Defizite bei der Umsetzung der EMRK im deutschen Strafverfahren
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Defizite bei der Umsetzung der EMRK im deutschen Strafverfahren
V-Leute, Lockspitzel, Telefonüberwachung von Rechtsanwälten
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 167
(2005)
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Abstract
Ist es rechtmäßig, die Telefongespräche von Anwälten, Ärzten oder Journalisten uneingeschränkt abzuhören? Hat der Schutz von Zeugen und verdeckten Ermittlern durch Anonymität Vorrang vor dem Recht auf Konfrontation? Darf ein Delinquent verurteilt werden, wenn ihn ein Lockspitzel zur Straftat verführt hat?Staatliches Abhören, Infiltrieren und Anstiften ist in nahezu allen europäischen Staaten gängige Ermittlungspraxis. Dies obwohl ihre rechtliche Zulässigkeit meist umstritten und eine gesetzliche Regelung der Materie nur vereinzelt vorhanden ist.Betroffene beklagen als Folge die Verletzung ihres Rechts auf Achtung des Privatlebens und der Verfahrensfairness. Um ihren Einwänden Gehör zu verschaffen, ziehen sie bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg und haben - nicht selten - Erfolg.Die Arbeit von Dörthe Korn setzt an dieser Stelle ein. Sie untersucht zahlreiche Beschwerden zu den o. g. Themen aus den verschiedensten Mitgliedstaaten des Europarates und die hierzu ergangenen Entscheidungen des EGMR. Aus der Vielzahl der Urteile und abweisenden Beschlüsse arbeitet sie allgemeingültige Vorgaben heraus, die es für eine menschenrechtskonforme Vorgehensweise zu beachten gilt. Ihr Ziel ist es dabei vor allem, die Konventionsmäßigkeit der deutschen Rechtsordnung unter die Lupe zu nehmen.Das Ergebnis: Auch in Deutschland besteht Nachholbedarf. Die bislang halbherzige Auseinandersetzung mit der Straßburger Rechtsauffassung führte zu Lücken bei der Umsetzung von Menschenrecht in Deutschland. Am Beispiel Telefonüberwachung, Lockspitzel und anonymer Zeuge zeigt die Autorin, wie das deutsche Recht dem Völkerrecht angepasst werden muss.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen | 13 | ||
Einleitung | 19 | ||
A. Gegenstand der Untersuchung | 19 | ||
B. Gang der Untersuchung | 21 | ||
Teil 1: Heimliche Ermittler und Hauptverhandlung | 22 | ||
A. Problemstellung | 22 | ||
B. Die Spruchpraxis der Konventionsorgane zu anonymen Zeugenaussagen und die nationalen Reaktionen im Überblick | 24 | ||
I. Die Spruchpraxis der Konventionsorgane | 24 | ||
1. Erfolgreiche Beschwerden | 25 | ||
a) Kostovski gegen die Niederlande | 25 | ||
b) Windisch gegen Österreich | 28 | ||
c) Lüdi gegen die Schweiz | 30 | ||
d) Saïdi gegen Frankreich | 32 | ||
e) Van Mechelen u. a. gegen die Niederlande | 34 | ||
f) Visser gegen die Niederlande | 37 | ||
2. Erfolglose Beschwerden | 39 | ||
a) J.O. and T.T. gegen die Niederlande | 39 | ||
b) Liefveld gegen die Niederlande | 40 | ||
c) Baegen gegen die Niederlande | 41 | ||
d) Doorson gegen die Niederlande | 43 | ||
e) S. E. gegen die Schweiz | 44 | ||
f) Kok gegen die Niederlande | 46 | ||
3. Die für zulässig befundene Beschwerde Birutis u. a. gegen Litauen | 48 | ||
II. Reaktionen der betroffenen Staaten auf die Urteile des EGMR | 49 | ||
1. Niederlande | 50 | ||
2. Österreich | 51 | ||
3. Schweiz | 54 | ||
4. Frankreich | 58 | ||
C. Analyse der Straßburger Rechtsprechung und ihrer Auswirkungen auf die deutsche Rechtsordnung | 60 | ||
I. Analyse der Straßburger Judikatur | 60 | ||
1. Allgemeine Probleme im Umgang mit der konventionsrechtlichen Spruchpraxis | 60 | ||
2. Zu Inhalt und Umfang des Rechts auf Konfrontation mit Belastungszeugen | 61 | ||
a) Art. 6 Abs. 3 lit. d EMRK – einfaches Fragerecht oder Recht auf Konfrontation? | 61 | ||
b) Art. 6 Abs. 3 lit. d i.V.m. Art 6 Abs. 1 EMRK als Prüfungsmaßstab | 62 | ||
c) Die Auslegung des Begriffs „Belastungszeuge“ | 63 | ||
d) Zeitpunkt des Rechts auf Konfrontation | 64 | ||
e) Adressaten des Rechts auf Konfrontation | 66 | ||
3. Zur Einschränkbarkeit des Konfrontationsrechts | 67 | ||
a) Allgemein | 67 | ||
b) Die Zulässigkeit der Anonymisierung und Geheimhaltung von Zeugen | 68 | ||
aa) „Relevante und ausreichende Gründe“ für die Anonymisierung von Zeugen | 69 | ||
(1) Notwendigkeit wirksamer Verbrechensbekämpfung allgemein | 69 | ||
(2) Gefährdung hochwertiger Rechtsgüter des Zeugen oder ihm nahe stehender Personen | 69 | ||
(3) Aufrechterhaltung von Informantennetzen | 71 | ||
bb) Der Maßstab eines „Counterbalancing Procedure“ | 72 | ||
(1) Kontradiktorische Einvernahme unter Geheimhaltung der Identität des Zeugen | 73 | ||
(2) Kontradiktorische Einvernahme unter räumlicher Trennung und Tarnung des Zeugen | 75 | ||
(3) Die Einführung des Wissens von Zeugen unter Rückgriff auf Beweissurrogate | 77 | ||
4. Zusammenfassung | 80 | ||
II. Auswirkungen auf die deutsche Rechtsordnung | 82 | ||
1. Die kontradiktorische Einvernahme unter Geheimhaltung der Identität des Zeugen | 82 | ||
a) Derzeitige Rechtslage | 82 | ||
b) Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EGMR | 83 | ||
2. Die kontradiktorische Einvernahme unter räumlicher Trennung und Tarnung des Zeugen | 84 | ||
a) Derzeitige Rechtslage | 84 | ||
aa) Ausschluss des Angeklagten von der Hauptverhandlung | 84 | ||
bb) Die Geheimhaltung des äußeren Erscheinungsbildes des Zeugen | 85 | ||
cc) Kommissarische Vernehmung des Zeugen unter Ausschluss des Angeklagten und ohne Benachrichtigung des Verteidigers | 87 | ||
b) Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EGMR | 88 | ||
aa) Ausschluss des Angeklagten von der Hauptverhandlung | 88 | ||
bb) Geheimhaltung des äußeren Erscheinungsbildes des Zeugen | 89 | ||
cc) Kommissarische Vernehmung des Zeugen unter Ausschluss des Angeklagten und ohne Benachrichtigung des Verteidigers | 90 | ||
3. Die Einführung des Wissens von gesperrten Zeugen unter Verwendung von Beweissurrogaten | 90 | ||
a) Derzeitige Rechtslage | 91 | ||
aa) Die Sperrung des Zeugen durch die Exekutive | 91 | ||
bb) Die Heranziehung von Ersatzbeweisen im gerichtlichen Verfahren | 92 | ||
(1) Die gerichtliche Überprüfung der Sperrerklärung | 93 | ||
(2) Ausgleich der fehlenden Gewährung der Verteidigungsrechte über den Grundsatz der freien Beweiswürdigung | 94 | ||
b) Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EGMR | 96 | ||
aa) Der Rückgriff auf Beweissurrogate bei rechtswidrigen Sperrerklärungen | 96 | ||
bb) Die Beweiswürdigungslösung im Falle des behördlich gesperrten Zeugen | 97 | ||
III. Lösungsweg: Erweiterte Zulassung alternativer Vernehmungsmethoden | 99 | ||
D. Fazit | 101 | ||
Teil 2: Der polizeiliche Lockspitzeleinsatz | 102 | ||
A. Problemstellung | 102 | ||
B. Die Spruchpraxis der Konventionsorgane zur Zulässigkeit sog. Lockspitzeleinsätze und die nationalen Reaktionen im Überblick | 105 | ||
I. Die Spruchpraxis der Konventionsorgane | 106 | ||
1. Erfolgreiche Beschwerden | 106 | ||
a) Lüdi gegen die Schweiz | 107 | ||
aa) Der Einwand fehlender Beschwer nach Art. 25 EMRK a.F. | 107 | ||
bb) Die Rüge im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 EMRK | 108 | ||
b) Teixeira de Castro gegen Portugal | 110 | ||
2. Erfolglose Beschwerden | 113 | ||
a) A.B. gegen Deutschland | 113 | ||
b) Radermacher und Pferrer gegen Deutschland | 114 | ||
c) Kritsch gegen Österreich | 115 | ||
d) R. Müller gegen Österreich | 116 | ||
e) Myrdal gegen Norwegen | 116 | ||
f) Speckmann gegen Großbritannien | 117 | ||
g) M.H. Shahzad und K. L. gegen Großbritannien | 117 | ||
h) S. E. gegen die Schweiz | 118 | ||
i) Kempter gegen Deutschland | 119 | ||
k) Calabro gegen Italien | 119 | ||
3. Für zulässig befundene Beschwerden | 120 | ||
a) Lewis gegen Großbritannien | 120 | ||
b) Edwards gegen Großbritannien | 121 | ||
II. Reaktionen einzelner Staaten auf die Urteile des EGMR | 122 | ||
1. Österreich | 122 | ||
2. Schweiz | 124 | ||
C. Analyse der Straßburger Rechtsprechung und ihrer Auswirkungen auf die deutsche Rechtsordnung | 126 | ||
I. Analyse der Straßburger Judikatur | 126 | ||
1. Der Lockspitzeleinsatz als gesetzlich zu regelnde Eingriffsmaßnahme nach Art. 8 EMRK | 126 | ||
a) Art. 8 Abs. 1 EMRK als Prüfungsmaßstab | 127 | ||
b) Der Einsatz heimlicher Ermittler als „Nichteingriff“ | 128 | ||
c) Zusammenfassung | 130 | ||
2. Zulässigkeit und Grenzen einer polizeilichen Tatprovokation nach Art. 6 Abs. 1 EMRK | 131 | ||
a) Art. 6 Abs. 1 EMRK als Prüfungsmaßstab | 131 | ||
b) Abgrenzung zulässiger Ermittlungstätigkeit von unzulässiger Tatprovokation | 132 | ||
aa) Darlegungspflicht des Beschwerdeführers | 132 | ||
bb) Beurteilungskriterien | 133 | ||
(1) Anstoß zur Begehung der strafbaren Handlung (Anstiftungshandlung) | 133 | ||
(2) Provokation eines „zur Tat geneigten Verdächtigen“ | 133 | ||
(a) Das Kriterium des Tatverdachts | 134 | ||
(b) Das Kriterium der gerichtlichen Anordnung und Überwachung von Lockspitzeleinsätzen | 136 | ||
c) Zusammenfassung | 136 | ||
3. Folgen einer gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßenden Tatprovokation | 137 | ||
a) Problemstellung | 137 | ||
b) Strafmilderung als ausreichende Wiedergutmachungsmaßnahme i. S. d. Art. 41 EMRK | 138 | ||
aa) Feststellung einer „von Beginn an“ fehlenden Fairness des Verfahrens | 139 | ||
bb) Festsetzung einer hohen Entschädigung | 140 | ||
cc) Die Ausführungen des EGMR zu Art. 25 a.F. im Fall Lüdi | 140 | ||
c) Zusammenfassung | 141 | ||
II. Auswirkungen auf die deutsche Rechtsordnung | 141 | ||
1. Der Lockspitzeleinsatz ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage | 142 | ||
a) Derzeitige Rechtslage | 142 | ||
b) Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK | 143 | ||
2. Zulässigkeit und Grenzen einer polizeilichen Tatprovokation | 144 | ||
a) Derzeitige Rechtslage | 144 | ||
b) Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK | 145 | ||
3. Folgen einer gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßenden Tatprovokation | 146 | ||
a) Derzeitige Rechtslage | 146 | ||
b) Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 und 41 EMRK | 147 | ||
III. Lösungsweg: Straffreiheit für den rechtswidrig Provozierten bei fehlender materieller Rechtsgutverletzung | 150 | ||
1. Staatliche Provokation als Verfahrenshindernis | 150 | ||
2. Keine Straffreiheit bei materieller Rechtsgutsverletzung | 152 | ||
D. Fazit | 153 | ||
Teil 3: Die Überwachung des Fernmeldeverkehrs von Rechtsanwälten als Vertrauenspersonen und Berufsgeheimnisträger | 154 | ||
A. Problemstellung | 154 | ||
B. Die Spruchpraxis der Konventionsorgane zur Fernmeldeüberwachung von Rechtsanwälten und nationale Reaktionen im Überblick | 157 | ||
I. Die Spruchpraxis der Konventionsorgane | 157 | ||
1. Erfolglose Beschwerden | 157 | ||
a) Mulders gegen die Niederlande | 157 | ||
b) Remmers and Hamer gegen die Niederlande | 159 | ||
2. Die Beschwerde Kopp gegen die Schweiz | 161 | ||
II. Reaktionen einzelner Staaten auf die Urteile des EGMR | 163 | ||
1. Schweiz | 164 | ||
2. Die Rechtslage in anderen europäischen Staaten | 166 | ||
C. Analyse der Straßburger Rechtsprechung und ihrer Auswirkungen auf die deutsche Rechtsordnung | 167 | ||
I. Analyse der Straßburger Judikatur | 167 | ||
1. Problemstellung | 167 | ||
2. Die Telefonüberwachung von Rechtsanwälten als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendige Eingriffsmaßnahme“ | 168 | ||
a) Allgemeine Grundsätze | 168 | ||
b) Die Verhältnismäßigkeit von Telefonüberwachungsmaßnahmen unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes | 169 | ||
3. Die Telefonüberwachung von Rechtsanwälten als „gesetzlich vorgesehene Eingriffsmaßnahme“ | 173 | ||
a) Allgemeine Grundsätze | 174 | ||
b) Die Bestimmtheit von Telefonüberwachungsregelungen im Hinblick auf den betroffenen Personenkreis | 176 | ||
4. Zusammenfassung | 178 | ||
II. Auswirkungen auf die deutsche Rechtsordnung | 178 | ||
1. Derzeitige Rechtslage | 178 | ||
2. Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EGMR | 181 | ||
III. Lösungsweg: Schutz des anwaltlichen Vertrauensverhältnisses durch ein Beweisverwertungsverbot – der geplante § 53b StPO | 184 | ||
D. Fazit | 186 | ||
Abschließende Würdigung | 187 | ||
Literaturverzeichnis | 190 | ||
Sachwortverzeichnis | 203 |