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Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nach § 17 StGB im Spiegel der BGH-Rechtsprechung

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Roos, C. (2000). Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nach § 17 StGB im Spiegel der BGH-Rechtsprechung. Zugleich ein Beitrag zur Analyse latenter richterlicher Wertungen in Entscheidungsgründen. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-49535-1
Roos, Christoph. Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nach § 17 StGB im Spiegel der BGH-Rechtsprechung: Zugleich ein Beitrag zur Analyse latenter richterlicher Wertungen in Entscheidungsgründen. Duncker & Humblot, 2000. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-49535-1
Roos, C (2000): Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nach § 17 StGB im Spiegel der BGH-Rechtsprechung: Zugleich ein Beitrag zur Analyse latenter richterlicher Wertungen in Entscheidungsgründen, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-49535-1

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Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nach § 17 StGB im Spiegel der BGH-Rechtsprechung

Zugleich ein Beitrag zur Analyse latenter richterlicher Wertungen in Entscheidungsgründen

Roos, Christoph

Schriften zum Strafrecht, Vol. 120

(2000)

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Abstract

Der Autor befaßt sich eingangs mit der Frage, ob und wie sich aus den Urteilstexten, vor allem aus den Entscheidungsgründen, die sog. latenten Entscheidungsgründe ermitteln lassen. "Latent" sind Entscheidungsgründe, die den oder die Richter zu ihrer Entscheidung (mit-)bewogen haben, die aber in der Urteilsbegründung nicht offen mitgeteilt werden. Dies können z. B. politische, ethische oder religiöse Überzeugungen sein oder aber ein bestimmtes kriminalpolitisches Konzept. Christoph Roos gibt einen kritischen Überblick über die verschiedenen Erklärungsversuche für den immer wieder geäußerten Verdacht, die eigentlichen Entscheidungsgründe würden nicht, zumindest aber nicht vollständig, im Urteilstext aufgeführt.

Am Beispiel der sozialwissenschaftlichen Inhaltsanalyse, einem Textanalyse-Verfahren, und ihrer Anwendung auf Urteilstexte wird dann die Möglichkeit einer "objektiven" wertungs- und ideologiekritischen Analyse richterlicher Entscheidungsgründe untersucht sowie deren mangelnde Eignung zur ideologiekritischen Analyse von Entscheidungsgründen dargelegt. Exemplarisch wird im folgenden die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vermeidbarkeit von Verbotsirrtümern nach § 17 StGB im Hinblick auf latente Wertungen und ideologische Grundmuster hin untersucht. Die Untersuchung beginnt mit der in der Literatur nahezu einhellig geäußerten Kritik an einer zu strengen Handhabung des § 17 StGB. Der Autor versucht anhand der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Gründe für diese restriktive Auslegung des § 17 StGB durch die Rechtsprechung offenzulegen. Zentrale Bedeutung im Rahmen dieser Untersuchung hat das Kriterium der "Gewissensanspannung", das der Bundesgerichtshof seit der Entscheidung BGHSt 2, 194 ff. in ständiger Rechtsprechung zur Abgrenzung des vermeidbaren vom unvermeidbaren Verbotsirrtum verwendet. (Rechts-)theoretische und philosophische Grundlagen dieses Kriteriums sowie seine (fehlende) Eignung und Anwendung werden kritisch dargestellt, u

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 3
Inhaltsverzeichnis 7
A. Die latenten Gründe richterlicher Urteile – ein Weg zum „durchschauten Richter“? 13
I. Latente Gründe richterlicher Entscheidungen – Geschichte eines Verdachts 14
II. Zu Aktualität und Facetten des Problems latenter Gründe richterlicher Entscheidungen 16
III. Die latenten Gründe richterlicher Entscheidungen – ein „Scheinproblem“? 20
IV. Psychologische Erklärungsversuche für das Problem der latenten Entscheidungsgründe 22
V. Das „Rechtsgefühl“ als Quelle oder Produkt außerrechtlicher Wertungen? 27
VI. Soziologische und sozialpsychologische Erkenntnisse über die Ursachen latenter Argumentationen in Entscheidungsgründen 31
1. Erkenntnisse über richterliche „Attitüden“ 32
2. Insbesondere: „Konservatismus“ als latente Grundhaltung des Richters? 33
3. „Identifizierung“ des Richters mit einer Partei bzw. einem Verfahrensbeteiligten 36
VII. Die generelle Problematik eines Rückgriffs auf ethisch-moralische Wertungen in Begründungen richterlicher Entscheidungen 37
VIII. Latente richterliche Wertungen als selbstgeschaffenes Problem unserer Rechtsordnung 40
1. Latente richterliche Wertungen als Produkte einer auf effizienten Rechtsschutz bedachten Gesellschaft 40
2. Latente Wertungen als Produkt der gesetzlichen Regelung 41
a) Die Strafgesetzgebung als „Agent“ der „Moral“ 41
b) Grenzziehung zwischen „außerrechtlichen“ und „rechtlichen“ Wertungen? 42
c) Die strafrechtliche „Generalklausel“ als Zwang zum Rückgriff auf „außerrechtliche“ Begründungen 44
d) Das Bundesverfassungsgericht „zwischen den Fronten“ 49
e) Die Verfassung als „sicherer Grund“ des Richtens(?) 51
IX. Die „Offenlegung von Vorverständnissen“ als Lösung des Problems latenter richterlicher Wertungen? 53
1. Die Forderung nach „Offenlegung von Vorverständnissen“ 53
2. Lüge als Mittel der Rechtsprechung? 56
3. Kritik am Postulat einer „Offenlegung“ von Vorverständnissen in Entscheidungsgründen 60
4. Das Problem eines infiniten Regresses 62
X. Statt einer Zusammenfassung 64
B. Zur Analyse richterlicher Entscheidungen unter Verwendung der soziologischen „Inhaltsanalyse“. Zu Chancen und Grenzen einer methodologisch fundierten Ideologiekritik in den Rechtswissenschaften 66
I. Inhaltsanalyse als Instrument der empirischen Sozialforschung 68
1. Zum Begriff „Inhaltsanalyse“ 69
2. Vorzüge der Inhaltsanalyse als Verfahren der Textanalyse und -kritik 70
3. Zur historischen Entwicklung der Inhaltsanalyse 71
II. Die Einzelheiten inhaltsanalytischer Verfahrensweisen 72
1. Quantitativ „oder“ Qualitativ? 72
2. Die Analyse latenter Inhalte 76
3. Zur „Objektivität“ der Inhaltsanalyse 77
4. Reliabilität und Validität als Gütekriterien inhaltsanalytischer Untersuchungen 82
a) Validität 83
b) Reliabilität 85
5. Der Einsatz von Codierern 87
III. Hermeneutik als Basis sozialwissenschaftlicher Inhaltsanalyse? 90
1. Zur philosophischen Hermeneutik – insbesondere in der von Hans-Georg Gadamer ausgeprägten Variante 91
2. Das hermeneutische Fundament des Modells einer qualitativen Inhaltsanalyse 98
IV. Inhaltsanalyse und Rechtswissenschaft 100
1. Juristische Literatur als Objekt inhaltsanalytischer Untersuchungen 101
2. Die Anwendung inhaltsanalytischer Verfahren auf Urteile deutscher Gerichte 106
a) Qualitative Inhaltsanalyse von richterlichen Entscheidungsbegründungen aus soziologischer Perspektive 107
aa) Einzelheiten der Methode und ihrer Anwendung 108
(1) Die „Gütekriterien“: Kontext, Singularität, Latenz und Präsenz 110
(2) Hermeneutik als (latente) Basis dieses inhaltsanalytischen Modells 112
(3) Reliabilität der Urteilsanalysen 113
(4) Validität der Urteilsanalysen 116
b) Qualitative Inhaltsanalyse von richterlichen Entscheidungen durch Juristen 121
aa) Beispiel 1 121
bb) Beispiel 2 125
(1) Reliabilität, Validität und „Objektivität“ 127
(2) Die Kategorien und der interpretationsleitende „theoretische Rahmen“ der Untersuchung 130
V. Ideologiekritik versus Methodologie? 136
VI. Zusammenfassung und zugleich Begründung dafür, daß vorliegend keine qualitative Inhaltsanalyse der BGH-Rechtsprechung durchgeführt wird 138
VII. Exkurs: „Dekonstruktion“ von Urteilstexten? 144
C. Die Rechtsprechung des BGH zur Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nach § 17 StGB 152
I. Das Kriterium der „Gewissensanspannung“ 155
1. Der Gewissensbegriff in der Strafrechtsprechung des BGH 156
a) Die frühe Strafrechtsprechung des BGH 156
aa) Der zeitgeschichtliche politische Kontext 156
bb) Versuch einer Vergangenheitsbewältigung durch (Natur-) Recht 158
cc) Die „Naturrechtsrenaissance“ in der Rechtsprechung des BGH in Strafsachen 160
dd) Christliches Naturrecht in der Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Nachkriegszeit 173
(1) Ernst von Hippel 174
(2) Valentin Tomberg 178
ee) Exkurs: Die christliche (katholische) Lehre vom Gewissen 181
ff) „Recht und Ethik“ in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in den fünfziger Jahren. Ergebnisse einer zeitgenössischen Untersuchung 186
b) Zwischenergebnis 192
2. Die „Gewissensanspannung“ als Kriterium des BGH zur Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums. Darstellung und Kritik 194
a) Maßstäbe und Realität 196
b) „Abgestumpfte Gewohnheitsverbrecher“ und eine „Lebensführungsschuld“ als Argumentationshilfen 197
c) Das Kriterium der „Gewissensanspannung“ in der weiteren Rechtsprechung des BGH in Strafsachen 204
d) Die Verwendung des Begriffs „Gewissen“ durch den BGH – ein Irrtum? 206
aa) Verbindungen von Recht und Gewissen in der Lehre Hans Welzels. Darstellung, Kritik und ein Vergleich mit der Rechtsprechung des BGH 210
bb) Ergebnis 216
3. Die Eignung des Kriteriums der „Gewissensanspannung“ 216
a) Das Gewissen und seine Beziehung zur „Sitten-“ und Rechtsordnung 217
aa) Exkurs: Die Beziehungen von Rechts- und Kulturnormen nach Max Ernst Mayer 219
bb) Exkurs: Unrechtsbewußtsein, Schuld und „Parallelwertung in der Laiensphäre“ in der Lehre Arthur Kaufmanns. Darstellung und Kritik 221
b) Das „stellvertretende Gewissensurteil“ des Richters oder: Das „gesollte“ Gewissen 227
aa) Die Lehre vom „stellvertretenden Gewissensurteil“ des Richters 227
bb) Kritik der Lehre vom „stellvertretenden Gewissensurteil“ des Richters 229
cc) Gesellschaftliche Bedingungen der Gewissensausbildung – ohne Einfluß auf die Berechtigung eines „stellvertretenden Gewissensurteils“? 233
4. Einordnung der BGH-Rechtsprechung 241
5. Die „Anspannung“ des Gewissens 244
6. Die „Mauerschützenfälle“ – verkannte Anwendungsfälle für den unvermeidbaren Verbotsirrtum? 245
a) Die Rechtswidrigkeit der Schüsse an der innerdeutschen Grenze 247
b) Die persönliche strafrechtliche Schuld der Mauerschützen 267
c) Die „Gewissensanspannung“ der Mauerschützen – „Alter Wein in neuen Schläuchen“? 275
II. „Nachdenken“ und „Erkundigen“ als Kriterien zur Beurteilung der Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums 286
1. „Nachdenken“ als Mittel zur Erlangung der Unrechtseinsicht 286
2. „Erkundigung“ als Mittel zur Erlangung der Unrechtseinsicht 290
III. Mögliche Gründe für die restriktive Handhabung der Unvermeidbarkeit von Verbotsirrtümern durch den BGH 294
1. Der Wechsel des Richters in die Perspektive des Angeklagten als Quelle einer verzerrten Perspektive 295
2. Prävention und Normstabilisierung statt Schuld? 303
a) Die strafrechtliche Generalklausel des § 17 StGB als multifunktionales Instrument für die Umsetzung kriminalpolitischer Zweckmäßigkeitserwägungen 304
b) Generalpräventive Erwägungen als Basis der Schuldzuschreibung im Bereich des § 17 StGB – in der Lehre und in der Rechtsprechung des BGH 307
aa) Zuständigkeit und Zuschreibung – die Position Günther Jakobs’. Darstellung und Kritik 307
bb) Erhaltung von Normgeltung durch Schuldzuschreibung? 312
cc) Einordnung der BGH-Rechtsprechung und Vergleich mit den Ergebnissen einer Untersuchung erstinstanzlicher Strafurteile 315
D. Legitimationsprobleme durch gesellschaftlichen Wandel: „Risikogesellschaft“ und „Individualisierung“. Zur Relevanz eines soziologischen Befundes für die Strafjustiz 320
I. Die „Risikogesellschaft“ 322
II. Kritik am soziologischen Befund „Risikogesellschaft“ und seiner Rezeption im Strafrecht 323
III. Die Risikogesellschaft als individualisierte Gesellschaft 324
1. Was bedeutet „Individualisierung“? 325
2. Standardisierung und äußere Konformität als Ausprägungen einer individualisierten „Massengesellschaft“ 330
3. Die individualisierte Massengesellschaft – eine Mixtur aus Unübersichtlichkeit, Entsolidarisierung und permanentem Entscheidungszwang 333
4. Individualisierung – ein Prozeß mit Tradition 336
a) „Individualisierung“ – beobachtet von Max Horkheimer 337
b) „Die Krise der industriellen Gesellschaft“ 339
c) Die moderne, individualisierte Massengesellschaft als „Neuauflage“ der Klassengesellschaft? – Die Position Herbert Marcuses 341
5. Die Angst des Individuums in der individualisierten Gesellschaft und ihre Ausnutzung für Zwecke der Kriminalpolitik 344
a) „Der Einzelne in seiner Angst“ 344
b) Angst als latente Grundlage einer auf positive Generalprävention abzielenden Kriminalpolitik 347
IV. Individualisierung als kriminogener Faktor? 349
V. Von der dringenden Notwendigkeit einer neuen Sozialpolitik statt repressiver Kriminalpolitik in der individualisierten Gesellschaft 355
VI. Konsequenzen für die Entscheidungspraxis zu § 17 StGB 359
Literaturverzeichnis 365