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Rechtsbeugung durch Verletzung übergesetzlichen Rechts

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Freund, C. (2006). Rechtsbeugung durch Verletzung übergesetzlichen Rechts. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-51876-0
Freund, Christiane. Rechtsbeugung durch Verletzung übergesetzlichen Rechts. Duncker & Humblot, 2006. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-51876-0
Freund, C (2006): Rechtsbeugung durch Verletzung übergesetzlichen Rechts, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-51876-0

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Rechtsbeugung durch Verletzung übergesetzlichen Rechts

Freund, Christiane

Schriften zum Strafrecht, Vol. 176

(2006)

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Abstract

Der Rechtsbeugungstatbestand ist in den neunziger Jahren durch die Strafverfolgung der DDR-Systemverbrechen nicht nur Gegenstand wegweisender höchstrichterlicher Urteile, sondern auch Thema zahlreicher strafrechtlicher Untersuchungen geworden. Das besondere Interesse an diesem Tatbestand erklärt sich zunächst mit der Vielzahl strafrechtsdogmatischer Fragen, die § 339 StGB aufwirft. Darüber hinaus machte das Bemühen um die Strafverfolgung des DDR-Justizunrechts die Grenzen, die auch dem Rechtsstaat bei der Aufarbeitung von Systemunrecht gesetzt sind, in besonderem Maße deutlich. Die Suche nach Rechtsmaßstäben zur Beurteilung von Taten, die in einem fremden Rechtssystem begangen wurden, führte die Gerichte und die Jurisprudenz - ähnlich wie schon bei der Strafverfolgung der NS-Verbrechen - in über die Strafrechtsdogmatik hinausgehende Bereiche der Rechtsphilosophie, des allgemeinen Staatsrechts und des Völkerrechts. Die im Rechtsstaat oft nur noch theoretisch interessierende Frage nach dem Verhältnis von Gesetz und Gerechtigkeit, die Frage nach dem "richtigen Recht" - letztlich auch die Frage nach der Legitimation des Strafrechts - erlangte hier unmittelbare, praktische Bedeutung.

Vor diesem Hintergrund diskutiert die Autorin die Rechtsbeugungsstrafbarkeit wegen der Verletzung übergesetzlichen Rechts. Einem Überblick über die rechtsphilosophische Rechtsbeugungsdebatte und über die aktuelle strafrechtsdogmatische Diskussion des § 339 StGB folgt eine Analyse der praktischen Bedeutung übergesetzlichen Rechts in der Rechtsprechung zum NS- und DDR-Justizunrecht. Hierauf aufbauend wird das Zusammenwirken strafrechtlicher, staatsrechtlicher, rechtsphilosophischer und völkerrechtlicher Grundlagenfragen bewertet. Es wird argumentiert, dass auch der moderne demokratische Rechtsstaat übergesetzliches Recht zwar nicht zum unmittelbar geltenden Rechtsmaßstab für § 339 StGB erheben kann, dies jedoch nur unter der Bedingung gilt, dass sich das Rechtssystem allgemein an den Grundsätzen der Gerechtigkeit orientiert.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 7
Inhaltsverzeichnis 9
Einleitung 15
A. Themenstellung 15
B. Zum Aufbau der Untersuchung 18
1. Abschnitt: Die Stellung des Richters zu Recht und Gesetz 20
A. Begriffsbestimmungen 21
I. Richter 21
II. Rechtsbeugung 21
III. Übergesetzliches und positives Recht 22
B. Die rechtsphilosophische Frage der Rechtsgeltung 22
I. Erkenntnistheoretische Einwände 24
II. Die Hinwendung zum Rechtspositivismus im 19./frühen 20. Jahrhundert 25
III. Naturrechtsrenaissance und Neopositivismus nach dem Zweiten Weltkrieg 26
IV. Der Relativismus als neuer Denkansatz 28
1. Die Vorkriegsphilosophie Radbruchs 29
a) Der Rechtsbegriff Radbruchs 29
b) Rechtsgeltung und daraus folgende richterliche Pflichten bei Radbruch 32
2. Die Nachkriegsphilosophie Radbruchs 36
a) Die Radbruchsche Formel 36
b) Konsequenzen für die Richterstrafbarkeit 38
V. Offene Fragen 40
C. Die Stellung des Richters in der Rechtsordnung: eine Bestandsaufnahme 42
I. Fragestellung 42
II. Der Richter in der bundesdeutschen Rechtsordnung 43
1. Die Rechtsstellung des Richters und sein Verhältnis zum übergesetzlichen Recht im Allgemeinen 43
2. Die Regelung der Richterstrafbarkeit im deutschen Strafrecht 47
a) Das Rechtsgut des § 339 StGB 48
b) Der Täterkreis des § 339 StGB 55
c) Die Tathandlung des § 339 StGB 64
(1) Die subjektive Theorie 64
(2) Gemischt subjektiv-objektive Theorien 67
(3) Die objektive Theorie 69
(4) Zwischenergebnis 72
d) Sonstige Streitfragen bei § 339 StGB 72
3. Ist die Verletzung übergesetzlichen Rechts nach § 339 StGB strafbar? 74
a) Streitstand zur Auslegung des Begriffs des „Rechts“ i. S. des § 339 StGB und Bedeutung des Streites 74
b) Auslegung des § 339 StGB vor dem Hintergrund der grundgesetzlichen Rechtsordnung 77
c) Auslegung des § 339 StGB im Hinblick auf den Normzweck 78
d) Zwischenergebnis 79
III. Das Verhältnis des Richters zum übergesetzlichen Recht in anderen Rechtsordnungen 80
1. Der Richter in anderen westeuropäischen Rechtssystemen 81
a) Strafnormen zur Rechtsbeugung und zum richterlichen Amtsmissbrauch 81
b) Schlussfolgerungen aus der verfassungsrechtlichen Stellung der Gerichte 83
2. Der Richter im anglo-amerikanischen Rechtsraum 87
3. Der Richter im marxistisch-leninistischen Staat 91
IV. Zusammenfassung und Ergebnis 96
2. Abschnitt: Richterstrafbarkeit und übergesetzliches Recht in der Rechtspraxis 100
A. Die praktische Rolle übergesetzlichen Rechts bei der Strafverfolgung von Rechtsbeugungen 100
I. Die Strafverfolgung des NS-Justizunrechts 102
1. NS-Unrechtsurteile als Richterunrecht 103
a) Probleme der Gerichtsqualität der NS-Gerichte 103
(1) Der Streit um die Gerichtsqualität des Volksgerichtshofes 105
(2) Die Gerichtsqualität der NS-Sondergerichte 106
b) Sind NS-Gesetze zur Rechtsbeugung geeignete Gesetze? 109
2. Die Strafverfolgung von Richtern nach Alliiertenrecht, 1945–1951 114
a) Allgemeine Rechtsgrundlagen der Nürnberger Verfahren 114
b) Das Nürnberger Juristenurteil 115
c) Weitere Rechtsprechung nach dem KRG Nr. 10 120
(1) OGH der Britischen Zone, Urt. v. 7.12.1948 121
(2) OGH der Britischen Zone, Urt. v. 15.11.1949 123
d) Zusammenfassung 125
3. Die Strafverfolgung ehemaliger NS-Richter durch bundesdeutsche Gerichte 125
a) BGHSt 2, 173 (SS-Standgericht) 127
b) Denunziantenfälle 129
(1) OLG Bamberg, Urteil v. 27.7.1949 130
(2) BGHSt 4, 66 132
(3) BGHSt 9, 302 132
c) Katzenberger-Fall 134
d) Zusammenfassung 135
4. Ergebnis und Kritik 136
II. Die strafrechtliche Aufarbeitung des DDR-Justizunrechts 140
1. Probleme der Strafverfolgung von DDR-Rechtsbeugungen durch bundesdeutsche Gerichte 143
a) Das auf DDR-Alttaten anzuwendende Strafrecht 144
(1) „DDR-Lösung“ 145
(2) Die „Auslandstheorien“ 146
(3) „Inlandstheorie“ 147
(4) „Beitrittstheorie“ 148
b) Das mildeste Gesetz i. S. d. § 2 III StGB bei der Rechtsbeugung 149
(1) Probleme der Gerichtsqualität der DDR-Gerichte 152
(2) Vergleichbarkeit der Rechtsbeugung i. S. d. § 244 StGB-DDR mit einer Rechtsbeugung i. S. d. § 339 StGB 157
(a) Fehlende Unrechtskontinuität wegen unterschiedlicher Geltungsbereiche? 159
(b) Unzulässiger Eingriff in fremde Staatsangelegenheiten? 159
(c) Ungerechte Folgen einer Strafverfolgung 159
(d) Die Vergleichbarkeit der geschützten Rechtsgüter 160
(3) Zwischenergebnis 165
c) Rückwirkungsprobleme im Zusammenhang mit der Unrechtskontinuität 166
d) Zusammenfassung und Kritik 168
2. Naturrechtliche Rechtsmaßstäbe bei der Beurteilung von SED-Systemunrecht durch bundesdeutsche Gerichte 170
a) Exkurs: Übergesetzliches Recht in den „Mauerschützen“-Urteilen 171
b) Übergesetzliches Recht in der Rechtsprechung zum DDR-Justizunrecht 177
(1) Entwicklung der anzuwendenden Beurteilungsmaßstäbe durch den BGH 177
(a) Grundsätzliche Beachtung der DDR-Auslegungsmethoden 177
(b) Anwendbarkeit der Radbruchschen Formel 178
(c) Konkretisierung des übergesetzlichen Rechts durch das Völkerrecht 179
(d) Beschränkung der Rechtsbeugungsstrafbarkeit auf bestimmte Fallgruppen 180
(2) Anwendung auf konkrete Fälle 181
c) Zusammenfassung der Rechtsprechung 184
d) Die Rezeption der Rechtsbeugungsurteile in der Wissenschaft 186
3. Zusammenfassung und Kritik 187
III. Zusammenfassung: Die Rolle des Naturrechts in der Rechtspraxis 193
B. Ergebnis 195
3. Abschnitt: Möglichkeiten der Strafbarkeit von Rechtsbeugungen durch Verletzung übergesetzlichen Rechts 198
A. Gerechtigkeit als verpflichtendes Ziel einer Rechtsordnung und ihrer Gerichtsbarkeit 198
I. Übergesetzlich begründete Rechtspflichten jeder Rechtsordnung 198
II. Übergesetzlich begründete Rechtspflichten des Richters 200
B. Möglichkeit der strafrechtlichen Durchsetzung von Richterpflichten 201
I. Der allgemeine Streit um die Strafbarkeit von Naturrechtsbeugungen 202
1. Gebote der Rechtssicherheit 203
a) Die Stellung der Rechtssicherheit bei Befürwortern einer Naturrechtsbeugungs-Strafbarkeit 203
b) Einzelne Argumente gegen eine Strafbarkeit von Naturrechtsbeugungen 206
(1) Rechtsunsicherheit durch individuelle Gewissensentscheidungen? 206
(2) Durchsetzungskraft der Gesetze 208
(3) Entgegenstehen des Gleichbehandlungsgebotes? 209
(4) Zwischenergebnis 210
2. Entgegenstehen des Gewaltenteilungsgrundsatzes? 210
a) Schutz vor der Entwicklung zum Unrechtsstaat? 211
b) Gerechtigkeit durch Gewaltenteilung 214
3. Praktische Sinnlosigkeit einer Strafandrohung wegen Unzumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens? 215
4. Folgerungen aus dem traditionellen Richterbild 218
5. Ergebnis 219
II. Lehren aus dem 1. Abschnitt 220
III. Lehren aus dem 2. Abschnitt 223
1. Strafverfolgung von systembedingtem Justizunrecht nach einem Systemwechsel 223
a) Die Aufarbeitung von systembedingtem Justizunrecht in der bundesdeutschen Rechtsprechung 223
b) Probleme der Strafverfolgung nach Systemwechseln im Allgemeinen 226
(1) Entscheidung zur Strafverfolgung 227
(2) Rechtsgrundlagen und Zulässigkeit einer Strafverfolgung 228
(3) Beurteilungsmaßstäbe 230
2. Strafverfolgung von systeminternem Justizunrecht 231
a) Rechtsgrundlagen und Zulässigkeit einer Strafverfolgung 232
b) Beurteilungsmaßstäbe 233
3. Schlussfolgerung: Notwendigkeit der Differenzierung 235
IV. Konsequenzen für die Rechtsbeugungsfrage 237
1. Strafverfolgung von Naturrechtsbeugungen auf innerstaatlicher Ebene 237
a) Grundsätzliche Unmöglichkeit einer Strafverfolgung 237
b) Möglichkeiten zur Sicherung gerechter Gesetze jenseits des Strafrechts 238
2. Strafverfolgung von Naturrechtsbeugungen durch eine systemfremde Instanz 240
a) Grundsätzliche Möglichkeit einer Strafverfolgung 240
b) Anwendbare Rechtsmaßstäbe 240
(1) Direkte Anwendung von Naturrecht? 240
(2) Naturrechtskonforme Anwendung der zur Tatzeit geltenden Gesetze 241
(3) „Positiviertes“ übergesetzliches Recht 242
(a) Internationales Recht 243
(b) Europäische Gerechtigkeitsmaßstäbe 246
c) Grenzen einer Strafverfolgung im Einzelfall 249
(1) Vorsatzprobleme 250
(2) Rechtfertigungsfragen 255
(3) Entschuldigungsgründe 255
C. Ergebnis 257
4. Abschnitt: Ergebnisse 260
Literaturverzeichnis 264
Sachverzeichnis 279