Der Einfluss der EMRK im Recht der EU-Grundrechtecharta
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Der Einfluss der EMRK im Recht der EU-Grundrechtecharta
Genuin chartarechtlicher Grundrechtsschutz gemäß Art. 52 Abs. 3 GRCh
Schriften zum Europäischen Recht, Vol. 143
(2009)
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Abstract
Mit der Charta der Grundrechte wird die Hoffnung auf einen verbesserten Grundrechtsschutz gegen Akte der Europäischen Union verbunden. Doch welchen Gewinn wird diese textliche Verankerung des Grundrechtsschutzes neben einer Bindung der Europäischen Union an die EMRK bringen? Viele Artikel der Charta sind der EMRK bereits im Wortlaut nachgebildet. Vor allem regelt Artikel 52 Absatz 3 GRCh den Einfluss der EMRK im Recht der Charta querschnittsartig.Gero Ziegenhorn untersucht Artikel 52 Absatz 3 GRCh im Hinblick auf das hieraus folgende Gesamtverständnis der Charta. Hierbei setzt er sich mit den in der Literatur vertretenen Lesarten auseinander und analysiert die Aussagen der sogenannten Charta-Erläuterungen, deren gebührende Berücksichtigung die Charta selbst fordert. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass Rechte der EMRK in das Unionsrecht transferiert werden, was zu beträchtlichen Doppelgewährleistungen führt. Ferner wird die Bedeutung des Artikels 53 GRCh erörtert. Die Arbeit schließt mit einer Betrachtung der mehrpoligen Grundrechtsverhältnisse.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 14 | ||
Einleitung | 17 | ||
Kapitel 1: Der Einfluss des Art. 52 Abs. 3 GRCh im Grundrechtsregime der Charta | 19 | ||
A. Fragestellung | 20 | ||
B. Auswirkungen | 21 | ||
Kapitel 2: Vertretene Lesarten des Art. 52 Abs. 3 GRCh und Folgerungen für das Gesamtverständnis der Charta | 25 | ||
A. Die allgemeinen („horizontalen“) Bestimmungen der Charta | 25 | ||
B. Spektrum der Lesarten des Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh | 29 | ||
I. Transferklausel und Identitätskonzept | 29 | ||
II. Schrankenklausel | 37 | ||
III. Auslegungsregel | 40 | ||
IV. Hinweis auf die EMRK als besonders bedeutende Rechtserkenntnisquelle | 42 | ||
C. Auslegungen des Art. 52 Abs. 3 Satz 2 GRCh in Korrelation zu den Lesarten des Satzes 1 | 46 | ||
I. Bezogen auf Satz 1 als Transfer- und Identitätsklausel | 46 | ||
1. Absinken des EMRK-Schutzes pro futuro | 47 | ||
2. Abweichender Unteransatz: Satz 2 als Ausnahme zu Satz 1 | 48 | ||
II. Bezogen auf Satz 1 als Schrankenklausel | 50 | ||
III. Bezogen auf Satz 1 als Auslegungsregel | 50 | ||
IV. Resümee | 51 | ||
D. Bedeutung der chartarechtlichen Bestimmungen im jeweiligen Licht der unterschiedlichen Ansätze | 51 | ||
I. Transferklausel und Identitätskonzept | 51 | ||
II. Schrankenklausel | 54 | ||
III. Auslegungsregel | 55 | ||
IV. Resümee | 56 | ||
E. Beobachtungen | 57 | ||
Kapitel 3: Die Erläuterungen der Konventspräsidien als zu berücksichtigende Auslegungshilfe | 59 | ||
A. Erfordernis einer Einbeziehung der Erläuterungen in die Auslegung | 62 | ||
I. Auslegung der Charta anhand europarechtlich überkommener Auslegungsgrundsätze | 63 | ||
II. Positivierte Bezugnahmen auf die Erläuterungen | 64 | ||
1. Art. 52 Abs. 7 GRCh | 64 | ||
a) „Gebührende“ Berücksichtigung als Relativierung | 65 | ||
b) Vertragspolitischer Konnex zwischen der Einfügung eines schriftlichen Grundrechtskatalogs und Art. 52 Abs. 7 GRCh | 67 | ||
c) Art. 52 Abs. 7 GRCh als Kompromiss unterschiedlicher Vorstellungen für den unionalen Grundrechtsschutz | 71 | ||
2. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 3 Var. 2 EUV n. F. | 75 | ||
a) Vergleich mit Art. 52 Abs. 7 GRCh | 75 | ||
b) Nochmalige Bestärkung des Konnexes von Verbindlichwerden der Charta und der Berücksichtigung der Erläuterungen in der Auslegung | 77 | ||
c) Anwendbarkeit neben Art. 52 Abs. 7 GRCh | 78 | ||
3. Abs. 5 Satz 2 der Präambel der Charta | 79 | ||
4. Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union | 80 | ||
5. Ergebnis | 83 | ||
III. Weiter gehende Rolle der Erläuterungen in Anwendung allgemeiner Auslegungsgrundsätze | 83 | ||
1. Dokumentarischer Charakter der Erläuterungen | 84 | ||
2. Berücksichtigung entstehungsgeschichtlicher Momente bei der Auslegung von Primärrecht | 86 | ||
3. Insbesondere: Die Erläuterungen als Ausdruck eines „Konventswillens“ oder „Konventspräsidiumswillens“ | 88 | ||
a) Zurechnung zum Konvent | 90 | ||
b) Zurechnung zum Konventspräsidium | 91 | ||
c) Rechtliche Einordnung | 92 | ||
d) Berücksichtigung der Erläuterungen als Ausdruck des Konventspräsidiumswillens | 95 | ||
4. Ergebnis | 95 | ||
IV. Ergebnis | 96 | ||
B. Den Erläuterungen enthaltene Aussagen zur Auslegung des Art. 52 Abs. 3 GRCh | 96 | ||
I. Eindeutige Aussagen der Erläuterung zu Art. 52 Abs. 3 als Auslegungshinweise | 97 | ||
1. Erläuterung zu Art. 52 | 97 | ||
a) Feststellung von Ergebnissen der Anwendung des Tatbestandes des Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh | 98 | ||
b) Hinweise zum abstrakten Verständnis der Norm | 99 | ||
2. Erläuterungen solcher Artikel der Charta, die in den Auflistungen der Erläuterung zu Art. 52 genannt sind | 100 | ||
II. Offene Fragen | 101 | ||
III. Lesarten der Erläuterungen als Auslegungsvarianten der Charta | 104 | ||
1. „Entsprechen“ als entscheidendes Kriterium für die Anwendbarkeit bestimmter genuin chartarechtlicher Normen | 105 | ||
a) Ansatz | 105 | ||
b) Bedenken | 107 | ||
aa) Kohärenz der Schutzbereiche | 107 | ||
bb) Relevanz konventionsrechtlicher Negativdefinitionen als Rechtsfolge | 111 | ||
cc) Abgrenzungsfunktion des Merkmals „entsprechen“ | 112 | ||
c) Ergebnis | 112 | ||
2. Einbeziehung des Art. 52 Abs. 3 Satz 2 GRCh | 113 | ||
a) Ansatz | 114 | ||
b) Erster Unteransatz: Sowohl „Tragweite“ (S. 1) als auch „Schutz“ (S. 2) meinen Schutzbereich | 115 | ||
c) Zweiter Unteransatz: „Tragweite“ und „Schutz“ sind begrifflich weiter als „Schutzbereich“ | 118 | ||
C. Ergebnis | 119 | ||
Kapitel 4: Rekonstruktion des Verständnisses von Art. 52 Abs. 3 GRCh | 121 | ||
A. Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh | 121 | ||
I. „Bedeutung“ und „Tragweite“ als zentrale Begriffe auf Rechtsfolgenseite der Norm | 123 | ||
1. Aufgreifen von überkommenen Begriffsverständnissen europäischer Grundrechtslehren | 126 | ||
2. Anknüpfen an Begriffsverständnisse des sonstigen acquis communautaire | 127 | ||
3. Systematische Stellung in Art. 52 GRCh | 129 | ||
4. Semantische Erwägungen | 130 | ||
a) „Tragweite“ | 130 | ||
b) „Bedeutung“ | 132 | ||
5. Teleologische Auslegung | 134 | ||
a) Umfassender Charakter von Tatbestands- und Rechtsfolgenseite des Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh | 134 | ||
b) Kohärenz zwischen Charta und EMRK | 136 | ||
aa) Zur Vermeidung völkerrechtlicher Haftung | 136 | ||
bb) Als Programm der Unionsverträge | 139 | ||
cc) Meistbegünstigung und Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh | 140 | ||
c) Kohärenz des Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh als Kohärenz in einem umfassenden Sinne | 141 | ||
6. „Bedeutung und Tragweite“ als Begriffspaar für umfassende Kohärenz | 141 | ||
a) „Tragweite“ in einem umfassender Kohärenz verpflichteten Verständnis | 143 | ||
b) „Bedeutung“ als Beschreibung der die „Tragweite“ konstituierenden Elemente | 143 | ||
7. Ergebnis | 145 | ||
II. Transfer konventionsrechtlichen Grundrechtsschutzes als Rechtsfolge („shall be the same“) | 145 | ||
1. „Gleiche“ und genuin chartarechtliche Bedeutung und Tragweite | 145 | ||
2. „Entsprechende“ genuin chartarechtliche Schutzbereiche | 146 | ||
3. Transfer und Anwendung von Konventionsrechten | 149 | ||
III. „Entsprechen“ eines Chartarechts und eines Konventionsrechts als Tatbestandsvoraussetzung | 152 | ||
1. Grundlegungen | 153 | ||
a) Gebührende Berücksichtigung der Erläuterungen | 153 | ||
b) Ähnlichkeit der in Betracht kommenden Charta- und Konventionsrechte | 154 | ||
2. Die tatbestandliche Erfassung „sich entsprechender“ Rechte als Voraussetzung umfassender Kohärenz | 154 | ||
a) Einzelfallunabhängige Betrachtung | 156 | ||
b) Vergleich im Rahmen der Subsumtion | 157 | ||
c) Beispiel | 157 | ||
3. Teleologische Reduktion bei bereits bestehender Kohärenz? | 158 | ||
4. Streitfall: Art. 5 Abs. 2–5 EMRK | 158 | ||
5. Von den Erläuterungen festgestelltes „Entsprechen“ und Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh | 161 | ||
IV. Verhältnis zu Art. 52 Abs. 2 GRCh | 162 | ||
B. Zwischenergebnis zur Frage eines genuin chartarechtlichen Grundrechtsschutzes – Bedeutsamkeit der „entsprechenden“ Chartaartikel | 164 | ||
I. Enumerationsfunktion | 165 | ||
II. Subsidiärer genuin chartarechtlicher Grundrechtsschutz im Falle eines Absinkens des EMRK-Schutzes pro futuro | 167 | ||
C. Art. 52 Abs. 3 Satz 2 GRCh | 168 | ||
I. Ausgangslage | 170 | ||
1. Deskriptiver Wortlaut und möglicher deklaratorischer Charakter der Norm | 170 | ||
2. Anwendungsbereich des Satzes 1 | 171 | ||
3. Mögliche Verortung von Tatbestand und Rechtsfolge | 173 | ||
II. „Weiter gehender Schutz“ durch „das Recht der Union“ als zentrale Merkmale der Regelung | 173 | ||
1. „Recht der Union“ | 173 | ||
a) Unionsrecht und Gemeinschaftsrecht | 173 | ||
b) Recht der Charta | 177 | ||
c) Ergebnis | 179 | ||
2. „Weiter gehender Schutz“ | 179 | ||
a) Schützendes Unionsrecht | 180 | ||
b) Schutz, der „weiter gehend“ ist | 180 | ||
3. Ergebnis | 181 | ||
III. Rechtsfolge und Verhältnis zu Satz 1 | 181 | ||
IV. Einzelfallbezogenheit des weiter gehenden Schutzes | 182 | ||
D. Ergebnis | 183 | ||
I. Art. 52 Abs. 3 GRCh | 183 | ||
II. Zur Frage eines genuin chartarechtlichen Grundrechtsschutzes | 186 | ||
1. Genuin chartarechtlicher Charakter des unionalen Grundrechtsschutzes als Frage der praktischen Reichweite des Art. 52 Abs. 3 Satz 2 GRCh | 187 | ||
2. Transferiertes Konventionsrecht und genuines Chartarecht in der Rechtsprechungshoheit des EuGH | 187 | ||
Kapitel 5: Mögliche Auswirkungen des Art. 53 GRCh auf das gefundene Verständnis der Charta nach Art. 52 Abs. 3 GRCh | 191 | ||
A. These vom Bedeutungswandel der Art. 53 EMRK entlehnten Regelungen im unionsrechtlichen Zusammenhang | 194 | ||
B. Art. 53 EMRK | 197 | ||
I. Regelung der Auslegung | 197 | ||
II. Regelung hinsichtlich des materiellen Grundrechtsschutzes durch Grundrechte anderer Quellen | 199 | ||
III. Regelung des Verhältnisses eines anwendbaren Konventionsrechts zu einem gleichermaßen anwendbaren anderen Grundrecht – ‚Konkurrenzenregelung‘ | 200 | ||
IV. Fazit | 202 | ||
C. Auslegung des Art. 53 GRCh unter Berücksichtigung des Verständnisses des Art. 53 EMRK | 203 | ||
I. Wortlaut | 204 | ||
II. Regelung der Auslegung | 206 | ||
III. Regelung hinsichtlich des materiellen Grundrechtsschutzes durch Grundrechte anderer Quellen | 207 | ||
1. Unionaler Bedeutungszusammenhang | 207 | ||
a) Insbesondere: Bindung der Mitgliedstaaten an Grundrechte der Charta | 208 | ||
aa) Bindung in Umsetzung von Gemeinschafts- und zukünftigem Unionsrecht | 208 | ||
bb) Bindung bei Einschränkungen von Grundfreiheiten | 210 | ||
cc) Ergebnis | 215 | ||
b) Niederschlag im Verständnis des Art. 53 GRCh | 216 | ||
2. Differenzierung nach den in Bezug genommenen Grundrechtsordnungen | 216 | ||
a) „Recht der Union“ und „Verfassungen der Mitgliedstaaten“ | 216 | ||
b) „Völkerrecht“ und „internationale Übereinkünfte“ | 218 | ||
3. Ergebnis und Zwischenergebnis zur These vom Bedeutungswandel | 219 | ||
IV. Mindestschutz durch Geltung von Grundrechten der genannten Quellen im Unionsrecht | 220 | ||
V. Regelung der Anwendbarkeit von Chartarechten | 221 | ||
1. Grundrechte „paralleler Grundrechtsordnungen“ und der Charta | 222 | ||
a) Konkrete Anwendung der Norm als ‚einseitige Konkurrenzenregelung‘ | 224 | ||
b) Mindestschutz durch Regelung der Nicht-Anwendbarkeit der Charta | 225 | ||
2. Regelung von Konkurrenzen im Unionsrecht | 227 | ||
3. Ergebnis und weiteres Zwischenergebnis zur These vom Bedeutungswandel | 229 | ||
D. Ergebnis | 230 | ||
Kapitel 6: Transferierte Konventionsrechte und genuine Chartarechte in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen | 232 | ||
A. Mehrpolige Grundrechtsverhältnisse als Herausforderung der Rechtsanwendung | 233 | ||
I. Grundrechtskollision als mehrpoliges Grundrechtsverhältnis | 233 | ||
II. Mehrpoliges Grundrechtsverhältnis als an die Methodik gerichtete Forderung | 236 | ||
III. Vor- und Nachteile eines Denkens in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen | 237 | ||
B. Konstellationen mehrpoliger Rechtsverhältnisse im Primärrecht | 240 | ||
I. Mehrpolige Unionsgrundrechtsverhältnisse | 241 | ||
II. Mehrpolige Grundfreiheitsverhältnisse | 242 | ||
III. Mehrpolige Grundrechts- und Grundfreiheitsverhältnisse | 243 | ||
IV. Fazit | 245 | ||
C. Kohärenz im mehrpoligen Charta-Grundrechtsverhältnis | 246 | ||
I. Herausgeforderte Kohärenz durch primärrechtliches Nebeneinander von transferierten Konventionsrechten und genuinen Chartarechten | 246 | ||
II. Teleologische Bedenken | 247 | ||
III. Konkretisierung der Grundrechte und Kohärenz | 247 | ||
IV. Mögliche Implikationen | 248 | ||
1. Absoluter Vorrang von transferierten Konventionsrechten | 248 | ||
2. Determinierung des Abwägungsvorgangs | 248 | ||
3. Höhere Gewichtung konventionsrechtlich geschützter Interessen | 249 | ||
V. Ergebnis | 251 | ||
D. „Weiter gehender Schutz“ gem. Art. 52 Abs. 3 Satz 2 GRCh im mehrpoligen Grundrechtsverhältnis | 252 | ||
I. Konventionsverstoßvermeidende Auslegung des Satzes 2 | 253 | ||
II. „Weiter gehender Schutz durch Recht der Union“ im mehrpoligen Grundrechtsverhältnis | 254 | ||
1. Isolierte Betrachtung des jeweiligen Individualinteresses | 254 | ||
2. Gesamtbetrachtung der in Ausgleich zu bringenden Positionen | 255 | ||
3. Maximalstandard | 256 | ||
III. Ergebnis | 257 | ||
Schluss | 258 | ||
Thesen | 264 | ||
Anhang: Erläuterungen zur Charta der Grundrechte – Auszüge – | 266 | ||
Literaturverzeichnis | 271 | ||
Sachverzeichnis | 282 |