Der Krieg in den Köpfen
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Der Krieg in den Köpfen
Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg in der deutschen Krisenerfahrung zwischen Julirevolution und deutschem Krieg
Historische Forschungen, Vol. 87
(2008)
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Abstract
Trotz der Beachtung, die der Dreißigjährige Krieg seit jeher in der Geschichtswissenschaft gefunden hat, wurde sein lang anhaltender Einfluss auf das politische Denken und Handeln in Deutschland bisher kaum quellennah untersucht. Hilmar Sack zeigt mit besonderem Fokus auf die Revolution von 1848/49 und den deutschen Krieg von 1866, dass die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg in der Epoche deutscher Nationalstaatsfindung zu den wesentlichen geschichtspolitischen Deutungs- und Argumentationsmustern zählte, um Krisenerfahrungen zu verarbeiten und nationalpolitische Zukunftsentwürfe zu begründen. Beim "Krieg in den Köpfen" handelte es sich nicht nur um den erinnerten Dreißigjährigen Krieg der Vergangenheit, sondern auch um den imaginierten Krieg der Zukunft. Dies war unter den Bedingungen von Partikularismus und Konfessionalismus ein spezifisch deutscher Bürgerkriegsdiskurs, in dem Einkreisungsängste durch ein feindliches Ausland virulent wurden.Das aus dem "Trauma" des Dreißigjährigen Krieges bezogene deutsche Selbstwertgefühl kam einem "Tragikstolz" gleich. Die historische Opferrolle erklärte die realpolitische Schwäche in der Gegenwart. Zugleich schlossen die tradierten Demütigungserfahrungen im "Martyrium" von Reformation und Glaubenskriegen den Erlösergedanken ein: den "deutschen Beruf" als gemeinsame Mission. Der Dreißigjährige Krieg wurde jedoch nicht allein als Unglück verstanden, sondern immer auch als selbst verschuldet. Dies machte ihn zum argumentativen Steinbruch für politische Partizipations- und Führungsansprüche. So legitimierte sich 1848 der bürgerliche Mitgestaltungsanspruch gegenüber der absoluten Fürstengewalt auch darin, 200 Jahre nach dem "falschen" Westfälischen nun in der Paulskirche den "wahren" Frankfurter Frieden zu begründen. Im Dualismus zwischen Preußen und Österreich, der mit historischen Schuldfragen durchsetzt war, unterlief die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg nationalreligiöse Integrationsversuche und zog konfessionelle Frontlinien. Sie kamen in der geschichtlich begründeten Sinnhaftigkeit des Waffengangs von 1866 zum Ausdruck, vor allem in der Interpretation der Schlacht von Königgrätz als Ende des Dreißigjährigen Krieges.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
A. Einleitung | 9 | ||
I. Theoretischer Bezugsrahmen | 13 | ||
II. Forschungsprogramm | 16 | ||
B. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg im Wandel vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis | 22 | ||
I. Die Rezeption des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens zwischen Reichsstaatsrecht, Nationalstaatsidee und deutschem Dualismus | 22 | ||
II. Die konkurrierenden Deutungsmuster der Epoche der Glaubenskämpfe | 30 | ||
1. Sieg- und Niederlagenerzählungen in der groß- und kleindeutschen Geschichtsschreibung: „Triumph von 1629“ versus „Translatio nationis“ | 30 | ||
2. Zeugen der Anklage: Das „Verbrechen“ an den Deutschen und die Erzählungen von Held und Antiheld im Dreißigjährigen Krieg | 35 | ||
C. Geschichtspolitik mit dem Dreißigjährigen Krieg | 43 | ||
I. Zur Semantik der Krise – Der Dreißigjährige Krieg als Gegenstand von Revolutions- und Kriegserfahrung | 43 | ||
1. Reformation, Reich und Partikularismus – Das historische Erbe im deutschen Nations- und Revolutionsdiskurs | 44 | ||
a) Reformation und Revolution | 44 | ||
b) Reich und Nation | 51 | ||
2. Der „bewaffnete Frieden“ und die Gewaltbereitschaft der Nation | 57 | ||
a) Der „Prinzipienkrieg“ und die deutschen Bürgerkriegsängste | 59 | ||
b) Bürgerlicher Bellizismus zwischen Revolutions- und Nationalkrieg | 65 | ||
3. Zwischenfazit | 74 | ||
II. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg und die deutsche Revolution | 76 | ||
1. 1648 –1848: Ein vergessenes Jubiläum? | 76 | ||
2. 1648 als nationalpolitischer Mythos der Märzrevolution | 83 | ||
a) „Wie Zenith und Nadir, wie Anfang und Ende“: Der Westfälische Frieden und die nationale Legitimationsstiftung der Revolution | 83 | ||
b) Vom Westfälischen zum „Frankfurter Frieden“ – Die Verfassungsdebatte der Paulskirche zum Verhältnis von Staat und Kirche | 88 | ||
3. Jenseits der nationalen Einheitsrhetorik: Der Dreißigjährige Krieg und die inneren Konflikte der Nation | 93 | ||
a) Der Westfälische Frieden als Gegenstand konfessioneller Polemik und konservativer Revolutionskritik | 93 | ||
b) Parlamentspartikularismus und der ideologische Grabenkampf zwischen konstitutionellem Liberalismus und radikalen Demokraten | 101 | ||
4. Gescheiterte Revolution von unten – Das Aufbrechen des kleindeutsch-großdeutschen Konflikts | 110 | ||
5. Gescheiterte „Revolution von oben“: Die Unionspolitik Preußens | 124 | ||
6. Verfestigung der Argumentationsmuster und Ausblickbis zur Epoche der Einigungskriege | 132 | ||
III. Die Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg und der innerdeutsche Krieg | 147 | ||
1. Der „komplexe“ Krieg von 1866 | 147 | ||
2. Vor der Schlacht von Königgrätz: Der Krieg als territorialer Macht- und als ideologischer Kulturkampf | 156 | ||
a) Die Kriegserwartung zwischen lokalisiertem Duell, enthegtem Bruderkrieg und Rassenkrieg | 156 | ||
b) Die Angst vor dem konfessionellen Bürgerkrieg und der Prinzipienkrieg von 1866 | 173 | ||
3. Nach der Schlacht von Königgrätz: Siegerpathos und Niederlagenverarbeitung | 188 | ||
a) Der „dreißigtägige Krieg“ und die nationale Revolution | 189 | ||
b) 1866 – Ende des Dreißigjährigen Kriegs oder Beginn der protestantischen Reformation? | 202 | ||
D. Schlussbetrachtung: Der Dreißigjährige Krieg als Trauma deutscher Zwietracht | 211 | ||
I. Fazit: Deutscher ‚Tragikstolz‘ | 211 | ||
II. Ausblick | 220 | ||
Quellen- und Literaturverzeichnis | 230 | ||
I. Zeitgenössische Periodika | 230 | ||
II. Zeitgenössische Literatur und Quelleneditionen | 231 | ||
III. Forschungsliteratur | 242 | ||
Personenregister | 270 | ||
Sachregister | 274 |