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Siekmann, H. (2005). Das Unrechtsbewusstsein der DDR-»Mauerschützen«. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-51451-9
Siekmann, Hanno. Das Unrechtsbewusstsein der DDR-»Mauerschützen«. Duncker & Humblot, 2005. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-51451-9
Siekmann, H (2005): Das Unrechtsbewusstsein der DDR-»Mauerschützen«, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-51451-9

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Das Unrechtsbewusstsein der DDR-»Mauerschützen«

Siekmann, Hanno

Schriften zum Strafrecht, Vol. 163

(2005)

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Abstract

Der tödliche Schusswaffengebrauch an der innerdeutschen Grenze stellt im Rahmen der strafgerichtlichen Aufarbeitung des SED-Unrechts einen zentralen Aspekt dar, der sich nach der Wiedervereinigung sowohl in der zahlreich ergangenen Rechtsprechung als auch umfangreichen Literatur niederschlägt. So ist die Diskussion über die strafrechtliche Verantwortlichkeit der DDR-Soldaten für tödliche Schüsse an der innerdeutschen Grenze bis heute nicht abgeschlossen.

Die in diesem Zusammenhang vorhandene Rechtsprechung und Literatur misst dem Aspekt des Unrechtsbewusstseins des handelnden Schützen eine relativ geringe Bedeutung zu. Hanno Siekmann geht der Frage nach, ob nicht die soziale Lebenswirklichkeit der DDR-Grenzsoldaten verkannt und ein dem psychologischen, soziologischen und kriminologischen Befund nicht gerecht werdendes Ergebnis erzielt wird, sofern das Unrechtsbewusstsein dieser Personen tatsächlich in einer Form angenommen wird, die einen strafrechtlichen Schuldvorwurf rechtfertigt. Er gelangt dabei zu dem Ergebnis, dass - vorbehaltlich einer abweichenden Beurteilung im Einzelfall - die Grenzsoldaten in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB handelten und ein strafrechtlicher Schuldvorwurf ihnen gegenüber somit im Interesse eines ernstgenommenen Schuldstrafrechts nicht zu erheben ist.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 3
Inhaltsverzeichnis 5
Abkürzungsverzeichnis 10
Einleitung 13
Erstes Kapitel: Die Rechtswidrigkeit der tödlichen Schüsse an der Grenze 18
I. Die Norm des § 27 GrenzG/DDR 19
1. Rechtsstaatliche Auslegung 20
2. „Realsozialistische“ Auslegung 21
3. Verstoß gegen höherrangiges positives Recht der DDR 23
II. Das Spannungsverhältnis von Recht und Moral 23
1. Die Radbruchsche Formel 24
a) Inhalt und Bedeutung 24
b) Anwendbarkeit außerhalb des NS-Rechts 25
2. Das Vorliegen gesetzlichen Unrechts i. S. Radbruchs 27
a) Erste Auffassung: Die Annahme gesetzlichen Unrechts 28
aa) Die Begründung des BGH 28
(1) Verweis auf den IPBPR 28
(a) Die Ausreisefreiheit nach Art. 12 Abs. 2 IPBPR 28
(b) Recht auf Leben nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 u. S. 3 IPBPR 30
(2) Kritik am Rückgriff auf den IPBPR durch den BGH 30
bb) Die Begründung der Literatur 32
b) Zweite Auffassung: Die Ablehnung gesetzlichen Unrechts 32
c) Stellungnehmende Erwägungen 33
3. Das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG 37
III. Zusammenfassung Erstes Kapitel 41
Zweites Kapitel: Die Bedeutung des Unrechtsbewusstseins für den strafrechtlichen Schuldvorwurf 42
I. Der strafrechtliche Schuldgrundsatz 42
II. Die strafrechtliche Schuld als Vorwerfbarkeit der Willensbildung 43
1. Die menschliche Willensfreiheit als Grundvoraussetzung 44
2. Erforderlichkeit der Kenntnis von Recht und Unrecht 44
III. Die Verbotsirrtumsregelung des § 17 StGB 45
IV. Materiell- und prozessrechtliche Aspekte des Unrechtsbewusstseins 46
Drittes Kapitel: Das aktuelle Unrechtsbewusstsein der DDR-Grenzsoldaten 48
I. Begriffsbestimmung und Grundlagen 48
II. Das aktuelle Unrechtsbewusstsein der Grenzsoldaten in der Rechtsprechung des BGH 50
1. Anwendung des § 5 Abs. 1 WStG 50
2. Vorliegen eines Verbotsirrtums nach § 17 StGB 51
3. Fehlende Begründung des BGH für seine Annahmen 51
III. Die Feststellung des aktuellen Unrechtsbewusstseins eines Täters 54
1. Das Bestehen erkenntnistheoretischer Probleme 54
2. Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung 55
a) Kommunikative Festsetzung über das Medium der Sprache 55
b) Einbeziehung spezifischer äußerlicher Kennzeichen der Tatbegehung 57
IV. Inhalt und Gegenstand des aktuellen Unrechtsbewusstseins 57
1. Der anzuwendende Maßstab im Rahmen des § 5 Abs. 1 WStG 58
2. Der Inhalt des Unrechtsbewusstseins im Rahmen des § 17 S. 1 StGB 59
a) Das Unrechtsbewusstsein als ablehnende Regung des Gewissens 60
aa) Das Unrechtsbewusstsein der DDR-Grenzsoldaten unter Zugrundelegung der genannten Auffassung 61
bb) Die Frage der Rechtsgeltung 65
cc) Der Standpunkt des BGH 68
b) Das Unrechtsbewusstsein als Kenntnis des Verstoßes gegen eine kollektive Norm 69
aa) Die Kenntnis der Sittenwidrigkeit oder der Sozialwidrigkeit als Gegenstand des Unrechtsbewusstseins 70
bb) Die materiale Wertordnung des Rechts als Gegenstand des Unrechtsbewusstseins 71
V. Erkenntnis des Verstoßes der tödlichen Schüsse gegen die verbindliche materiale Wertordnung des Rechts 72
1. Die besondere Problematik der Erkenntnisgewinnung in den „Mauerschützen“-Fällen 72
a) Die soziale Lebenswirklichkeit der Grenzsoldaten: Zugehörigkeit zu einer fremden Staats- und Rechtsordnung 74
aa) Das Recht in der politischen Ordnung der DDR 75
bb) Das sozialistische Menschenbild in der DDR 78
cc) Die Bedeutung des Eingehens auf die Lebenswirklichkeit eines Täters 80
b) Die tödlichen Schüsse als Erscheinungsform kollektiver Gewalt 82
aa) Die Rollen-Normen-Anpassung der Grenzsoldaten 84
bb) Der Einfluss gruppendynamischer Kräfte 86
c) Die Schwierigkeiten der Orientierung in einem totalitären System 88
aa) Die Grundsätze des Staschynskij-Falles 88
bb) Übergesetzlicher Schuldminderungsgrund wegen „Verstrickung in ein Unrechtssystem“? 90
d) Bewertung 93
2. Das Prinzip der Eliminierung bzw. Minimierung des Unrechtsbewusstseins der Grenzsoldaten seitens der DDR-Staatsführung 94
a) Die Bedeutung eines Befehlsnotstandes der Grenzsoldaten nach § 35 StGB 96
b) Die Entrechtung der Flüchtlinge 101
aa) Absprechung des Rechts auf Leben 102
bb) Die Kriminalisierung der Flüchtlinge 104
(1) Der Tatbestand der Republikflucht gem. § 213 StGB/DDR 104
(2) Die Qualifikation der Republikflucht als Verbrechen gem. § 213 Abs. 3 StGB/DDR 107
cc) Die Vermittlung des Flüchtlingsverhaltens und des Republikfluchtparagraphens gegenüber den Grenzsoldaten 110
(1) Die Verhinderung von Identifikationen durch Erzeugung von Distanz und Verfremdung 111
(2) Die Erzeugung von Verteidigungsreflexen 115
dd) Das „Entrechtungsbewusstsein“ der Grenzsoldaten 116
(1) Einbeziehung spezifischer äußerlicher Kennzeichen der Tatbegehung 117
(a) Die Geheimhaltung der Vorgänge an der Grenze 117
(b) Das Verhalten der DDR-Behörden im Anschluss an die Tötungen 119
(aa) Die Verschleierung des Geschehens gegenüber den Angehörigen 119
(bb) Weitere Verschleierungsmaßnahmen 121
(cc) Versetzung der Soldaten nach den Taten 121
(2) Die Bedeutung des Rechts auf Freizügigkeit 124
(a) Das Recht auf Freizügigkeit in der DDR unter Berücksichtigung des sozialistischen Menschenrechtsverständnisses 125
(b) Einbeziehung der Maßstäbe der Bundesrepublik 129
(aa) Die Regelung der Ausreisefreiheit in der BRD 130
(bb) Die bundesdeutschen Schusswaffengebrauchsbestimmungen für Grenzbeamte 131
c) Die Befehlslage an der Grenze 136
d) Das Schusswaffengebrauchsrecht in der DDR 143
aa) Die Schusswaffengebrauchsbestimmungen vor Erlass des Grenzgesetzes vom 25. März 1982 144
bb) Das Grenzgesetz vom 25. März 1982 145
(1) Rechtsstaatliches Antlitz des § 27 GrenzG/DDR 148
(2) Verdeckung der Tötungsbefugnis mittels eines Rechtfertigungsgrundes 148
(3) Die Auslegung und Vermittlung des § 27 GrenzG/DDR seitens der staatlichen Stellen der DDR 149
(a) Die „Staatspraxis“ 149
(b) Das Prinzip der sozialistischen Gesetzlichkeit 150
(4) Einsicht des Verstoßes der Norm gegen vorgeordnete Rechtsprinzipien 154
(a) Die Grundsätze des Hanke-Falles 154
(b) Hindernisse aus Sicht der Grenzsoldaten 157
(aa) Bestehen des grundsätzlichen Tötungsverbotes auch in der DDR 157
(bb) Unterdrückung der Strafverfolgung und Belobigung der Schützen 159
(cc) Zunehmende internationale Anerkennung der DDR 161
e) Die politisch-ideologische Einflussnahme auf die Grenzsoldaten 164
aa) Vermittlung eines Feindbildes und Betonung der Notwendigkeit des Grenzdienstes 166
bb) Übertragung kriegsethischer Vorstellungen auf die außerkriegerische Situation an der Grenze 167
f) Bewertung 170
VI. Zusammenfassung Drittes Kapitel 170
Viertes Kapitel: Das potentielle Unrechtsbewusstsein der DDR-Grenzsoldaten 174
I. Begriffsbestimmung 174
II. Das potentielle Unrechtsbewusstsein der DDR-„Mauerschützen“ in der Rechtsprechung des BGH 175
1. Die „Offensichtlichkeit“ im Rahmen des § 5 Abs. 1 WStG 175
2. Kriterien innerhalb der Norm des § 17 StGB 176
3. Bewertung der gerichtlichen Argumentation 177
III. Die Vermeidbarkeitskriterien des Verbotsirrtums nach § 17 S. 2 StGB 178
1. Anlass der Vergewisserung 179
2. Die real aufweisbare Möglichkeit zur Erkenntnis der Rechtswidrigkeit 181
a) Eigenes Nachdenken 181
b) Einholen von Erkundigungen 190
3. Einbeziehung präventiver Erwägungen 193
4. Bewertung 194
IV. Zusammenfassung Viertes Kapitel 195
Fünftes Kapitel: Gesamtergebnis und Schlussbetrachtung 198
Literaturverzeichnis 202
Sachwortverzeichnis 219