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Das Gewissen als Argument im Recht

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Filmer, F. (2000). Das Gewissen als Argument im Recht. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-49942-7
Filmer, Fridtjof. Das Gewissen als Argument im Recht. Duncker & Humblot, 2000. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-49942-7
Filmer, F (2000): Das Gewissen als Argument im Recht, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-49942-7

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Das Gewissen als Argument im Recht

Filmer, Fridtjof

Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 808

(2000)

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Abstract

Bezugnahmen auf das Gewissen im Recht enthalten immer einen Bezug auf außerrechtliche Normativität. Sie sind positivierte Aspekte des ambivalenten Verhältnisses von Moral und Recht. Die Arbeit ist ein Versuch, den Gewissensbegriff auch nach seiner weitgehenden Subjektivierung und Säkularisierung als einen normativen Grenzbegriff im positiven Recht darzustellen. Die verschiedenen Verwendungen des Begriffs erschließen sich nur durch den Aspekt der - moralischen - Normbezogenheit des Gewissensphänomens, der sämtliche Verwendungszusammenhänge einheitlich prägt. Idealtypisch können "Funktionen des Gewissensbegriffs im Recht" nach der parallelen oder entgegengesetzten Zielrichtung von Gewissenspflicht und Rechtspflicht unterschieden werden: In der Verweisfunktion intendiert das Recht eine Verstärkung oder Ergänzung staatlicher Normierung; das Gewissen des einzelnen wird vom Staat appellhaft "in die Pflicht genommen" (z. B. in Eiden). In der Konfliktregelungsfunktion dient die Bezugnahme auf das Gewissen dagegen der Berücksichtigung und Anerkennung gegenläufiger außerrechtlicher Normativität.

Die Angemessenheit eines normativen Gewissensbegriffs für die als Konfliktregelungsnorm zu verstehende grundrechtliche Gewissensfreiheit aus Art. 4 I GG erweist sich auch auf Grund der im allgemeinen recht wenig beachteten grundrechtsdogmatischen Unterscheidung von subjektiven und objektivierten Schutzgütern. Das Grundrecht hat - ähnlich der Religionsfreiheit - ein subjektives Schutzgut; es schützt nicht die psychische Integrität oder Gesundheit des Menschen, sondern seine "sittliche Handlungsfreiheit". Es bleibt durch eine konsequente Anwendung seiner tatbestandlichen Voraussetzungen sowie seiner Schranken (Art. 136 I WRV) praktisch handhabbar. Das Grunddrecht verpflichtet Staat und Individuum zu wechselseitiger Suche nach Verhaltensalternativen und führt zu einem spezifischen Gewissens-Dialog, in dem sich die Rechtsordnung der normativen Infragestellung durch den einzelnen ein Stückweit öffnet, ohne sich ihr preiszugeben.

Table of Contents

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Vorwort 5
Inhaltsverzeichnis 7
1. Teil: Der Gewissensbegriff im Recht 11
A. Statt einer Einleitung: Das Gewissen als Argument am Beispiel der Diskussion um die rechtliche Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs 11
B. Der begriffliche Rahmen 24
C. Funktionen des Gewissensbegriffs im Recht 32
D. Verwendungen des Gewissensbegriffs im Recht 35
I. Verweisfunktion 35
1. Verstärkungsfunktion 35
a) Das Gewissen des Auskunftspflichtigen 39
b) Das Gewissen des Trägers öffentlicher Aufgaben 43
aa) Verfassungsorgane 44
bb) Richter 45
cc) Beamte 48
dd) Andere Amtsträger und besonders Verpflichtete 51
ee) Träger öffentlicher Aufgaben im weitesten Sinne 52
c) Das Gewissen der Schwangeren in der Schwangerschaftsberatung 56
d) Das Gewissen des Straftäters in der gerichtlichen Feststellung von Unrechtsbewußtsein 60
2. Ergänzungsfunktion 67
a) Das Gewissen des Abgeordneten 67
b) Das Gewissen anderer Amtsträger 77
c) Das „ärztliche Gewissen" 79
II. Konfliktregelungsfunktion 82
2. Teil: Das Grundrecht der Gewissensfreiheit 90
A. Gewissensfreiheit als eigenständiges Grundrecht? 90
I. Gewissensfreiheit als objektive Wertentscheidung der Verfassung („Werttheorie der Grundrechte" und „institutionelle Grundrechtstheorie") 91
1. Gewissensfreiheit als metajuristisches Prinzip 91
a) Demokratie 92
b) Rechtsgeltung 93
c) Säkularität 97
d) Neutralität 99
2. Gewissensfreiheit als Auftrag an den Gesetzgeber 100
3. Gewissensfreiheit als Richtlinie für die Gesetzesanwender 104
II. Gewissensfreiheit als staatsgerichtetes subjektives Recht des Bürgers 106
1. Gewissensfreiheit als „Ur-Grundrecht" 107
2. Gewissensfreiheit als Abwehrrecht zur Sicherung einer individuellen Freiheitssphäre („liberale Grundrechtstheorie") 110
a) Grundrechte als Abwehrrechte 110
b) Besonderheiten der Gewissensfreiheit 112
c) Grundrechtsdogmatische Modifikationen 115
aa) Modifikationen des grundrechtlichen Schutzgutes 115
bb) Modifikationen der Grundrechtswirkungen 125
aaa) Beschränkung der Grundrechtswirkungen gegenüber der Gesetzgebung 125
bbb) Ausschluß der Grundrechtswirkungen gegenüber der Gesetzgebung 128
α) Immanente Tatbestandsbegrenzung 128
β) Kategorische Tatbestandsbeschränkung (Gewissensfreiheit als „Wohlwollensgebot") 131
3. Gewissensfreiheit als Leistungsrecht („sozialstaatliche Grundrechtstheorie") 146
4. Gewissensfreiheit als staatsbürgerliches , Amt" und demokratisches Teilhaberecht („demokratisch-funktionale Grundrechtstheorie") 151
Β. Rekonstruktion der Gewissensfreiheit als subjektives Freiheitsrecht 166
I. Der Schutzbereich der Gewissensfreiheit 167
1. Definitionskompetenz und Selbstverständnisse 167
2. Das „Schutzgut" der Gewissensfreiheit 174
a) Subjektive und objektivierte Schutzgüter 176
b) Subjektive und objektivierte Gewissensverständnisse 179
aa) Explizite Zuordnungen der Gewissensfreiheit 180
bb) Gewissensfreiheit als sittliche Handlungsfreiheit (normatives Gewissensverständnis) 183
cc) Gewissensfreiheit als Schutz der psychischen Integrität (empirisches Gewissensverständnis) 185
c) Das Gewissen als beschränkt objektivierbares Schutzgut der Gewissensfreiheit 193
aa) Handlungsrecht oder Integritätsrecht 193
bb) Handlungsbezug und Normativität des Gewissens 199
aaa) Gründe 199
α) Wortlaut 199
β) Systematischer Kontext 200
γ) Bezüge zu objektiven Grundrechtsgehalten 201
δ) Menschenrechtliche Bezüge 202
ε) Gewissen als Rechtsbegriff 205
ζ) Normativität von Gewissen und Recht 206
η) Gewissensfreiheit und Anarchieargument 211
bbb) Konsequenzen 213
α) forum internum 213
β) Verbales Handeln 217
γ) Handeln und Unterlassen 219
δ) Gemeinschaftliches Handeln 221
ε) Notwendigkeit des Verhaltensbezugs 222
3. Immanente Gewährleistungsgrenzen der Gewissensfreiheit 229
a) Gewissensfreiheit als Schutz der individuellen normativen Identität des Menschen 229
aa) Moralische Verpflichtung durch das Gewissen 230
bb) Unbedingtheit der Gewissenspflicht - Art. 41GG als Kollisionsnorm 235
cc) Existentialität der Gewissenspflicht 248
b) Gewissensfreiheit des Bürgers und Gewaltmonopol des Staates 253
c) Gewissensfreiheit und persönlicher Verantwortungsbereich 255
II. Die Schranken der Gewissensfreiheit 264
1. Bürgerliche und staatsbürgerliche Pflichten (Art. 140 GG iVm Art. 136 I WRV) 265
a) Die übrigen Grundrechte des Art. 4 GG 266
b) Die Gewissensfreiheit 271
2. Verhältnismäßigkeit 277
a) Erforderlichkeit 277
b) Zumutbarkeit 281
III. Sekundäre Grundrechtswirkungen - Das Gewissen im Dialog 288
1. Gewissensfreiheit und Dialog 288
2. Verfahrensrechtliche Konsequenzen 292
3. Gewissensfreiheit und allgemeiner praktischer Diskurs 294
Zusammenfassung 297
Literaturverzeichnis 303
Sachwortverzeichnis 330