DIE DEMOKRATISCHE REPUBLIK – VON ROUSSEAU ZU KANT
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DIE DEMOKRATISCHE REPUBLIK – VON ROUSSEAU ZU KANT
Der Staat, Vol. 51 (2012), Iss. 4 : pp. 491–523
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Prof. Dr. Rolf Grawert, Aloysiusstraße 28, 44795 Bochum.
Cited By
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Quo Vadis, Humanismus?
Sinnlichkeit, Vernunft und Aufklärung
Frindte, Wolfgang
2022
https://doi.org/10.1007/978-3-658-36638-4_5 [Citations: 0] -
Konstitutiven von Konstitutionen
Grawert, Rolf
Der Staat, Vol. 52 (2013), Iss. 4 P.503
https://doi.org/10.3790/staa.52.4.503 [Citations: 0]
Abstract
Aus Anlass des 300. Geburtstages von Jean-Jacques Rousseau und der Publikation des “Contrat social“ vor 250 Jahre verfolgt der Beitrag die Entwicklung staatsphilosophischer Entwürfe einer demokratischen Republik. Der Rückblick auf Rousseaus geistesgeschichtliche Paten zeigt zunächst, wie stark Aristoteles' begriffliche und systematische Vorgaben die Aufklärung beeinflussten. Deren Konzepte unterstellen allerdings einen aus der “Natur“ zur “perfectabilité“ entwickelten Vernunftmenschen, der sich aus einer Mischung von Selbsterhaltungstrieb und Sozialvernunft in eine Gemeinschaft begibt, die seine “natürliche“ in eine staatsbürgerliche Freiheit umwandelt. Die Umwandlung erfolgt im Prozess der Vergemeinschaftung. Rousseau rechnet dabei mit Freiwilligkeit, Kant dagegen mit einer pflichtigen Moral. Beide stützen und legitimieren die Gemeinschaft durch ein unterschiedlich wirksames Konsensprinzip, so dass die Souveränität einerseits bei dem als mentale Einheit begriffenen, sich ständig konstituierenden “Volk“, andererseits bei der verfassten Staatsbürgerschaft lokalisiert wird. Rousseau und Kant weisen dem Gesetzgeber die Maßgabekompetenz zur Formierung der Gesellschaft zu. Doch während Rousseau, die Landgemeinde vor Augen, auf dem Gesamtvolk als Gesetzgeber besteht und dem Repräsentationssystem misstraut, organisiert Kant, Preußen, andererseits die Revolution vor Augen, seinen Rechtsstaat durch berechenbar organisierte Funktionen, inklusive des gesetzlich gebundenen Monarchen. Im Hinblick auf den späteren Sozialstaat besonders bemerkenswert ist die von Aristoteles vorgegebene Einsicht, dass eine Republik eine gewisse sozial-ökonomische Ausgeglichenheit voraussetzt: Rousseau und der radikalere Mably plädieren für eine Republik des sozialen Ausgleich, um einer politischen Desintegration vorzubeugen. Kant nimmt das Thema auf, fordert von seinen Staatsbürgern aber die Fähigkeit zur “sibisufficientia“. Im Anschluss an diese Konzeptübersicht wird Rousseau als Verfassungspragmatiker in Erinnerung gerufen: Seine Verfassungsentwürfe für Korsika und Polen gehen auf die dort herrschenden Verhältnisse ein – Montesquieu war Rousseau wohl vertraut – und modifizieren die im “Contrat social“ konzipierten Ideen pragmatisch. Der Rückblick auf Staatstheorien des 18. Jh. soll insgesamt indizieren, wie intensiv Staatstheorien der europäischen Aufklärung, ungeachtet ihrer zeitgebundenen Befangenheiten, in die Gegenwart ausstrahlen.