Gesetzesbindung: Vom vertikalen zum horizontalen Verständnis
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Gesetzesbindung: Vom vertikalen zum horizontalen Verständnis
Christensen, Ralph | Kudlich, Hans
Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 236
(2008)
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Abstract
Das Gesetz kann nicht entscheiden. Es braucht dazu den Richter. Aber dieser ist dabei nicht frei, sondern gebunden. Worin bestehen seine Bindungen, wenn er das Recht, an das er gebunden ist, selbst erzeugt?Früher hat man diese Frage mit pathetischen Gesten beantwortet. Der Richter sei in einer kafkaesken Situation, weil er wisse, dass er gebunden sei, aber nicht wisse, woran. Soviel Nichtwissen kann sich ein Richter in der Realität aber nicht erlauben. Er muss sich vielmehr mit den vorgetragenen Argumenten, Schriftsätzen und Vorentscheidungen in knapper Zeit auseinandersetzen. Oder man hat das Richterbild mit der existenziellen Intensität der großen Entscheidung aufgeladen. Der Richter ist hineingehalten ins normative Nichts und steht als einsames Subjekt vor der Notwendigkeit, zwischen Freund und Feind zu wählen. Aber das einsame Subjekt kennt der von Kommunikation überschwemmte Richter nur aus der Literatur.Der heute weitgehend anerkannte Umstand, dass das Gesetz nicht entscheiden kann, muss also weder in die Verzweiflung noch in den Dezisionismus führen, sondern ganz nüchtern in die Analyse der Anschlusszwänge, die bei der Erzeugung von Recht bestehen. Ralph Christensen und Hans Kudlich entwickeln ausgehend von dieser Analyse und im Anschluss an die Holismusdiskussion in der neueren (insbesondere Sprach-) Philosophie ein Modell der Gesetzesbindung, das die Bindung weniger horizontal als vielmehr vertikal in Gestalt eines Netzwerkes der Recht-Fertigung interpretiert. Auf diese Weise kann das Paradoxienmanagement der Gesetzesbindung in einer Theorie der Praxis gelingen.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einleitung | 11 | ||
1. Kapitel: Von der externen zur internen Rationalität des Rechts | 13 | ||
I. Die Emergenz normativer Standards in der Praxis | 13 | ||
1. Normative Standards als Phänomen der dritten Art | 14 | ||
2. Das Rechtsstaatsprinzip als kommunikative Ethik | 15 | ||
3. Leistung und Grenzen methodenbezogener Normen | 16 | ||
II. Interner Rationalität fehlt eine epistemische Garantie | 17 | ||
1. Die Verfassung als Rationalitätsmaßstab | 17 | ||
2. Methodenbezogene Normen | 18 | ||
3. Zirkularität und Paradox | 18 | ||
III. Die Überordnung eines philosophischen Rationalitätsmaßstabs | 20 | ||
1. Direkte Unterordnung als Sonderfall der praktischen Vernunft | 21 | ||
2. Indirekte Unterordnung durch den Anwendungsdiskurs | 32 | ||
3. Das Verschwinden des übergeordneten Maßstabs im Paradox | 37 | ||
IV. Die praktische Entparadoxierung juristischer Rationalität | 41 | ||
1. Das Paradox als Schreckgespenst | 42 | ||
2. Semantisch lexikalische Analyse des Begriffs „Paradoxie“ | 44 | ||
3. Der Aufschub endgültiger Rationalität | 48 | ||
2. Kapitel: Vom Gesetz zum Ganzen des Rechts | 52 | ||
I. Rechtsanwendung als holistisches Problem | 52 | ||
1. Widersprüche im Recht | 53 | ||
2. Lücken im Recht | 59 | ||
3. Zwei Wege holistischen Argumentierens | 63 | ||
II. Vom starken zum schwachen Holismus | 67 | ||
1. Die Kritik am starken Holismus | 68 | ||
2. Der Molekularismus zerschlägt die Welt in isolierte Inseln | 71 | ||
3. Die Rückkehr zu einem schwachen Holismus | 76 | ||
3. Kapitel: Von der Semantik des Gesetzes zur Pragmatik des Rechts | 80 | ||
I. Semantische Moderation des Holismus | 80 | ||
1. Bindung durch den Gesetzgeber | 80 | ||
2. Bindung durch das Gesetz | 88 | ||
3. Der Übergang von der Semantik zur Pragmatik | 104 | ||
II. Pragmatische Moderation des Holismus | 114 | ||
1. Das Modell der Gegenstandserkenntnis | 115 | ||
2. Erkenntnis als Präzisierung der Selbstbeschreibung | 119 | ||
3. Das Paradox praktischer Normativität | 123 | ||
4. Kapitel: Von der vertikalen zur horizontalen Gesetzesbindung | 125 | ||
I. Von der Beobachtung der Rechtsquelle zur Beobachtung des Verfahrens | 126 | ||
1. Ontologie oder Verfahren | 128 | ||
2. Beobachtung erster oder zweiter Ordnung | 131 | ||
3. Vertikale oder horizontale Systematik | 139 | ||
II. Von der Ableitungshierarchie zum Netzwerk der Recht-Fertigung | 141 | ||
1. Die Funktion der Präjudizien am Beispiel des EuGH | 141 | ||
2. Vorentscheidungen im Rahmen einer inferentiellen Semantik | 144 | ||
3. Recht als eine sich selbst stabilisierende Praxis | 146 | ||
III. Von der monodirektionalen zur polydirektionalen Gesetzesbindung | 155 | ||
1. Die Konstruktion der Rechtsquelle | 156 | ||
2. Die Rolle der Präjudizien | 161 | ||
3. Vernetzung und Relevanzhorizont einer Entscheidung | 163 | ||
5. Kapitel: Die Anforderungen der Verfassung | 167 | ||
I. Art. 20 III GG: Vom Begriff zum Problem der Gerechtigkeit | 168 | ||
1. Der Begriff der Gerechtigkeit | 168 | ||
2. Gerechtigkeit und Legitimität | 171 | ||
3. Gerechtigkeit als Problem des Rechts | 172 | ||
II. Art. 97 GG: Vom Gesetz als Inhalt zum Gesetz als perspektivischer Form | 174 | ||
1. Auslegung des Art. 97 GG | 175 | ||
2. Gesetzesbindung und Gewaltenteilung | 177 | ||
3. Gesetzesbindung und Rechtsstaat | 182 | ||
III. Art. 103 II GG: Von der vorgegebenen zur hergestellten Wortlautgrenze | 184 | ||
1. Besonderheiten im Strafrecht | 184 | ||
2. Die Wortlautgrenze im Strafrecht | 185 | ||
3. Die Gesetzesbindung im Strafrecht | 186 | ||
IV. Art. 103 I GG: Vom formalen Teilhaberecht zum Beitrag im dialogischen Rechtsfindungsprozess | 188 | ||
1. Formale Garantien und konkrete Ausprägungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör | 189 | ||
2. Beachtungspflicht und Begründungserfordernis | 190 | ||
3. Was heißt „Anspruch auf Beachtung“? | 192 | ||
6. Kapitel: Vom Gesetzestext über die Argumentation zur Begründung | 195 | ||
I. Der Gesetzestext als Medium für Gründe | 196 | ||
1. Die Gewalt der Interpretation | 196 | ||
2. Die Grenze der Auslegung | 198 | ||
3. Die Zeichenkette als sozialer Fokus der Argumentation | 201 | ||
II. Die streitige Argumentation im Verfahren | 203 | ||
1. Das Verfahren als semantischer Kampf | 203 | ||
2. Kampf ums Recht im Raum der Sprache | 207 | ||
3. Der Streit als Material für die Begründung | 208 | ||
III. Die Begründung bezieht die Argumentation auf den Gesetzestext | 209 | ||
1. Kriterien für eine gute Begründung | 210 | ||
2. Die philosophische Argumentationstheorie | 210 | ||
3. Die Geltung als Kriterium | 211 | ||
IV. Transkription als Legitimitätstransfer | 212 | ||
1. Anordnende und rechtfertigende Texte | 213 | ||
2. Begründung und Recht auf Sprache | 214 | ||
3. Der Legitimationstransfer vom Gesetz auf die Entscheidung | 215 | ||
V. Die Gesetzesbindung als Paradoxiemanagement | 216 | ||
Literaturverzeichnis | 219 | ||
Personenverzeichnis | 243 | ||
Sachverzeichnis | 248 |