Studien zum Gefahrurteil im Strafrecht
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Studien zum Gefahrurteil im Strafrecht
Ein Abschied vom objektiven Dritten
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 201
(2008)
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Abstract
Der objektive Tatbestand eines Erfolgsdeliktes ist nur dann verwirklicht, wenn der Täter durch sein Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr des Eintritts eines tatbestandlichen Erfolges geschaffen und sich diese Gefahr im Erfolg realisiert hat. Spiegelbildlich dazu kann das Unrecht einer Tatbestandsverwirklichung nach Notwehr- oder Notstandsregeln ausgeschlossen sein, weil er zugleich die einem anderen Rechtsgut drohende Gefahr abgewendet hat. Der Verfasser stellt sich die Frage, auf welcher Tatsachengrundlage das Vorliegen solcher Gefahren zu ermitteln ist.Für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes soll es der herrschenden Meinung zufolge darauf ankommen, dass die Handlung des Täters nach dem einem gedachten objektiven Dritten erkennbaren Sachverhalt (objektiv ex ante) gefährlich ist. Im Rahmen der Rechtfertigung wird überwiegend darauf abgestellt, ob in Wirklichkeit (objektiv ex post) eine Gefahr für ein Rechtsgut bestand. Dem Urteil des objektiven Dritten wird hier nur im Bereich der hoheitlichen Gefahrenabwehr sowie in einigen Sonderfällen, insbesondere bei so genannten Scheinangriffen Bedeutung beigemessen. Der Autor unterzieht diese herrschende Meinung einer grundlegenden Kritik, deren zentrales Anliegen im Untertitel zum Ausdruck kommt. Es geht ihm um den Nachweis, dass die Probleme des strafrechtlichen Gefahrbegriffs besser und einfacher ohne Rückgriff auf das Wissen des objektiven Dritten zu lösen sind.Die Arbeit wurde mit dem Preis der Goethe-Buchhandlung für die "Beste Dissertation des Jahres 2007 der Juristischen Fakultät" der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ausgezeichnet.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 14 | ||
Einleitung | 19 | ||
Kapitel 1: Allgemeine Diskussion des Risikobegriffs | 27 | ||
A. Darstellung und Analyse der objektiven ex ante-Betrachtung | 27 | ||
I. Das Gefahrurteil im Deliktsaufbau der herrschenden Meinung | 28 | ||
1. Die Verhaltensgefährlichkeit als Differenzurteil | 29 | ||
2. Verhaltensgefährlichkeit als Merkmal des Erfolgsdeliktstatbestandes | 32 | ||
a) Die Sachverhaltsbasis des ex ante-Urteils im objektiven Tatbestand | 34 | ||
aa) Irrtümer der Maßstabsperson: Korrekturen bei Risikobegriff oder Erfolgszurechnung | 38 | ||
bb) Der Einfluss des Sonderwissens | 41 | ||
cc) Die dogmatische Verortung der Sonderfähigkeiten | 43 | ||
b) Der Gefährdungsvorsatz | 44 | ||
c) Individuelle Gefährdungserkennbarkeit als Merkmal der Fahrlässigkeitsschuld | 45 | ||
3. Die Eignung zur Gefahrabwendung als Verhaltensmerkmal des Rechtfertigungstatbestandes | 46 | ||
a) Die Sachverhaltsbasis des ex ante-Urteils im objektiven Rechtfertigungstatbestand | 46 | ||
b) Der Vorsatz hinsichtlich der Ungeeignetheit zur Gefahrabwendung analog § 16 I 1 | 48 | ||
c) Individuelle Erkennbarkeit der Ungeeignetheit zur Gefahrabwendung als Fahrlässigkeitsschuldmerkmal | 49 | ||
II. Analyse und Folgerungen | 50 | ||
1. Objektive ex ante-Betrachtung als objektive Erkennbarkeit | 50 | ||
a) Friktionen bei ausschließlicher ex post-Korrektur der Risikorealisierung | 51 | ||
b) Erkennbarkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens | 52 | ||
c) Erkennbarkeit des Fehlens rechtfertigender Umstände | 53 | ||
2. Fehlender Einfluss auf die Strafbarkeit | 54 | ||
3. Die Abhängigkeit der objektiven ex ante- von einer vorherigen ex post-Gefahrbeurteilung | 55 | ||
B. Das objektive ex post-Gefahrurteil | 56 | ||
I. Das Verwertungsverbot für später eingetretene Tatsachen | 57 | ||
1. Der Trugschluss von der Verletzung auf die Verhaltensgefährlichkeit | 60 | ||
2. Die Zeitlosigkeit des Gefährdungserfolges als Voraussetzung seiner Bestimmung anhand einer späteren Verletzung | 62 | ||
3. Zur beschränkten Transformierbarkeit von nachträglich eingetretenen Tatsachen in einen Erfahrungssatz | 63 | ||
II. Die Irrelevanz der als determiniert angesehenen Kausalverläufe | 65 | ||
1. Das Verhältnis von Notwendigkeits- und Gefahrurteil | 66 | ||
2. Die praktische Unmöglichkeit der Formulierung strikter Erfahrungssätze und ihre Konsequenzen | 68 | ||
III. Formalitäten | 69 | ||
1. Einbeziehung sicherer zukünftiger Tatsachen in die ontologische Urteilsbasis? | 70 | ||
2. Unterscheidung zwischen Naturgesetzen und Erfahrungssätzen mit beschränkter zeitlicher Gültigkeit? | 71 | ||
IV. Zusammenfassung | 72 | ||
C. Die Problematik einer objektiven ex ante-Prüfung von Tatbestands- und Rechtfertigungsmerkmalen | 73 | ||
I. Unbestimmtheit des Wissens eines künstlichen Beobachters | 74 | ||
II. Verwirrungen zwischen dem Objektiven und dem Subjektiven | 76 | ||
1. Der Systembruch | 76 | ||
2. Die formale Ordnungsfunktion der Trennung zwischen objektiv und subjektiv als Diskussionsgrundlage | 78 | ||
3. Wertungswidersprüche als Konsequenz der perspektivischen objektiven ex ante-Prüfung: Notwehr gegen Notwehr | 81 | ||
4. Inhaltliche Funktion des objektiven Unrechtstatbestandes: Kennzeichnung notrechtsauslösenden Verhaltens | 83 | ||
D. Ein Konkurrenzmodell zur objektiven ex ante-Gefahrbeurteilung | 85 | ||
I. Die objektive ex post-Feststellung der Verhaltensgefährlichkeit im Erfolgsdelikts- und Rechtfertigungstatbestand | 86 | ||
II. Ex ante-Prüfung im subjektiven (Unrechts-)Tatbestand des vollendeten Delikts | 87 | ||
1. Der Vorsatz | 87 | ||
2. Die Fahrlässigkeit | 88 | ||
E. Einwände gegen das Konkurrenzmodell? | 90 | ||
I. Maßgeblichkeit des Verhaltensnormverstoßes für die objektive oder subjektive ex ante-Betrachtung im (Unrechts-)Tatbestand? | 91 | ||
II. Rechtsfolgenkontrolle | 98 | ||
1. Maßregeln und Vollrauschtatbestand | 98 | ||
a) Retrograder Relevanzzusammenhang: Keine Bestrafung wegen Schuldunfähigkeit | 100 | ||
b) Anterograder Relevanzzusammenhang: Erwartung rechtswidriger Taten infolge der Schuldunfähigkeit | 101 | ||
c) Konsequenz: Untauglichkeit von Vollrauschtatbestand und Maßregelrecht zur Rechtsfolgenkontrolle | 102 | ||
2. Notstands- und Notwehrprobe | 102 | ||
a) Aggressiv- und Defensivnotstand | 103 | ||
b) Notwehr | 106 | ||
c) Rechtsfolgenkontrolle am Beispiel | 109 | ||
3. Ingerenz | 111 | ||
III. Zusammenfassung | 114 | ||
F. Beispielhafte Absicherung des doppelfunktionalen Gebotes der Trennung von objektiven und subjektiven Unrechtsmerkmalen | 116 | ||
I. Möglichkeiten einer scharfen Trennung | 117 | ||
1. Die Auslegung der gesetzlichen Tatbestände | 117 | ||
2. Die systematisierende Funktion des Koinzidenzprinzips | 118 | ||
a) dolus antecedens | 120 | ||
b) dolus subsequens | 121 | ||
3. Unvollkommen zweiaktige Rechtfertigungsgründe? | 123 | ||
a) Festnahmerecht, § 127 I StPO | 124 | ||
b) Recht zur Privatkopie, § 53 I 1 UrhG | 126 | ||
II. Konturen insbesondere des riskanten menschlichen Verhaltens | 126 | ||
1. Der rechtswidrige Angriff gemäß § 32 II als Ausgangspunkt einer Beschreibung des riskanten Verhaltens | 127 | ||
2. Objektive und subjektive Seite des Verhaltens | 133 | ||
Kapitel 2: Der Risikobegriff im Kontext staatlicher Gefahrenabwehr | 135 | ||
A. Zur Notwendigkeit der objektiven ex ante-Betrachtung bei hoheitlichen Eingriffen | 137 | ||
B. Behördenkenntnis als Wissen eines sachkundigen Amtswalters | 141 | ||
C. Die Einheit von Gegenstand und Kontext als Voraussetzung der Übertragung von rechtlichen Wertungsmaximen | 143 | ||
I. Kontexttrennung am Beispiel der Notrechtsvorbehalte | 144 | ||
II. Behördliche Eingriffsbefugnis und abgeleitete Rechtfertigung des Amtsträgers als Kontextüberschneidung | 148 | ||
D. Ex ante-Prüfung der objektiven Rechtfertigung ohne Widerspruch zur inhaltlichen Funktion des objektiven Unrechtstatbestandes | 151 | ||
Kapitel 3: Riskante Äußerungen | 153 | ||
A. Ex ante-Prüfung einzelner Notrechtsmerkmale zur Verlagerung des Irrtumsrisikos auf seinen Verursacher | 153 | ||
I. Zur Diskussion des Scheinwaffenproblems und vergleichbarer Konstellationen | 154 | ||
II. Analyse der Alternativmodelle zum ex post-Urteil | 157 | ||
III. Ungereimtheiten und Begründungsdefizite | 160 | ||
B. Beschränkung der zivilen Notrechte auf den erforderlichen Schutz primärer Rechtsgüter | 163 | ||
I. DieWillensfreiheit: Rechtsgut oder (notrechtsunfähige) Freiwilligkeit der Verfügung über ein Rechtsgut? | 163 | ||
II. Der Ausschluss von sekundären Rechtsgütern | 171 | ||
III. Zwischenergebnis | 176 | ||
C. Einwilligungsfiktion bei fahrlässiger Täuschung über ein Risiko | 177 | ||
I. Die Maxime „venire contra factum proprium nulli conceditur“ im zivilrechtlichen Kontext | 178 | ||
II. Venire contra factum proprium im Strafrecht | 181 | ||
III. Einwilligung? | 186 | ||
IV. Einwilligungsfiktion aufgrund Willenserklärung | 190 | ||
1. Einwilligungsfiktion als dogmatische Option | 190 | ||
2. Der innere Tatbestand als Kernproblem der Willenserklärung im Straf- und Zivilrecht | 194 | ||
3. Praktische Konkordanz zwischen den Prinzipien Verkehrsschutz und Selbstbestimmung | 198 | ||
4. Zwischenergebnis | 202 | ||
V. Ausdehnung der Einwilligungsfiktion auf die riskanten Äußerungen | 203 | ||
1. Einwilligungsfiktion nach Maßgabe der Notrechte | 204 | ||
2. Einwilligungsfiktion auch bei schwerer oder lebensgefährlicher Körperverletzung? | 207 | ||
a) Erste Konkretisierung der noch sittengemäßen Höchstgefährdung der körperlichen Unversehrtheit | 208 | ||
b) Erweiterung durch den Vertrauensgrundsatz | 211 | ||
c) Verankerung des Vertrauensgrundsatzes im Konzept der Sittenwidrigkeit | 213 | ||
3. Irrtumserregung durch Täuschung im Kontext von Betrug (§ 263 I StGB) und riskanten Äußerungen | 216 | ||
a) Die notwendige Einwirkung auf das Vorstellungsbild | 217 | ||
b) Objektive Eignung zur Irrtumserregung? | 218 | ||
c) Die Grundstruktur der normativen Irrtumszurechnung | 224 | ||
aa) Zur Notwendigkeit einer Normativierung des Täuschungsbegriffs | 225 | ||
bb) Die strukturelle Vereinheitlichung der Erfolgs- und Irrtumszurechnung | 227 | ||
cc) Täuschung als Verletzung einer (un-)bedingten Wahrheitspflicht | 230 | ||
dd) Der Zurechnungszusammenhang | 234 | ||
D. Schlussbetrachtung | 236 | ||
Ergebnisse | 239 | ||
I. Objektive ex post- und subjektive ex ante-Gefahrurteile | 239 | ||
II. Formelle und inhaltliche Komponente der Trennung zwischen objektiven und subjektiven Unrechtsmerkmalen | 240 | ||
III. Der Risikobegriff im Kontext staatlicher Gefahrenabwehr | 243 | ||
IV. Riskante Äußerungen | 244 | ||
Literaturverzeichnis | 250 | ||
Sachwortverzeichnis | 277 |