Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern für Arzneimittelrisiken
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Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Amtsträgern für Arzneimittelrisiken
Am Beispiel öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 225
(2011)
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Dr. Philipp Georgy, geb. am 6.8.1980 in Marburg/Lahn, legte dort im Jahr 2000 das Abitur ab. Das 1. juristische Staatsexamen absolvierte er am 1.2.2007 an der Philipps-Universität Marburg. Hier ist er seit dem 1.3.2003 als studentische Hilfskraft bzw. wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie von Prof. Dr. Freund tätig. Bei diesem promovierte er mit Unterstützung durch die Studienstiftung des deutschen Volkes am 1.6.2010.Abstract
Die Bewertung strafrechtlicher Verantwortlichkeiten von Mitgliedern öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen oder Amtsträgern des BfArM für Arzneimittelrisiken setzt eine kontextspezifische Konkretisierung der primären Normenordnung voraus. Entsprechende Verhaltensnormen sind, ohne dass es einer Sonderdogmatik für Amtsträger bedarf, auf der Basis der allgemeinen Straftatsystematik zu legitimieren. Dabei geht es insbesondere um Rechtspflichten bei der Genehmigung oder zustimmenden Bewertung klinischer Prüfungen, um solche bei der Zulassung von Arzneimitteln sowie der Arzneimittelüberwachung - und zwar auch unter dem Blickwinkel individueller Verantwortungsbereiche in Kollegialorganen.Mögliche Verhaltensnormverstöße sind an den Vorschriften des Kern- und Arzneimittelstrafrechts zu messen. Hieran knüpft sich die Frage nach der Kohärenz des einschlägigen Sanktionenrechts und der Beurteilung von Umwandlungsplänen für das BfArM.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
A. Einleitung | 15 | ||
I. Einführung in die Thematik | 15 | ||
II. Gang der Untersuchung | 17 | ||
B. Die Legitimation besonderer Rechtspflichten von Amtsträgern zur Abwendung von Arzneimittelrisiken | 19 | ||
I. Das „Zwei-Säulen-Modell“ der Legitimation von Verhaltensnormen | 19 | ||
1. Der Vorrang materialer Rechtsgüterschutzinteressen als notwendige Bedingung legitimierbarer Verhaltensnormen | 21 | ||
2. Besondere rechtliche Verantwortlichkeiten als konstituierendes Merkmal einer qualifizierten Inpflichtnahme | 23 | ||
3. Besondere rechtliche Verantwortlichkeiten als allgemeines Merkmal „doppelt fundierter“ Verhaltensnormen | 24 | ||
II. Zur Frage besonderer rechtlicher Verantwortlichkeiten von Amtsträgern | 30 | ||
1. Gefahrenquellenverantwortlichkeiten | 31 | ||
a) Gefahrenquellenverantwortlichkeiten für das Verhalten anderer Personen | 32 | ||
b) Sonstige Gefahrenquellenverantwortlichkeiten | 36 | ||
2. Beschützerverantwortlichkeiten | 36 | ||
a) „Allumfassende Verantwortlichkeit“ des Amtsträgers? | 37 | ||
b) Fehlerhafte Zuwendung zur formellen Rechtspflichtlehre? | 38 | ||
c) Fehlende Schutzbedürftigkeit des Bürgers? | 42 | ||
III. Beispielhafte Konkretisierung – zu besonderen rechtlichen Verantwortlichkeiten der Mitglieder öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen | 45 | ||
IV. Beispielhafte Konkretisierung – zu besonderen rechtlichen Verantwortlichkeiten der Amtsträger des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) | 48 | ||
C. Besondere Rechtspflichten der Mitglieder öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen zur Vermeidung von Arzneimittelrisiken | 51 | ||
I. Zum historischen Hintergrund medizinischer Ethik-Kommissionen | 52 | ||
II. Die klinische Prüfung von Arzneimitteln | 53 | ||
1. Das Recht als Maßstab der Prüfung durch die Ethik-Kommission – keine Befugnis zur Beanstandung klinischer Prüfungen aus ausschließlich ethischen Gründen | 55 | ||
2. Zum Arzneimittelbegriff | 58 | ||
a) Zur Abgrenzung zwischen Arznei- und Lebensmitteln | 59 | ||
b) Rechtsfolgen einer abweichenden Bewertung der Arzneimittelqualität durch die Ethik-Kommission | 61 | ||
3. Zur Abgrenzung des Heilversuchs von klinischen Prüfungen | 62 | ||
4. Die rechtliche Bewertung fremdnütziger Forschung an Einwilligungsunfähigen | 64 | ||
a) Die Rechtslage nach deutschem (Arzneimittel-)Recht | 65 | ||
aa) Der unumstrittene Bereich – Forschung mit individuellem Nutzen | 65 | ||
bb) Zulässigkeit von Arzneimittelprüfungen bei kranken Minderjährigen mit einem „gruppenspezifischen Nutzen“? | 66 | ||
b) Abweichende Konsequenzen durch Umsetzung der Richtlinie 2001/20/EG? | 68 | ||
aa) Gebot richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts und Maßgeblichkeit des Instrumentalisierungsverbotes | 68 | ||
bb) Legitimierbarkeit einer begrenzten Solidaritätspflicht? | 70 | ||
cc) Zur Relativierung des Instrumentalisierungsverbotes | 72 | ||
dd) „Forschungsverbot“ zum Nachteil der Betroffenen? | 73 | ||
5. Die Nutzen-Risiko-Abwägung | 74 | ||
a) Sachgerechte Begrenzung der Prüfpflichten infolge der Ausgestaltung des Verfahrens | 75 | ||
b) Zur Legitimierbarkeit der Durchführung von Arzneimittelprüfungen mit Rücksicht auf Bedingungen kognitiver Unsicherheit im Rahmen der Risikobewertung | 76 | ||
c) (Einfach-)Gesetzliche Abwägungssperren | 77 | ||
d) Konkretisierung der Begriffe Nutzen und Risiko | 78 | ||
e) Fallgruppenspezifische Konkretisierung | 81 | ||
f) Zum Problem der Probandenvergütungen | 83 | ||
6. Rechtlich relevante Mängel der Aufklärung | 86 | ||
a) Jederzeitige Widerruflichkeit der Einwilligung | 87 | ||
b) Die Aufklärung über Risiken und Tragweite der klinischen Prüfung | 88 | ||
c) Mängel des Projektplanes | 90 | ||
d) Die Verwendung suggestiver/irreführender Formulierungen | 91 | ||
aa) Der Hinweis auf die Prüfung der „Wirksamkeit und Verträglichkeit des Arzneimittels“ | 92 | ||
bb) Der Hinweis auf die „zustimmende Bewertung durch die Ethik-Kommission“ | 94 | ||
7. Zum Verhältnis von Nutzen-Risiko-Abwägung und Einwilligung | 98 | ||
a) Zum Stellenwert der Nutzen-Risiko-Abwägung als „objektive Einwilligungsschranke“ zum Schutz der Probandenautonomie | 98 | ||
b) Relativierbarkeit des Selbstbestimmungsrechts? | 103 | ||
8. Die Prüfung der Gesetzeskonformität der Probandenversicherung | 104 | ||
a) Die gesetzliche Garantie einer Mindestversicherungssumme | 104 | ||
b) Weitere problematische Ausnahmen von der gesetzlichen Leistungspflicht | 106 | ||
c) Irreführung durch den Hinweis auf eine „Versicherung gemäß dem Arzneimittelgesetz“ in der Probandeninformation | 108 | ||
9. Die Verweigerung der zustimmenden Bewertung einer klinischen Prüfung zum Nachteil betroffener Patienten | 109 | ||
10. Zur Abgabe der zustimmenden Bewertung trotz Fehlens des bzw. eines sachlich kompetenten Kommissionsmitglieds | 110 | ||
11. Die „Verlaufskontrolle“ klinischer Arzneimittelprüfungen – Aufhebung der zustimmenden Bewertung und notwendig beschränkter Pflichtenkreis jenseits der „Evidenzfälle“ | 112 | ||
a) Rücknahme und Widerruf der zustimmenden Bewertung | 112 | ||
b) Zum Pflichtenkreis bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen einer Rücknahme/eines Widerrufs | 114 | ||
c) Normative Grenzen entsprechender Rechtspflichten im Rahmen der „Verlaufskontrolle“ | 115 | ||
III. Weitere Aufgabenbereiche der Ethik-Kommission | 117 | ||
IV. Zur Klarstellung – die Bedeutung verwaltungsrechtlicher Ermessensspielräume für die Legitimation spezifischer Ge- und Verbote gegenüber Amtsträgern | 117 | ||
V. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eingreifens qualifizierter Gefahrenabwendungsverpflichtungen | 119 | ||
VI. Zur maßgeblichen Beurteilungsperspektive im Rahmen der Legitimation besonderer Rechtspflichten | 121 | ||
D. Besondere Rechtspflichten der Amtsträger des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Vermeidung von Arzneimittelrisiken | 123 | ||
I. Zum historischen Hintergrund des BfArM | 124 | ||
II. Die Genehmigung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln | 125 | ||
III. Die Zulassung von Arzneimitteln | 127 | ||
1. Nicht angemessene Qualität des Arzneimittels | 129 | ||
2. Fehlende therapeutische Wirksamkeit | 130 | ||
3. Ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis | 132 | ||
a) Zur Bewertung des Nutzens und der Risiken | 132 | ||
aa) Zur Bewertung der Risiken | 132 | ||
bb) Zur Bewertung des Nutzens | 135 | ||
b) Zu den normativen Kriterien der Nutzen-Risiko-Abwägung | 136 | ||
c) Zum entscheidungsrelevanten Maßstab | 140 | ||
d) Zur Frage des begründeten Verdachts | 143 | ||
e) Das Verhältnis der Verdachtsschwellen in §§ 25 II Nr. 5, 5 II AMG | 145 | ||
4. Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften | 147 | ||
IV. Die Nichtzulassung zum Nachteil des Patienten | 148 | ||
V. Rücknahme, Widerruf und Ruhen der Zulassung | 150 | ||
1. Die negative Veränderung der Nutzen-Risiko-Bilanz im Rahmen der Vertretbarkeitsentscheidung | 151 | ||
2. Der Einfluss von Arzneimittelinnovationen auf die Vertretbarkeitsentscheidung | 152 | ||
VI. Die Überwachung im Verkehr befindlicher Arzneimittel | 153 | ||
1. Das System der behördlichen Risikoerfassung und -auswertung | 154 | ||
a) Das Stufenplanverfahren | 155 | ||
aa) Gefahrenstufe I | 156 | ||
bb) Gefahrenstufe II | 156 | ||
b) Ergänzende Pflichten zur Risikoinformationssammlung | 157 | ||
2. Gefahrenabwendungspflichten in der Arzneimittelüberwachung | 158 | ||
a) Die Pflicht zur Information der Öffentlichkeit | 158 | ||
b) Die Pflicht zum Rückruf bedenklicher Arzneimittel | 160 | ||
c) Die Pflicht zur öffentlichen Warnung | 161 | ||
aa) Zu den spezifischen Voraussetzungen einer öffentlichen Warnung durch das BfArM | 162 | ||
bb) Zur Ermessensbindung des BfArM | 165 | ||
cc) Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eingreifens einer qualifizierten Rechtspflicht zur Verbreitung öffentlicher Warnungen | 166 | ||
VII. Weitere Aufgabenbereiche des BfArM | 167 | ||
E. Die Konkretisierung von Verantwortungsbereichen innerhalb von Behördenhierarchien und Kollegialorganen | 168 | ||
I. Zum Kriterium der Primär-, Sekundärverantwortlichkeit | 169 | ||
II. Zur sog. organisationsbezogenen Betrachtungsweise | 170 | ||
III. Begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten des individuell Handelnden – zur Erforderlichkeit einer Konkretisierung individueller Verantwortungsbereiche nach dem Inhalt der jeweiligen Pflichten | 173 | ||
IV. Zur Bedeutung des sog. Vertrauensgrundsatzes | 176 | ||
V. Die Bestimmung fahrlässigen Fehlverhaltens in arbeitsteiligen/hierarchischen Organisationsstrukturen – zur Maßgeblichkeit individueller Verantwortlichkeit | 182 | ||
1. Das tradierte System – generalisierende Bestimmung des Fahrlässigkeitsunrechts | 182 | ||
2. Die sachgerechte Konkretisierung individueller Verhaltensanforderungen – zur Notwendigkeit einer individualisierenden Bestimmung des Fahrlässigkeitsunrechts | 184 | ||
a) Relativierung der Verhaltenspflichten durch Versubjektivierung? | 185 | ||
b) Zum möglichen Hintergrund der Beibehaltung des tradierten Systems | 187 | ||
F. Feststellung tatbestandsmäßiger Verhaltensfolgen und strafrechtliche Bewertung von Verhaltensnormverstößen durch Mitglieder öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen und Amtsträger des BfArM | 189 | ||
I. Der Kausalitätsnachweis zwischen Anwendung und Schädigung | 190 | ||
1. Äquivalenztheorie | 191 | ||
2. Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung | 191 | ||
3. „Probabilistischer Kausalitätsbegriff“ | 192 | ||
4. Strafverfahrensrechtliche Lösungen | 195 | ||
a) Kriterium der „subjektiven Gewissheit“ | 195 | ||
b) Kriterium der „hohen objektiven Wahrscheinlichkeit“ | 196 | ||
c) Kombinationstheorie | 197 | ||
5. Strafrechtliche Erfassung abstrakter Gefährdungen durch das Fehlverhalten von Amtsträgern nach § 95 I Nr. 1 AMG? – Zur Reichweite des Wortlauttatbestandes | 198 | ||
II. Strafrechtliche Verantwortlichkeit und Kausalitätsnachweis im Kontext von Kollegialentscheidungen | 201 | ||
1. Zum Kausalitätsnachweis im Bereich vorsätzlichen Fehlverhaltens – die Frage der Ursächlichkeit als Annex der Feststellung einer in concreto legitimierbaren Gefahrenabwendungspflicht | 202 | ||
a) Zurechnung über die Grundsätze der Mittäterschaft | 202 | ||
b) Grenzen dieser Konstruktion in bestimmten Fällen begehungsgleichen Unterlassens | 203 | ||
c) Angemessenheit der Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung | 204 | ||
d) Abstimmungsverhalten als Problem der Verantwortlichkeit | 206 | ||
e) Strafrechtliche Verantwortlichkeit bei dissentierender Mitwirkung | 206 | ||
f) Überstimmung des juristischen Mitglieds der Ethik-Kommission | 208 | ||
2. Besonderheiten im Bereich fahrlässigen Fehlverhaltens | 210 | ||
a) Die Zurechnung spezifischer Fehlverhaltensfolgen bei fahrlässigem Abstimmungsverhalten – Zur Konstruktion einer fahrlässigen Mittäterschaft | 210 | ||
b) Zur Lehre vom Regressverbot | 211 | ||
III. Zur Qualifizierung des Körperverletzungsunrechts nach § 340 StGB | 213 | ||
1. Zur Amtsträgereigenschaft der Mitglieder öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen | 213 | ||
2. Zur Rechtsfolgenbestimmung im Bereich der Verweisung des § 340 III StGB | 215 | ||
IV. Zum Problem der „Untergrenze des Strafrechts“ | 216 | ||
G. Sanktionenrechtlich relevante Verhaltensnormverstöße – exemplarische Verdeutlichung und Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse | 220 | ||
H. Kontextspezifische Bewertung des Arzneimittel- und Sanktionenrechts – Rechtspolitischer Ausblick | 226 | ||
I. Wertungswidersprüche bei der sanktionenrechtlichen Erfassung des Fehlverhaltens von Amtsträgern im Umgang mit Arzneimittelrisiken | 226 | ||
II. Überlegungen zu einer kernstrafrechtlichen Neuregelung der Produktverantwortlichkeit – die punktuelle Änderung des Arzneimittelstrafrechts als provisorische Lösung | 228 | ||
III. Zu weiteren Wertungswidersprüchen in vorliegendem Kontext | 232 | ||
IV. Zur geplanten Umwandlung des BfArM in eine Deutsche Arzneimittel- und Medizinprodukte-Agentur (DAMA) | 234 | ||
1. Ziel und wesentlicher Inhalt des Entwurfes eines Gesetzes zur Errichtung einer Deutschen Arzneimittel- und Medizinprodukteagentur (DAMA-Errichtungsgesetz) | 234 | ||
2. Bewertung des Gesetzentwurfes | 235 | ||
Literaturverzeichnis | 240 | ||
Sachwortverzeichnis | 265 |