Der Sühnebegriff in der Rechtsprechung
BOOK
Cite BOOK
Style
Format
Der Sühnebegriff in der Rechtsprechung
Eine ideologiekritische Betrachtung
Schriften zum Strafrecht, Vol. 172
(2006)
Additional Information
Book Details
Pricing
Abstract
Die Verhängung von Strafen stellt den massivsten Eingriff des Staates in die Rechte des Einzelnen überhaupt dar. Dennoch fristet die Strafzumessung in der Strafrechtswissenschaft eher ein Schattendasein. Während es unzählige Aufsätze zu den diversen Tatbestandsproblemen, die in Urteilen entschieden werden, gibt, existieren kaum Abhandlungen, die sich ausführlich mit der Strafbegründung auseinandersetzen. Es handelt sich dabei um einen Bereich, der sich mit juristischen Kenntnissen allein nicht vollständig erschließen lässt. Erforderlich ist hier vielmehr ein Blick über den juristischen Tellerrand hinaus in andere Fachgebiete wie z. B. die Sprachwissenschaft.Warum bedient sich ein Gericht bestimmter Begriffe in seinem Urteil, während es andere eher zu meiden scheint? Dieser Frage widmet sich Sabine Grommes im Rahmen einer interdisziplinären Untersuchung des Sühnebegriffs und seiner Verwendung durch die Gerichte. "Sühne" stellt eine in unserer Alltagssprache nicht besonders geläufige Vokabel dar. Dennoch findet man den Sühnebegriff in gerichtlichen Entscheidungen außergewöhnlich oft, während andere Begriffe, die man dort sehr viel häufiger vermuten würde, wie z. B. "Vergeltung" oder "Genugtuung", überraschend selten genannt werden.Um dieses Phänomen näher zu untersuchen, betrachtet die Autorin die Verwendung des Sühnebegriffs durch die Rechtsprechung näher, indem sie sich zunächst mit den sprachwissenschaftlichen, theologischen und rechtshistorischen sowie rechtstheoretischen Hintergründen der Sühne auseinandersetzt und sich danach einer detaillierten Untersuchung von BGH-Entscheidungen zuwendet. Grommes zeigt anhand einer umfassenden interdisziplinären Untersuchung auf, dass die Kritik sprachlicher Unrichtigkeiten im Bereich der Strafzumessung nicht nur eine kleinliche Haarspalterei darstellt, sondern die Verwendung von sog. "Transferbegriffen", durch die Begriffe mit weniger positiven Konnotationen in Urteilen umgangen werden, ein auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedenkliches Vorgehen darstellt, das von der Rechtsprechung nach Möglichkeit vermieden werden sollte.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 11 | ||
Einleitung: Der Sühnebegriff in Literatur und Rechtsprechung | 15 | ||
I. Der Sühnebegriff in der Rechtsprechung | 19 | ||
1. Der Sühnebegriff im allgemeinen Strafrecht | 19 | ||
a) OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1999, 115 | 19 | ||
b) KG Berlin, NStZ-RR 1997, 27 f. | 20 | ||
2. Besonderheiten im Jugendstrafrecht | 21 | ||
a) LG Berlin, NStZ 1999, 102 f. | 21 | ||
b) BGH, NStZ 1996, 232 f. | 22 | ||
3. Dient Sühne als Transferbegriff? | 23 | ||
II. Sprachwissenschaftliche Analyse des Sühnebegriffs | 25 | ||
1. Etymologie des Wortes "Sühne" | 25 | ||
2. Heutiges Verständnis des Sühnebegriffs | 27 | ||
a) In der Alltagssprache | 27 | ||
b) Gibt es Besonderheiten in der juristischen Fachsprache? | 31 | ||
3. Resümee der sprachwissenschaftlichen Analyse | 33 | ||
III. Der Sühnebegriff in der Theologie | 34 | ||
1. Probleme bei der Begriffserschließung | 34 | ||
2. Altes Testament | 36 | ||
3. Neues Testament | 39 | ||
a) Der Sühnetod Jesu | 39 | ||
b) Religionsgeschichtliche Ableitung der neutestamentlichen Sühnevorstellung von der alttestamentlichen | 42 | ||
c) Verstand Jesus seinen Tod als Sühnetod? | 44 | ||
d) Neutestamentliche Zeugnisse zum Sühnetod Jesu | 44 | ||
4. Die Geschichte der Buße und des Ablasshandels | 46 | ||
5. Resümee der theologischen Betrachtungen | 52 | ||
IV. Rechtshistorische Betrachtung des Sühnebegriffs | 54 | ||
1. Römisches Strafrecht | 54 | ||
a) Königszeit | 54 | ||
b) Zwölftafelgesetzgebung | 55 | ||
c) Weitere Entwicklung des römischen Strafrechts | 56 | ||
2. Sühneverträge im deutschen Recht | 57 | ||
a) Germanische Urzeit | 57 | ||
b) Frühmittelalter | 58 | ||
c) Hoch- und Spätmittelalter | 59 | ||
3. Der Sühnebegriff im Dritten Reich | 64 | ||
4. Resümee der rechtshistorischen Ausführungen | 68 | ||
V. Die verschiedenen Strafzwecke | 70 | ||
1. Strafgrund und Strafzweck | 70 | ||
2. Strafzwecke im Lauf der Geschichte | 71 | ||
a) Antikes Griechenland | 71 | ||
b) Antikes Rom | 73 | ||
c) Germanische Urzeit | 74 | ||
d) Frühmittelalter | 74 | ||
e) Hoch- und Spätmittelalter | 74 | ||
(1) Gesetzgebung | 74 | ||
(2) Strafrechtstheorie | 76 | ||
f) Gemeines Strafrecht | 78 | ||
g) Naturrechtliche Theorien | 80 | ||
(1) Hugo Grotius (1583–1645) | 80 | ||
(2) Angelsächsische Aufklärung: Thomas Morus (1478–1535), Thomas Hobbes (1588–1679) und John Locke (1632–1704) | 81 | ||
(3) Baruch Spinoza (1632–1677) | 82 | ||
(4) Samuel Pufendorf (1632–1694) | 83 | ||
(5) Christian Thomasius (1655–1728) | 84 | ||
(6) Christian Wolff (1679–1754) | 84 | ||
(7) Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) | 84 | ||
(8) Cesare Beccaria (1738–1794) | 84 | ||
h) Die Abkehr vom Naturrecht: Immanuel Kant (1724–1804) | 85 | ||
i) Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) | 88 | ||
j) Anselm von Feuerbach (1775–1833) | 91 | ||
k) Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) | 93 | ||
l) Franz von Liszt (1851–1919) | 96 | ||
m) Gesetzgebung des 18. und 19. Jahrhunderts | 96 | ||
n) Drittes Reich | 98 | ||
o) Resümee des historischen Abrisses | 101 | ||
3. Aktuelle Diskussion der Strafzwecke im Erwachsenenstrafrecht | 102 | ||
a) Absolute Theorien | 102 | ||
(1) Gerechtigkeitstheorie/Vergeltungstheorie | 102 | ||
(2) Sühnetheorie | 106 | ||
b) Relative Theorien | 111 | ||
(1) Spezialprävention | 111 | ||
(2) Generalprävention | 117 | ||
(a) Negative Generalprävention | 118 | ||
(b) Positive Generalprävention | 121 | ||
c) Vereinigungstheorien | 126 | ||
(1) Vergeltende Vereinigungstheorie | 127 | ||
(2) Additive Vereinigungstheorie | 127 | ||
(3) Präventive Vereinigungstheorie | 128 | ||
d) Unterschiedliche Gewichtung der Straftheorien bei den verschiedenen beteiligten Personengruppen | 130 | ||
e) Resümee der aktuellen Diskussion im Erwachsenenstrafrecht | 132 | ||
4. Besonderheiten bei der Strafbegründung und Strafzumessung im Jugendstrafrecht | 134 | ||
a) Absoluter Vorrang des Erziehungsgedankens? | 134 | ||
b) "Sühne" im Jugendstrafrecht | 135 | ||
c) Der Vergeltungsgedanke im Jugendstrafrecht | 137 | ||
d) Generalpräventive Aspekte im Jugendstrafrecht | 138 | ||
e) Berücksichtigung anderer Strafzumessungskriterien | 140 | ||
f) Krise des Erziehungsgedankens? | 140 | ||
g) Resümee der jugendstrafrechtlichen Besonderheiten | 142 | ||
VI. Welche Strafzumessungsgründe werden von der Rechtsprechung in ihren Entscheidungen nicht genannt? | 143 | ||
1. Allgemeines zum Umfang der Strafzumessungsbegründung und der hierbei relevanten Faktoren | 143 | ||
2. Schuldprinzip und Spielraumtheorie | 146 | ||
3. Die einzelnen Strafzumessungskriterien in BGHSt 1–46 | 147 | ||
a) Spezialprävention und Generalprävention | 147 | ||
b) Vergeltung | 152 | ||
c) Genugtuung | 153 | ||
d) Sühne | 154 | ||
e) Buße | 156 | ||
f) Besonderheiten in jugendstrafrechtlichen Entscheidungen | 157 | ||
g) Resümee der Betrachtung der BGHSt-Entscheidungen 1–46 | 157 | ||
VII. Warum meidet der BGH die Begriffe "Vergeltung" und "Genugtuung"? | 159 | ||
1. Sprachwissenschaftliche Aspekte | 159 | ||
a) Begriffe als Werturteile | 159 | ||
b) Sprachwissenschaftliche Analyse des Begriffs "Vergeltung" | 159 | ||
(1) Etymologie des Wortes "Vergeltung" | 159 | ||
(2) Heutiges Verständnis des Begriffs "Vergeltung" | 161 | ||
(3) Resümee der sprachwissenschaftlichen Betrachtung des Begriffs "Vergeltung" | 163 | ||
c) Sprachwissenschaftliche Analyse des Begriffs "Genugtuung" | 164 | ||
(1) Etymologie des Wortes "Genugtuung" | 164 | ||
(2) Heutiges Verständnis des Begriffs "Genugtuung" | 165 | ||
(3) Resümee der sprachwissenschaftlichen Betrachtung des Begriffs "Genugtuung" | 168 | ||
2. Historische und philosophische Aspekte | 168 | ||
a) Vergeltung | 168 | ||
b) Genugtuung | 169 | ||
3. Theologische Gesichtspunkte | 170 | ||
4. Rechtstheoretische Hintergründe | 171 | ||
a) Vergeltung | 171 | ||
b) Genugtuung | 176 | ||
c) Resümee der rechtstheoretischen Betrachtung | 177 | ||
5. "Vergeltung" und "Genugtuung" werden vom BGH nicht zufällig gemieden | 178 | ||
VIII. Wird "Sühne" anstelle von "Vergeltung" oder "Genugtuung" verwendet? | 180 | ||
IX. Warum wird ausgerechnet "Sühne" als Transferbegriff verwendet? | 184 | ||
1. Sprachwissenschaftliche Aspekte | 184 | ||
2. Theologische Gesichtspunkte | 185 | ||
3. Historische Hintergründe | 185 | ||
4. Rechtstheoretische Erwägungen | 186 | ||
a) Allgemeine Eignung des Sühnebegriffs als Transferbegriff | 186 | ||
b) "Sühne" als Transferbegriff für "Vergeltung" | 187 | ||
c) "Sühne" als Transferbegriff für "Genugtuung" | 188 | ||
5. Jugendstrafrechtliche Besonderheiten | 189 | ||
X. Abschließende Betrachtungen | 192 | ||
1. Analyse markanter Entscheidungen zur Plausibilisierung der gewonnenen Erkenntnisse | 192 | ||
a) Entscheidungen im Erwachsenenstrafrecht | 192 | ||
(1) BGHSt 6, 125 ff. | 192 | ||
(2) BayObLG, NJW 1957, 1644 | 194 | ||
(3) BGHSt 24, 40 ff. | 195 | ||
(4) BGH, NStZ-RR 1998, 205 | 196 | ||
b) Entscheidungen im Jugendstrafrecht | 198 | ||
(1) BGHSt 10, 233 ff. | 198 | ||
(2) BGHSt 15, 224 ff. | 199 | ||
(3) BayObLG, StV 1985, 155 f. | 200 | ||
(4) BGH, StV 1994, 598 f. | 201 | ||
(5) BGH, NStZ-RR 1997, 21 f. | 202 | ||
c) Resümee der Entscheidungsanalyse | 203 | ||
2. Warum ist das Vermeiden von Transferbegriffen wichtig? | 204 | ||
Literaturverzeichnis | 209 | ||
Personen- und Sachwortregister | 232 |