Kant und die Logik
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Kant und die Logik
Am Beispiel seiner »Logik der vorläufigen Urteile«
Philosophische Schriften, Vol. 61
(2005)
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Abstract
Lange Zeit haben die apodiktischen Sätze als das goldene Eingangstor zum Kantianismus gegolten. So fand eine spürbare und fragliche Reduktion der Kantschen Gesamtlehre statt und entstand die philosophiegeschichtliche (unkritische) Illusion, daß man Descartes, Hume, Locke und Leibniz unwiderruflich widerlegen könnte.Diese Abhandlung entfaltet sich in einer reflektierenden und übergreifenderen Perspektive und vergegenwärtigt die Kantsche Methode (skeptischer Herkunft) der Suspendierung der Urteile. Die Verflechtungen des induktiven und deduktiven Verfahrens und Kants Grundunterscheidung zwischen Satz und Urteil ermöglichen - unter Berücksichtigung der zuletzt veröffentlichten Texte aus dem Nachlaß - die Vermittlung eines lebendigen, differenzierten und genaueren Bildes des Kritizismus. Die Rekonstruktion der Kantschen »Logik der vorläufigen Urteile« eröffnet den Zugang zu der tieferen Ebene des Werkes, bringt eine Mehrzahl »unbekannter« logischer und philosophischer Projekte zutage und läßt die komplexe Einstellung Kants zum Rätsel des Existenzbegriffes erst entdecken. Überraschende Entwicklungen der kritischen Formenlehre und phänomenologische Betrachtungen offenbaren die vielfältigen Funktionen der Urteilskraft und tragen zur Profilierung einer Originaldiagnostik des Urteilens bei. Der Kritizismus wird mit der Aristotelischen Tradition und mit den gegenwärtigen Strömungen in der Logik (Strawson, Dummett, Quine, Kripke, Putnam) konfrontiert. Richard Regvald beleuchtet neue Zusammenhänge der Entstehung der transzendentalen Logik und flicht die innerhalb des Kantschen Werkes zerstreuten Elemente einer universellen Logik zusammen. Virtueller Panlogismus und philosophische Reflexion ergänzen sich gegenseitig. Die Letztbegründung der Logik ist bei Kant die Endlichkeit des Menschen. Die Abhandlung verteidigt den Geist über die Buchstaben des Kritizismus.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Inhaltsverzeichnis | 5 | ||
I. Einleitung | 11 | ||
1. Der Kritizismus und die „logische“ Einstellung der Philosophie – Das Fach „Logik und Metaphysik“ | 11 | ||
2. Die Konstituierung des Corpus logicus – Verflechtungen der allgemeinen und speziellen Logiken – Das Problem der praktischen Logik | 19 | ||
3. Der „unbekannte Kant“ und die Logik der vorläufigen Urteile | 24 | ||
4. Zur Methode und Darstellung der Problematik | 31 | ||
II. Das Urteilen und die Endlichkeit des Menschen | 36 | ||
1. Die Konstituierung der wissenschaftlichen Sprache: Satz und Urteil | 36 | ||
2. Syntaktische und phänomenologische Struktur der Urteile – Die Hinterlassenschaft der Stoiker | 45 | ||
3. Das Projekt einer Kriterienlehre im 18. Jh. und in der Gegenwart – Vorläufige Urteile im konservativen und liberalen Sinne | 49 | ||
4. Die Urteilslehre und die Endlichkeit des Menschen – Absteigende Metaphysik und Ausschaltung der ousia | 59 | ||
III. Perspektivisches Denken – Logischer Egoismus und Pluralismus | 68 | ||
1. Perspektiven und Standpunkte des Denkens | 68 | ||
2. Die Intersubjektivität in den Logik-Vorlesungen | 73 | ||
3. Die Kantsche Deontologie des Argumentierens | 77 | ||
4. Horizonte des Erkennens – Horizonte des Lebens | 82 | ||
5. Das Problem der partiellen Wahrheiten | 85 | ||
IV. Meinen, Glauben, Wissen – Radikalität und Schlußunfähigkeit des Meinens | 90 | ||
1. Das Meinen und die kritische Methode | 90 | ||
2. Epistemische Ausdrücke – Stufen und Arten des Fürwahrhaltens, Modalitäten | 95 | ||
3. Gewißheit und Fürwahrhalten | 104 | ||
4. Meinen – Theoretisches und pragmatisches Glauben | 109 | ||
V. Konstituierung und Vollzug von Urteilsakten – Die Bedeutung der epoché für die kritische Methode | 120 | ||
1. Das Bewußtsein und die Urteilsstruktur der Begriffe – Grade des Bewußtseins – Das Bewußtsein und die logische Form der Urteile | 120 | ||
2. Variationen über die Intentionalität – Willentliche Akte und die Kraft der Gründe – Selbstkorrekturen | 128 | ||
3. Die Sonderstellung der Gefühle bei Kant – Ergänzungen zu seiner „klassischen“ Theorie der Gefühle | 135 | ||
4. Die „Kritik der reinen Vernunft“ aus der Perspektive der epoché – Die epoché als satzfreies Urteil | 141 | ||
5. Die kritische Umwandlung eines Cartesianischen Motivs und der skeptischen Tradition | 147 | ||
VI. Vorurteile, Urteile und vorläufige Urteile | 153 | ||
1. Die unendliche Reihe aller Urteile – Dynamik, Tragschwere und Tragweite der Urteile – Die bestimmenden Urteile | 153 | ||
2. Allgemeinheit der Sätze – Die Betrachtung der Gegenstände als Therapie: Grenze eines kritischen Projekts | 157 | ||
3. F. G. Meiers Vorurteilslehre – Kritische Überlegungen und Entscheidungen | 160 | ||
4. Kant und Frege: vorläufige Gemeinsamkeiten | 167 | ||
VII. Vorwissen, Antizipationen und Apriori | 180 | ||
1. Kants radikale Abwertung des Vorwissens aus dem Geiste der Aufklärung – Kritische Überlegungen und Berichtigungen | 180 | ||
2. Der „konservative“ und offene Charakter der Formen – Aufnahme und Erschließung von Kontexten | 185 | ||
3. Das Verhältnis der rationalen zu den historischen Wissenschaften – Die „formalen“ Wissenschaften und die Kunst | 190 | ||
4. Induktive und konstruktive Elemente in der Konstitution des Apriori am Beispiel der Antizipationen der Wahrnehmungen und der Analogien der Erfahrung | 195 | ||
VIII. Zum Verhältnis der problematischen Urteile zur Wahrheit | 203 | ||
1. Darstellung eines „konstitutiven Prädikates“ des Kritizismus: Problematisch | 203 | ||
2. Der metaphysische und der historische Rahmen der reinen Vernunft | 207 | ||
3. Der transzendentale „Gürtel“ der Annahmen und der Vernunftglaube | 210 | ||
4. Das Geheimnis der Kantschen Topik | 216 | ||
IX. Stufenweises phänomenologisches Verfahren: Benennung und Identifikation der Fälle in concreto | 223 | ||
1. Die Kantsche Urteilslehre – Phänomenologische und logische Einstellung | 223 | ||
2. Anschauliche und begriffliche Deutlichkeit – Konstituierung und Rekonstruktion der Gegenstände | 227 | ||
3. Phänomenologische Betrachtung der Gegenstände – Information und Formation | 232 | ||
4. Das Formale und die Mannigfaltigkeit der Fälle in concreto | 237 | ||
X. Vorläufige Urteile, Wahrscheinlichkeit und Scheinbarkeit als Wahrheitsähnlichkeit (verisimilitudo) – Kants zweite Phänomenologie | 247 | ||
1. Wahrheit, Schein und Irrtum – Die Aussonderung des Beurteilbaren | 247 | ||
2. Die Kantsche vorwiegend intellektuelle Struktur des Irrtums | 255 | ||
3. Wahrscheinlichkeit und Scheinbarkeit als Wahrheitsähnlichkeit – Umkehrung der Gründe | 259 | ||
4. Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteile – Objekt und Objektivität | 266 | ||
XI. Die vorläufigen („provisorischen“) Schlüsse der Urteilskraft – Induktion und Analogie: „Praesumtionen“ | 274 | ||
1. Die Kantsche graduelle Anerkennung, Aufwertung und Umwandlung der Schlüsse der Urteilskraft | 274 | ||
2. Die „leichten Füße“ und die notwendige Vorläufigkeit der Hypothesen | 281 | ||
3. Gibt es einen Ausgleich mit dem deduktiven Verfahren? Folgerichtigkeit der Schlüsse und Wahrscheinlichkeit der Prämissen | 286 | ||
4. Regeln und Maximen (unvollständige Formen) – Einschränkung oder Erweiterung der logischen Regeln? | 293 | ||
XII. Die Urteilskraft als universelles Vermögen und die Logik der vorläufigen Urteile | 299 | ||
1. Kantsche Vermögenslehre und logische Implikationen – Logischer Monismus und Dualismus, die transzendentale Urteilskraft | 299 | ||
2. Der Übergang von der allgemeinen zur praktischen Logik – Theoretische und ästhetische Urteile – Die Einheit der Urteilskraft und die Prädizierung des Individuums | 304 | ||
3. Facultas discretiva und meditativa – Urteilskraft und zunehmendes Alter | 315 | ||
4. Weitere Verflechtungen der bestimmenden und reflektierenden Urteilskraft – Die Urteilskraft als Rückgrat des Kritizismus | 322 | ||
5. Intuitionismus und Formalismus – Kreativität – Formale Strukturen der Urteilskraft | 328 | ||
XIII. Der Kritizismus und das Projekt einer „universellen“ Logik (Es gibt „viel vorläufige Arbeit“) | 336 | ||
1. Die allgemeine Vernunftlehre und die Logik als „Kanon“ – Verstand und Vernunft – Empirie und Panlogismus | 336 | ||
2. Der normative Charakter der Logik am Beispiel einer universellen Grammatik | 346 | ||
3. Kantsche Unsicherheiten – Wie soll das Organon aussehen? | 351 | ||
4. Die Logik: Wissenschaft oder Kunstlehre? Die Berichtigungen der Urteilskraft | 358 | ||
5. Die Logik der vorläufigen Urteile und die semantische „Unvollständigkeit“ der transzendentalen Logik – Formale und symbolische Logik aus der Sicht des Kritizismus | 363 | ||
Anschließende Notiz zum Kant-Bild Friedrich Hagemanns | 378 | ||
Literaturverzeichnis | 380 | ||
Personenverzeichnis | 389 | ||
Stichwortverzeichnis | 391 |