Was die Satire darf
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Was die Satire darf
Eine Gesamtbetrachtung zu den rechtlichen Grenzen einer Kunstform
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 1119
(2009)
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Abstract
Satire und Karikatur sind als Rechtsproblem nicht ohne Weiteres zu fassen. Sie provozieren Prozesse wegen Beleidigung, Volksverhetzung und der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen, ihren Urhebern wird die Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole vorgeworfen. Vor den Zivilgerichten wird beklagt, dass Satiren das Persönlichkeitsrecht Dritter, ihr Recht am eigenen Wort und am eigenen Bild verletzen. Selbst das Urheber- und Markenrecht oder das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb wird gegen die Satire in Stellung gebracht. Tatsächlich ist der Satire wegen ihres aggressiven Charakters der Konflikt mit Rechtsgütern Dritter immanent. Sie zielt darauf ab, Personen und Zustände zu kritisieren und deren Fehlerhaftigkeit freizulegen. Dabei müssen die satiretypischen Stilmittel der Verfremdung und Übertreibung, mit denen die Satire ihren Standpunkt gleichsam verschlüsselt artikuliert, zusätzlich Missverständnisse provozieren.Um Satire als Rechtsproblem zu erfassen, definiert Sebastian Gärtner in der vorliegenden Publikation zunächst den Begriff »Satire« und beantwortet die Frage nach ihrer grundrechtlichen Verortung. Es wird zu beweisen sein, dass Satiren unter die Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 III GG fallen, sobald gemäß des klassischen Satire-Begriffs das Regelwidrige gerade durch die Verfremdung fassbar gemacht wird. Nachfolgend konzentriert sich der Autor auf den für die Bewertung von Satiren maßgeblichen Rechtsanwendungsschritt, und zwar den ihrer werkgerechten Rezeption. Dabei gilt es die verfassungsgerichtliche Interpretationsmaxime, wonach neben dem satirischen Aussagekern auch das ästhetische Gewand einer selbstständigen rechtlichen Bewertung unterzogen werden müsse, als unhaltbar zu entlarven. Vor diesem Hintergrund werden abschließend die Normen des Straf- und Zivilrechts, mit denen Satiren regelmäßig kollidieren, mit der dazu vorhandenen Rechtsprechung in den Blick genommen, um ein vollständiges Bild über die rechtlichen Grenzen der Satire zu gewinnen.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 9 | ||
Inhaltsverzeichnis | 11 | ||
Einleitung | 17 | ||
Kapitel 1: Grundrechtliche Gewährleistungen der Satire | 19 | ||
A. Zum Begriff der Satire | 19 | ||
I. Der literaturwissenschaftliche Satirebegriff | 20 | ||
1. Die satirische Aggression | 22 | ||
2. Der Normbezug | 24 | ||
3. Die Indirektheit der Form | 26 | ||
4. Die Karikatur als satirisches Ausdrucksmittel | 29 | ||
5. Ergebnis | 29 | ||
II. Der Satirebegriff des BVerfG | 30 | ||
1. Die Reduktion der Satire auf das verfremdende Moment | 31 | ||
2. Die Entdeckung des sozialen Moments | 32 | ||
3. Das Verlachen als satiretypischer Effekt | 33 | ||
4. Der verfassungsgerichtliche Begriff der Karikatur | 34 | ||
5. Ergebnis | 35 | ||
III. Das Satire-Verständnis der Instanzgerichte | 37 | ||
B. Satire unter dem Schutz der Kommunikationsgrundrechte | 38 | ||
I. Satire unter dem Schutz der Meinungsfreiheit, Art. 5 I 1 GG | 39 | ||
1. Satire als Meinung im Sinne des Art. 5 I 1 GG | 39 | ||
2. Tatsachenbehauptungen in Satiren | 42 | ||
a) Der Begriff der Tatsachenbehauptung und ihr grundrechtlicher Schutz | 42 | ||
b) Die Konsequenzen für die Satire | 45 | ||
3. Ergebnis | 47 | ||
II. Satire unter dem Schutz der Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit, Art. 5 I 2 GG | 47 | ||
1. Die Relevanz der Mediengrundrechte für die Satire | 48 | ||
2. Satire zwischen der Meinungsfreiheit und den Mediengrundrechten | 49 | ||
a) Die Konkurrenz von Meinungsfreiheit und Mediengrundrechten | 50 | ||
b) Die Konsequenzen für die Satire | 51 | ||
3. Ergebnis | 52 | ||
III. Satire unter dem Schutz der Kunstfreiheit, Art. 5 III GG | 53 | ||
1. Der Schutzbereich der Kunstfreiheit nach dem BVerfG | 54 | ||
a) Der verfassungsgerichtliche Begriff der Kunst | 54 | ||
aa) Die Mephisto-Entscheidung | 54 | ||
bb) Das Urteil zum „Anachronistischen Zug“ | 60 | ||
cc) Ergebnis | 62 | ||
b) Der „Naegeli-Beschluss“ | 62 | ||
c) Der sachliche und personale Schutzbereich | 66 | ||
2. „Satire kann Kunst sein, nicht jede Satire ist jedoch Kunst“ | 67 | ||
a) Satire als Kunst unter dem (engen) literaturwissenschaftlichen Satirebegriff | 68 | ||
aa) Satire unter dem materialen Kunstbegriff | 68 | ||
bb) Satire unter dem formal-typologischen Kunstbegriff | 72 | ||
cc) Satire unter dem zeichentheoretischen Kunstbegriff | 72 | ||
dd) Ergebnis | 75 | ||
b) Satire als Kunst nach dem (weiten) Satirebegriff des BVerfG | 75 | ||
aa) Die Gültigkeit der verfassungsgerichtlichen Satire-Formel | 76 | ||
bb) Die Abgrenzung der künstlerischen Satire zur satirischen Meinungsäußerung | 78 | ||
(1) Die Differenzierung nach Qualitätsmaßstäben | 78 | ||
(2) Der Grad der Verfremdung als das entscheidende Merkmal | 79 | ||
(a) Die Münzen-Erna-Entscheidung | 80 | ||
(b) Die FCKW-Entscheidung | 81 | ||
(c) Die Bürgermeisterwahl-Entscheidung | 83 | ||
cc) Das Schema der verfassungsgerichtlichen Satire-Rechtsprechung | 84 | ||
dd) Das Schema der instanzgerichtlichen Satire-Rechtsprechung | 85 | ||
c) Die unterschiedliche Geltung der Grundrechte für Kern und Kleid | 88 | ||
d) Ergebnis | 89 | ||
IV. Endergebnis | 89 | ||
Kapitel 2: Die adäquate Rezeption satirischer Arbeiten | 91 | ||
A. Die Entwicklung eines Rezeptionsmodells für Satire und Karikatur | 91 | ||
I. Die Ermittlung des objektiven Sinns | 92 | ||
1. Darstellung und Wert der verfassungsgerichtlichen Grundsätze | 92 | ||
2. Das Gegenmodell – Die Absage an die Sinndeutung | 95 | ||
II. Die Anlegung werkgerechter Maßstäbe bei Kunstwerken | 97 | ||
1. Die Berücksichtigung der kunsttypischen Formensprachen | 98 | ||
2. Die Kunst und die Wahrheitsfrage | 99 | ||
a) Die grundsätzliche Freistellung der Kunst von der Wahrheitsfrage | 99 | ||
b) Die Spannung zwischen Fiktion und Realität | 100 | ||
c) Der Wahrheitsanspruch der Satire | 104 | ||
aa) Der grundsätzlich fehlende Wahrheitsanspruch satirischer Äußerungen | 106 | ||
bb) Die Dokumentarsatire | 107 | ||
cc) Die satirische Modellstudie | 108 | ||
III. Die (zusätzlichen) Besonderheiten bei der Rezeption von Satire und Karikatur | 110 | ||
1. Die Finessen in der Freilegung des satirischen Aussagekerns | 111 | ||
a) Der besondere Aktualitätsbezug der Satire | 111 | ||
b) Verzerrung als Rückübersetzungssignal und die Momente der Identifikation | 115 | ||
c) Die satirische Norm | 122 | ||
d) Ergebnis | 123 | ||
2. Die satirische Einkleidung als selbstständiger Anknüpfungspunkt | 124 | ||
a) Die Einheit von Form und Inhalt | 125 | ||
b) Die Trennung von Kern und Kleid in der (verfassungs-)gerichtlichen Judikatur | 129 | ||
aa) Die Trennung von Kern und Kleid in der Judikatur des BVerfG | 129 | ||
bb) Die Umsetzung der Vorgabe des BVerfG durch die Instanzgerichte | 131 | ||
cc) Die (faktische) Ablehnung des verfassungsgerichtlichen Maßstabes | 135 | ||
dd) Die Spezifizierung des verfassungsgerichtlichen Maßstabes | 136 | ||
c) Ergebnis | 138 | ||
IV. Der Durchschnittsleser als maßgeblicher Rezipient | 139 | ||
V. Die „Variantenlehre“ | 145 | ||
1. Darstellung und Kritik an der „Variantenlehre“ | 145 | ||
2. Die Rechtfertigung der verfassungsgerichtlichen „Variantenlehre“ | 149 | ||
VI. Endergebnis | 152 | ||
B. Die Umsetzung des Rezeptionsmodells in der Satire-Judikatur des BVerfG | 153 | ||
I. Die Kognitionskompetenz des BVerfG | 153 | ||
II. Die (verfassungs-)gerichtlichen Entscheidungen im Einzelnen | 157 | ||
Kapitel 3: Satire im Konflikt mit Rechtsgütern Dritter | 166 | ||
A. Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Satire | 166 | ||
I. Die Schranken der Meinungs- und Kunstfreiheit | 167 | ||
1. Schranken der Meinungsfreiheit | 167 | ||
a) Die „allgemeinen Gesetze“ und die Wechselwirkungslehre | 167 | ||
b) Die Gesetze zum Schutze der Jugend und der Ehre | 170 | ||
c) Die verfassungsimmanenten Schranken | 171 | ||
d) Ergebnis | 172 | ||
2. Schranken der Kunstfreiheit | 173 | ||
a) Der Gemeinschaftsvorbehalt | 173 | ||
b) Art. 2 I GG | 174 | ||
c) Art. 5 II GG analog | 175 | ||
d) Die verfassungsimmanenten Schranken | 176 | ||
e) Ergebnis | 177 | ||
3. Die Kongruenz von Meinungs- und Kunstfreiheit im Abwägungsprozess | 178 | ||
II. Die Drittwirkung der Grundrechte | 181 | ||
B. Die Einordnung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in den Deliktsaufbau | 185 | ||
I. Die dogmatische Funktion von Tatbestand und Rechtswidrigkeitsebene | 185 | ||
II. Die Grundrechte im Deliktsaufbau nach Judikatur (des BVerfG) | 187 | ||
III. Die Standpunkte in der Literatur | 190 | ||
IV. Die Doppelrelevanz der verfassungsrechtlichen Vorgaben | 191 | ||
V. Art. 5 GG als eigenständiger Rechtfertigungsgrund? | 194 | ||
VI. Endergebnis | 196 | ||
C. Die einfachrechtlichen Grenzen der Satire | 196 | ||
I. Die Kollision der Satire mit Normen des Strafrechts | 197 | ||
1. Die Beleidigungsdelikte, §§ 185 ff. StGB | 197 | ||
a) Der Tatbestand der §§ 185 ff. StGB | 198 | ||
aa) Das geschützte Rechtsgut der Ehre | 198 | ||
bb) Die Systematik der §§ 185 ff. StGB | 201 | ||
cc) Satiren als tatbestandliche Handlungen gem. §§ 185 ff. StGB | 202 | ||
b) Die Rechtswidrigkeit tatbestandlicher Satiren | 207 | ||
aa) Vorab: §§ 185 ff. StGB als Schranken des Art. 5 GG | 207 | ||
bb) Der Prozess der Abwägung | 208 | ||
(1) Absolute Grenzen: Die Menschenwürde und der Schutz vor Schmähung | 209 | ||
(2) Die Vermutungsformel | 211 | ||
(3) Das Recht zum Gegenschlag | 217 | ||
(4) Die Idee der Reizüberflutung | 221 | ||
(5) Die Sphärentheorie | 223 | ||
(6) Die Abwägungskriterien bei der Verbreitung von Tatsachen | 224 | ||
(7) Ergebnis | 227 | ||
cc) Der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung | 227 | ||
c) Schuld | 228 | ||
2. Die Volksverhetzung, § 130 I StGB | 229 | ||
a) Tatbestand | 229 | ||
b) Rechtswidrigkeit | 232 | ||
aa) Vorab: § 130 I StGB als Schranke des Art. 5 GG | 232 | ||
bb) Der Prozess der Abwägung | 235 | ||
3. Die Religionsbeschimpfung, § 166 StGB | 236 | ||
a) Tatbestand | 236 | ||
b) Rechtswidrigkeit | 242 | ||
aa) Vorab: § 166 StGB als Schranke von Art. 5 GG | 242 | ||
bb) Der Prozess der Abwägung | 245 | ||
4. Die Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, § 90a StGB | 245 | ||
a) Tatbestand | 246 | ||
b) Rechtswidrigkeit | 250 | ||
aa) Vorab: § 90a StGB als Schranke von Art. 5 GG | 250 | ||
bb) Der Prozess der Abwägung | 253 | ||
5. Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, § 86a StGB | 255 | ||
a) Tatbestand | 255 | ||
b) Rechtswidrigkeit | 259 | ||
aa) Vorab: § 86a StGB als Schranke von Art. 5 GG | 260 | ||
bb) Der Prozess der Abwägung | 261 | ||
II. Die zivilrechtlichen Grenzen der Satire | 262 | ||
1. Die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts | 262 | ||
a) Tatbestand | 263 | ||
aa) Der Ehrschutz | 263 | ||
bb) Das Recht am eigenen Wort | 266 | ||
cc) Das Recht am eigenen Bild | 267 | ||
dd) Das Namensrecht | 271 | ||
ee) Die Träger des Rechts | 273 | ||
b) Rechtswidrigkeit | 274 | ||
c) Rechtsfolge | 277 | ||
aa) Ersatz des materiellen Schadens | 277 | ||
bb) Ersatz des immateriellen Schadens | 278 | ||
cc) Widerruf und Unterlassung, § 1004 I BGB analog | 281 | ||
2. Die urheberrechtlichen Grenzen der Satire | 282 | ||
a) Die für die Parodie relevanten Normen des UrhG | 283 | ||
b) Die urheberrechtlichen Grenzen der Parodie in der Rechtsprechung | 284 | ||
aa) Der geforderte „innere Abstand“ zwischen Parodie und Original | 284 | ||
bb) Beispiele aus der Rechtsprechung | 285 | ||
cc) Der Prozess der Abwägung zwischen den kollidierenden Rechtsgütern | 287 | ||
3. Die rechtlichen Grenzen (satirischer) Markenparodien | 288 | ||
a) Ansprüche aus dem Gesetz über den Schutz von Marken (MarkenG) | 289 | ||
aa) Die markenmäßige Benutzung von Marken durch Parodien | 289 | ||
bb) § 14 MarkenG als Anspruchsgrundlage des MarkenG | 292 | ||
cc) Rechtswidrigkeit | 294 | ||
b) Ansprüche aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) | 295 | ||
aa) Wettbewerbshandlung und Wettbewerbsverhältnis | 296 | ||
bb) Die Unlauterkeit der Handlung gem. § 3 UWG | 297 | ||
c) Ansprüche aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch | 299 | ||
aa) Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts | 299 | ||
bb) Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb | 301 | ||
cc) Verletzung des Namensrechts | 302 | ||
d) Ergebnis | 303 | ||
Resümee | 304 | ||
Literaturverzeichnis | 307 | ||
Sachwortverzeichnis | 332 |