Der Parasit der Überzeugungsbildung
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Der Parasit der Überzeugungsbildung
Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 251
(2010)
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Abstract
Matthias Kronenberger behandelt ein alltägliches Thema der praktischen gerichtlichen Tätigkeit. Er bedient sich hierzu des in der Rechtstheorie und Rechtsphilosophie bisher ungebräuchlichen Schlüsselwortes des Parasiten, mit dem an die grundlegende Arbeit des französischen Mathematikers und Philosophen Michel Serres angeknüpft wird. Angewandt auf das Thema der richterlichen Überzeugungsbildung führt es zu einer neuen, ungewöhnlichen Perspektive auf die gerichtliche Arbeit und der sonst unterstellten philosophischen Kernfrage: Was ist eigentlich eine Überzeugung, inwiefern unterscheidet sie sich vom Wissen und wie kann man dem Wissen gerecht werden und doch auch aus Überzeugung einer gerechten Entscheidung näher kommen?Dies betrifft die großen Themen der Rechtsphilosophie, welche der Autor mit unterschiedlichen Gewährspersonen reflektiert, zu denen insbesondere die klassischen deutschen Philosophen Kant und Hegel sowie die postmodernen französischen Autoren des 20. Jahrhunderts Jean-François Lyotard und Jacques Derrida als auch die Systemtheorie Niklas Luhmanns gehören. Auf dieser Grundlage wird die Überzeugung im Anschluss an Lyotard als Affekt-Satz ausgearbeitet. Dieser negative Satz lässt sich als Versprechen ohne inhaltliche Bestimmung kennzeichnen. Er bietet die Chance, von Sätzen Zeugnis abzulegen, die im Rahmen der Diskursregeln des Rechts nicht artikuliert werden können. Der praktische Effekt dieses merkwürdigen Satzes liegt darin, die als legitimierenden Faktor benötigte Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens zu erzeugen. Die Analyse legt hierbei nahe, dass es nicht die intensiven Affekte sind, die den Gerichtsalltag bestimmen. Eher herrscht das diskrete Gefühl der Gefühllosigkeit vor, das als ein der Neutralität, der Sachlichkeit und der Unabhängigkeit entsprechender Wert umschrieben und gesetzt wird. Die Problematik der Überzeugungsbildung besteht danach weniger in der Gefahr eines willkürlich handelnden Subjekts, sondern mehr in der Flüchtigkeit des Affekt-Satzes, der die Überzeugungsbildung in Verzug setzt und dadurch gegen das zentrale Verbot der Resultatlosigkeit verstößt.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 3 | ||
Inhaltsverzeichnis | 5 | ||
A. Einleitung | 7 | ||
B. Die unterbrochene Semantik der Überzeugung | 14 | ||
I. Vom Geständnis zur Überzeugung | 14 | ||
1. Der Fall Walliser | 14 | ||
2. Die Abschaffung der Folter | 16 | ||
3. Die Verschiebung der Freiheitssemantik | 19 | ||
4. Die Anerkennung des Indizienbeweises | 28 | ||
5. Die Positivierung der freien Beweiswürdigung | 36 | ||
II. Von der Überzeugung zum „Geständnis“ | 41 | ||
1. Die begrenzte Funktion des Gedächtnisses | 41 | ||
2. Die Sprache als Vermittler der Wahrheit | 48 | ||
3. Die spekulative Funktion der Rechtspflege | 52 | ||
4. Die verführerische Kraft des Geständnisses | 54 | ||
C. Die unterbrochene Pragmatik der Überzeugungsbildung | 62 | ||
I. Vom Richter zum Verfahren | 62 | ||
1. Die Paradoxie der Verantwortung | 62 | ||
2. Die entlastende Wirkung der Amtspflichten | 66 | ||
3. Die Veräußerlichung der Überzeugungsbildung | 71 | ||
a) Das Verbot außergerichtlicher Wahrnehmungen | 75 | ||
b) Beweiserhebung und Beweiswürdigung | 78 | ||
c) Die Interpretationsgemeinschaft als Geltungsgrund | 80 | ||
4. Die Kontrolle der Überzeugungsbildung | 81 | ||
a) Die Interdisziplinrarität der Überzeugungsbildung | 81 | ||
b) Überzeugungsbildung als Rechts- und Ermessensbegriff | 83 | ||
c) Überzeugungsbildung als Fehlverurteilungsrisiko | 88 | ||
d) Die Intersubjektivität der Überzeugungsbildung | 94 | ||
II. Vom Verfahren zum „Richter“ | 105 | ||
1. Verständigungsrationalität | 105 | ||
2. Autopoietische Teilrationalität | 106 | ||
3. Die Problematik der Un-Mitteilbarkeit | 109 | ||
4. Das Verschwinden des Entscheidungsträgers | 114 | ||
5. Die Überzeugung als Affekt-Satz | 123 | ||
D. Zusammenfassung | 134 | ||
I. Vom Geständnis zur Überzeugung | 134 | ||
II. Von der Überzeugung zum „Geständnis“ | 135 | ||
III. Vom Richter zum Verfahren | 136 | ||
IV. Vom Verfahren zum „Richter“ | 139 | ||
Literaturverzeichnis | 141 | ||
Personen- und Sachverzeichnis | 152 |