Der Erwerb unterschlagener bzw. gestohlener Sachen vom Nichtberechtigten
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Der Erwerb unterschlagener bzw. gestohlener Sachen vom Nichtberechtigten
Untersuchungen zum römischen Recht, den Volksrechten der Westgoten, Franken und Bayern sowie der Entstehungsgeschichte von § 935 BGB
Schriften zur Rechtsgeschichte, Vol. 134
(2007)
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Abstract
Ausgangspunkt der Untersuchung ist die bekannte Regelung in § 935 BGB. Sie dient dem Autor einerseits als thematischer Rahmen für die historisch zu betrachtenden Lebenssachverhalte und bietet ihm andererseits mit ihrer Unterscheidung nach der Art des Besitzverlustes einen klaren Ansatz, auf dessen Berücksichtigung er die antiken Rechte untersucht. Dabei geht es ihm nicht um eine Kritik der derzeitigen Vorschrift, vielmehr um eine Auseinandersetzung mit den dafür in Anspruch genommenen geschichtlichen Grundlagen und deren faktische Bedeutung bei der Entstehung des § 935 BGB.Aus germanischer Sicht pflegt die Vorschrift mit dem Satz "Hand wahre Hand" in Verbindung gebracht zu werden, aus romanistischer Sicht mit dem Ausschluss der res furtivae von der Ersitzung. Die historische Analyse des Autors zeigt, dass sich zwar teilweise Übereinstimmungen in den Lösungen des geltenden und des antiken Rechts finden, der theoretische Ansatz jedoch grundverschieden ist. Nicht die Art des Besitzverlustes war in den untersuchten Rechten entscheidend, sondern das Vorliegen eines Delikts (furtum) an der Sache. Folglich hing die Verfolgbarkeit durch den Eigentümer unmittelbar von der Ausdehnung des betreffenden Deliktstatbestandes ab.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
I. Einleitung | 15 | ||
II. Altrömisches Recht | 23 | ||
1. Das altrömische System der Mobiliarübertragung und -verfolgung | 24 | ||
a) Das altrömische Eigentum | 25 | ||
b) Die Übertragung von Mobilien durch mancipatio | 26 | ||
c) Die altrömische Sachverfolgung | 28 | ||
aa) Der Ablauf des Verfahrens | 28 | ||
bb) Der Zug auf den Gewähren und dessen Haftung | 30 | ||
cc) Entstehungsgeschichte und Anwendungsbereich | 31 | ||
d) Folgerungen und Zwischenergebnis | 39 | ||
2. Die Ersitzung im altrömischen Recht – der usus auctoritas Satz der XII-Tafeln | 40 | ||
a) Übersetzung des XII-Tafelsatzes | 40 | ||
aa) Die Bedeutung der Worte „usus“ und „auctoritas“ | 41 | ||
bb) Das Verhältnis von „usus“ und „auctoritas“ in dem XII-Tafelsatz | 41 | ||
(1) Kein Asyndeton – „usus und auctoritas“ | 41 | ||
(2) „Usus auctoritas“ nicht als spezieller einheitlicher Rechtsbegriff | 42 | ||
(3) Übersetzung als „Gewährschaft für den Besitz“ | 43 | ||
b) Deutung des Satzes und Zusammenhang mit der usucapio | 44 | ||
aa) Theorie der materiellen Ersitzung | 44 | ||
bb) Theorie einer prozessualen Ersitzungswirkung | 44 | ||
cc) Theorie der bloßen Gewährschaftsbefristung | 45 | ||
dd) Auseinandersetzung | 46 | ||
(1) Ablehnung der Theorie einer materiellen Ersitzung | 46 | ||
(2) Zustimmung zur prozessualen Betrachtungsweise | 47 | ||
(3) Keine einseitige Betonung der Ersitzungswirkung | 48 | ||
(4) Die Ersitzungswirkung als Ausgleich für die Befristung der auctoritas | 48 | ||
(5) Auswirkungen des Fristablaufs auf die Erwerberstellung im Prozess | 49 | ||
(6) Besitz als Voraussetzung des Fristablaufs? | 53 | ||
(7) Beschränkung der Ersitzungswirkung auf res mancipi | 55 | ||
c) Zusammenfassung und Zwischenergebnis | 56 | ||
3. Die Auswirkungen eines furtum auf die altrömische Ersitzung | 57 | ||
a) Keine bloße Wiederholung des Ersitzungsverbotes durch die Lex Atinia | 58 | ||
b) Keine bloße Ergänzung des Ersitzungsverbotes um die „reversio ad dominum“ | 59 | ||
c) Ersitzungsausschluss in den XII-Tafeln | 60 | ||
d) Ausschluss des Diebes von der Ersitzung? | 61 | ||
e) Ewige Gewährschaftspflicht des Diebes | 62 | ||
aa) Die Wirkung des Satzes für die Beteiligten | 63 | ||
bb) Die Neuerung der Lex Atinia | 64 | ||
cc) Vereinbarkeit der Deutung mit objektbezogenen Ersitzungsverboten in den XII-Tafeln | 65 | ||
(1) Ersitzungsverbot für den Grenzstreifen (confinium) | 65 | ||
(2) Ersitzungsverbot für res mancipi, die eine Frau ohne Zustimmung ihres agnatischen Tutors veräußert hat | 66 | ||
(3) Zwischenergebnis | 68 | ||
dd) Vorschlag einer Formulierung des Satzes | 68 | ||
(1) Kritik bei Kaser und von Lübtow | 68 | ||
(2) Vergleich mit dem Satz: „adversus hostem aeterna auctoritas“ | 68 | ||
(3) Zwischenergebnis: Pflicht zur „aeterna auctoritas“ für Diebe und Fremde | 71 | ||
ee) Darlegungs- und Beweispflichten im Prozess | 72 | ||
(1) Ewige Gewährschaftspflicht nicht nur für „notorische Diebe“ | 72 | ||
(2) Keine vollumfängliche Nachweispflicht des Bestohlenen | 72 | ||
(3) Hinreichender Anfangsverdacht bei bloßem Nachweis der Tat | 72 | ||
f) Zusammenfassung und Zwischenergebnis | 73 | ||
4. Inhalt und Ausdehnung des altrömischen furtum Begriffes | 74 | ||
a) Meinungsstand | 74 | ||
b) Heimlichkeit als Tatbestandsmerkmal des altrömischen furtum | 75 | ||
aa) Quellenbetrachtung | 75 | ||
bb) Sinn und Zweck des Merkmals der Heimlichkeit | 77 | ||
(1) Die offene Wegnahme als regelmäßige Form des Sacherwerbs | 77 | ||
(2) Die offene Wegnahme als Element des Rechtsschutzes im Rahmen der Selbsthilfe | 80 | ||
(3) Heimlichkeit als objektives Kriterium zur Bestimmung der inneren Tatseite | 80 | ||
cc) Keine deliktische Verfolgung der offenen Wegnahme | 81 | ||
dd) Keine aeterna auctoritas bei offener Wegnahme | 82 | ||
c) Gewahrsamsbruch als Voraussetzung des altrömischen furtum | 83 | ||
aa) Die etymologische Ableitung von „ferre“ | 83 | ||
bb) Die decemvirale Klage ex causa depositi | 84 | ||
cc) Die actio rationibus distrahendis | 87 | ||
dd) Unterschlagungssituationen bei Miete, Leihe, Werk- oder Dienstleistungen | 88 | ||
d) Sonderfall: Fundunterschlagung | 93 | ||
e) Zwischenergebnis | 95 | ||
5. Keine eigenständige aeterna auctoritas Regel in den perfidia-Fällen | 95 | ||
6. Zusammenfassung und Vergleich mit § 935 BGB | 97 | ||
a) Klageausschluss und Erwerbswirkung | 98 | ||
b) Die Befristung des Gewährenzuges – gesetzgeberisches Motiv und Wirkungen | 99 | ||
c) Die Ausnahmebestimmung bei Veräußerung durch den Dieb – Vergleich mit § 935 BGB | 101 | ||
III. Vorklassisches und klassisches römisches Recht | 104 | ||
1. Die klassische usucapio und ihre Entstehung | 106 | ||
a) Das klassische Eigentumsverständnis | 106 | ||
b) Vom usus auctoritas Satz zum klassischen System der usucapio | 108 | ||
aa) Die Entwicklung des Begriffes „usucapio“ | 108 | ||
bb) Fristablauf und usurpatio | 110 | ||
cc) iusta causa | 111 | ||
dd) Besitzerwerb bona fides | 112 | ||
c) Von aeterna auctoritas adversus furem zum Ausschluss der Ersitzung furtiver Sachen | 117 | ||
2. Der klassische Tatbestand des furtum | 119 | ||
a) Die allgemeine Entwicklung des furtum-Begriffes seit den XII-Tafeln | 119 | ||
aa) Ursprünglich enges Verständnis in den XII-Tafeln | 120 | ||
bb) Starke Ausdehnung des Tatbestandes bis Alfenus | 120 | ||
cc) Abgrenzung und Schärfung des furtum in der Hoch- und Spätklassik | 121 | ||
b) Die Einordnung gewaltsamer Wegnahmen | 123 | ||
c) Die Ausdehnung des furtum auf die Unterschlagung anvertrauter Sachen | 125 | ||
aa) Klassische Quellen und Fallgruppen | 125 | ||
(1) Unterschlagungsfälle im Rahmen der Verwahrung | 125 | ||
(2) Unberechtigte Veräußerungen in Pfandrechtsverhältnissen | 126 | ||
(3) Unterschlagungshandlungen bei Leihe und locatio conductio | 127 | ||
bb) Ablauf und Grund der Erweiterung | 127 | ||
(1) Auswirkungen des klassischen Eigentumsbegriffs auf das Deliktsverständnis | 128 | ||
(2) Öffnung des Tatbestandes durch vergeistigten Besitzbegriff | 129 | ||
(3) Praktisches Bedürfnis für eine Erweiterung des Schutzbereiches | 130 | ||
(4) Erweiterung des Ersitzungsverbotes als Motiv für den erweiterten furtum-Begriff? | 131 | ||
d) Furtum durch bösgläubigen Erwerb? | 132 | ||
e) Fundunterschlagung | 135 | ||
3. Ausnahmen vom generellen Ersitzungsverbot für furtive Sachen | 135 | ||
a) Ersitzungsausschluss beim „furtum in veritate“ | 136 | ||
aa) Furtum in ehelicher Lebensgemeinschaft | 136 | ||
bb) Diebstahlshandlungen von Gewaltunterworfenen | 138 | ||
b) Ersitzung trotz furtum bei Taten des Eigentümers | 139 | ||
aa) Die Auffassung Schlichtings | 141 | ||
bb) Kasers Ansicht | 143 | ||
cc) Weitere Deutungsmöglichkeit | 143 | ||
dd) Eigene Auffassung | 144 | ||
ee) Zwischenergebnis | 146 | ||
c) Erstreckung des vitium der res furtiva auf deren Früchte? | 146 | ||
aa) Normale Sachfrüchte | 147 | ||
bb) Das Kind der Sklavin | 149 | ||
4. Die Funktion der usucapio unter Geltung des weiten Ausnahmetatbestandes | 150 | ||
a) Restbereiche des Eigentumserwerbs vom Nichtberechtigten | 150 | ||
b) Erwerb quiritischen Eigentums bei traditio von res mancipi | 153 | ||
c) Erwerb von Geisteskranken, Unmündigen oder mit bloßem Putativtitel | 155 | ||
d) Beweiserleichterung für alle gutgläubigen Erwerber | 155 | ||
aa) Die Beweislast im römischen Vindikationsprozess | 156 | ||
(1) Theorienstreit zur Beweislastverteilung | 156 | ||
(2) Historische Entwicklung der Beweislastverteilung im Vindikationsverfahren | 158 | ||
bb) Probleme beim Nachweis abgeleiteten Sacherwerbs | 161 | ||
cc) Beweiserleichternde (prozessuale) Wirkung der usucapio | 162 | ||
dd) Ausweitung der Beweiserleichterung durch die Actio Publiciana | 165 | ||
Exkurs: Doppelerwerb „a non domino“ | 168 | ||
ee) Zwischenergebnis | 174 | ||
e) Ergebnis | 175 | ||
5. Zusammenfassung und Vergleich mit § 935 BGB | 175 | ||
IV. Entwicklungen in der Spät- und Nachklassik | 178 | ||
1. Das Kaiserrecht bis Diokletian | 178 | ||
2. Die Nachklassik ab Konstantin | 180 | ||
3. Teilweise Renaissance der usucapio durch Justinian | 182 | ||
V. Die germanischen Volksrechte (leges barbarorum) | 184 | ||
1. Die Theorien zur germanischen Sachverfolgung | 184 | ||
a) Ausgangspunkt: Gewerebegriff | 185 | ||
b) Erklärungstheorien zum „Hand wahre Hand“ Prinzip | 187 | ||
aa) Die Publizitätstheorie | 187 | ||
bb) Die Erwerbstheorie von Zycha | 189 | ||
cc) Fehlen einer Klage in den Unterschlagungsfällen | 190 | ||
dd) Die Theorie mangelnder Notwendigkeit | 192 | ||
ee) Stellungnahme | 193 | ||
c) Zweifel an der Geltung des „Hand wahre Hand“ Prinzips in den Volksrechten | 193 | ||
2. Analyse der volksrechtlichen Quellen | 194 | ||
a) Das westgotische Recht | 195 | ||
aa) Herkunft und Überlieferung des Textes | 195 | ||
bb) Streit um den zu Grunde liegenden Sachverhalt | 196 | ||
(1) Ansicht von Levy | 196 | ||
(2) Ansicht von Schultze | 196 | ||
(3) Ansicht von d’Ors | 196 | ||
(4) Stellungnahme | 196 | ||
cc) Die Rückabwicklung wissentlich unbefugter Veräußerungen | 200 | ||
dd) Direkte Inanspruchnahme des Besitzers mittels Anefangklage | 202 | ||
ee) Leichte Veränderungen im Liber iudiciorum | 205 | ||
ff) Deliktscharakter von vorsätzlich unberechtigten Veräußerungen | 207 | ||
(1) CE 280 | 208 | ||
(2) L. Vis. VII, 2 | 209 | ||
(3) L. Vis. VII, 2, 7; VII, 2, 9 | 209 | ||
(4) L. Vis. VII, 2, 17 | 211 | ||
(5) L. Vis. VII, 6, 3; VII, 6, 4 | 211 | ||
gg) Zusammenfassung und Zwischenergebnis | 212 | ||
b) Das fränkische Recht | 213 | ||
aa) Keine Beschränkung des Anefangs auf abhanden gekommene Sachen nach L. Rib. 33 | 214 | ||
bb) Anefang bei vorsätzlich unberechtigter Veräußerung | 217 | ||
(1) L. Rib. 72, 1 | 218 | ||
(2) L. Rib. 72, 5 | 220 | ||
cc) Anefang bei bewusst unberechtigter Freilassung | 222 | ||
dd) Sachverfolgung in dritter Hand ohne Abhandenkommen im salfränkischen Recht | 224 | ||
ee) Zusammenfassung und Zwischenergebnis | 226 | ||
c) Das bayrische Recht | 227 | ||
d) Zusammenfassung | 232 | ||
3. Die Sachverfolgung der Westgoten, Franken und Bayern aus theoretischer Sicht | 233 | ||
a) Einheitliche Sach- und Deliktsverfolgung | 233 | ||
b) Inanspruchnahme eines Nichttäters | 234 | ||
c) Die Entwicklung der gerichtlichen Sachverfolgung bei Diebstahl | 235 | ||
d) Die Erweiterung der Anefangklage auf Unterschlagungsfälle | 237 | ||
e) Der Einfluss des römischen Rechts | 240 | ||
f) Zu diversen Einwänden gegen eine Verfolgbarkeit unterschlagener Sachen | 244 | ||
aa) Kenntnis der Unterschlagung im germanischen Recht | 244 | ||
bb) Die Aktivlegitimation zur Sachverfolgung bei Diebstahl vom Vertrauensmann | 247 | ||
cc) Sinn und Zweck des Gewährenzuges in den Unterschlagungsfällen | 248 | ||
dd) Nichtauffindbarkeit des Gewähren/Gewährschaftsverweigerung | 249 | ||
4. Zusammenfassung und Folgerungen | 250 | ||
VI. Die Entstehungsgeschichte des § 935 BGB | 252 | ||
1. § 306 ADHGB von 1861 | 252 | ||
a) Die zur Entscheidung vorgebrachten Anträge | 253 | ||
b) Motive für die Entscheidung zugunsten des „Hand wahre Hand“ Prinzips | 254 | ||
c) Auslegung der Regelung durch das Reichsgericht | 259 | ||
2. Die I. Kommission zur Ausarbeitung des BGB und der Teilentwurf des Sachenrechts | 260 | ||
3. Die Verhandlungen des 15. Dt. Juristentages 1880 in Leipzig | 261 | ||
4. Die Regelungen des Entwurf I (1887) | 263 | ||
5. Vom Entwurf I zur heutigen Fassung des § 935 BGB | 266 | ||
6. Zusammenfassung und Stellungnahme | 269 | ||
VII. Schlussbetrachtung | 271 | ||
Literaturverzeichnis | 273 | ||
Sachregister | 285 |