Die verfassungsrechtliche Verantwortung des Chefs des OKW Wilhelm Keitel
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Die verfassungsrechtliche Verantwortung des Chefs des OKW Wilhelm Keitel
Der Staat, Vol. 52 (2013), Iss. 2 : pp. 294–316
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Professor Dr. Andreas Dietz, Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Alfred-Wainald-Weg 28, 86169 Augsburg.
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Als Staatsprinzip erfordert das Primat der Politik eine strukturelle und rechtlich gesicherte Einordnung der Armee in das Staatsgefüge und ihre Unterordnung unter die zivile Staatsführung. Im Idealfall ergibt sich daraus eine Verantwortungsverteilung derart, dass die zivile Staatsleitung zwar das letzte Wort hat, sich aber von der militärischen Führung beraten lassen und auf begründete militärische und rechtliche Einwände Rücksicht nehmen muss. Die Armeeführung trägt eine Mitverantwortung für das Wohl des Staats, seiner Bürger und Soldaten.
Der Gegenentwurf zu diesem Idealbild ist eine der zivilen Staatsleitung bedingungslos unterworfene Armee, in der die Armeeführung auf jede Mitsprache verzichtet und alle Befehle befolgt, selbst wenn sie verbrecherische Ziele verfolgen. Einen solchen Tiefpunkt des Primats der Politik stellt das Oberkommando der Wehrmacht (OKW, 1938-1945) dar. Sein Chef Wilhelm Keitel trug jedoch selbst in der Diktatur des "Dritten Reichs", deren Beginn sich in diesem Jahr zum 80. Mal jährt, nicht nur straf-, sondern auch verfassungsrechtliche Verantwortung für sein Handeln. Die Grundlagen hierfür lieferte das ministerielle Gegenzeichnungsrecht gegenüber Anordnungen des obersten Befehlshabers der Wehrmacht und subsidiär das dahinter stehende Primat der Politik als staatsformübergreifendes Staatsprinzip.