Subalternität, Rassismus, Recht
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Subalternität, Rassismus, Recht
Eine Analyse der deutschen Rechtsprechung
Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 308
(2023)
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Carolin Stix studierte Rechtswissenschaft in Frankfurt am Main mit dem Schwerpunkt Grundlagen des Rechts. Nach ihrem ersten Staatsexamen war sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsvergleichung von Prof. Dr. Dr. h.c. Ute Sacksofsky beschäftigt. 2022 wurde sie vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe Universität Frankfurt am Main mit einer Arbeit im Gleichheitsrecht promoviert. Seit September 2022 ist sie Rechtsreferendarin im Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main.Abstract
Die Arbeit führt in einer breit angelegten empirischen Analyse vor, dass die deutsche Rechtsprechung mit einem verkürzten Rasse- und Rassismusverständnis operiert. Die Untersuchung wählt mit dem Konzept der Subalternität einen Zugriff, der Rassismus vornehmlich als ein diskursives Phänomen, den strukturellen Ausschluss aus hegemonialen Diskursen, präsentiert. Darauf aufbauend wird deutlich, dass ein wirksamer Rechtsschutz gegen rassistische Diskriminierung nicht primär auf gesetzgeberischer Ebene scheitert. Vielmehr ergeben sich die ausschlaggebenden Probleme in einer kenntnisreichen Auslegung der bereits geltenden Schutznormen. Ausgehend von diesem Befund ist eine drastische Erweiterung der gleichheits- und rassismuskritischen Kompetenz im Recht sowie eine Auseinandersetzung mit der Limitation der eigenen Lebenserfahrung und damit des eigenen Wissens notwendig.»Subalternity, Racism, Law«: The thesis combines a critical discourse analysis with an analysis of power and law. The broad, empirical analysis can show that German jurisprudence operates with an under-complex understanding of race and racism that reserves racism for extreme forms of violence or equates it with right-wing extremism.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Danksagung | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 11 | ||
Einleitung | 15 | ||
A. Untersuchungsgegenstände: Subalternität, Rassismus, Recht | 18 | ||
B. Theoretische Verortung | 22 | ||
C. Methodische Herangehensweise | 24 | ||
D. Persönliche Situiertheit | 25 | ||
E. Gang der Untersuchung | 29 | ||
Kapitel 1: Subalternität und Rassismus als miteinander verwobene Phänomene | 31 | ||
A. Sprechen, Hören und Gehörtwerden: zum Konzept der Subalternität | 31 | ||
I. Bildungs- und militärsprachliche Verwendung | 32 | ||
II. Subalternität als politische Analysekategorie | 33 | ||
1. Bedingungen eines subalternen Diskursstatus | 33 | ||
a) Mangelnde Organisation und fehlendes Bewusstsein (Gramsci) | 33 | ||
b) Koloniale Subordination (Subaltern Studies Group) | 37 | ||
c) Ungleiche Artikulationschancen (Spivak) | 39 | ||
aa) Wessen Stimme wird (weshalb nicht) gehört? | 40 | ||
bb) Intersektionale Subalternität: die kolonialisierte Frau | 44 | ||
cc) Kritische Einwände | 48 | ||
2. Wege aus der diskursiven Verstummung | 50 | ||
a) Fremd- oder Selbstrepräsentation? | 50 | ||
b) Subversives Hören | 54 | ||
III. Übertragbarkeit der Subalternitätsforschung | 56 | ||
IV. Begriffsgebrauch dieser Arbeit | 58 | ||
B. Rassismus- und Rassediskurse in Europa: Konstruktion rassifizierter Differenz | 60 | ||
I. Rassismus als (koloniale) Vernichtungsideologie | 61 | ||
II. Rassismus als sozialpsychologisches Bewusstseinsphänomen | 65 | ||
III. Rassismus als strukturelles Macht- bzw. Dominanzverhältnis | 68 | ||
IV. Eine Arbeitsdefinition von Rassismus | 70 | ||
C. Subalternität aus rassismuskritischer Perspektive | 71 | ||
I. Vermeidungsdiskurse um Rassismus als Subalternisierung | 72 | ||
1. „Nicht so wichtig!“: kolonialrassistische Wissensbestände | 72 | ||
2. „Zum Glück vorbei!“: nationalsozialistische Kontinuitäten | 76 | ||
3. „Wir sind (k)ein Einwanderungsland!“: verdrängte Realitäten | 79 | ||
4. Diskursive Öffnungen der letzten Jahre | 81 | ||
II. Prozess der Rassifizierung als Subalternisierung | 84 | ||
1. Grundlagen zum Begriff der Rassifizierung | 85 | ||
2. Rassifizierungsprozess subaltern gedeutet | 87 | ||
a) Markierung: Kennzeichnung nichtweißer Stimmen | 87 | ||
b) Positionierung: Privilegierung weißer Artikulations- und Hörweisen | 89 | ||
c) Naturalisierung/Neutralisierung: Trugbild der gleichberechtigten Diskursteilnahme | 91 | ||
d) Folge: Diskursausschluss | 93 | ||
3. Zwischenergebnis | 94 | ||
D. Zusammenfassung | 95 | ||
Kapitel 2: Judikative Artikulationsbedingungen: „Hört das Recht die Subalterne?“ | 97 | ||
A. Rechtstheoretische Reflexion | 97 | ||
I. Sprache und Recht: Recht sprechen | 98 | ||
II. Regulative Idee der objektiven Justiz: Ideal und Kritik | 101 | ||
B. Rechtssoziologische Reflexion | 104 | ||
I. Zugangshürden zum Gericht | 104 | ||
II. Dominanzverhältnisse im Gerichtssaal | 108 | ||
III. Kognitive Verzerrungen: der (Judicial) Racial Bias | 109 | ||
C. Rechtsdogmatische Reflexion | 114 | ||
I. Prämissen des Gleichheitsrechts | 114 | ||
1. Leitbild der Symmetrie | 115 | ||
2. Freiheit vor Gleichheit: in dubio pro libertate? | 117 | ||
II. „Rasse“ in der Verfassungsrechtsprechung | 119 | ||
III. Unterkomplexes Rasseverständnis des deutschen Schrifttums | 125 | ||
1. Bestandsaufnahme | 125 | ||
2. Dogmatische Differenzierung | 127 | ||
IV. Schwachstellen des einfachgesetzlichen Diskriminierungsschutzes | 130 | ||
1. Intersektionale Anwendung | 132 | ||
2. Statistische Datengrundlage | 133 | ||
D. Zusammenfassung | 135 | ||
Kapitel 3: Empirische Rechtsprechungsanalyse | 137 | ||
A. Auswahl der Methoden | 137 | ||
I. Grundlage: Dokumentenanalyse | 138 | ||
II. Vertiefung: diskursanalytisch gerahmte Inhaltsanalyse | 139 | ||
III. Konkretes Vorgehen: Erhebung, Auswahl und Interpretation des Materials | 142 | ||
1. Bestimmung des Analysematerials: Korpusbildung | 142 | ||
a) Bestimmung des Materials | 142 | ||
b) Analyse der Entstehungssituation | 145 | ||
c) Formale Charakterisierung | 146 | ||
2. Theoriegeleitete Fragestellung und Analysetechnik | 147 | ||
IV. Hinweise zur rechtswissenschaftlichen Anwendung | 148 | ||
1. Adaptionen für den Rechtsdiskurs | 149 | ||
2. Herausforderungen und Limitationen | 150 | ||
B. Erster Analyseteil: Vermeidungsdiskurse um Rassismus als Subalternisierung | 152 | ||
I. Rassismus erkennen und bewerten | 152 | ||
1. Rassistische Motive in der Strafzumessung | 153 | ||
a) § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB | 153 | ||
b) Gerichtliche Prüfung | 156 | ||
c) Zwischenergebnis | 163 | ||
2. Rassismus im Arbeitsverhältnis | 163 | ||
a) Rassistische Beleidigungen als Kündigungsgrund | 164 | ||
b) Gerichtliche Prüfung | 165 | ||
c) Zwischenergebnis | 173 | ||
3. Rassismus im Zugang zu Waren und Dienstleistungen | 175 | ||
a) Diskotheken-Fälle | 176 | ||
b) Gerichtliche Prüfung | 179 | ||
4. Zwischenergebnis | 184 | ||
II. Berücksichtigung von Rassismus als diskursives Machtverhältnis | 185 | ||
1. Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht im Spannungsverhältnis | 185 | ||
2. Tatbestand der Volksverhetzung, § 130 StGB | 186 | ||
3. Beurteilung mehrdeutiger Aussagen | 188 | ||
4. Auszug aus der Judikatur | 190 | ||
a) Strafbarkeit von Wahlplakaten | 190 | ||
b) N-Wort-Entscheidungen | 200 | ||
5. Zwischenergebnis | 204 | ||
III. Conclusio: Rassismus „überhören“ | 204 | ||
C. Zweiter Analyseteil: Rassifizierungsprozess als Subalternisierung | 205 | ||
I. Christlich und objektiv vs. die „tendenziöse Richterin mit Kopftuch“ | 206 | ||
1. Entscheidung des BVerfG – Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen | 207 | ||
2. Gerichtliche Argumentation im Lichte des Rassifizierungsprozesses | 210 | ||
a) Markierung und Positionierung | 210 | ||
b) Neutralisierung | 213 | ||
c) Ausschluss | 215 | ||
3. Zwischenergebnis | 216 | ||
II. Verzweiflung vs. „fremdländische Familientradition“: Femizide in Deutschland | 216 | ||
1. Begriffsbestimmung: Partnertötung und „Ehrenmord“ | 219 | ||
2. Strafrechtliche Einordnung: Mord aus niedrigen Beweggründen? | 222 | ||
3. Gerichtliche Argumentation im Lichte des Rassifizierungsprozesses | 226 | ||
a) Markierung und Positionierung | 227 | ||
b) Neutralisierung | 232 | ||
c) Ausschluss | 233 | ||
4. Zwischenergebnis | 234 | ||
III. Conclusio: Rassifizierte Stimmen „verzerren“ | 235 | ||
D. Gesamtanalyse | 236 | ||
Zusammenfassung | 238 | ||
Literaturverzeichnis | 242 | ||
Sach- und Personenverzeichnis | 274 |