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»Doppelindividualisierung« und Irrtum

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Hsu, Y. (2007). »Doppelindividualisierung« und Irrtum. Studien zur strafrechtlichen Lehre von der Erfolgszurechnung zum Vorsatz. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-52293-4
Hsu, Yu-An. »Doppelindividualisierung« und Irrtum: Studien zur strafrechtlichen Lehre von der Erfolgszurechnung zum Vorsatz. Duncker & Humblot, 2007. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-52293-4
Hsu, Y (2007): »Doppelindividualisierung« und Irrtum: Studien zur strafrechtlichen Lehre von der Erfolgszurechnung zum Vorsatz, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-52293-4

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»Doppelindividualisierung« und Irrtum

Studien zur strafrechtlichen Lehre von der Erfolgszurechnung zum Vorsatz

Hsu, Yu-An

Schriften zum Strafrecht, Vol. 193

(2007)

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Abstract

In der vorliegenden Untersuchung werden die Grenzfälle zwischen dem error in persona und der aberratio ictus behandelt: Um ein bestimmtes Objekt zu verletzen, nutzt der Täter eine geeignete Kausalkette aus und glaubt, das erwünschte Objekt werde in die Kausalkette geraten. In diesem Fall bestehen zwei Konkretisierungen im Tatplan, einmal hinsichtlich des Zielobjekts und einmal bezüglich des Angriffsobjekts der Kausalkette. Die tatsächliche Geschehensentwicklung ist jedoch anders als geplant, weshalb von einem Doppelindividualisierungsirrtum die Rede ist. Ein Beispiel: Der Täter baut in das Auto des B eine Bombe ein, um ihn beim Start zu töten. Ausnahmsweise benutzt jedoch dessen Frau das Auto und stirbt durch die Explosion.

In seiner Untersuchung hat Yu-An Hsu festgestellt, dass die unterschiedlichen bisherigen Lösungsansätze aus der Perspektive von Psychologismus und Intellektualismus nicht in der Lage waren, die Problematik widerspruchsfrei zu bewältigen, denn der Täter kann seine Kenntnisse manipulieren. Aufgrund dieser Wechselbeziehung zwischen Wissen und Wollen kritisiert der Autor die bisherigen Meinungen. Sein Gegenmodell gründet er auf die Unterscheidung von Individuum und Person, sowie auf den Normbefolgungswillen und seinen Gegensatz, den Tatwillen, als Teile des normativen Willensbegriffs. Die subjektive Zurechnung bezieht sich auf die Bewertung der angewendeten subjektiven Befähigung des Handelnden, und ermöglicht es, den Tatwillen anhand der Art der pflichtwidrigen Reaktion des Handelnden festzustellen. Der Gemütszustand ist so zwar Gegenstand der Bewertung, nicht jedoch Bewertungsmaßstab. Durch die Unterscheidung von konkreter und abstrakter Kenntnis bleibt die Bewertung unabhängig davon, dass der Täter bei der Tatbegehung überhaupt nicht an deren Folgen denkt. Da die abstrakte Kenntnis die generellen Eigenschaften einer Tatsache oder einer Handlung enthält, ist diese Kenntnis jeder vernünftigen Person immanent. Der Tatwille als Vorsatz liegt dann vor, wenn ein beabsichtigtes Verhalten nach abstrakter Kenntnis mindestens regelmäßig eine Folge herbeiführt, gleichgültig, ob der Handelnde sich diese gewünscht oder vorgestellt hat.

Mit der in dieser Arbeit vertretenen These werden die umstrittenen Irrtumsprobleme und die axiologisch ungerechte Behandlung der Tatsachenblindheit gelöst.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 7
Inhaltsverzeichnis 9
Einführung und Überblick über den Gang der Untersuchung 17
Erster Teil: Das Problem des Doppelindividualisierungsirrtums 19
§ 1 Die relevanten Fälle und ihre komplexe Problematik 19
I. Untersuchung der Fallkonstellationen 20
1. Bombenlegerfall 20
a) Die konventionelle Situation – die falsche Person 20
b) BGH NStZ 1998, 294 – das falsche Auto 21
2. Telefonbeleidigerfall 23
a) Fälle von error in persona 23
b) Der diskussionswürdige Sachverhalt 24
3. Fangbrieffall BGHSt. 9, 240 24
4. Enzianschnapsfall 26
5. Weitere Fälle des Doppelindividualisierungsirrtums 26
II. Bedeutung des Doppelindividualisierungsirrtums 26
1. Die Problematik der Abgrenzbarkeit von aberratio ictus und error in objecto vel persona 26
2. Die Problematik des Doppelindividualisierungsirrtums 27
III. Überblick über die bisherigen Lösungsansätze 28
§ 2 Der Meinungsstand im Einzelnen 29
I. Gegenmeinungen zur Doppelindividualisierung 29
1. Irrelevante Zusatzindividualisierung – Jakobs 29
2. Zweifel an der Abgrenzung – Puppe und Loewenheim 30
3. Gattungsvorsatz – Janiszewski 31
II. Zum Vorschlag der Lösung über die Kausalität 32
1. Irrtum über den Kausalverlauf 33
2. Von der geistigen Identitätsvorstellung bis zur bekannten Gefahr – Herzberg 34
3. Das durch den Mechanismus richtig verstandene Angriffsobjekt – Prittwitz 35
4. Programmierung des Tatplans – Stratenwerth 36
5. Theorie der Planverwirklichung – Roxin 37
6. Der Strukturvergleich – Rath 39
7. Die aktuelle Beherrschung – Toepel 39
8. Lebenskonkreta – Grotendiek 41
III. Kritische Zusammenfassung und Zwischenergebnis 42
1. Doppelindividualisierungsirrtum als Kausalabweichung 42
2. Doppelindividualisierungsirrtum als error in objecto oder aberratio ictus 44
3. Die Gattungsvorsatzthese als Lösung? 44
Zweiter Teil: Die für die Doppelindividualisierungsfälle relevanten dogmatischen Grundlagen der Irrtumslehre 45
§ 3 Doppelindividualisierungsirrtum bei Kausalabweichungen 45
I. Die Ansicht der Rechtsprechung zur Kausalabweichung – Vorzeitiger Erfolgseintritt als Hauptbeispiel 45
1. Der Entführungsfall BGH NStZ 2002, 309 46
a) Auffassung und Bewertung des BGH 46
b) Analyse der Rechtsprechung 47
aa) Die subjektive Seite bei der ersten Stufe 47
bb) Versuchsbeginn = Vorsatzbeginn? 49
2. Der Luftinjektionsfall BGH NStZ 2002, 475 50
3. Der Eisenbahnsturzfall RG DStrR 1939, 177 51
4. BGH GA 1955, 123 52
5. Zwischenergebnis: Der BGH argumentiert zirkelhaft 53
II. Meinungsstand in der Literatur 53
1. Die Wesentlichkeitstheorie bei Kausalabweichung 53
2. Die neue Lehre im Anschluss an die objektive Zurechnungslehre 55
3. Die Auffassung von der Vorsatzgefahr – Puppe 58
4. Die bekannte Gefahr – Herzberg 59
5. Die Planverwirklichung – Roxin 61
III. Zwischenergebnis 63
1. Kritische Bemerkung: Kausalverlauf und subjektive Zurechnung 63
2. Eine Lösung für den Doppelindividualisierungsirrtum? 64
§ 4 Doppelindividualisierungsirrtum beim error in objecto vel persona 66
I. Meinungsstand zum error in objecto vel persona 66
1. Rechtsprechung und herrschende Meinung: Motivirrtum 66
2. Tatwille bei der finalen Handlungstheorie 68
3. Mindermeinung: Kausalverlaufsirrtum 68
a) Wesentlicher Kausalverlaufsirrtum 68
b) Unwesentlicher Kausalverlaufsirrtum 70
II. Doppelindividualisierungsirrtum jenseits von error in objecto vel persona 71
§ 5 Doppelindividualisierungsirrtum bei der aberratio ictus 72
I. Meinungsstand zur aberratio ictus 73
1. Die Versuchslösung – die sog. Konkretisierungstheorie 73
a) Aberratio ictus als „Danebenschießen“ wegen Kausalabweichung 73
b) Das erkannte Risiko 75
c) Konkreter Tatwille – Hettinger 76
d) Raumzeitkonkretisierung des Wollens bzw. des Vorsatzes – Rath 77
2. Die Vollendungslösung 78
a) Die sog. Adäquanztheorie 78
b) Die sog. formelle Gleichwertigkeitstheorie 80
aa) Gleichwertigkeit im Tatbestand und in der Vorstellung des Täters 80
bb) Würdigung und Kritik 82
c) Grundsatz der Vorsatzzurechnung und Vorsatzgefahr – Puppe 84
3. Die differenzierende Lösung 84
a) Materielle Gleichwertigkeitstheorie – Hillenkamp 84
b) Die Planverwirklichung – Roxin 86
4. Gesamtwürdigung und Kritik 86
II. Der Doppelindividualisierungsirrtum jenseits der aberratio ictus 87
1. Die Bedeutung der sinnlichen Wahrnehmung bei der aberratio ictus 87
2. Objektive Prognose bei Doppelindividualisierungsirrtum 88
Dritter Teil: Grundlagen der subjektiven Zurechnung und ihr Einfluss auf die Irrtumslehre 90
§ 6 Entwicklung der Vorsatzlehre und Meinungsstand 90
I. Feuerbach und der psychologische Vorsatzbegriff 90
1. Theorie des psychologischen Zwangs als Grundlage 90
2. Dolus und culpa 91
a) Dolus als Absicht 92
b) Culpa als ein Unterbegriff der Willensschuld 93
3. Vorsatz-Fahrlässigkeit-Kombination 94
4. Normativer Vorsatzbegriff? 96
5. Die psychologische Vorsatzlehre nach Feuerbach 97
II. Wesen und Ratio der Vorsatzbestrafung in der jüngeren Diskussion 99
1. Vorsatz als Entscheidung zur Rechtsgutsverletzung 99
a) Vorsatz als Planverwirklichung 99
b) Vorsatz als Entscheidung gegen die rechtliche Verhaltensnorm 101
c) Die sozialpsychische Perspektive – Frisch 102
d) Vorsatz als hervorgehobener Modus des „Dafür-Könnens“ – Hassemer 103
2. Vorsatz als willentliche Verletzung 104
a) Die finale Handlungstheorie – Welzel 104
b) Der verletzende Wille – E. A. Wolff, Zaczyk und Köhler 106
3. Vorsatz als Wissen 109
a) Wissen als Grund der Akzeptabilität – Jakobs 109
b) Die Lehre der Vorsatzgefahr – Puppe 111
c) Die analytische Handlungstheorie – Kindhäuser 114
III. Das sog. Kompensierungsverhältnis zwischen Wissen und Wollen 117
1. Die Bedeutung der Kompensierung 117
2. Problematik beim typologischen Vorsatzbegriff 118
IV. Anmerkung zu der oben wiedergegebenen Diskussion 119
§ 7 Vorsatz und Irrtum gem. § 16 StGB 120
I. Zur Entstehungsgeschichte von § 16 StGB 120
II. Zur strafrechtlichen Dogmatik von § 16 StGB 123
1. Die sog. Kehrseite von § 16 StGB 123
2. § 16 StGB als Lösung für das Problem des Tatbestandsirrtums? 124
III. § 16 StGB im Lichte von Psychologismus und Intellektualismus 125
IV. Zwischenergebnis 127
Vierter Teil: Entwicklung eines neuen Lösungsansatzes: Doppelindividualisierungsirrtum als Tatabweichung 128
§ 8 Vorsatz als normative Institution 128
I. Grundlage der subjektiven Zurechnung 128
1. Grundzüge einer Person in der Gesellschaft 128
2. Normbefolgungswille als Grundhaltung einer Person bei ihrer Handlung 129
II. Der Wille als Element der Zurechnung 132
1. Der normative Willensbegriff 132
2. Der Wille im psychologischen Sinne? 134
a) Der Willensbegriff seit Luden bis zur kausalen Handlungslehre 134
b) Die Trennung innerhalb des Willens bei Welzel 136
c) Der ontologische Willensbegriff der heute h. M. in der Literatur 137
§ 9 Wissen und Wollen bei der subjektiven Zurechnung 140
I. Die Ebenen und der Inhalt der Kenntnis 140
1. Abstrakte Kenntnis und konkrete Kenntnis 140
2. Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen konkreter und abstrakter Kenntnis 144
3. Kenntnis, Erkennbarkeit und sog. allgemeine Lebenserfahrung 148
4. Der Inhalt der Kenntnis 150
II. Die Beziehung zwischen Wissen und Wollen 151
1. Die konventionelle Erklärung im Strafrecht 152
2. Die Wechselseitigkeit von Wissen und Wollen 155
3. Vermeidungsmotiv, Wissen und Wille 157
III. Die Schuldformen und die subjektive Zurechnung 159
1. Die Kenntnis beim Versuch 159
2. Kenntnis, Unkenntnis und Fahrlässigkeit 161
a) Die unbewusste Fahrlässigkeit 161
b) Die sog. bewusste Fahrlässigkeit und das Vertrauen 162
3. Die Kenntnis bei den drei Erscheinungsformen des Vorsatzes 164
a) Absicht 164
b) Wissentlichkeit 166
c) dolus eventualis 167
4. Die Kenntnis und der Willen beim Unterlassungsdelikt 167
IV. Zwischenergebnis 169
1. Der Vorsatz als Tatwille 169
2. Die Bedeutung der abstrakten Kenntnis 170
§ 10 Irrtum und die subjektive Zurechnung 170
I. Bedeutung der Unkenntnis im Strafrecht 170
1. Unkenntnis als Grund für Straferleichterung 171
a) Unkenntnis als Unfreiwilligkeit 171
b) Unkenntnis der „starken“ Norm 173
c) Der nicht vorhandene Tatwille 174
2. Unkenntnis als Irrtum in der Strafrechtsdogmatik 175
3. Die Bedingung eines relevanten Irrtums 177
II. Vorliegen von nicht relevanten Irrtümern 179
1. Die verschuldete Unkenntnis 179
2. Die Problematik der Tatsachenblindheit 185
a) Die Diskussion über die Tatsachenblindheit 186
b) Essenz der Tatsachenblindheit 189
c) Die überlieferte Lösung zum Irrtumsproblem – dolus indirectus 192
aa) Historische Rückschau 193
bb) Gleichgültigkeit als dolus indirectus – Jakobs 196
d) Würdigung und Kritik 199
III. Zwischenergebnis 200
1. Konkrete Kenntnis, abstrakte Kenntnis und Irrtum 200
2. Unkenntnis und Tatwille 200
§ 11 Lösung für die Irrtumsproblematik und ihre Fälle 201
I. Die objektive Interpretation des § 16 StGB 202
1. Die objektive und widerspruchsfreie Interpretation 202
2. Überlegungen zum Unkenntnisbegriff im Sinne des § 16 StGB 204
II. Die Kausalabweichung 206
1. Der sog. Irrtum über den Kausalverlauf 206
2. Der vorzeitige Erfolgseintritt 207
3. Der sog. dolus generalis 208
III. Aberratio ictus und error in persona 210
1. Die Standardfälle 210
2. Die verwandten Fälle 211
a) Anstiftung 212
b) Mittelbare Täterschaft 214
IV. Strafrechtliche Bewertung des Doppelindividualisierungsirrtums 216
1. Mangel an der objektiven Zurechenbarkeit 216
2. Regelmäßigkeit der Tatbestandsverwirklichung 217
a) Bombenlegerfall 217
b) Fangbrieffall 219
c) Essplatz- und Hotelzimmerwechselfall 220
3. Unregelmäßigkeit der Tatbestandsverwirklichung 220
§ 12 Ergebnisse 221
I. Zusammenfassung der vorliegenden Untersuchung in Thesen 221
II. Schlussbetrachtung und Ausblick 225
Literaturverzeichnis 226
Sachwortverzeichnis 245