Ist das Strafrecht strenger als das Zivilrecht?
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Ist das Strafrecht strenger als das Zivilrecht?
Zur Problematik des § 241a BGB
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 169
(2005)
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Abstract
Der neue § 241a BGB schafft eine gesetzliche Regelung für das seit langem diskutierte Problem der Zusendung unbestellter Sachen. Die zivilrechtlich in vielerlei Hinsicht umstrittene Vorschrift schließt jegliche Ansprüche des Versenders gegen den Empfänger aus. Dabei lässt sie die formalen Eigentumsverhältnisse unangetastet und bewirkt daher die zivilrechtliche Ausnahmekonstellation des dauerhaften Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz.Der strafrechtlichen Tragweite des § 241a BGB wurde bislang wenig Aufmerksamkeit zuteil. Problematisch ist, dass der Empfänger Gefahr zu laufen scheint, sich wegen Eigentumsdelikten strafbar zu machen, obwohl solche Handlungen zivilrechtlich folgenlos sind. Da die Beantwortung dieser Kernfrage der Arbeit nur auf einem soliden zivilrechtlichen Fundament erfolgen kann, besteht die Arbeit aus einem zivilrechtlichen und einem strafrechtlichen Teil. Ersterer untersucht eingehend die zivilrechtliche Wirkungsweise der Vorschrift und widmet sich dabei auch bisher in der Literatur nicht erörterten Problemen.Auf dieser Grundlage belegt der Autor im strafrechtlichen Teil zunächst, dass eine Strafbarkeit des Empfängers aus Eigentumsdelikten aus verfassungsrechtlichen Gründen ausscheiden muss. Er entwickelt sodann ein Lösungsmodell, das die zivilrechtlichen Wertungen im Bereich der Einwilligungsdogmatik berücksichtigt und spricht dem Empfänger die Befugnis zu, rechtfertigend in jede Eigentumsverletzung einwilligen zu können, obwohl er nicht Inhaber dieses Rechtsguts ist. Dieser Ansatz soll dem Anliegen der Arbeit Rechnung tragen, § 241a BGB zivilrechtlich und strafrechtlich widerspruchsfrei einzuordnen. Dabei soll ein Beitrag zur Klärung des noch mit vielen Zweifelsfragen behafteten Verhältnisses von Zivilrecht und Strafrecht geleistet werden.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 12 | ||
Einleitung | 17 | ||
1. Teil: Zivilrechtliche Rechtslage | 19 | ||
A. Rechtslage außerhalb des Geltungsbereiches des § 241a BGB | 19 | ||
I. Ansprüche des Versenders | 19 | ||
1. Vertragliche Ansprüche | 19 | ||
a) Ansprüche aus Kaufvertrag | 19 | ||
aa) Kaufvertragsangebot | 19 | ||
bb) Annahme des Kaufvertragsangebotes | 23 | ||
(1) Rechtsnatur und Irrtumsfragen | 23 | ||
(2) Fallgruppen der Annahme des Kaufvertragsangebotes | 27 | ||
(3) Kritik und Ergebnis | 31 | ||
cc) Ablehnung des Kaufvertragsangebotes, § 146 BGB | 35 | ||
dd) Die Dauer der Gebundenheit an das Kaufvertragsangebot | 36 | ||
ee) Nichtigkeit des Kaufvertrages gemäß §§ 134, 138 BGB? | 37 | ||
b) Ansprüche aus subsidiärem Verwahrungsvertrag? | 38 | ||
c) Reichweite des Anwendungsbereiches | 39 | ||
2. Gesetzliche Ansprüche | 39 | ||
a) Herausgabeansprüche | 39 | ||
aa) § 985 BGB | 39 | ||
(1) Eigentum des Versenders | 39 | ||
(2) Besitz des Empfängers | 40 | ||
(3) Kein Recht zum Besitz, § 986 I 1 BGB | 42 | ||
(4) Ergebnis zu aa) | 45 | ||
bb) § 812 I BGB | 45 | ||
cc) §§ 823 I, 249 I BGB | 48 | ||
b) Schadensersatzansprüche | 49 | ||
aa) Culpa in contrahendo | 49 | ||
bb) PVV einer berechtigten GoA | 52 | ||
cc) §§ 989, 990 I BGB | 52 | ||
(1) Bösgläubigkeit des Empfängers? | 53 | ||
(2) Haftungsmaßstab | 54 | ||
(3) Rechtfertigung | 57 | ||
(a) Preisgaberecht? | 58 | ||
(b) § 859 I BGB | 59 | ||
(aa) Verbotene Eigenmacht | 59 | ||
(α) durch Zusendung | 59 | ||
(β) durch Belassen der Sache beim Empfänger | 60 | ||
(bb) Weitere Voraussetzungen des § 859 I BGB | 67 | ||
(cc) Ergebnis zu (b) | 69 | ||
(c) § 227 BGB | 69 | ||
(d) Einwilligung | 76 | ||
(e) Mutmaßliche Einwilligung | 76 | ||
c) Ansprüche auf Nutzungsherausgabe bzw. Ersatz nicht gezogener Nutzungen | 77 | ||
d) Ansprüche auf Erlösherausgabe | 78 | ||
II. Ansprüche des Empfängers | 79 | ||
1. Ansprüche auf Unterlassung/Beseitigung | 79 | ||
2. Schadensersatzansprüche | 79 | ||
3. Ansprüche auf Verwendungsersatz | 80 | ||
B. Rechtslage innerhalb des Geltungsbereiches des § 241a BGB | 80 | ||
I. Entstehung des § 241a BGB | 80 | ||
II. Voraussetzungen des § 241a BGB | 82 | ||
1. Unternehmer an Verbraucher | 82 | ||
2. Handlung des Unternehmers | 84 | ||
3. Unbestellt | 91 | ||
III. Rechtsfolgen des § 241a BGB | 96 | ||
1. Anspruchsausschluss | 96 | ||
a) Herausgabeansprüche | 96 | ||
aa) Auslegung des § 241a BGB | 97 | ||
(1) Grammatikalische Auslegung | 97 | ||
(2) Systematische Auslegung | 97 | ||
(a) Verfassungskonforme Auslegung | 97 | ||
(b) Richtlinienkonforme Auslegung | 101 | ||
(3) Historische Auslegung | 102 | ||
(4) Teleologische Auslegung | 102 | ||
bb) Ergebnis zu aa) | 105 | ||
b) Schadensersatzansprüche | 105 | ||
c) Nutzungsherausgabe- und -ersatzansprüche | 107 | ||
d) Erlösherausgabeansprüche | 108 | ||
e) Vertragliche Ansprüche | 110 | ||
f) Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 1004 BGB | 115 | ||
g) Der Ausnahmetatbestand des § 241a II BGB | 115 | ||
2. Dogmatische Einordnung der Rechtsfolgen des § 241a I BGB | 116 | ||
a) Anspruchsausschluss | 116 | ||
b) § 241a I BGB als gesetzlicher Eigentumsübergang | 117 | ||
c) Eigentumsaufgabe durch den Versender | 118 | ||
d) Übereignungsanspruch analog §§ 886, 1169, 1254 BGB | 118 | ||
3. Einzelfragen | 119 | ||
a) § 241a I BGB als Recht zum Besitz, Verfügungsbefugnis und Begründung der Einwilligungsbefugnis | 119 | ||
b) § 241a I BGB als zivilrechtlicher Rechtfertigungsgrund | 123 | ||
c) § 241a I BGB und seine Auswirkung auf Schadensfragen | 127 | ||
d) § 241a I BGB und die Zuständigkeit für ein Geschäft i. S. der §§ 677 ff. BGB | 132 | ||
e) § 241a I BGB und die Eingriffskondiktion | 134 | ||
f) § 241a I BGB und seine Auswirkungen auf Eigenbesitz und Ersitzung | 135 | ||
4. Wirkung des § 241a I BGB außerhalb des Verhältnisses Versender–Empfänger | 136 | ||
5. Schutz der Position des Empfängers | 139 | ||
2. Teil: Strafrechtliche Rechtslage | 140 | ||
A. Strafbarkeit des Empfängers aus Eigentumsdelikten | 140 | ||
I. Prima-facie-Folgen der zivilrechtlichen Rechtslage für das Strafrecht | 140 | ||
II. Richtigkeit der prima-facie-Folgen | 141 | ||
1. Bestehende Lösungsmodelle | 143 | ||
2. Straflosigkeit als Verfassungserfordernis | 148 | ||
a) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz | 148 | ||
b) Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und Systemgerechtigkeit | 152 | ||
c) Adressat des Verfassungserfordernisses | 154 | ||
III. Umsetzung des Ergebnisses | 154 | ||
1. Lösungsansätze auf Tatbestandsebene | 156 | ||
a) Die nur scheinbare Rechtsgutsverletzung als Tatbestandselement | 156 | ||
b) Tatobjekt „fremde Sache“ | 159 | ||
aa) Verneinung der Sachqualität bei gänzlich fehlendem Eigentümerinteresse | 159 | ||
bb) Unterschreitung der „Bagatellgrenze“ | 162 | ||
cc) Der wirtschaftliche Fremdheitsbegriff | 163 | ||
c) Tathandlungen | 166 | ||
aa) Sozialadäquanz | 166 | ||
bb) Beschädigungshandlungen (§ 303 StGB), insbesondere Brauchbarkeitsminderungen | 168 | ||
cc) Zueignung (§ 246 StGB) bzw. Zueignungsabsicht (§ 242 StGB) | 173 | ||
dd) Ergebnis zu c) | 177 | ||
d) Exkurs: Beschützergarantenstellung und Veruntreuung (§ 246 II StGB) | 177 | ||
2. Lösungsansätze auf Rechtswidrigkeitsebene | 178 | ||
a) Rechtfertigung durch zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe | 178 | ||
aa) Grundsätzliche Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht | 179 | ||
(1) Die Übernahme der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe im Strafrecht zur Wahrung der „Einheit der Rechtsordnung“ | 179 | ||
(2) Eigene Strafrechtswidrigkeit | 180 | ||
(a) Die unmittelbare Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe als Folge eines Stufenverhältnisses zwischen Zivilrecht und Strafrecht (Günther) | 181 | ||
(b) Die Strafrechtswidrigkeit als aliud zur Zivilrechtswidrigkeit (Hellmann) | 182 | ||
(c) Die unmittelbare Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe als Verfassungserfordernis (Fisch) | 183 | ||
bb) Stellungnahme | 183 | ||
b) Rechtfertigung durch strafrechtliche Rechtfertigungsgründe | 186 | ||
aa) Notwehr (§ 32 StGB) | 186 | ||
bb) Einwilligung | 187 | ||
(1) Einwilligungsbefugnis | 187 | ||
(a) Nochmals: zivilrechtliche Einwilligungsbefugnis | 187 | ||
(b) Strafrechtliche Einwilligungsbefugnis | 190 | ||
(aa) Objektive Einwilligungsbeschränkung durch Drittinteressen begünstigende Zivilrechtsnorm | 191 | ||
(bb) Verlagerung der Einwilligungsbefugnis auf den Empfänger | 193 | ||
(2) Ergebnis zu bb) | 198 | ||
c) Rechtfertigung durch § 241a BGB? | 199 | ||
B. Strafbarkeit des Empfängers aus Vermögensdelikten? | 202 | ||
C. Strafrechtlicher Schutz des Empfängers | 203 | ||
I. Pfandkehr (§ 289 StGB) | 203 | ||
II. Mittelbarer Schutz des Empfängers durch Eigentumsdelikte | 206 | ||
III. Schutz des Empfängers durch Vermögensdelikte | 211 | ||
IV. Strafantragsrecht | 212 | ||
1. Geringwertigkeit der Sache | 212 | ||
2. Der Empfänger als Verletzter bei Eigentumsdelikten | 213 | ||
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse | 218 | ||
Literaturverzeichnis | 223 | ||
Sachwortverzeichnis | 240 |