Paternalismus und Persönlichkeitsrecht
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Paternalismus und Persönlichkeitsrecht
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 982
(2005)
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Abstract
Unter Paternalismus versteht man das Aufzwingen von ungewolltem Schutz - etwa durch Rauch- oder Alkoholverbote, Sitzgurt- oder Schutzhelmpflichten, die Rettung von Selbstmördern oder auch durch Vorschriften, die vermeintlich entwürdigendes Verhalten wie die Teilnahme an Peepshows oder Sendungen wie "Big Brother" verbieten. Der Verfasser nimmt in seiner Untersuchung erstmals die reichhaltige anglo-amerikanische Philosophie zu dem Thema auf und macht sie für die Grundrechtsinterpretation fruchtbar.Dabei ergibt sich zunächst, dass die Fragestellung nicht wie bisher allein unter dem Aspekt des legitimen Zwecks der Grundrechtsbeeinträchtigung zu untersuchen ist, sondern dass Paternalismus in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreift. Der Verfasser untersucht die Rechtfertigungsmöglichkeiten dieses Eingriffs zum einen auf der Grundlage von Verfassungsprinzipien wie der objektiven Dimension der Grundrechte oder der Menschenwürde. Zum anderen wendet er sich den Anforderungen an die individuelle Entscheidungsbildung zu. Aufgrund seiner philosophischen und rechtsdogmatischen Analyse kommt Kai Möller zu dem Ergebnis, dass der Staat unter dem Grundgesetz auch dann eingreifen darf, wenn sich der Betroffene durch die Entscheidung zur Selbstgefährdung in Widerspruch zu seinen eigenen Wertvorstellungen setzt. Auf Basis dieses Ansatzes werden für die praktisch relevanten Fallkonstellationen Ergebnisse ermittelt, die auch und gerade aus liberaler Sichtweise ausgewogen und plausibel erscheinen.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Erstes Kapitel: Einleitung | 11 | ||
A. Paternalismus | 11 | ||
I. Einführung in die Problematik | 11 | ||
II. Paternalismusformen | 15 | ||
1. Reiner und unreiner bzw. gemischter Paternalismus | 15 | ||
2. Direkter und indirekter Paternalismus | 15 | ||
3. Harter und weicher Paternalismus | 16 | ||
III. Paternalismus, Liberalismus und Kommunitarismus | 18 | ||
IV. Problematik des Begriffs | 22 | ||
1. Negative Konnotation | 22 | ||
2. Konfusion | 22 | ||
3. Sexismus | 23 | ||
B. Ziel der Arbeit | 24 | ||
I. Verfassungsrechtliche Perspektive | 24 | ||
II. Begrenzung auf die Paternalismusfrage | 24 | ||
III. Der Wert einer philosophischen Betrachtung | 25 | ||
C. Die bisherigen Stellungnahmen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Literatur | 26 | ||
Zweites Kapitel: Ein Recht gegen Paternalismus | 31 | ||
A. Die moraltheoretische Ausgangsfrage | 31 | ||
I. John Stuart Mills Essay „Über die Freiheit“ | 31 | ||
II. Mills utilitaristischer Ansatz | 34 | ||
III. Rechtebasierte Ansätze | 38 | ||
1. Rechtebasierte Ansätze im Allgemeinen | 38 | ||
2. Ein Recht gegen Paternalismus? | 41 | ||
IV. Konsequenzen für die Paternalismusdiskussion | 43 | ||
B. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Grundrecht zur Abwehr von Paternalismus | 45 | ||
I. Die Notwendigkeit eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts | 46 | ||
1. Persönlichkeitsschutz durch die benannten Grundrechte der Art. 2 II ff. GG | 46 | ||
2. Unzulänglichkeit von Art. 2 I GG | 47 | ||
3. Befund und Folgerungen | 52 | ||
II. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts | 55 | ||
1. Die Abgrenzung zum Freiheitsrecht | 56 | ||
a) Tun und Sein | 56 | ||
b) Schutz der Voraussetzungen selbstbestimmten Handelns? | 62 | ||
c) Ethisch-existenzielle Selbstbestimmung? | 63 | ||
aa) Pragmatische, ethische und moralische Handlungsorientierungen | 63 | ||
bb) Handlungsorientierungen und Grundgesetz | 66 | ||
cc) Weitere Fragen | 70 | ||
(1) Abgrenzung zwischen starken und schwachen Präferenzentscheidungen | 70 | ||
(2) Mehrere Handlungszwecke | 72 | ||
2. Fallgruppen | 73 | ||
a) Schutz ethisch wichtiger Positionen; Selbstverwirklichung | 73 | ||
b) Schutz der Voraussetzungen der Persönlichkeitsentfaltung | 78 | ||
aa) Innere Voraussetzungen: Selbstfindung | 78 | ||
bb) Äußere Voraussetzungen: Grundbedingungen für die Persönlichkeitsentfaltung | 82 | ||
cc) Zwischenergebnis | 83 | ||
c) Selbstdarstellung und informationelle Selbstbestimmung | 83 | ||
aa) Selbstdarstellung | 84 | ||
bb) Informationelle Selbstbestimmung | 88 | ||
cc) Ergebnis zu Selbstdarstellung und informationeller Selbstbestimmung | 90 | ||
3. Fazit | 90 | ||
III. Insbesondere: Recht auf Selbstmord | 91 | ||
1. Schutz des Selbstmordes durch das allgemeine Freiheitsrecht | 91 | ||
2. Schutz des Selbstmordes durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht | 93 | ||
3. Schutz des Selbstmordes durch Art. 2 II GG? | 94 | ||
IV. Schutz vor Paternalismus durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht | 95 | ||
1. Paternalismus und Autonomie | 95 | ||
2. Autonomie i. e. S. und allgemeines Freiheitsrecht | 96 | ||
3. Autonomie i. e. S. und allgemeines Persönlichkeitsrecht | 97 | ||
4. Paternalismus und Grundrechtsprüfung; insbesondere: mehrere Eingriffszwecke | 99 | ||
5. Fazit | 100 | ||
C. Das Recht im Sinne des Grundgesetzes | 101 | ||
I. Das Problem | 101 | ||
II. Hillgrubers Ansatz | 102 | ||
III. Schlussfolgerungen | 105 | ||
D. Fazit | 106 | ||
Drittes Kapitel: Die Rechtfertigung von Paternalismus | 107 | ||
A. Paternalismus aufgrund von der Autonomie entgegenstehenden Verfassungsprinzipien? | 107 | ||
I. Die objektive Dimension der Grundrechte | 108 | ||
II. Die Menschenwürde | 116 | ||
III. Freiheitsmaximierung | 120 | ||
1. Der philosophische Ansatz – Mill und Regan | 120 | ||
2. Freiheitsmaximierung und Grundgesetz | 123 | ||
IV. Exkurs: Paternalismus und das gelungene Leben | 125 | ||
V. Das Sittengesetz | 130 | ||
VI. Das Sozialstaatsprinzip | 131 | ||
VII. Sonderfall Selbstmord | 133 | ||
VIII. Fazit | 134 | ||
B. Die Anforderungen an Entscheidungsbildung und -inhalt | 134 | ||
I. Problemaufriss | 134 | ||
II. Juristische und philosophische Ansätze in der bisherigen Diskussion | 136 | ||
1. Juristische Ansätze | 136 | ||
a) Die Zurechenbarkeit von Willensäußerungen im einfachen Recht | 136 | ||
aa) Strafrecht | 136 | ||
bb) Zivilrecht | 140 | ||
cc) Zwischenbilanz | 143 | ||
b) Die Zurechenbarkeit von Willensäußerungen im Verfassungsrecht | 145 | ||
aa) Minderjährige und Geisteskranke | 145 | ||
bb) Sonderfall Selbstmord | 149 | ||
c) Zwischenbilanz zu den juristischen Ansätzen | 153 | ||
2. Philosophische Ansätze | 154 | ||
a) Paternalismus und Geisteskrankheit | 155 | ||
b) Paternalismus und Anforderungen an die individuelle Entscheidung | 158 | ||
aa) Rationalität der Entscheidung | 158 | ||
(1) Gerald Dworkin | 158 | ||
(2) John Rawls | 161 | ||
(3) Jeffrie G. Murphy | 162 | ||
bb) Joel Feinberg: Vernünftigkeit und Freiwilligkeit | 164 | ||
cc) John Kleinig: Persönliche Integrität | 170 | ||
3. Zusammenfassung zu den juristischen und philosophischen Ansätzen | 176 | ||
III. Die Position des Grundgesetzes | 177 | ||
1. Grundgesetz und Rationalität der Entscheidung | 177 | ||
2. Freiwilligkeit als Maßstab? | 178 | ||
3. Integrität? | 179 | ||
a) Integrität und objektive Werte | 179 | ||
b) Integrität und allgemeines Persönlichkeitsrecht | 181 | ||
aa) Der zutreffende Ansatz | 181 | ||
bb) Einwände | 183 | ||
4. Einige Leitlinien zur Zulässigkeit von Paternalismus | 186 | ||
a) Die Gewichtung der Entscheidungsfreiheit | 186 | ||
b) Die Gewichtung des Integritätsaspekts | 187 | ||
aa) Leitlinie: Das Verhältnis von angestrebtem Ziel und drohendem Schaden | 187 | ||
bb) Der Einfluss von Willensmängeln | 188 | ||
c) Erste Schlussfolgerung: Kein moralischer Paternalismus | 189 | ||
5. Das Problem der Erforderlichkeit: Aufklärung und Information als milderes Mittel? | 190 | ||
6. Typisierung? | 192 | ||
IV. Anwendungen | 194 | ||
1. Sitzgurt | 195 | ||
2. Schutzhelm | 199 | ||
3. Selbstmord | 199 | ||
4. Peepshow und „Big Brother“ | 203 | ||
5. Rauchen | 204 | ||
6. Alkohol | 209 | ||
7. Fazit | 212 | ||
C. Paternalismus als staatliche Pflicht? | 213 | ||
Zusammenfassende Thesen | 219 | ||
Literaturverzeichnis | 223 | ||
Sachverzeichnis | 235 |