Prozessökonomische Alternativen zur Verständigung im Strafverfahren
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Prozessökonomische Alternativen zur Verständigung im Strafverfahren
Schriften zum Strafrecht, Vol. 333
(2019)
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Martin Göttgen studierte Rechtswissenschaften an der Universität Trier. Nach seinem 1. Staatsexamen war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Professuren von Prof. Dr. Bernd Hecker und Prof. Dr. Till Zimmermann tätig. 2018 begann er das Referendariat am Landgericht Mainz. Zudem war er von November 2017 bis Februar 2019 als Redakteur für die Juristische Schulung (JuS) tätig, für die er zuvor über sechs Jahre Korrekturleser war. 2015 erhielt er den ersten Preis im Aufsatzwettbewerb der Stiftung der Hessischen Rechtanwaltschaft zum Thema »Deals im Strafverfahren. Darf sich ein Angeklagter im Strafverfahren ›freikaufen‹?«. Göttgen lebt mit Ehefrau und Tochter in Mainz-Marienborn und liebt Musik und Reisen.Abstract
Die Arbeit beleuchtet die Verständigung im Strafverfahren nach dem Grundsatzurteil des BVerfG. Die Regelungen zur Verständigung werden in der Praxis noch immer defizitär angewandt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Verständigung zumeist nicht prozessökonomisch ist, da die Mitteilungs- und Dokumentationspflichten den zeitlichen Vorteil des verständigungsbasierten Geständnisses aufheben. Zwar kann die Problematik bereits dadurch entschärft werden, dass ein ernsthaft reuiges Geständnis den entscheidenden Vorrang vor dem rein taktischen verständigungsbasierten Geständnis erfährt. Allheilmittel ist dies aber sicher nicht.Daher wurde in ausführlichen Rechtsvergleichen mit dem Strafprozessrecht in Österreich, der Schweiz (abgekürztes Verfahren) und Luxemburg (jugement sur accord) nach prozessökonomischen Alternativen gesucht. Eine solche findet sich bereits im bestehenden deutschen Verfahrensrecht, namentlich in den Opportunitätsvorschriften der §§ 154, 154a StPO. Diese geltende Gesetzeslage ist ausreichend, um auch den aus Großverfahren resultierenden Problemen begegnen zu können.»Trial-Efficient Alternatives to the Plea Bargaining in Germany«The plea bargaining in Germany (negotiated agreement) is almost never trial-efficient. Although the negotiated tactical confession helps to reduce the amount of proof needed, there are too many duties alongside every plea bargaining. Only the remorseful confession is trial-efficient. From the plea bargaining in other countries (Austria, Switzerland and Luxembourg) we learn that the more trial-efficient alternative is the dispense of insignificant penalties.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 10 | ||
A. Gegenstand der Arbeit und praktische Relevanz | 13 | ||
B. Rechtslage in Deutschland und Problemstellung | 16 | ||
I. Verfassungsrechtliche Grundsätze im Widerstreit | 16 | ||
1. Grundsätze, die von der Verständigung beeinträchtigt werden können | 16 | ||
a) Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren | 17 | ||
b) Selbstbelastungsfreiheit | 19 | ||
c) Öffentlichkeitsgrundsatz | 20 | ||
d) Schuldprinzip | 24 | ||
e) Richterliche Neutralität | 27 | ||
f) Unschuldsvermutung | 30 | ||
g) Gleichheitsgrundsatz | 31 | ||
h) Anspruch auf rechtliches Gehör | 34 | ||
2. Grundsätze, die von der Verständigung gefördert werden sollen | 34 | ||
a) Gewährleistung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege | 34 | ||
b) Beschleunigungsgebot | 35 | ||
c) Prozessökonomie | 36 | ||
d) Konzentrationsmaxime | 36 | ||
3. Abwägung der widerstreitenden Belange im Rahmen der praktischen Konkordanz | 37 | ||
II. Einfach-rechtliche Probleme des Verständigungsgesetzes | 40 | ||
1. Strafober- und Strafuntergrenze | 40 | ||
2. Beweisverwertungsverbot des § 257c IV 3 StPO und Fernwirkung | 42 | ||
3. Kein zwingendes Geständnis | 44 | ||
4. Ermessensfehler bei kategorischer Ablehnung der Verständigung durch das Gericht | 45 | ||
5. Trägt die Verständigung tatsächlich zur Prozessökonomie bei? | 47 | ||
III. Die fehlerhafte Systematik des § 257c StPO | 53 | ||
IV. Tatsächliche Probleme – oder: wo kein Kläger (Rechtsmittelführer), da kein (Revisions-)Richter | 54 | ||
C. Rechtliche Situation im Ausland und Lehren für das deutsche Recht | 56 | ||
I. Österreichisches Strafprozessrecht | 56 | ||
1. Verständigungstendenzen und Kodifizierung | 56 | ||
2. Lehren für das deutsche Recht | 59 | ||
II. Schweizerisches Strafprozessrecht | 61 | ||
1. Verständigungstendenzen und Kodifizierung | 61 | ||
a) Antrag des Beschuldigten | 64 | ||
b) Aufgaben der Staatsanwaltschaft | 67 | ||
c) Das Durchführungsverfahren | 71 | ||
aa) Ermittlungen | 71 | ||
bb) Dokumentation | 79 | ||
cc) Privatklägerbeteiligung | 80 | ||
d) Das gerichtliche Bestätigungsverfahren | 82 | ||
aa) Weg zum Urteil | 82 | ||
bb) Öffentlichkeit | 90 | ||
cc) Abwesenheitsverfahren | 91 | ||
dd) Mögliche Entscheidungen | 93 | ||
e) Rechtsmittel | 97 | ||
f) Sonderproblem: Abgekürztes Verfahren bei mehreren Tatbeteiligten | 99 | ||
2. Lehren für das deutsche Recht | 102 | ||
a) Differenzierung bei der richterlichen Unabhängigkeit | 102 | ||
b) Unterschiede im Beweisrecht | 103 | ||
c) Rechtliche Stellung des Privatklägers | 106 | ||
d) Selbstbelastungsfreiheit | 106 | ||
e) Begründungserfordernis | 107 | ||
f) Ermittlungsgrundsatz | 107 | ||
g) Systematik | 108 | ||
h) Rechtsmittelverzicht | 108 | ||
aa) Diametral entgegengesetzte Regelung der Anfechtbarkeit | 108 | ||
bb) Beispielsfälle und Vorzug der Opportunitätsregelungen | 110 | ||
i) Vergleich zum deutschen vereinfachten Jugendverfahren | 116 | ||
j) Vergleich zum deutschen beschleunigten Verfahren | 117 | ||
k) Möglichkeit der Verfahrenserleichterung | 119 | ||
l) Begrenzung des Strafmaßes | 120 | ||
III. Luxemburgisches Strafprozessrecht | 121 | ||
1. Verständigungstendenzen und Kodifizierung | 121 | ||
2. Lehren für das deutsche Recht | 127 | ||
D. Konsequenzen und Problemlösung | 130 | ||
I. Möglichkeiten der Umgehung der rechtmäßigen Verständigung | 130 | ||
II. Strafbarkeitsrisiken bei informellen „Deals“ | 133 | ||
1. Rechtsbeugung (§ 339 StGB) | 134 | ||
a) Beispielsfall und Grundsätzliches | 134 | ||
b) Täterkreis, Tatsituation und Tathandlung | 135 | ||
aa) Staatsanwalt als möglicher Täter | 135 | ||
bb) Richter als Täter | 137 | ||
c) Subjektiver Tatbestand | 138 | ||
d) Prägnante weitere Beispiele | 139 | ||
2. Strafvereitelung im Amt (§§ 258, 258a StGB) | 140 | ||
a) Objektiver Tatbestand | 140 | ||
b) Beispielsfälle | 141 | ||
3. Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB) | 141 | ||
a) Objektiver Tatbestand | 141 | ||
b) Mangelnde Urkundsqualität | 141 | ||
4. Fazit und aktuelle Folgen für Richter und Staatsanwalt | 143 | ||
5. Strafbarkeit des Verteidigers | 144 | ||
a) Parteiverrat (§ 356 StGB) | 144 | ||
b) Weitere Tatbestände | 146 | ||
III. Verfahren nach §§ 154 II und 154a II StPO als prozessökonomische Alternative zur Verständigung | 146 | ||
1. Abwägung der Vor- und Nachteile der Verständigung | 146 | ||
2. Opportunitätsprinzip prozessökonomischer als die Verständigung | 147 | ||
a) Reduzierte Anwendbarkeit von §§ 153, 153a StPO | 147 | ||
b) Vorzüge der §§ 154, 154a StPO | 148 | ||
c) „Königsweg“ der §§ 154 II und 154a II StPO nach Eröffnung des Hauptverfahrens | 149 | ||
aa) Grundsätzliche Erwägungen | 149 | ||
bb) Einbindung des Beschuldigten nicht erforderlich | 151 | ||
cc) Ermöglichung schuldangemessener Bestrafung | 152 | ||
dd) Realisierung der Strafzwecke | 154 | ||
ee) Keine Schlechterstellung des Nebenklägers im Vergleich zur Verständigung | 155 | ||
ff) Rechtssicherheit | 156 | ||
gg) Einsparpotenzial anhand eines Beispielsfalls | 156 | ||
hh) Gegenleistung des Beschuldigten nicht erforderlich | 158 | ||
ii) Keine Kumulation von Verständigung und §§ 154 II, 154a II StPO | 158 | ||
jj) Prägnanter Beispielsfall | 160 | ||
E. Zusammenfassung der Ergebnisse und Ausblick | 162 | ||
Literaturverzeichnis | 168 | ||
Sachregister | 180 |