Der Schutz ausländischer Rechtsgüter im System des deutschen Strafanwendungsrechts
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Der Schutz ausländischer Rechtsgüter im System des deutschen Strafanwendungsrechts
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 222
(2010)
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Tine Golombek untersucht, inwieweit das deutsche Strafrecht ausländischen Rechtsgütern Schutz gewährt. Insbesondere ist klärungsbedürftig, ob deutsche Straftatbestände, die keine Individualrechtsgüter schützen, sondern dem Schutz kollektiver Rechtsgüter dienen, auch anwendbar sind, wenn durch das tatbestandsmäßige Verhalten nicht der deutsche Staat oder die inländische Gesellschaft betroffen ist, sondern ein fremder Staat oder ein nicht deutsches Kollektiv. In Wissenschaft und Praxis gibt es auf diese Frage noch keine befriedigende Antwort.Die Autorin zieht die bisher unbestrittene These, die Frage nach dem Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht werde nicht durch das Strafanwendungsrecht des StGB (§§ 3-7) beantwortet, sondern der "Schutzbereich" eines Tatbestandes sei jeweils durch Auslegung zu ermitteln, in Zweifel. Mit einer an Wortlaut und Systematik der §§ 3-7 StGB ausgerichteten und durch teleologische Erwägungen gestützten Auslegung gelangt die Autorin dagegen zu dem Ergebnis, dass alle ausländischen Rechtsgüter vom deutschen Strafrecht mit seinen Tatbeständen erfasst werden, sofern das deutsche Strafrecht über § 3StGB (Inlandstat) oder § 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 StGB (Auslandstat eines Deutschen) anwendbar ist und der Gesetzgeber für den betreffenden Tatbestand keine Ausnahme statuiert hat. Die Autorin setzt sich mit möglichen Gegenargumenten zu ihrer These auseinander und untersucht in diesem Zusammenhang u. a. anhand ausgewählter Beispiele, welche Funktion ein "Auslandsbezug" in einem Straftatbestand haben kann und welcher Zusammenhang zwischen der Schutzbereichsfrage und der Problematik der Fremdrechtsanwendung im Strafrecht besteht.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
A. Einleitung | 13 | ||
I. Die „Schutzbereichsfrage“ und ihre Bedeutung – der Gegenstand der Untersuchung | 13 | ||
II. Vorfragen und Hauptfrage – Gang der Untersuchung | 18 | ||
B. Herkömmliche Auffassungen zum Schutz ausländischer Rechtsgüter durch das deutsche Strafrecht | 22 | ||
I. Schutz ausländischer Individualrechtsgüter | 22 | ||
1. Ausschließlich Individualrechtsgüter schützende Tatbestände | 22 | ||
a) Einschluss ausländischer Individualrechtsgüter | 22 | ||
b) Begründungsansätze | 24 | ||
2. Tatbestände mit doppeltem Schutzzweck | 27 | ||
II. Kein Schutz ausländischer Hoheitsinteressen | 27 | ||
1. Ausschluss ausländischer staatlicher Rechtsgüter | 27 | ||
2. Begründungsansätze | 31 | ||
a) Strafrecht als „innerstaatliches Ordnungsrecht“ | 31 | ||
b) Einmischung in fremde Souveränität | 31 | ||
c) Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG bzw. nicht dem Richter zu überlassende Entscheidung | 32 | ||
III. Schutz ausländischer Kollektivrechtsgüter? | 33 | ||
1. Abgrenzungsfragen | 33 | ||
2. Uneinigkeit über den Schutz ausländischer Kollektivrecht | 36 | ||
a) Zuordnung zum Bereich der hoheitlichen Interessen bzw. zum Bereich der Individualrechtsgüter | 36 | ||
b) Einbeziehung der „allen zivilisierten Rechtsstaaten gemeinsamen Rechtswerte“ in den Schutzbereich deutscher Tatbeständeund ähnliche Formeln – keine klare Position der Rechtsprechung | 38 | ||
c) Obermüller und Günther-Nicolay: Einbeziehung ausländischer Kollektivrechtsgüter als verbotene Analogie | 40 | ||
IV. Zusammenfassung und Ausblick | 42 | ||
1. Die Schutzbereichsfrage als im Hinblick auf Kollektivrechtsgüter ungelöstes Problem | 42 | ||
2. Eigener Lösungsansatz | 42 | ||
a) Die Aufgabe des deutschen Strafrechts und die Rechtsgutsproblematik als nachrangige Fragen | 42 | ||
b) Der sich durch grammatikalische und systematische Auslegung des Gesetzes ergebende Schutzbereich als Ausgangspunkt | 44 | ||
C. Der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts – Versuch einer Klärung des Verhältnisses der „Schutzbereichsfrage“ zu den §§ 3–7 | 46 | ||
I. Der tatbestandliche Schutzbereich – eine „Frage für sich“? | 46 | ||
1. Die Fragwürdigkeit der gängigen Vorstellung (Strikte Trennung der Problemkreise) | 46 | ||
a) „Geltungsbereich“ und „Schutzbereich“ als Fragen der Anwendbarkeit deutscher Straftatbestände | 46 | ||
b) Streit um die dogmatische Natur der §§ 3–7: Bedeutung erst auf der Ebene der sekundären oder bereits auf der Ebene der primären Norm? | 47 | ||
aa) Die herkömmliche Auffassung: Deutsches Strafrecht als universelle Bewertungsnorm menschlichen Verhaltens | 48 | ||
bb) Das heute vorherrschende Verständnis: Beschränkter Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts | 49 | ||
c) Einigkeit über die Zuordnung zum materiellen Recht | 50 | ||
d) Exkurs: Die unzutreffende Einordnung der Voraussetzungen der §§ 3–7 als objektive Bedingungen der Strafbarkeit als Konsequenz der Ansicht vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts | 51 | ||
e) Folgen der Zuordnung der §§ 3–7 zum materiellen Recht für die Einordnung der Schutzbereichsfrage | 53 | ||
aa) Die Zugehörigkeit auch der Schutzbereichsfrage zur primären Ebene nach der Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts | 53 | ||
bb) Die Einordnungsmöglichkeiten nach der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts | 53 | ||
(1) Die mögliche Zuordnung der Schutzbereichsfrage zur sekundären Ebene | 54 | ||
(2) Die mögliche Zuordnung der Schutzbereichsfrage zur (den §§ 3–7 vorgelagerten) primären Ebene | 54 | ||
cc) Die Theorie vom beschränkten Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts als Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung | 55 | ||
2. Die parallele Problematik im Internationalen Privatrecht: Die „selbstbegrenzte Sachnorm“ | 56 | ||
3. Die Schutzbereichsfrage als vom Strafanwendungsrecht zu bewältigendes Problem | 58 | ||
a) Die §§ 3–7 StGB: Ein auch die „Schutzbereichsfrage“ lösendes Regelungssystem? | 60 | ||
aa) Die Prinzipien des Strafanwendungsrechts und die den §§ 3–7 unmittelbar zu entnehmenden Aussagen bzgl. des Geltungsbereichs | 60 | ||
(1) Territorialitätsprinzip und aktives Personalitätsprinzip | 60 | ||
(2) Schutzprinzip und Weltrechtsprinzip: Das Rechtsgut als Anknüpfungspunkt | 61 | ||
bb) Die den §§ 3–7 mittelbar zu entnehmende Aussage über den „Schutzbereich“ deutscher Tatbestände | 63 | ||
(1) Der Umkehrschluss aus § 7 Abs. 1: Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter bei Inlandstaten (§ 3) und Auslandstaten Deutscher (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1) | 63 | ||
(2) Keine Gegenargumente aus den anderen Normen des Strafanwendungsrechts | 66 | ||
(a) Kein Gegenargument aus § 6 | 67 | ||
(b) Kein Gegenargument aus § 5 | 68 | ||
(c) Kein Gegenargument aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 1 Var. 2 | 69 | ||
(3) Das deutsche Strafanwendungsrecht als „zweigleisiges“ System und die Vereinbarkeit dieses Systems mit dem Völkerrecht | 70 | ||
(a) Kein Schutz ausländischer Rechtsgüter vor Auslandstaten von Ausländern | 70 | ||
(b) Schutz ausländischer Rechtsgüter vor Auslandstaten von Deutschen und Inlandstaten | 71 | ||
(c) Konsequenz „Tatbestandsspaltung“ | 75 | ||
cc) Die „Schutzbereichsfrage“ im Rahmen der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch des deutschen Strafrechts | 76 | ||
(1) Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter auch bei Beeinträchtigung durch einen Ausländer im Ausland als Konsequenz der Grundidee | 76 | ||
(2) Die inkonsequente Relativierung der Grundidee durch das Stellen der „Schutzbereichsfrage“ | 78 | ||
(3) Mangelnde Überzeugungskraft der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch | 79 | ||
(a) Die argumentative Stützung der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch durch Schmitz | 79 | ||
(b) Theorie vom universellen Bewertungsanspruch als Verstoß gegen den Nichteinmischungsgrundsatz | 80 | ||
(c) Weitere Anhaltspunkte gegen das Zutreffen der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch | 83 | ||
(4) Besonderer Rechtfertigungsbedarf für die Annahme der Beschränkung eines Tatbestandes auf inländische Rechtsgüter auch nach der Theorie vom universellen Bewertungsanspruch | 85 | ||
b) Kein Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz | 86 | ||
c) Kein zwingendes Gegenargument aus einzelnen ausdrücklichen Schutzbereichserweiterungen | 87 | ||
aa) Der Auslandsbezug einzelner Tatbestände als Indiz gegen die These der grundsätzlichen Einbeziehung? | 87 | ||
bb) Tatbestände mit Auslandsbezug ohne (zwingende) Bedeutung für die Ermittlung des geschützten Rechtsguts – am Beispiel des § 152 | 87 | ||
cc) Notwenige Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter aufgrund spezieller Anwendungsbeschränkungen | 89 | ||
(1) § 370 Abs. 6 AO | 89 | ||
(2) IntBestG und EUB | 90 | ||
(3) § 264 Abs. 7 Nr. 2 | 92 | ||
(4) §§ 326 Abs. 2 und 330d Nr. 1 | 92 | ||
(5) § 38 Abs. 5 WpHG – ein Scheinkandidat | 97 | ||
dd) „Einbeziehung“ ausländischer Rechtsgüter mit lediglich deklaratorischem Charakter? – die Bedeutung von § 299 Abs. 3 | 101 | ||
ee) Zusammenfassung und Ausblick | 106 | ||
4. Die richtige Fragestellung: Gründe für den ausnahmsweisen Ausschluss ausländischer Rechtsgüter aus dem tatbestandlichen Schutzbereich? | 108 | ||
II. Ergebnis zu C.: Die Schutzbereichsfrage als Korrektiv der gesetzgeberischen Entscheidung in den §§ 3–7 | 108 | ||
1. Voraussetzung für die der Schutzbereichsfrage zugedachte Korrekturfunktion: Die Tatbestände als „selbstbegrenzte Sachnormen“ | 109 | ||
2. Exkurs: „Selbsterweiterte Sachnormen“ im deutschen StGB? | 110 | ||
D. Die Einbeziehung ausländischer Rechtsgüter als Grundsatz und die Abweichungen vom Grundsatz durch tatbestandsimmanente Schutzbereichsbegrenzungen | 112 | ||
I. Tatbestände mit Schutzbereichsbegrenzung | 112 | ||
1. Tatbestände, bei denen sich die Begrenzung aus dem Wortlaut oder der (Legal-)Definition einzelner Tatbestandsmerkmale ergibt | 112 | ||
2. Begrenzungen auf den Schutz inländischer Rechtsgüter aufgrund der akzessorischen Struktur von Tatbeständen? | 114 | ||
a) Das ungelöste Problem der „Fremdrechtsanwendung“ im Strafrecht | 116 | ||
b) Verwaltungsakzessorietät als besonders problematischer Bereich | 118 | ||
c) Die Fremdrechtsanwendungsproblematik im Rahmen der Schutzbereichsfrage | 120 | ||
aa) Die übliche Darstellung: Schutzbereich als Vorfrage der Fremdrechtsanwendung | 120 | ||
bb) Tatsächliche Bedeutung der Fremdrechtsanwendungsproblematik für Schutzbereichsfragen | 121 | ||
(1) Die Berechtigung einer umgekehrten Perspektive | 121 | ||
(2) Der fehlende unmittelbare Zusammenhang zwischen Fremdrechtsanwendung und Schutzbereich | 122 | ||
d) Die verschiedenen Theorienzur Fremdrechtsanwendung in kritischer Würdigung – geeignete Ansätze zur Bewältigung der Problematik? | 124 | ||
aa) Ermittlung der heranzuziehenden Rechtsordnung mit Hilfe der Kollisionsnormen des deutschen Rechts | 124 | ||
bb) Der Ansatz Liebelts | 125 | ||
(1) Die zwei Differenzierungsschritte Liebelts | 125 | ||
(2) Die zweifelhafte Begründung für eine abweichende Behandlung „rechtsgutkonkretisierender“ Tatbestandsmerkmale | 126 | ||
(3) Die unzutreffenden Folgerungen aus dem Begriff der universellen Bewertungsfunktion für den Bereich der „rechtsgutbeeinträchtigenden“ Merkmale | 127 | ||
cc) Differenzierung zwischen normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettmerkmalen als gangbarer Weg | 130 | ||
(1) Geringe Berücksichtigung des Unterschieds zwischen rechtlich-normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettmerkmalen in der bisherigen Diskussion | 130 | ||
(2) Der wesentliche Unterschied zwischen normativen Tatbestandsmerkmalen und Blankettmerkmalen | 132 | ||
(3) Keine Ausfüllung von Blankettmerkmalen durch ausländisches Recht | 134 | ||
(4) Konkretisierung normativer Tatbestandsmerkmale durch das zuständige Recht | 135 | ||
(a) Heranziehung des zuständigen Rechts als grundsätzlich zwingende Folge der Entscheidung für den Schutz ausländischer Rechtsgüter | 135 | ||
(b) Die Bestimmung der zuständigen Rechtsordnung durch Kollisionsnormen des deutschen Rechts | 140 | ||
(c) Übertragung der Lösung auf den Bereich der „indirekten“ Verweisungen? | 143 | ||
(d) Übertragung der Lösung auf den Bereich der Inlandsdistanzdelikte? | 146 | ||
e) Ergebnis | 151 | ||
aa) Mögliche Auswirkungen der Fremdrechtsanwendung im Bereich der normativen Tatbestandsmerkmale | 151 | ||
bb) Blanketttechnik als Instrument des Gesetzgebers zur Einschränkung der §§ 3–7 | 153 | ||
3. Die Verletzung ausländischer Rechtsgüter als Prozesshindernis? | 155 | ||
II. Keine Schutzbereichsbegrenzung in anderen Fällen | 155 | ||
1. Bedeutung teleologischer Überlegungen | 155 | ||
2. Unzulässigkeit des Schutzes ausländischer staatlicher Interessen? | 157 | ||
a) Die Unbrauchbarkeit der Formel der Rechtsprechung | 157 | ||
b) Kein Verstoß gegen das Einmischungsverbot durch den Schutz ausländischer Hoheitsinteressen | 158 | ||
c) Die Unzulänglichkeiten in der Argumentation Obermüllers | 159 | ||
d) Mangelnde Vergleichbarkeit ausländischer Hoheitsinteressen mit deutschen? | 161 | ||
e) Ergebnis: Keine grundsätzliche Unzulässigkeit des Schutzes ausländischer Allgemeininteressen | 163 | ||
3. Teleologische Erwägungen zugunsten des Schutzes ausländischer Rechtsgüter | 164 | ||
a) Die Schutzwürdigkeit ausländischer Allgemeininteressen | 164 | ||
b) Generalpräventive Erwägungen | 169 | ||
aa) Störung des inländischen Rechtsfriedens durch Beeinträchtigung ausländischer Rechtsgüter? | 169 | ||
bb) Problemfall Inlandsdistanzdelikt: Anwendung des deutschen Strafrechts auch bei Straflosigkeit am Erfolgsort | 171 | ||
(1) „Erfolgsunrecht“ trotz fehlender Strafbarkeit am Erfolgsort | 172 | ||
(2) Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers | 174 | ||
(3) Ungeeignetheit von Schutzbereichsbeschränkungen zur Lösung der Inkongruenzproblematik | 174 | ||
(4) Der Konflikt zwischen Staatensolidarität und Selbstschutz und seine Unlösbarkeit auf materieller Ebene | 176 | ||
(5) Sonderproblem Distanzteilnahme: Änderungsbedürftigkeit der geltenden Regelung | 180 | ||
cc) Ergebnis | 181 | ||
4. Die Erstreckung des Schutzbereichs auf ausländische Rechtsgüter am Beispiel einzelner Tatbestände | 182 | ||
III. Die Ausnahme vom Grundsatz als Regel? | 183 | ||
IV. Möglichkeiten zur Vermeidung von Jurisdiktionskonflikten | 183 | ||
E. Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung | 185 | ||
Literaturverzeichnis | 198 | ||
Sachwortverzeichnis | 207 |