Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht
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Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht
Einwirkungen der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts auf die Grenzen gerichtlicher Kontrolle
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht, Vol. 83
(2010)
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Anna-Maria Schlecht, geboren 1980, studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Potsdam, Tübingen und Oslo. Ihre unter Betreuung von Prof. Dr. Barbara Remmert an der Universität Tübingen entstandene Dissertation zu den Folgen von Verfahrensfehlern im Umweltrecht wurde im September 2012 mit dem Michael-Kloepfer-Preis des Instituts für Umwelt- und Technikrecht der Universität Trier ausgezeichnet. Anna-Maria Schlecht ist Richterin im höheren Justizdienst des Landes Baden-Württemberg.Abstract
Nach § 4 UmwRG können - abweichend von § 46 VwVfG - umweltrechtliche Entscheidungen wegen einzelner Verfahrensfehler gerichtlich aufgehoben werden, ohne dass es des Nachweises bedarf, dass sich der Verfahrensfehler auf die Entscheidung inhaltlich ausgewirkt hat. Anlass der Regelung war die Verpflichtung Deutschlands zur Umsetzung der umweltvölkerrechtlichen Aarhus-Konvention und der EG-Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie. Gründe für eine strengere gerichtliche Kontrolle von Verfahrensfehlern durch Aufhebung verfahrensfehlerhafter umweltrechtlicher Entscheidungen liegen aber auch in der Dogmatik des deutschen Umwelt- und Verwaltungsrechts selbst. Anna-Maria Schlecht belegt mittels einer Analyse der Behandlung von Verfahrensfehlern im Umweltrecht durch Gesetz und Rechtsprechung sowie durch die Untersuchung der Vorgaben der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts, dass die Spezifika umweltrechtlicher Entscheidungen eine Neubestimmung der Grenzen gerichtlicher Kontrolle im Hinblick auf Verfahrensfehler im Umweltrecht fordern, die über die Neuregelung in § 4 UmwRG noch hinausgehen muss.Ausgezeichnet mit dem Michael-Kloepfer-Preis des Instituts für Umwelt- und Technikrecht der Universität Trier 2012.Paragraph 4 of the German Environmental Appeals Act (UmwRG) allows to challenge administrative decisions in the field of environmental law for breaches of procedural law without the requirement to proof that the procedural error had an influence on the content of the decision. The regulation, differing from the general provision on procedural errors in paragraph 46 of the Administrative Procedures Act, refers to the obligations set by the UN/ECE Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-Making and Access to Justice in Environmental Matters (Aarhus Convention) and its EC transformation acts such as the EC directive 2003/35/EC regarding public participation. Both the Aarhus Convention and EC environmental law require strict sanctions for breaches of procedural regulations in the area of environmental law, whereas in German law procedural errors, pursuant to paragraph 46 of the Administrative Procedures Act, remain widely without any consequences when it comes to a formal review of administrative decisions. The thesis aims to prove the necessity of a fundamental change in the scope of judicial review of the procedural legality of environmental decisions. By an analysis of the treatment of procedural errors in German administrative law, followed by a detailed examination of the obligations arising from the Aarhus Convention and the directive 2003/35/EC, the study shows that the implementation of the Aarhus Convention into national law requires an adjustment of paragraph 46 of the Administrative Procedures Act, which has not yet found termination with the initiation of paragraph 4 of the Environmental Appeals Act.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 12 | ||
1. Kapitel: Die Anpassung des deutschen Umweltrechts an völker- und gemeinschaftsrechtliche Entwicklungen | 17 | ||
I. Das Umweltrecht als Referenzgebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts | 17 | ||
II. § 4 UmwRG | 22 | ||
III. Die bisherige Rechtslage im deutschen Recht | 26 | ||
IV. Ziel und Verlauf der Untersuchung | 30 | ||
2. Kapitel: Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Recht | 34 | ||
I. Die Verfahrensfehlerlehre bis zum Erlass des § 4 UmwRG | 34 | ||
II. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG | 37 | ||
1. Tatbestand des § 46 VwVfG | 38 | ||
a) Zum Merkmal der Kausalität | 40 | ||
b) Zum Merkmal der Offensichtlichkeit | 42 | ||
c) Die Anwendung des § 46 VwVfG auf Ermessensentscheidungen | 44 | ||
2. Folgen von Verfahrensfehlern nach § 46 VwVfG | 50 | ||
3. Absolute Verfahrensfehler | 54 | ||
III. Der Ausschluss der isolierten Anfechtbarkeit von Verfahrensfehlern nach § 44a VwGO | 56 | ||
IV. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern in der Rechtsprechung des BVerwG | 58 | ||
1. Die Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG | 59 | ||
2. Die Rechtsprechung zur unterlassenen oder fehlerhaften UVP vor Erlass des § 4 UmwRG | 63 | ||
V. Konsequenzen der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern | 68 | ||
3. Kapitel: Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens | 70 | ||
I. Der Begriff des Verwaltungsverfahrens | 71 | ||
1. Verfahren als Entscheidungsprozess | 71 | ||
2. Verwaltungsakte als Verfahrensziel | 75 | ||
II. Die Bedeutung des Verfahrens im Lichte der Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern | 77 | ||
1. Einfluss des Verfahrensfehlers auf die Entscheidung in der Sache | 78 | ||
2. Hypothetischer Nachvollzug der Entscheidung durch die Gerichte | 81 | ||
III. Bedeutungslosigkeit des Verwaltungsverfahrens? | 85 | ||
4. Kapitel: Verfahrensfehler als Kontrollproblem | 87 | ||
I. Umfang und Grenzen der gerichtlichen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen | 88 | ||
II. Umweltrechtliche Entscheidungen zwischen Eigenständigkeit der Verwaltung und umfänglicher gerichtlicher Kontrolle | 97 | ||
1. Spezifika umweltrechtlicher Entscheidungsverfahren | 98 | ||
2. Nachlassende Steuerung und materielle Richtigkeit | 102 | ||
3. Richtigkeitsgewähr durch Verfahren | 107 | ||
a) Der Verfahrensgedanke im öffentlichen Recht | 107 | ||
b) Kompensationsfunktion des Verfahrensrechts in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren | 113 | ||
4. Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern | 116 | ||
a) Neubestimmung der Abgrenzung von materiellem Recht und Verfahrensrecht? | 118 | ||
b) Verfahrensfehler als Indiz für einen Abwägungsmangel | 123 | ||
c) Auswirkungen einer veränderten Verfahrenskontrolle auf das Niveau der materiellen Kontrolle | 129 | ||
III. Verstärkte Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern in umweltrechtlichen Entscheidungsverfahren | 135 | ||
5. Kapitel: Einwirkungen der Aarhus-Konvention auf die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern | 138 | ||
I. Die Bedeutung der Aarhus-Konvention | 138 | ||
II. Einwirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf das deutsche Recht | 140 | ||
1. Die dritte Säule der Aarhus-Konvention | 141 | ||
2. Auswirkungen des Art. 9 Abs. 2 AK auf die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern | 144 | ||
3. Auslegung des Art. 9 Abs. 2 AK | 146 | ||
a) Auslegung nach dem Wortlaut | 147 | ||
b) Systematische Auslegung | 149 | ||
aa) Art. 9 Abs. 2 AK in Abgrenzung zu den anderen Klagerechten des Art. 9 AK | 149 | ||
bb) Art. 9 Abs. 2 AK im Zusammenhang mit den anderen Verfahrensrechten der Aarhus-Konvention | 150 | ||
cc) Bedeutung der in der Aarhus-Konvention gewährten Verfahrensrechte für die materielle Entscheidung | 152 | ||
c) Historische Auslegung | 157 | ||
d) Der Vorbehalt zugunsten des innerstaatlichen Rechts: Auslegung der Aarhus-Konvention nach Sinn und Zweck | 158 | ||
III. Ergebnis: Verpflichtungen des Art. 9 Abs. 2 AK | 161 | ||
6. Kapitel: Einwirkungen des Gemeinschaftsrechts | 163 | ||
I. Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Gemeinschaftsrecht | 164 | ||
1. Reduzierte materielle Kontrolldichte in der Rechtsprechung des EuGH | 165 | ||
2. Die Behandlung von Verfahrensfehlern durch den EuGH | 168 | ||
a) Die gerichtliche Kontrolle von Verfahrensfehlern | 169 | ||
b) Verfahrensfehlerfolgen in anderen Mitgliedstaaten der EG | 173 | ||
c) Vergleich der Unbeachtlichkeitsregeln | 175 | ||
3. Verfahrensfehlerfolgen als Problem gerichtlicher Kontrolldichte | 177 | ||
II. Zugang zu Gerichten nach den gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsvorschriften der Aarhus-Konvention | 179 | ||
1. Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie und Klagerechtsrichtlinie | 179 | ||
2. Die Kompetenz der EG zur Regelung von Rechtsschutzfragen | 180 | ||
a) Kompetenz aus der völkerrechtlichen Umsetzungspflicht der EG? | 181 | ||
b) Die Kompetenz der EG im Bereich des Umweltrechts | 183 | ||
c) Kompetenz der EG zum Erlass von Vorschriften zur Regelung des Gerichtszugangs | 185 | ||
d) Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten als Kompetenzschranke? | 187 | ||
e) Kein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip | 190 | ||
3. Auslegung der Umsetzungsrichtlinien | 192 | ||
a) Umfang der Rügemöglichkeiten | 192 | ||
b) Auslegung der Gemeinschaftsrechtsakte | 194 | ||
4. Verpflichtungen aus den gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsakten | 195 | ||
III. Anpassungsdruck auf das deutsche Recht | 195 | ||
1. Gemeinschaftsrechtliches Verfahrensverständnis im Umweltrecht | 195 | ||
2. Stellenwert des Verfahrens im Vergleich zum deutschen Recht | 197 | ||
3. Verstößt § 46 VwVfG gegen den Effektivitätsgrundsatz? | 198 | ||
a) Der Effektivitätsgrundsatz | 199 | ||
b) Anwendung des § 46 VwVfG auf originär gemeinschaftsrechtliche Verfahrensrechte? | 201 | ||
c) Der Fall der unterlassenen oder fehlerhaften UVP | 203 | ||
d) Folgen | 205 | ||
4. Konsequenzen für das deutsche Recht | 207 | ||
7. Kapitel: Konsequenzen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern | 209 | ||
I. Anpassung an die Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 AK und der gemeinschaftsrechtlichen Umsetzungsrichtlinien | 209 | ||
II. Möglichkeiten der Rezeption des Gemeinschaftsrechts | 212 | ||
1. Keine vollständige Übernahme des gemeinschaftsrechtlichen Systems | 212 | ||
2. Keine Beschränkung der Reformen auf gemeinschaftsrechtlich geregelte Rechtsbereiche | 212 | ||
3. Anpassung innerhalb einer Zone rechtlicher Konvergenz | 215 | ||
III. Bedenken gegen § 46 VwVfG im deutschen Recht | 217 | ||
IV. Vorgaben für eine Verfahrensfehlerlehre im Umweltrecht | 220 | ||
8. Kapitel: Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 AK durch § 4 UmwRG | 222 | ||
I. Kritik an § 4 UmwRG | 223 | ||
1. Beschränkung auf Fälle der unterlassenen UVP | 224 | ||
2. Die Frage nach dem Regelungsstandort als Frage der Integrationsoffenheit des deutschen Verwaltungsrechts | 226 | ||
a) Das Verhältnis von allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht | 227 | ||
b) Bereichsspezifische Ausnahme von § 46 VwVfG? | 228 | ||
II. Zwischenergebnis | 229 | ||
9. Kapitel: Neubestimmung des § 46 VwVfG im Umweltrecht | 231 | ||
I. Auslegung des § 46 VwVfG | 231 | ||
1. Rechtfertigungsgrund des § 46 VwVfG | 231 | ||
2. Das Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit | 235 | ||
II. Kriterien zur Bestimmung beachtlicher Verfahrensfehler | 238 | ||
1. Die Art des Verfahrensfehlers | 239 | ||
2. Die Art des verletzten Verfahrensrechts | 241 | ||
3. Die Vorgaben des materiellen Rechts | 243 | ||
a) Materielles Recht als Verhaltens- und Kontrollmaßstab | 243 | ||
b) Abgrenzung nach gebundenen und Ermessensentscheidungen: Anwendbarkeit des § 46 VwVfG auf unbestimmte Rechtsbegriffe? | 246 | ||
4. Zwischenergebnis | 255 | ||
III. Das Kriterium der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers | 255 | ||
1. Die Wesentlichkeit im Gemeinschaftsrecht | 256 | ||
2. Die Wesentlichkeit der verletzten Verfahrensvorschrift im Referentenentwurf des UmwRG | 256 | ||
3. Elemente des Wesentlichkeitskriteriums im Umweltrecht | 258 | ||
a) Ausschluss des hypothetischen Nachvollzugs von Entscheidungen | 258 | ||
b) Berücksichtigung der materiell-rechtlichen Entscheidungsgrundlagen | 260 | ||
c) Herausbildung abstrakter allgemeingültiger Merkmale | 260 | ||
d) Vermutung für das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers | 261 | ||
e) Stärkung verwaltungsbehördlicher Entscheidungskompetenz | 262 | ||
f) Sicherung einer gemeinschaftsrechtlich konvergenten Rechtsentwicklung | 263 | ||
4. Gesetzestechnische Umsetzung | 265 | ||
IV. Ergebnis: Neubestimmung des § 46 VwVfG für den Bereich des Umweltrechts | 268 | ||
10. Kapitel: Zusammenfassung und Ausblick | 269 | ||
Anhang I: Vertragstext der Aarhus-Konvention in amtlicher deutscher Übersetzung | 275 | ||
Artikel 1: Ziel | 277 | ||
Artikel 2: Begriffsbestimmungen | 277 | ||
Artikel 3: Allgemeine Bestimmungen | 278 | ||
Artikel 4: Zugang zu Informationen über die Umwelt | 280 | ||
Artikel 5: Erhebung und Verbreitung von Informationen über die Umwelt | 282 | ||
Artikel 6: Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungen über bestimmte Tätigkeiten | 284 | ||
Artikel 7: Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Plänen, Programmen und Politiken | 286 | ||
Artikel 8: Öffentlichkeitsbeteiligung während der Vorbereitung exekutiver Vorschriften und/oder allgemein anwendbarer rechtsverbindlicher normativer Instrumente | 286 | ||
Artikel 9: Zugang zu Gerichten | 287 | ||
Artikel 10: Tagung der Vertragsparteien | 288 | ||
Artikel 11: Stimmrecht | 290 | ||
Artikel 12: Sekretariat | 290 | ||
Artikel 13: Anhänge | 290 | ||
Artikel 14: Änderungen des Übereinkommens | 290 | ||
Artikel 15: Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen des Übereinkommens | 291 | ||
Artikel 16: Beilegung von Streitigkeiten | 292 | ||
Artikel 17: Unterzeichnung | 292 | ||
Artikel 18: Verwahrer | 292 | ||
Artikel 19: Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt | 293 | ||
Artikel 20: Inkrafttreten | 293 | ||
Artikel 21: Rücktritt | 294 | ||
Artikel 22: Verbindliche Wortlaute | 294 | ||
Anhänge | 294 | ||
Anhang I: Liste der in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a genannten Tätigkeiten | 294 | ||
Anhang II: Schiedsverfahren | 299 | ||
Anhang II: Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG | 302 | ||
§ 1 Anwendungsbereich | 302 | ||
§ 2 Rechtsbehelfe von Vereinigungen | 303 | ||
§ 3 Anerkennung von Vereinigungen | 304 | ||
§ 4 Fehler bei der Anwendung von Verfahrensvorschriften | 305 | ||
§ 5 Übergangsvorschrift | 305 | ||
§ 6 Inkrafttreten | 305 | ||
Literaturverzeichnis | 306 | ||
Sachverzeichnis | 333 |