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Schweidler, W. Gibt es eine moralische Pflicht zur Organspende?. . - Thesen zu einem umstrittenen Thema -. Zeitschrift für Lebensrecht, 20(1), 2-9. https://doi.org/10.3790/zfl.20.1.2
Schweidler, Walter "Gibt es eine moralische Pflicht zur Organspende?. - Thesen zu einem umstrittenen Thema -. " Zeitschrift für Lebensrecht 20.1, 2011, 2-9. https://doi.org/10.3790/zfl.20.1.2
Schweidler, Walter (2011): Gibt es eine moralische Pflicht zur Organspende?, in: Zeitschrift für Lebensrecht, vol. 20, iss. 1, 2-9, [online] https://doi.org/10.3790/zfl.20.1.2

Format

Gibt es eine moralische Pflicht zur Organspende?

- Thesen zu einem umstrittenen Thema -

Schweidler, Walter

Zeitschrift für Lebensrecht, Vol. 20 (2011), Iss. 1 : pp. 2–9

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Prof. Dr. Walter Schweidler, Eichstätt

References

  1. Dieter Birnbacher, Tun und Unterlassen, Stuttgart 1995, 103 ff.  Google Scholar
  2. Dieter Birnbacher, Einige Gründe, das Hirntodkriterium zu akzeptieren, in: Johannes Hoff/Jürgen in der Schmitten (Hrsg.): Wann ist der Mensch tot? Organverpflanzung und “Hirntod” - Kriterium, Reinbek 1994, 39.  Google Scholar

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Walter Schweidler: Gibt es eine moralische Pflicht zur Organspende?\r- Thesen zu einem umstrittenen Thema 2
1. Die „Organspende“ ist keine Spende. 2
2. Zur Beurteilung einer möglichen Organspendepflicht kommen nur zwei philosophische Grundpositionen in Betracht: die utilitaristische und die deontologische. Zumindest der Handlungsutilitarismus verbietet sich aus grundsätzlichen philosophischen Erwägungen. 2
3. Primärer und ursprünglicher Gegenstand ethischer Beurteilung sind Typen von Handlungen. Eine vom Typ her in sich gute Handlung kann durch Umstände oder Intention zu einer schlechten werden; das Umgekehrte gilt nicht. 4
4. Die Verantwortung für die Beschreibung einer Handlung trägt der Handelnde immer auch selbst; sie kann ihm weder von der Wissenschaft noch von der Gesellschaft abgenommen werden. Die Frage, ob ein Mensch nach dem Absterben aller Hirnfunktionen tot ist, kann moralisch verbindlich weder von der Medizin noch vom Gesetzgeber, sondern muss vom Arzt, aber auch von einem potentiellen „Organspender“ höchstpersönlich beantwortet werden. Gegen die Annahme des sog. Hirntodkriteriums sprechen gewichtige Einwände, die sich aus dem Prinzip der Untrennbarkeit von Personsein und Menschsein ergeben. 5
5. Der die Organtransplantation konstituierende Handlungskomplex muss nicht als Tötungsakt, sondern kann als durch den medizinischen Fortschritt eröffneter Handlungstyp sui generis interpretiert werden. Wer ihn im konkreten Einzelfall ermöglicht, beteiligt sich nicht an einer Tötungshandlung, sondern gestattet einem Arzt, sein Sterben dergestalt zu verzögern, dass die ethisch an sich erlaubte Organentnahme nach dem Tode mit dem Ende des Sterbeprozesses zusammenfällt. Die Entnahmehandlung selbst kann in Verbindung mit der vorherigen Verzögerungshandlung als Unterlassung weiterer Lebensverlängerung betrachtet werden. 7
6. Wer den Akt der Sterbensverzögerung zum Zweck und mit der Folge der Organentnahme konkret ermöglicht, trägt Verantwortung für die Möglichkeit der Kompromittierung dieses Handelns durch die Umstände,die gesellschaftlichen Folgen oder die sittlich schlechte Intention des Arztes. Nur die höchstpersönliche Einwilligung des „Spenders“ aufgrund eines gerechtfertigten Vertrauensverhältnisses zu dem die Sterbensverzögerung herbeiführenden Arzt kann dieser Verantwortung gerecht werden. Ohne sie ist die Handlung der künstlichen Sterbensverzögerung ethisch zu verurteilen. 8
7. Der potentielle Empfänger eines Organs hat nicht die Verpflichtung, sich aktiv um die Aufklärung der für die ethische Beurteilung der ihm helfenden Handlung relevanten Umstände und Besonderheiten zu bemühen; für ihn genügt es, dass der Handlungstyp Organtransplantation als solcher ethisch nicht zu verurteilen ist. Die Frage, ob er ein Recht auf das Organ des „Spenders“ hat, braucht er sich nicht stellen zu lassen. Eben deshalb kann er aber auch keinen direkten Anspruch darauf erheben,ein Organ zu erhalten. Deshalb verbietet sich jede rechtliche Verknüpfung zwischen der Bereitschaft zur „Organspende“ und der Chance, in ihren Genuss zu kommen. Moralisch hingegen ist es ein Gebot der Fairness, von anderen nicht zu erwarten, was man selbst nicht zu geben breit ist.\r 9