Vom Gefühl am Grund der Rechtsfindung
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Vom Gefühl am Grund der Rechtsfindung
Rechtsmethodik, Objektivität und Emotionalität in der Rechtsanwendung
Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 257
(2011)
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Julia Hänni studierte Rechtswissenschaften an der Universität Zürich und promovierte an der Universität St. Gallen (HSG). Seit 2010 ist sie als Oberassistentin und Lehrbeauftragte am Europainstitut der Universitäten Bern, Neuenburg und Fribourg tätig. Zuvor war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten Zürich und St. Gallen. Seit 2009 ist Julia Hänni Gastdozentin für westliche Rechtsphilosophie am National Hindu Dharma Institute, Indonesien. 2009 absolvierte sie einen Forschungsaufenthalt am Max Planck Institut für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg. Ihre Dissertation wurde ausgezeichnet mit dem Walther Hug Preis der Universität St. Gallen (HSG) für die beste juristische Dissertation des akademischen Jahres 2010.Abstract
Auf der Grundlage der phänomenologischen Betrachtung und Methodik stellt Julia Hänni in der vorliegenden Publikation die Werteaffinität des Rechts und gleichermaßen die Notwendigkeit spezifischer intuitiver Wertungskompetenzen des Rechtsanwenders dar.Die Besonderheit der phänomenologischen Betrachtungsweise liegt in der Analyse der Wahrnehmung: Die Wahrnehmung enthält in sich eine spezifische Kompetenz der intuitiven Wertung. Insbesondere bei Fragen, die Konflikte zwischen ethischen Grundwerten hervorrufen, erscheint die Kompetenz eines primären intuitiven Wertungsvermögens als zentrales Richtigkeitskriterium für eine angemessene Bewertung und Entscheidung. Auf der Basis der intuitiven Wertung werden grundlegende ethische Werte regelmäßig als "objektiv" erlebt, das heißt als objektive Handlungsanweisungen, die unser Entscheidungsverhalten stark prägen.Die Kompetenz eines primären intuitiven Wertungsvermögens impliziert ein subjektives Element der Entscheidung, das aber nicht willkürlich ist: Vielmehr ist es Teil eines eigenständigen emotionalen Urteilsvermögens, das vom Gesetzgeber vorausgesetzt und in der Praxis der Gerichte auf verschiedene Weise, teils ausdrücklich und oftmals auch implizit berücksichtigt wird. Dieses emotionale Urteilsvermögen wird als letzte Instanz dargestellt, zu der unsere Bemühungen um Gerechtigkeit vordringen können.Ausgezeichnet mit dem Walther Hug Preis der Universität St. Gallen für die beste juristische Dissertation des akademischen Jahres 2010.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 13 | ||
A. Phänomenologische Wertethik in juristischer Betrachtung | 17 | ||
I. Ausgangspunkt und Ziel der Arbeit: Drei zu analysierende Fragen | 17 | ||
II. Aktualität und Betrachtungsweise | 18 | ||
1. Wertethik und postmodernes Recht | 18 | ||
2. Hermeneutisch-phänomenologische Rechtsphilosophie | 19 | ||
III. Zum Wertbegriff | 20 | ||
1. Wert, Wertgehalt und Wertträger | 20 | ||
2. Objektive und subjektive Elemente des Wertbegriffs | 22 | ||
3. Ethische Dimension des Wertbegriffs | 24 | ||
IV. Kernaussagen und juristische Fragestellung | 25 | ||
1. Überblick über die Kernaussagen | 25 | ||
a) Die Objektivität der Werte | 25 | ||
b) Die Rangordnung von Werten | 26 | ||
c) Wertgefühl und Werterkenntnis | 28 | ||
2. Der Rechtsanwender als Entscheidungsträger | 28 | ||
B. Ideengeschichtliche Perspektive | 31 | ||
I. Entwicklung der Schulen | 31 | ||
1. Ideale Ausdeutung und Intentionalität bei Lotze und Brentano | 31 | ||
2. Entstehung der phänomenologischen Schule | 32 | ||
3. Phänomenologische und materiale Wertethik | 33 | ||
4. Formale Wertethik als Gegenposition | 34 | ||
II. Grundlagen des phänomenologischen Denkens bei Platon | 35 | ||
1. Idee und idealer Wertgehalt | 35 | ||
2. Beziehungsstruktur Idealität – Realität | 36 | ||
III. Die Vorgaben der kantischen Ethik | 37 | ||
1. Ethischer Apriorismus | 37 | ||
2. Der Kategorische Imperativ | 39 | ||
3. Das Erfordernis des Methodendualismus | 40 | ||
IV. Die Phänomenologie Husserls | 42 | ||
1. Das Phänomen als Gegenstand objektivierender Wahrnehmung | 42 | ||
2. Wahrnehmung und Mitmeinung | 44 | ||
3. Phänomenologische Reduktion der Mitmeinung am Beispiel der juristischen Sachverhaltserfassung | 46 | ||
a) Epochein | 46 | ||
b) Reduktion | 46 | ||
4. Phänomenologische Wertphilosophie | 48 | ||
C. Die Wertbedingtheit des Rechts und die Apriorität der Werte | 50 | ||
I. Das Wertungserfordernis in der Rechtsanwendung | 50 | ||
1. Fragestellung | 50 | ||
2. Ermessen | 50 | ||
3. Rechtsanwendung im Lückenbereich | 52 | ||
4. Auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe | 54 | ||
5. Normenkollision und Interessenabwägung | 55 | ||
6. Wertungserfordernisse der Sprache | 56 | ||
7. Vorverständnis | 57 | ||
II. Aufgaben der Methodenlehre | 58 | ||
1. Auslegungskanon | 58 | ||
2. Grenzen der Auslegungskriterien | 60 | ||
3. Bewertung und Entscheidung | 61 | ||
a) Erfordernis der Wertung | 61 | ||
b) Wertungen der Allgemeinheit und bestimmter Kreise | 62 | ||
c) Ethik der Entscheidung | 63 | ||
III. Wertgehalte als objektive Gegebenheiten | 64 | ||
1. Objektivität als Ausgangspunkt der ethischen Betrachtung | 64 | ||
2. Der Wert als unveränderliche Qualität im Sinne von Scheler und Hartmann | 64 | ||
3. Der Wert des Guten | 65 | ||
4. Der Wert der Gerechtigkeit | 66 | ||
5. Grundsatz des ethischen Mindestschutzes | 67 | ||
IV. Phänomenologie der juristischen Werterfahrung | 69 | ||
1. Die phänomenologisch-axiologische Betrachtung | 69 | ||
2. Allgemeinheit und Typisierung der juristischen Begriffe | 70 | ||
a) Der immerfort zu berichtigende Begriff | 70 | ||
b) Vergleich der unabdingbaren Merkmale | 72 | ||
3. Sachgerechtigkeit als Beispiel für die erforderliche Objektivierung | 73 | ||
4. Normativität und Objektivität | 74 | ||
5. Objektivität und Apriorität | 75 | ||
6. Die Zwecksetzung durch den Rechtsanwender | 77 | ||
V. Erfordernis der phänomenologischen Objektivität im Recht | 78 | ||
1. Der Bezug auf die objektive Struktur | 78 | ||
2. Einheitliches Handeln als Erfordernis | 80 | ||
3. Objektivität und Einzelfallgerechtigkeit | 80 | ||
4. Fazit: Phänomenologische Objektivität im Recht | 82 | ||
D. Werterelation und Inkommensurabilität | 83 | ||
I. Werterangfolgen | 83 | ||
II. Präferenzkriterien | 84 | ||
1. Bei Scheler | 84 | ||
2. Bei Hartmann | 85 | ||
III. Werthöhe und Wertstärke am Beispiel von Freiheitsrechten | 86 | ||
IV. Antinomische Wertgegensätze | 88 | ||
1. Wertekonflikte | 88 | ||
2. Paradoxie der Entscheidungsnotwendigkeit | 91 | ||
V. Zur Inkommensurabilität von Werten | 92 | ||
1. Analoge Formen des Vergleichs | 92 | ||
2. Der Begriff der Inkommensurabilität als denkerische Tradition | 93 | ||
3. Moderne Wissenschaftstheorie: Bruchstellen zu Inkommensurabilität | 95 | ||
VI. Inkommensurabilität der Rechtswerte | 97 | ||
1. Konkurrierende Orientierungssysteme | 97 | ||
2. Inkommensurable Formen des Vergleichs | 98 | ||
VII. Inkommensurabilität und Wertungskompetenz | 102 | ||
1. Autonomie von Wertentscheidungen durch problemorientiertes Denken | 102 | ||
2. Entscheidungsvermögen trotz Inkommensurabilität | 104 | ||
3. Fazit: Werterangfolgen und die juristische Entscheidungskompetenz | 105 | ||
E. Das emotionale Autonomieprinzip | 106 | ||
I. Grundlegung des emotionalen Erkenntnisvermögens | 106 | ||
II. Die Frage nach einer ethischen Eigengesetzlichkeit des Emotionalen | 107 | ||
1. Überwindung der althergebrachten Trennung von Vernunft und Sinnlichkeit | 107 | ||
2. Das Emotionale als primäre Erkenntnisgrundlage | 109 | ||
a) „Ordre du cœur“ | 109 | ||
b) Emotionale Akte als Grundlage für Verstandesleistungen | 111 | ||
3. Intentionalität | 112 | ||
a) Intentionalität des Bewusstseins | 112 | ||
b) Zweifache Intentionalität | 115 | ||
c) Die Analogie zwischen urteilenden und emotionalen Akten | 116 | ||
d) Innere Wahrnehmung als Basis der Ethik | 117 | ||
III. Übertragung der emotionalen Kategorien auf die Wertlehre | 118 | ||
1. Intentionales Fühlen | 118 | ||
a) Unmittelbar wertender Wahrnehmungsvollzug | 118 | ||
b) Vorziehen und Nachsetzen, Lieben und Hassen | 120 | ||
c) Exkurs: Drei Akte des Fühlens bei Hartmann | 121 | ||
2. Die kognitive Funktion des intentionalen Fühlens | 122 | ||
a) Leitfunktion und Unterscheidungsvermögen | 122 | ||
b) Das zweistufige Konzept der Erkenntnis | 123 | ||
IV. Phänomenologie des Rechtsgefühls und die Rechtsintuition | 124 | ||
1. Ausgangspunkt und Abgrenzungen | 124 | ||
2. Vorwertung als Wertmaßstab | 126 | ||
3. Bloßes Abstützen auf die herrschende Sozialmoral und auf Präjudizien? | 129 | ||
V. Prägung von Entscheiden durch gefühlsgeleitete Faktoren | 130 | ||
1. Das Richtigkeitskriterium der Eigenwertung | 130 | ||
2. Entscheid und Entscheiddarstellung (Begründung) | 132 | ||
3. Schranken des Rechtsgefühls | 133 | ||
4. Orientierung an der Gemeinschaft | 134 | ||
5. Neues Entscheidverständnis: Hermeneutische Kategorien der Rechtsintuition im Begründungsdiskurs | 135 | ||
a) Axiologisches Vorverständnis | 135 | ||
b) Das Element der freien Entscheidbildung | 136 | ||
6. Fazit: Rechtsgefühl und Rechtsintuition | 136 | ||
F. Gegenargumente und die Auseinandersetzung mit Kant | 138 | ||
I. Wertsubjektivismus | 138 | ||
1. Wertnihilismus der Uppsala-Schule | 138 | ||
a) Lokalisierung und Temporalisierung als Voraussetzung für Wirklichkeit | 138 | ||
b) Schulung in Gefühlsaskese | 139 | ||
2. Wertsubjektivismus im weiteren Sinne | 140 | ||
3. Problematik der Einwände? | 140 | ||
a) Verschiedene Bereiche der Geltung | 140 | ||
b) Unerlässlichkeit normativer Elemente auf der faktischen Ebene | 142 | ||
II. Der Emotivismus | 144 | ||
III. Warum keine diskurstheoretische Begründung der Normativität? | 145 | ||
IV. Die Biologie der Gefühle | 146 | ||
1. Der „emotionale Erfahrungsspeicher“ | 146 | ||
2. Erfahrungswissenschaft und kulturelle Dimension | 148 | ||
V. Einwände der Erkenntnislehre und die empirische Unbeweisbarkeit „objektiver Werte“ | 149 | ||
VI. Die Wandelbarkeit des Wertbewusstseins und die Wertevielfalt unterschiedlicher moralischer Systeme | 151 | ||
1. Beschränktheit des Wertblicks | 151 | ||
2. Daseinsrelativität und Werttäuschung | 152 | ||
VII. Der unvermeidliche Bezug zum Subjekt | 153 | ||
VIII. Wertantinomien | 154 | ||
1. Ablesbarkeit und doppelte Paradoxie | 154 | ||
2. Horizontales und vertikales Verhältnis | 155 | ||
3. Teleologische Richtigkeitsintention als Synthese | 156 | ||
IX. Auseinandersetzung mit Kant | 157 | ||
1. Zum Formalismusvorwurf | 157 | ||
2. Vernunft und Gefühl | 159 | ||
3. Sollensethik und Einsichtsethik | 160 | ||
G. Würdigung | 163 | ||
H. Kurzfassung und Ergebnisse der Untersuchung | 169 | ||
I. Drei Fragen als Gegenstand der Untersuchung | 169 | ||
II. Ergebnisse und Antworten nach Kapiteln | 170 | ||
1. Kapitel A.: Phänomenologische Wertethik in juristischer Betrachtung | 170 | ||
2. Kapitel B.: Ideengeschichtliche Perspektive | 171 | ||
3. Kapitel C.: Die Wertbedingtheit des Rechts und die Apriorität der Werte | 171 | ||
4. Kapitel D.: Werterelation und Inkommensurabilität | 172 | ||
5. Kapitel E.: Das emotionale Autonomieprinzip | 173 | ||
6. Kapitel F.: Gegenargumente und die Auseinandersetzung mit Kant | 174 | ||
7. Kapitel G.: Würdigung | 174 | ||
Literaturverzeichnis | 175 | ||
Personen- und Sachverzeichnis | 188 |