight of argument | 80 | ||
5.6. Begrenzte Quantifizierbarkeit von Wahrscheinlichkeit | 82 | ||
5.7. Wahrscheinlichkeit als guide of life | 86 | ||
5.8. Zusammenfassung | 88 | ||
6. Versuch einer Präzisierung der erkenntnistheoretischen Position von Keynes | 88 | ||
6.1. Erkenntnis als Verweisungszusammenhang von Anschauung und Begriff bei Kant und Keynes | 95 | ||
6.2. Die Synthese von rationalistischen und empiristischen Urteilen bei Kant und Keynes | 100 | ||
6.3. Wider die Geschwätzigkeit der Logik (Kant) respektive dry bones (Keynes) | 104 | ||
6.4. Intuition versus Letztbegründung | 109 | ||
Zweiter Teil: Die Relevanz der erkenntnistheoretischen Position für die Ökonomie von Keynes | 114 | ||
7. Die aktuelle Diskussion über die Philosophie von Keynes im Überblick | 114 | ||
7.1. Das erkenntnistheoretische Argument (Davis) | 115 | ||
7.2. Zur Diskontinuitätsthese (Bateman) | 125 | ||
7.3. Die Kontinuitätsthese (O’Donnell) | 131 | ||
7.4. Hillard oder die Vision absoluter Perfektion der Orthodoxie versus Keynes’ Welt der Unsicherheit | 138 | ||
7.5. Gerrard oder The New Fundamentalism | 142 | ||
7.6. Dow und der Babylonian Approach | 147 | ||
7.7. Lawson – oder die Rationalität der Konvention | 153 | ||
7.8. Runde und die vier verschiedenen Urteilsformen von Keynes zur Bestimmung des weight of arguments | 156 | ||
7.9. Fazit | 160 | ||
8. Erkenntniswege der Ökonomie | 160 | ||
8.1. Zur Entwicklung neoklassischer Kategorien | 163 | ||
8.2. Die Sichtweise von Keynes | 167 | ||
8.3. Apriori-Erkenntnisse und Erfahrungsbezug | 180 | ||
8.4. Die Signifikanz der Prämissenformulierung | 183 | ||
8.5. Die Persistenz von ignorance, uncertainty, expectations und die Nichtneutralität des Geldes | 194 | ||
8.6. Conventional judgement | 205 | ||
8.7. Primat der Theorie | 208 | ||
9. Résumé | 214 | ||
Literaturverzeichnis | 217 |