Neuere Tendenzen in der Diversion
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Neuere Tendenzen in der Diversion
Exemplarisch dargestellt anhand des Berliner Diversionsmodells - Zurückdrängung staatsanwaltschaftlicher Entscheidungskompetenz?
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 165
(2005)
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Abstract
In Berlin wird die Praxis der Verfahrenseinstellungen im Jugendstrafrecht maßgeblich durch die sog. Diversionsrichtlinie geregelt, die - anders als die Vorschriften in den übrigen Bundesländern - die Einschaltung von Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagogen als Vermittlungspersonen (sog. Diversionsmittler) vorsieht. Die Richtlinie hat in Wissenschaft und Praxis teilweise vehemente Kritik hervorgerufen. Diese Kritik auf ihre Berechtigung zu überprüfen, ist das zentrale Anliegen der Autorin.Nach einer einführenden Darlegung des aktuellen Standes der jugendstrafrechtlichen Forschung und Judikatur zur Diversion beschreibt Ingke Goeckenjan den Ablauf des Berliner Diversionsverfahrens unter spezieller Berücksichtigung der einzelnen beteiligten Institutionen (Polizei, Diversionsmittler, Staatsanwaltschaft). Dabei bezieht sie sich auf empirische Erkenntnisse, die sie insbesondere anhand von Beobachtungen sog. Diversionsgespräche sowie durch Interviews mit Verfahrensbeteiligten gewinnen konnte. Auf dieser rechtstatsächlichen Grundlage untersucht sie die Richtlinie auf ihre Vereinbarkeit mit den einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlichen Regelungen.Ingke Goeckenjan kommt zu dem Ergebnis, dass das Berliner Diversionsverfahren an gravierenden rechtlichen und rechtstatsächlichen Mängeln leidet. So weist sie u. a. nach, dass die Weichen stellende Rolle der Polizei innerhalb des Verfahrens die gesetzlich verankerte Entscheidungskompetenz der Staatsanwaltschaft unzulässig einschränkt. Aus diesen Erkenntnissen leitet die Verfasserin schließlich konkrete Empfehlungen für künftige Diversionsregelungen ab.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
A. Einleitung | 13 | ||
B. Grundlagen | 15 | ||
I. Begriffsbestimmung Diversion | 15 | ||
1. Allgemeines | 15 | ||
2. Umlenkung um das förmliche Strafverfahren durch Verfahrenseinstellung | 17 | ||
3. Intervenierende Diversion | 18 | ||
4. Zusammenfassung | 19 | ||
II. Die Rechtslage betreffend Diversion im Jugendstrafrecht | 19 | ||
1. § 45 JGG | 20 | ||
a) § 45 Abs. 1 JGG i.V. m. § 153 StPO | 20 | ||
b) § 45 Abs. 2 JGG | 22 | ||
aa) Allgemeines | 22 | ||
bb) Geständniserfordernis | 22 | ||
cc) Erzieherische Maßnahmen | 24 | ||
dd) Befugnisse der Staatsanwaltschaft | 24 | ||
ee) Zustimmungserfordernisse | 27 | ||
c) § 45 Abs. 3 JGG | 28 | ||
aa) Allgemeines | 28 | ||
bb) Geständnis | 29 | ||
cc) Beschränkte Rechtskraftwirkung | 29 | ||
dd) Zustimmungserfordernisse | 30 | ||
2. § 47 JGG | 31 | ||
a) Allgemeines | 31 | ||
b) Zustimmungserfordernisse | 32 | ||
c) Anwendbarkeit auf Heranwachsende | 33 | ||
3. Vorschriften des allgemeinen Strafverfahrensrechts | 34 | ||
a) § 153 StPO | 35 | ||
aa) § 153 Abs. 1 StPO | 35 | ||
(1) Allgemeines | 35 | ||
(2) Ausnahmsweise Anwendung des § 153 Abs. 1 StPO? | 36 | ||
bb) § 153 Abs. 2 StPO | 47 | ||
b) § 153a StPO | 47 | ||
aa) § 153a Abs. 1 StPO | 48 | ||
(1) Schlechterstellung | 48 | ||
(2) Andere Ansicht | 48 | ||
(3) Verfassungskonforme Auslegung? | 49 | ||
(4) Ergebnis | 52 | ||
bb) § 153a Abs. 2 StPO | 52 | ||
c) § 153b StPO | 52 | ||
d) §§ 153c bis f, 154b StPO | 53 | ||
e) § 154 und § 154a StPO | 53 | ||
f) §§ 154c bis e StPO | 53 | ||
4. Betäubungsmittelrechtliche Vorschriften | 53 | ||
a) § 31a BtMG | 53 | ||
b) § 38 Abs. 2 i.V.m. § 37 BtMG | 54 | ||
III. Diversionsrichtlinien | 55 | ||
1. Regelungsbedarf | 55 | ||
2. Rechtsnatur | 57 | ||
3. Neuere Tendenzen in anderen Bundesländern | 59 | ||
a) Polizeidiversion | 59 | ||
b) Einschränkung von Diversionsmöglichkeiten | 62 | ||
IV. Die Berliner Diversionsrichtlinie | 63 | ||
1. Entstehungsgeschichte | 63 | ||
2. Zielsetzung | 63 | ||
3. Besonderheiten der Berliner Vorgehensweise | 64 | ||
4. Institutionelle Gegebenheiten | 65 | ||
a) Polizei | 65 | ||
b) Staatsanwaltschaft | 66 | ||
C. Methodisches Vorgehen | 67 | ||
I. Ursprünglich geplante empirische Untersuchung | 67 | ||
1. Untersuchungsplan und sein Scheitern | 67 | ||
a) Ausgangssituation | 67 | ||
b) Methodische Einwände gegen die vorgeschlagenen Fragestellungen | 68 | ||
c) Weitere Ereignisse | 70 | ||
d) Ergebnis | 73 | ||
2. Erklärungsansätze | 73 | ||
a) Ausrichtung kriminologischer Forschung | 73 | ||
b) Auswirkungen behördlicher Strategien auf Forschungsvorhaben | 74 | ||
c) Ansätze zur Erklärung der konkreten Ereignisse | 75 | ||
II. Tatsächlich angewandte Erhebungsmethoden | 75 | ||
1. Beobachtungen bei den Mittlern | 76 | ||
a) Fragestellung | 76 | ||
b) Vorgehensweise | 76 | ||
2. Beobachtungen bei der Polizei | 79 | ||
a) Fragestellungen | 79 | ||
b) Vorgehensweise | 79 | ||
3. Interviews zum Stand der Implementation | 80 | ||
a) Fragestellung | 80 | ||
b) Vorgehensweise | 80 | ||
4. Auswertung internen Datenmaterials | 81 | ||
E. Rechtliche Bedenken gegenüber der Diversionsrichtlinie | 128 | ||
I. Die neue „Entscheidungsinstanz“ Polizei | 129 | ||
1. Anregung von Diversion und Vorauswahl diversionsgeeigneter Verfahren | 129 | ||
a) Gewaltenteilungsgrundsatz und Richtervorbehalt | 129 | ||
aa) Vereinbarkeit von § 45 Abs. 2 JGG mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz | 130 | ||
bb) Vereinbarkeit der Richtlinie mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz | 131 | ||
b) Einschränkung der Verteidigungsrechte | 132 | ||
aa) Verteidigungsrechte | 133 | ||
bb) Auswirkungen der Richtlinie | 134 | ||
cc) Freiwilligkeit | 135 | ||
c) Unschuldsvermutung | 137 | ||
d) Gleichbehandlungsgrundsatz | 139 | ||
e) Vorschriften des JGG | 141 | ||
2. Normverdeutlichendes Gespräch | 142 | ||
II. Die neue „Reaktionsinstanz“ Diversionsmittler | 143 | ||
1. Verstoß gegen Kompetenzregelungen des § 45 JGG | 144 | ||
2. Beschneidung der Kompetenzen der Jugendgerichtshilfe | 144 | ||
III. Weitere Bedenken | 146 | ||
1. Bestimmtheitsgrundsatz und Gesetzesvorbehalt | 146 | ||
a) Bestimmtheit der Richtlinie selbst | 146 | ||
b) Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt durch Regelung in einer Verwaltungsvorschrift | 147 | ||
2. Umgehung von (milderen) Einstellungsmöglichkeiten auch außerhalb des JGG und Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes | 148 | ||
a) Ausweitung des Netzes sozialer Kontrolle | 148 | ||
b) Adäquanz zwischen Tatvorwurf und Rechtsfolge | 151 | ||
3. Einschränkung der gesetzlichen Voraussetzungen | 151 | ||
4. Vorenthaltung ausreichenden Rechtsschutzes | 152 | ||
F. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen | 156 | ||
I. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse | 156 | ||
D. Verfahrensablauf gemäß der Diversionsrichtlinie | 82 | ||
I. Polizei als „Selektionsinstanz“ im Diversionsverfahren | 82 | ||
1. Vorfilterung der für eine Einstellung nach § 45 Abs. 1 und 2 JGG geeigneten Verfahren | 82 | ||
a) Voraussetzungen für eine Einstellung nach § 45 Abs. 1 JGG | 82 | ||
aa) Tatvorwurf | 82 | ||
bb) Strafrechtliche Vorbelastung | 84 | ||
cc) Kein Bedarf für erzieherische Maßnahmen | 84 | ||
dd) Geständnis | 85 | ||
b) Voraussetzungen für eine Einstellung nach § 45 Abs. 2 JGG | 85 | ||
aa) Tatvorwurf | 85 | ||
bb) Erzieherische Maßnahmen | 86 | ||
cc) Geständnis | 87 | ||
dd) Zustimmungserfordernisse | 88 | ||
c) Praktische Umsetzung | 88 | ||
aa) Schwere des Tatvorwurfs | 88 | ||
bb) Strafrechtliche Vorbelastung | 89 | ||
cc) Anwendung von materiellem Jugendstrafrecht auf Heranwachsende | 90 | ||
2. Vernehmung | 91 | ||
a) Inhalt | 91 | ||
b) Schulung | 91 | ||
3. Weichenstellung für das Absehen von der Verfolgung nach § 45 Abs. 1 JGG | 92 | ||
4. Weichenstellung für das Absehen von der Verfolgung nach § 45 Abs. 2 JGG | 93 | ||
a) Normverdeutlichendes Gespräch | 93 | ||
b) Weichenstellung für die Einschaltung eines Diversionsmittlers | 93 | ||
aa) Telefonat mit dem Ansprechpartner bei der Staatsanwaltschaft | 94 | ||
bb) Entscheidung des Ansprechpartners bei der Staatsanwaltschaft | 95 | ||
c) Vereinbarung mit dem Jugendlichen | 95 | ||
II. Einschaltung der vermittelnden Institution: „Diversionsmittler“ | 96 | ||
1. Wer sind die Diversionsmittler? | 96 | ||
2. Wie arbeiten sie? | 97 | ||
a) Vorgaben der Diversionsrichtlinie | 97 | ||
b) Sicht des Berliner Büros für Diversionsberatung und -vermittlung | 98 | ||
c) Theoretische Grundlagen | 100 | ||
d) Ergebnisse der Beobachtung | 102 | ||
aa) Formale Merkmale der beobachteten Verfahren | 103 | ||
(1) Anzahl der in das jeweilige Diversionsverfahren einbezogenen Jugendlichen | 103 | ||
(2) Persönliche Merkmale der Jugendlichen | 103 | ||
(3) Tatvorwurf | 104 | ||
(4) Strafrechtliche Vorerfassung | 104 | ||
(5) Dauer des Verfahrens bis zur Einschaltung des Mittlers | 106 | ||
bb) Gesprächsinhalte | 106 | ||
(1) Einwilligung in meine Anwesenheit und Videoaufzeichnung | 107 | ||
(2) Erklärungen zum Diversionsverfahren | 107 | ||
(3) Mutmaßliches Tatgeschehen, Umstände der mutmaßlichen Tat | 108 | ||
(4) Gründe für die Begehung der (mutmaßlichen) Tat | 110 | ||
(5) Bisheriges Verfahren, insbesondere Kontakt mit der Polizei | 111 | ||
(6) Durch die mutmaßliche Tat hervorgerufener Schaden; andere Auswirkungen der mutmaßlichen Tat beim Geschädigten | 112 | ||
(7) Reaktionen auf die mutmaßliche Tat und ihre Entdeckung im sozialen Umfeld | 114 | ||
(8) Mögliche „Wiedergutmachung“ des Schadens | 114 | ||
(9) Getroffene Vereinbarungen | 117 | ||
(10) Weitere Themen | 119 | ||
cc) Gesprächssituation | 120 | ||
dd) Probleme bei der praktischen Umsetzung | 121 | ||
(1) Unabhängigkeit der Mittler versus Ausrichtung auf die staatsanwaltschaftliche Erledigung | 121 | ||
(2) Unsicherheiten bezüglich des Vorliegens der Voraussetzungen | 121 | ||
(3) Freiwilligkeit | 123 | ||
3. Statistische Angaben | 123 | ||
III. Staatsanwaltschaft als Entscheidungsträgerin? | 124 | ||
1. Vorwegnahme der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung durch die Polizei? | 124 | ||
a) Zuständiger Dezernent hält Maßnahme für unzureichend | 124 | ||
b) Zuständiger Dezernent hält erfolgte Maßnahme für zu weitgehend | 125 | ||
c) Keine erzieherische Maßnahme erfolgt, zuständiger Dezernent hält dies jedoch für angezeigt | 126 | ||
d) Fazit | 126 | ||
2. Weiteres Vorgehen | 127 | ||
1. Rechtstatsächliche Aspekte | 157 | ||
a) Polizei als „Selektionsinstanz“ im Diversionsverfahren | 157 | ||
b) Freiwilligkeit der Maßnahmen | 157 | ||
c) Tätigkeit der Mittler zwischen pädagogischer Ausrichtung und Erwartung der Staatsanwaltschaft | 158 | ||
d) Unzureichende Informationslage | 158 | ||
aa) Polizei | 158 | ||
bb) Staatsanwaltschaft | 159 | ||
cc) Mittler | 159 | ||
2. Rechtliche Aspekte | 159 | ||
a) Gewaltenteilung | 159 | ||
b) Einschränkung der Verteidigungsrechte | 160 | ||
c) Unschuldsvermutung | 160 | ||
d) Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz | 160 | ||
e) Bestimmtheitsgebot und Gesetzesvorbehalt | 160 | ||
f) Verhältnismäßigkeit und Umgehung von weniger eingriffsintensiven Vorschriften | 161 | ||
g) Vorenthaltung ausreichenden Rechtsschutzes | 161 | ||
h) Verletzung der gesetzlichen Regelungen in § 45 JGG | 162 | ||
aa) Einschränkungen der gesetzlichen Voraussetzungen | 162 | ||
bb) Filternde Funktion der Polizei | 162 | ||
cc) Befugnis der Polizei zur Durchführung normverdeutlichender Gespräche | 162 | ||
dd) Tätigkeit der Diversionsmittler | 163 | ||
i) Beschneidung der Kompetenzen der Jugendgerichtshilfe | 163 | ||
II. Schlussfolgerungen | 163 | ||
1. Empfehlungen zur Ausgestaltung von Diversionsrichtlinien im Allgemeinen | 163 | ||
a) Positive Ansätze der bestehenden Berliner Diversionsrichtlinie | 163 | ||
b) Empfehlungen für zukünftige Richtlinien | 164 | ||
2. Empfehlungen für die Gesetzgebung | 165 | ||
a) Registerrechtliche Regelungen | 165 | ||
b) Gesetzliche Ausgestaltung der Diversion | 165 | ||
III. Ausblick | 166 | ||
G. Anlagen | 167 | ||
I. Übersicht über das Berliner Diversionsmodell | 167 | ||
II. Beobachtungsbogen Diversionsgespräche | 168 | ||
III. Beobachtungsleitfaden Diversionsgespräche | 169 | ||
IV. Interviewleitfaden | 169 | ||
Literaturverzeichnis | 171 | ||
Sachwortverzeichnis | 178 |