»Den bösen Schein vermeiden«
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»Den bösen Schein vermeiden«
Zu Ethos und Recht des Amtes in Kirche und Staat
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 974
(2004)
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Abstract
Das vorliegende Thema ist der deutschen Staats- und Verwaltungsrechtslehre nicht vertraut, auch wenn das Prinzip zuweilen in der Literatur und in der Judikatur zitiert wird. In den Fokus einer breiten Öffentlichkeit rückt es stets dann, wenn durch das Verhalten eines Amtsträgers ein Skandal erzeugt wird, für den es genügt, auch nur den Anschein eines Verhaltens wider das Gemeinwohl zu erzeugen: "So etwas tut man nicht!"Der Autor beleuchtet das Prinzip in seinem ursprünglichen, kanonistischen Kontext, wonach kirchliche Einrichtungen und Amtsträger den bösen Schein ("Ärgernis") zu meiden haben und stellt Inhalt, Sinn und Anwendungsbereich dar. Die Anschlußfähigkeit der Maxime belegt der Verfasser anhand demokratischer und republikanischer Argumente, zumal dem staatlichen Amtsprinzip, der Verwiesenheit staatlichen Handelns auf die Zustimmung der Bürger, der Legitimation aus dem Gemeinwohl.Ulrich Hilp geht den Regeln des Amts- und Dienstrechts sowie des Verwaltungs- und des Gerichtsverfahrens nach. Auf der Hand liegt die Übereinstimmung mit der Dienstpflicht des Beamten zu achtungswürdigem Verhalten und den Voraussetzungen der richterlichen Befangenheit. Doch er bohrt tiefer und stößt auf die Erfordernisse der Öffentlichkeit, des Bürgervertrauens, der Glaubwürdigkeit, der Vorbildfunktion der Amtsträger.Das Ergebnis zeigt einmal mehr, daß die Kirche in vielerlei Hinsicht das historische Vorbild des modernen Staates verkörpert und daß Sinn und Inhalt von uns heute genuin säkular anmutenden Begriffen vielfach genuin kirchlichen Ursprungs sind.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung | 15 | ||
A. Gegenstand der Untersuchung | 15 | ||
B. Gang der Untersuchung | 16 | ||
Erstes Kapitel: „Der böse Schein“ und die Maxime „ut scandalum evitetur“. Entstehungsgeschichte und kirchenrechtliche Geltung | 20 | ||
A. Wortgeschichte des „bösen Scheins“ | 20 | ||
I. Der Ursprung des „bösen Scheins“ | 20 | ||
II. Wortgeschichte des „scandalum“ | 21 | ||
1. Abgrenzung zum Wort „Ärger“ | 22 | ||
2. Abgrenzung zum Begriff „Skandal“ | 23 | ||
3. Entwicklung des Begriffes | 23 | ||
B. Bedeutungsgeschichte des „scandalum“ | 24 | ||
I. Der profangriechische Begriff in seiner biblischen Prägung | 24 | ||
1. Das biblische „σχάνδαλον“ in seinem Verständnis vor dem Neuen Testament | 24 | ||
2. Das „σχάνδαλον“ im Neuen Testament – Eine Bestandsaufnahme | 26 | ||
a) Die Bedeutungen des Substantivs | 26 | ||
b) Die Bedeutungen des Verbums | 27 | ||
3. Sprachliche und inhaltliche Ambivalenz des „Ärgernisses“ | 28 | ||
a) Begriffsanalyse | 29 | ||
b) Ergebnis | 29 | ||
II. Das scheinbare Paradoxon des neutestamentlichen Ärgernisses als Ausgangspunkt der Lehre vom „scandalum“ | 30 | ||
1. Das zu vermeidende Ärgernis | 30 | ||
2. Das unausweichliche Ärgernis | 31 | ||
3. Bewertung der Begriffsambivalenz | 32 | ||
III. Die Lehre vom „scandalum“ | 32 | ||
1. Das „scandalum“ im Verständnis des Augustinus (354–430) | 33 | ||
a) Ausgangspunkt der Überlegungen | 33 | ||
b) Maßgebliches Kriterium: Die Wirkung in der Öffentlichkeit | 35 | ||
c) Die Bedeutung des „exemplum“ | 35 | ||
d) Rücksichtnahme auf die „fama“ | 36 | ||
e) Bewertung | 36 | ||
f) Ergebnis | 38 | ||
IV. Die Entwicklung der Lehre vom „scandalum“ zur juristischen Maxime | 38 | ||
1. Die Eigenart des kirchlichen Rechts | 39 | ||
2. Der Gang der Untersuchung | 40 | ||
V. Die Maxime „ut scandalum evitetur“ im Corpus Iuris Canonici | 41 | ||
1. Die Rezeption augustinischer Überlegungen durch Gratian | 41 | ||
2. Die Lehre vom „scandalum“ in den Dekretalen Gregors IX. (1170–1241) | 42 | ||
a) Das „scandalum“ im Verständnis Innozenz’ III. († 1216) | 42 | ||
(1) Die Bedeutung des „exemplum“ | 45 | ||
(2) Ergebnis | 46 | ||
b) Exkurs zu den Ausführungen Innozenz’ III. – Das Purgationsverfahren | 46 | ||
VI. Die weitere Entwicklung bis zu Thomas von Aquin | 47 | ||
1. Die Lehre vom „scandalum“ bei Bernardus de Botono († um 1130) | 48 | ||
2. Die Lehre vom „scandalum“ bei Innozenz IV. († 1254) | 49 | ||
3. Die Lehre vom „scandalum“ bei Henricus de Segusia (Hostiensis) (1200–1271) | 51 | ||
VII. Die Lehre vom „scandalum“ bei Thomas von Aquin (1225–1274) | 54 | ||
1. Der Begriff des „scandalum“ | 57 | ||
2. Das Merkmal der Öffentlichkeit | 57 | ||
3. Der Mangel an „Rechtheit“ | 58 | ||
4. Das negative Vorbild | 58 | ||
5. Das Verhalten bei „scandalum“ | 59 | ||
6. Bewertung | 60 | ||
a) Pharisäisches Ärgernis und Gemeinwohlgedanke | 61 | ||
b) Notwendige Begrenzung | 61 | ||
c) Die Vermeidung des „bösen Scheins“ | 62 | ||
7. Ergebnis der Ausführungen des Thomas von Aquin | 62 | ||
VIII. Zwischenergebnis | 64 | ||
IX. Die weitere Entwicklung der Lehre vom „scandalum“ | 64 | ||
1. Der Fortgang der Lehre aus theologischer Sicht | 64 | ||
a) Johannes von Freiburg (um 1250–1314) | 64 | ||
b) Guido de Baysio (um 1250–1313) | 65 | ||
c) Stellungnahme | 65 | ||
2. Der Fortgang der Lehre vom „scandalum“ in rechtlicher Sicht | 66 | ||
a) Johannes Andreae (1272–1348) | 66 | ||
b) Henricus Bouhic (1310–1390) | 67 | ||
c) Die Lehre vom „scandalum“ bei Franciscus de Zabarellis (1360–1417) | 67 | ||
3. Zwischenergebnis | 68 | ||
X. Zusammenfassung | 68 | ||
1. Das moraltheologische Gebot „scandalum evitare“ | 68 | ||
2. Die juristische Maxime „ut scandalum evitetur“ | 70 | ||
XI. Exkurs: Kritik an der Rechtsfigur des Skandalon | 72 | ||
1. Gegenstand der Kritik | 72 | ||
2. Stellungnahme | 73 | ||
XII. Ergebnis | 74 | ||
C. Die kirchliche Rechtsentwicklung vom Corpus Iuris Canonici bis zum Codex Iuris Canonici von 1917/1918 | 74 | ||
D. Anwendung der Ergebnisse auf die CIC 1917/1918 und 1983 | 75 | ||
I. Nachweis des Prinzips im Codex Iuris Canonici 1917/1918 | 75 | ||
1. Bestandsaufnahme der einschlägigen Normen | 76 | ||
2. „ut scandalum evitetur“ als Maxime des kirchlichen Amtsrechts | 79 | ||
a) „ut scandalum evitetur“ und die Verleihung des Amtes | 81 | ||
b) „ut scandalum evitetur“ als Schutz der Sauberkeit der Amtsausübung | 82 | ||
(1) Sachliche Vorkehrungen | 82 | ||
(2) Persönliche Vorkehrungen: Die geistlichen Standespflichten | 84 | ||
(3) Bewertung | 88 | ||
c) Ergebnis | 89 | ||
3. Fortgeltung im Codex Iuris Canonici von 1983 | 89 | ||
4. Ergebnis | 92 | ||
E. Gesamtergebnis | 92 | ||
Zweites Kapitel: Der moderne Staat – Die Übertragbarkeit der Maxime und ihr säkularer Inhalt | 94 | ||
A. Die Vergleichbarkeit der Systeme Kirche und Staat | 94 | ||
B. Die Anwendung der Maxime auf den modernen Staat | 95 | ||
I. Repräsentation und Vertrauen | 95 | ||
II. Demokratische Legitimation und Vertrauen | 96 | ||
1. Demokratische Repräsentation und Amtsgedanke | 97 | ||
a) Die Entwicklung des Amtsgedankens in der Kirche | 98 | ||
b) Der moderne Staat und das Amtsprinzip | 98 | ||
2. Der Ausschluß persönlicher Motivation als Maßgabe des Amtsprinzips | 99 | ||
3. Der säkulare Inhalt der Maxime | 100 | ||
a) Gemeinwohlverpflichtung und Vermeidung des „bösen Scheins“ | 100 | ||
(1) Gemeinwohl und „res publica“ | 101 | ||
(2) „res publica“ und Amtsgedanke | 102 | ||
b) „ut scandalum evitetur“ und Vermeidung des „bösen Scheins“ als Direktiven des republikanischen Amtsethos | 104 | ||
(1) Die Autorität des Staates als Schutzgut der Maxime | 105 | ||
(2) Das Amtsethos und sein vitaler Rest | 105 | ||
(3) Ergebnis | 108 | ||
c) Die Präsentation staatlichen Handelns als genuiner Anwendungsbereich der Maxime | 108 | ||
(1) Die Staatspflege | 110 | ||
(2) Die Selbstdarstellung des Staates | 111 | ||
d) Illustration und Abgrenzung des Prinzips der Vermeidung des „bösen Scheins“ | 114 | ||
C. Ergebnis | 115 | ||
Drittes Kapitel: Die Vermeidung des „bösen Scheins“ als Maxime des staatlichen Rechts – Ein positiv-rechtlicher Nachweis | 116 | ||
A. Die Standesregeln der Rechtsanwälte als Paradigma | 116 | ||
I. Der Inhalt der anwaltlichen Pflicht, den „bösen Schein“ zu meiden | 118 | ||
II. Ergebnis | 119 | ||
B. Verfassungsrechtliche Problematik des Prinzips der Vermeidung des „bösen Scheins“ | 120 | ||
C. Verfahrensrechtliche Vorkehrungen zur Vermeidung des „bösen Scheins“ | 121 | ||
I. Befangenheits- und Ausschlußgründe gemäß §§ 20, 21 VwVfG | 122 | ||
1. Historische Entwicklung | 122 | ||
2. Die ratio legis | 123 | ||
3. Die Besorgnis der Befangenheit gemäß § 21 VwVfG | 125 | ||
4. Kein Recht auf Ablehnung aufgrund des „bösen Scheins“ | 125 | ||
II. Die Vermeidung des „bösen Scheins“ auf kommunaler Ebene | 126 | ||
1. Das Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit | 127 | ||
2. Die kommunale Treuepflicht | 129 | ||
III. Das Prinzip der Vermeidung des „bösen Scheins“ in den Prozeßordnungen | 129 | ||
1. § 54 Verwaltungsgerichtsordnung | 130 | ||
2. §§ 41 ff. Zivilprozeßordnung | 132 | ||
3. §§ 22 ff. Strafprozeßordnung | 133 | ||
IV. Die Absicherung des Prinzips der Vermeidung des „bösen Scheins“ in den Beamtengesetzen | 134 | ||
1. Das Beamtenverhältnis | 134 | ||
2. Die persönlichen Amtspflichten des Beamtenrechts | 135 | ||
a) Das Prinzip der Vermeidung des „bösen Scheins“ in der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts | 136 | ||
b) Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums | 136 | ||
c) Das „Kopftuch-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts | 138 | ||
3. Die Beamtenpflichten im Einzelnen | 139 | ||
a) Allgemeine Dienst- und Treuepflicht | 141 | ||
b) Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung | 142 | ||
c) Pflicht zu Hingabe und Uneigennützigkeit | 144 | ||
d) Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten | 145 | ||
(1) Das äußere Erscheinungsbild des Beamten | 149 | ||
(2) Die Pflicht des Staates zum Schutz der Ehre des Beamten | 151 | ||
(3) Änderung der Rechtsprechung zum Prinzip der Vermeidung des „bösen Scheins“ | 151 | ||
(a) Innerdienstliches Verhalten | 151 | ||
(b) Außerdienstliches Verhalten | 152 | ||
e) Beschränkung bei Presseauskünften | 154 | ||
f) Genehmigungspflichtige Nebentätigkeit | 154 | ||
g) Nachwirkende Pflichten aus dem Beamtenverhältnis | 156 | ||
h) Genehmigungspflicht für Zuwendungen | 157 | ||
i) Sonstige Bestimmungen des Bundesbeamtengesetzes | 160 | ||
V. Richterliche Mäßigungspflicht | 160 | ||
VI. Das Prinzip der Vermeidung des „bösen Scheins“ und das Amt des Abgeordneten | 164 | ||
1. Verhaltensregeln für Abgeordnete | 166 | ||
2. Ergebnis | 167 | ||
D. Gesamtergebnis | 167 | ||
E. Schlußwort | 168 | ||
F. Zusammenfassung in Leitsätzen | 169 | ||
Quellen- und Literaturverzeichnis | 170 | ||
A. Quellen | 170 | ||
B. Ausgewählte Literatur | 170 | ||
Anhang | 184 | ||
A. Synoptischer Vergleich der einschlägigen Canones von CIC 1917/18 und | 184 | ||
B. Zitierweisen des Corpus Iuris Canonici | 188 | ||
Sachwortverzeichnis | 190 |