Bricht Völkerrecht Landesrecht?
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Bricht Völkerrecht Landesrecht?
Der Staat, Vol. 54 (2015), Iss. 1 : pp. 63–95
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Dr. Alexander Kees, Maître en droit
Cited By
-
Contemporary Issues in Human Rights Law
Does Formal Rank Matter?
Hwang, Shu-Perng
2018
https://doi.org/10.1007/978-981-10-6129-5_5 [Citations: 0]
Abstract
Rang und Wirkungen des Völkerrechts in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes scheinen im Wesentlichen klar zu sein. Die insoweit einschlägigen – wenigen – ausdrücklichen Verfassungsbestimmungen werden durch das ungeschriebene Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Landesrechts ergänzt, das in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erhebliche Bedeutung hat. Außerhalb eines weitgehend anerkannten Kernbereichs ist die Reichweite dieses Gebots jedoch ungeklärt. Die hier herrschende Meinungsvielfalt wird nicht zuletzt durch wenig scharf formulierte obiter dicta des Bundesverfassungsgerichts verstärkt. In diesem Kontext haben das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesfinanzhof nunmehr weitreichende Entscheidungen über die innerstaatliche Wirkkraft des Völkerrechts getroffen. Sie sprechen völkerrechtlichen Verträgen landesrechtliche Wirkungen zu, die sich auf dem Boden des bislang herrschenden dogmatischen und methodischen Verständnisses nicht ohne Weiteres erklären lassen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts setzen sich Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention gegen kollidierendes Verfassungsrecht durch. Es appelliert an den Gesetzgeber, diese Vorgaben ohne Rücksicht auf die Verfassungsrechtslage umzusetzen. Der Bundesfinanzhof hält völkerrechtswidrige Gesetze für verfassungswidrig. Solange Völkervertragsrecht gelte, sei der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehindert, landesrechtlich abzuweichen. Beide Gerichte berufen sich auf die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes. Diese Rechtsprechung gibt Anlass, den normativen Charakter sowie Konturen und Grenzen der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes zu ermitteln.