Die zivilrechtliche Ersetzungsbefugnis
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Die zivilrechtliche Ersetzungsbefugnis
Schriften zum Bürgerlichen Recht, Vol. 410
(2011)
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Erik Hahn ist Professor für Gesundheits- und Sozialrecht sowie stellvertretender Direktor des Instituts für Gesundheit, Altern, Arbeit und Technik an der Hochschule Zittau/Görlitz, Long Term Visiting Professor für Europäisches Gesundheits- und Sozialrecht an der Juristischen Fakultät der Riga Stradins University (LV) und Co-Scientific Director des LL.M.-Studiengangs »Medical Law« an der Dresden International University. Zuvor war er Professor an der Norddeutschen Hochschule für Rechtspflege in Hildesheim, Richter am Sächsischen Landessozialgericht (im Nebenamt), Richter am Sozialgericht Dresden und Staatsanwalt in Leipzig. Seine Forschungsschwerpunkte sind das Sozialrecht (einschließlich Grundsicherung, Sozialversicherungsrecht, EU-Koordinierung der sozialen Sicherheit und Kinder- und Jugendhilferecht), das Medizin- und Gesundheitsrecht (mit besonderem Schwerpunkt auf Digitalisierung und europarechtlichen Fragen) sowie das Recht der Sozialen Arbeit und Dienstleistungen. Darüber hinaus befasst er sich mit den Rechtsfragen der psychiatrischen Versorgung. Er hat folgende akademische Grade erworben: »Dr. iur. habil.« (BTU Cottbus-Senftenberg, 2022), »Dr. rer. medic.« (TU Dresden, 2021), »Dr. iur.« (Universität Leipzig, 2010), »Zweites Juristisches Staatsexamen« (Sachsen, 2011) und »Erste Juristische Prüfung« (Universität Leipzig/Freistaat Sachsen, 2008).Abstract
Gleichsam wie sich der Organismus im biologischen Sinne wandelt und wie eine Gestalt stetig ihr Wesen verändert, unterliegt auch das Schuldverhältnis der ständigen Veränderung. Eine der Veränderungsmöglichkeiten ist die Beeinflussung durch die Parteien selbst. Sie können die ihnen zustehenden Rechtspositionen nutzen, um in ihrem Sinne gestaltend einzuwirken. In seiner Abhandlung setzt sich Erik Hahn mit einer solchen Rechtsposition, der im BGB nicht ausdrücklich geregelten zivilrechtlichen Ersetzungsbefugnis, auseinander. Er widmet sich insbesondere der These von der rechtlichen Unterschiedlichkeit von Schuldner- und Gläubigerersetzungsbefugnis, die als tradiertes Dogma tief in der zivilrechtlichen Literatur verankert ist. Dabei gelangt er zu dem Ergebnis, dass diese nicht existiert. Die Ersetzungsbefugnis des Schuldners ist danach vom weithin synonym genutzten Begriff facultas alternativa zu unterscheiden. Im Zusammenhang mit der Begriffsbestimmung wird die Ersetzungsbefugnis in vielfältiger Hinsicht rechtlich charakterisiert, als Gestaltungsrecht eingeordnet und von verwandten Rechtsfiguren abgegrenzt. Der zweite Teil der Arbeit widmet sich der Wirkungsweise der Ersetzungsbefugnis im System des BGB. Dabei werden in einem ersten Schritt Entstehung, Ausübung, Übertragung und Verzicht beleuchtet. Im Anschluss daran setzt sich der Autor mit der Frage auseinander, inwieweit sich Störungen wie Verjährung, Verzug, Willensmängel und Unmöglichkeit auf die Ersetzungsbefugnis selbst und die Entscheidung des Berechtigten auswirken. Den Abschluss der Arbeit bildet eine umfassende Darstellung der im BGB gesetzlich verankerten Fälle dieses Gestaltungsrechts.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
A. Einleitung | 19 | ||
B. Rechtsnatur der Ersetzungsbefugnis | 29 | ||
I. Chronologische Darstellung der Entwicklung der Ersetzungsbefugnis von der Bedingungstheorie hin zur Lehre vom Gestaltungsrecht | 29 | ||
1. Konstruktion in Form zweier bedingter Ansprüche | 30 | ||
a) Darstellung | 30 | ||
b) Stellungnahme | 32 | ||
2. Gleichstellung mit der Wahlschuld | 34 | ||
a) Darstellung | 34 | ||
b) Stellungnahme | 35 | ||
3. Die Ersetzungsbefugnis als Gestaltungsrecht | 40 | ||
4. Zwischenergebnis | 43 | ||
II. Abgrenzung zu weiteren ähnlichen Rechtsinstituten | 44 | ||
1. Elektive Konkurrenz | 44 | ||
2. Verhaltene Ansprüche | 45 | ||
III. Recht zur Veränderung oder Recht zum Austausch; zugleich Abgrenzung zu Novation und Änderungsvertrag | 46 | ||
1. Problemdarstellung | 46 | ||
2. Exkurs: Änderungsvertrag und Novation | 47 | ||
3. Folgen für die Reichweite der Ersetzungsbefugnis | 49 | ||
IV. Inhaltliche Begrenzung der Ersetzungsbefugnis auf bestimmte Forderungsmerkmale und das Erreichen einer Erheblichkeitsschwelle | 51 | ||
V. Ersetzungsbefugnis des Schuldners als ein zur Ersetzungsbefugnis des Gläubigers analoges Recht | 55 | ||
1. Notwendige Anerkennung der einseitigen Austauschberechtigung des Schuldners | 55 | ||
2. Rechtsnatur der gesetzlich geregelten Leistung an Erfüllungs statt und ihr Verhältnis zur vermeintlichen Ersetzungsbefugnis des Schuldners | 57 | ||
3. Bestehen hinreichender Gemeinsamkeiten zwischen der Befugnis zur Schuldersetzung und dem Recht zur Leistung an Erfüllungs statt | 63 | ||
a) Überblick über den Stand der Diskussion | 63 | ||
b) Ersetzungsbefugnis nach Medicus | 64 | ||
c) Ersetzungsbefugnis nach Fikentscher/Heinemann | 65 | ||
d) Ersetzungsbefugnis nach Scholz | 67 | ||
e) Verbindung von Schuldänderung und Leistung an Erfüllungs statt | 68 | ||
f) Folgen aus der Einstufung der Ersetzungsbefugnis als Gestaltungsrecht | 69 | ||
g) Gleichklang des Zwangs zur Annahme und Hingabe einer zunächst nicht geschuldeten Leistung | 69 | ||
h) Ersetzungsbefugnis nach Erler und C. Wagner | 72 | ||
i) Ersetzungsbefugnis nach Dechamps | 73 | ||
4. Zwischenergebnis | 75 | ||
VI. Verifizierung der Entscheidung für den Begriff „Ersetzungsbefugnis“ | 76 | ||
C. Die Ersetzungsbefugnis in der Anwendung | 80 | ||
I. Entstehung, Übertragung | 80 | ||
1. Entstehung der Ersetzungsbefugnis | 80 | ||
a) Entstehung der Ersetzungsbefugnis in zeitlicher Hinsicht | 80 | ||
b) Akt zur Begründung der Ersetzungsbefugnis | 81 | ||
aa) Begründung durch Vertrag oder Gesetz | 81 | ||
bb) Möglichkeit der einseitigen Begründung | 82 | ||
(1) Grundlagen | 82 | ||
(2) Vermeintliche Sperrwirkung des § 311 Abs. 1 BGB | 84 | ||
(3) Zulässigkeit einer Analogiebildung unter vergleichender Einbeziehung des Kleinschmidtschen Vorschlags zum einseitigen Verzicht | 86 | ||
(4) Vergleich mit dem Vorkaufsrecht | 89 | ||
(5) Orientierung am Zweck des Vertragsprinzips unter Berücksichtigung von § 145 BGB | 92 | ||
(6) Zwischenergebnis | 99 | ||
c) Begründung einer Ersetzungsbefugnis und beschränkte Geschäftsfähigkeit | 99 | ||
aa) Ersetzungsbefugnis des beschränkt Geschäftsfähigen | 100 | ||
bb) Ersetzungsbefugnis des anderen Teils | 101 | ||
2. Übertragung | 104 | ||
a) Übertragung im Verbund mit Forderung oder Vertragsstellung | 104 | ||
aa) Übergang durch Vertragsübernahme | 104 | ||
bb) Übergang durch Zession der gestaltbaren Forderung | 105 | ||
cc) Übergang durch Schuldübernahme | 106 | ||
b) Isolierte Abtretung der Ersetzungsbefugnis | 107 | ||
aa) Ausübungsermächtigung statt Abtretung | 108 | ||
bb) Bedenken in der Literatur gegen eine selbständige Abtretung – Zession zwischen den Parteien und an Dritte | 109 | ||
II. Ausübung und Bindung | 114 | ||
1. Ausübungsakt | 114 | ||
2. Entscheidung zugunsten der Primärleistung | 118 | ||
3. Bestehen eines ius variandi | 119 | ||
4. Bedingte oder befristete Ausübung der Befugnis | 123 | ||
a) Zulässigkeit der bedingten Ausübung | 123 | ||
aa) Grundsatz der Unzulässigkeit | 123 | ||
bb) Ausnahmen | 125 | ||
(1) Einverständnis des Gestaltungsgegners | 125 | ||
(2) Die vom Gestaltungsgegner selbst zu beeinflussende Sach- und Rechtslage | 126 | ||
(3) Die bereits eingetretene Bedingung und die Rechtsbedingung | 128 | ||
b) Zulässigkeit der befristeten Ausübung | 129 | ||
c) Betagte Forderung | 130 | ||
5. Ausübung und beschränkte Geschäftsfähigkeit | 131 | ||
a) Grundsatz der Zustimmungsbedürftigkeit | 131 | ||
b) Ausnahmen | 132 | ||
c) Einwilligungsbedürftigkeit der Ausübungserklärung im Fall gesetzlicher Stellvertretung bei Begründung der Ersetzungsbefugnis | 134 | ||
III. Untergang durch Vertrag und Verzicht | 137 | ||
1. Vertrag | 138 | ||
2. Einseitiger Verzicht | 139 | ||
a) Zulässigkeit des einseitigen Verzichts auf die Ersetzungsbefugnis | 139 | ||
aa) Grundlagen | 139 | ||
bb) Zulässigkeit der Analogiebildung im Fall der Ersetzungsbefugnis unter Berücksichtigung von § 397 Abs. 1 BGB | 144 | ||
cc) Einseitiger Verzicht auf die Ersetzungsbefugnis und das argumentum a majore ad minus | 146 | ||
dd) Lückenhaftigkeit der Regelung zum einseitigen Verzicht im Lichte des actus-contrarius-Gedankens | 146 | ||
ee) Vertragsauslegung als alternative Grundlage der einseitigen Verzichtbarkeit | 148 | ||
ff) Zwischenergebnis | 149 | ||
b) Auswirkung auf die Debatte um die Vorteilsaufdrängung durch einseitige Begründung einer Ersetzungsbefugnis | 149 | ||
c) Ausübung des einseitigen Verzichts auf die Ersetzungsbefugnis | 150 | ||
IV. Verjährung und Verwirkung | 152 | ||
1. Auswirkung des Verjährungseintritts | 152 | ||
a) Allgemeine Grundlagen und Problemdarstellung | 152 | ||
b) Lösung auf der Grundlage des festgestellten Wesens der Ersetzungsbefugnis im Fall einer Berechtigung zur vollständigen Anspruchssubstitution | 155 | ||
aa) Ausschluss der Ersetzungsbefugnis durch Analogie zu § 218 Abs. 1 S. 1 BGB | 155 | ||
bb) Erhebung der forderungsbezogenen Verjährungseinrede gegen die Ersetzungsbefugnis | 158 | ||
cc) Einrede der Verjährung gegen die Ersatzforderung | 159 | ||
(1) Eigene Einrede gegen die Ersatzforderung und möglicher Ausweg über eine Anlehnung an die bloße Ersetzung der geschuldeten Leistung | 159 | ||
(2) Übertragung der Verjährungseinrede | 161 | ||
dd) Existenz einer befugnisimmanenten Ausschlussfrist | 163 | ||
2. Anrechnung der bereits partiell verstrichenen Verjährungsfrist der Primärschuld nach der Ersetzung | 165 | ||
3. Anwendung des § 213 BGB auf die Ersetzungsbefugnis | 168 | ||
4. Zwischenergebnis | 168 | ||
5. Verwirkung der Ersetzungsbefugnis infolge Zeitablaufs | 169 | ||
V. Auswirkung des Verzuges auf die Ersetzungsbefugnis | 171 | ||
1. Verzug durch unterlassene Ausübung der Befugnis | 171 | ||
2. Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Schuldner- oder Annahmeverzug | 172 | ||
a) Vorbemerkungen | 172 | ||
b) Lösungsansätze | 175 | ||
aa) Ausschluss der Ersetzungsbefugnis bei Verzug des Gestaltungsberechtigten als Konsequenz einer Billigkeitserwägung | 175 | ||
bb) Ausschluss der Ersetzungsbefugnis im Verzug des Gestaltungsberechtigten durch analoge Anwendung von § 323 Abs. 6 Alt. 2 BGB | 180 | ||
cc) Verwirkung der Ersetzungsbefugnis infolge Zeitablaufs | 182 | ||
dd) Recht des anderen Teils zur Fristsetzung nach § 264 Abs. 2 BGB | 183 | ||
ee) Berücksichtigung des Risikos einer Rechtsumgehung durch den Leistungsaustausch während des eigenen Verzuges ohne Ausschluss der Ersetzbarkeit | 184 | ||
(1) Schuldnerverzug und Ersetzungsbefugnis des Schuldners | 186 | ||
(2) Gläubigerverzug und Ersetzungsbefugnis des Gläubigers | 188 | ||
(3) Erhaltung der Gläubigerverzugsfolgen als Konsequenz bestehender Kausalität | 192 | ||
3. Zwischenergebnis | 193 | ||
VI. Willensmängel und Anfechtbarkeit | 193 | ||
1. Verkennung der Existenz einer Ersetzungsbefugnis | 194 | ||
a) Forderung oder Anbieten der Primärleistung durch den Ersetzungsbefugten unter Verkennung der ihm zustehenden Befugnis | 194 | ||
b) Annahme oder Leistung des Primärgegenstandes durch den Ersetzungsbefugten unter Verkennung der ihm zustehenden Befugnis | 197 | ||
c) Forderung oder Annahme bzw. Angebot oder Erbringung der Ersatzleistung durch den Ersetzungsbefugten unter Verkennung der ihm zustehenden Befugnis | 198 | ||
2. Verwechslung von Primär- und Ersatzleistung in Kenntnis der Ersetzungsbefugnis | 200 | ||
a) Forderung oder Annahme bzw. Angebot oder Erbringung der Primärleistung durch den Ersetzungsbefugten, der diese für die Ersatzleistung hält | 200 | ||
b) Forderung oder Annahme bzw. Angebot oder Erbringung der Ersatzleistung durch den Ersetzungsbefugten, der diese für die Primärleistung hält | 202 | ||
3. Anfechtung aufgrund von Täuschung und Drohung | 203 | ||
VII. Ersetzungsbefugnis und Unmöglichkeit | 203 | ||
1. Eintritt des Leistungshindernisses vor Begründung der Primärschuld | 203 | ||
a) Leistungshindernis hinsichtlich der Primärleistung | 203 | ||
b) Leistungshindernis hinsichtlich der Ersatzleistung | 209 | ||
aa) Grundsatz der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Austauschs durch eine anfänglich unmögliche Ersatzschuld | 209 | ||
bb) Differenzierende Lösung unter Berücksichtigung des Verschuldens | 214 | ||
(1) Lösungsansatz über eine Analogie zu § 160 Abs. 1 BGB | 215 | ||
(2) Lösungsansatz über eine Analogie zu § 265 S. 2 BGB | 218 | ||
2. Eintritt des Leistungshindernisses nach Entstehung der Primärschuld und vor Ausübung der Ersetzungsbefugnis | 226 | ||
a) Leistungshindernis hinsichtlich der Primärleistung | 226 | ||
b) Leistungshindernis hinsichtlich der Ersatzleistung | 226 | ||
aa) Analogie zu § 160 Abs. 1 BGB | 228 | ||
bb) Haftung gemäß § 311 Abs. 2 BGB | 229 | ||
cc) Lösungsansatz über das Argument der Naturalrestitution hinsichtlich der zerstörten Ersatzleistung | 231 | ||
dd) Analoge Anwendung von § 265 S. 2 BGB unter teleologischer Reduktion von § 311a Abs. 2 BGB contra rechtsgeschäftliche Widerrufslösung | 232 | ||
(1) Unanwendbarkeit des Kenntniskriteriums des § 311a Abs. 2 BGB | 232 | ||
(2) Alternative Haftungsgrundlage | 234 | ||
(3) Kritik Tettingers und deren Auswirkung auf die untersuchte Unmöglichkeitskonstellation | 236 | ||
3. Eintritt des Leistungshindernisses nach Ausübung der Ersetzungsbefugnis | 240 | ||
a) Leistungshindernis hinsichtlich der Primärleistung | 240 | ||
b) Unmöglichkeitsauslösendes Leistungshindernis hinsichtlich der Ersatzleistung | 240 | ||
D. Darstellung der wichtigsten gesetzlich begründeten Fälle einer Schuld mit Ersetzungsbefugnis im BGB | 241 | ||
I. Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers | 242 | ||
II. Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Verpflichteten | 250 | ||
E. Zusammenfassung | 259 | ||
Literaturverzeichnis | 264 | ||
Personenverzeichnis | 283 | ||
Sachverzeichnis | 284 |