Zur strafrechtlichen Beurteilung der Rettungsfolter
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Zur strafrechtlichen Beurteilung der Rettungsfolter
Schriften zum Strafrecht, Vol. 173
(2006)
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Abstract
Im Zentrum der Arbeit steht die Frage, ob die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Herbeiführung einer Aussage durch einen Amtsträger strafbar ist, wenn diese Aussage nicht im strafprozessualen Rahmen, sondern auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr - etwa zur Rettung eines Menschenlebens - erlangt wird.Da hoheitliche Eingriffsermächtigungen das Handeln eines Amtsträgers rechtfertigen, untersucht Georg Wagenländer im ersten Teil der Arbeit, ob man den Polizeigesetzen der Länder, den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten bzw. den strafrechtlichen Rechtfertigungsgründen eine entsprechende hoheitliche Befugnis entnehmen kann. Nachdem dies verneint worden ist, wird im zweiten Teil erörtert, ob sich das Handeln des Amtsträgers - obwohl gegen öffentliches Recht verstoßend - zumindest strafrechtlich rechtfertigen lässt. Hierbei ist insbesondere von Bedeutung, ob ein Eingriff in die Menschenwürde einer Rechtfertigung zugänglich ist. Der Verfasser bejaht dies bei einer Kollision von Achtungs- und Schutzpflicht im Rahmen des Art. 1 GG.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsübersicht | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 14 | ||
Einführung | 19 | ||
A. Zur Aktualität des Themas | 19 | ||
B. Zum Begriff der Rettungsfolter | 25 | ||
C. Zur Zielsetzung der Arbeit | 27 | ||
Erster Teil: Rechtfertigung aufgrund hoheitlicher Eingriffsbefugnisse | 29 | ||
A. Zum Verhältnis öffentlichrechtlicher Ermächtigungsnormen zum Strafrecht | 29 | ||
I. Hoheitliche Eingriffsgrundlagen als Rechtfertigungsgründe im Strafrecht | 30 | ||
1. Die Lehre vom einheitlichen Begriff der Rechtswidrigkeit | 30 | ||
2. Die Lehre vom rechtsgebietsspezifischen Begriff der Rechtswidrigkeit | 31 | ||
II. Landesrechtliche Eingriffsbefugnisse als Rechtfertigungsgründe im Strafrecht | 33 | ||
1. Zur Möglichkeit eines Eingriffs in das Bundesstrafrecht durch landesrechtliche Eingriffsbefugnisse | 33 | ||
2. Legitimation landesrechtlicher Eingriffsbefugnisse durch eine ungeschriebene Ermächtigungsgrundlage im Bundesstrafrecht | 36 | ||
B. Polizeirechtliche Eingriffsbefugnisse | 37 | ||
I. Aufgabeneröffnung | 38 | ||
1. Der Dualismus von Gefahrenabwehr und Strafverfolgung in Entführungsfällen | 38 | ||
2. Die „Gefahr“ in Entführungsfällen | 41 | ||
II. Polizeirechtliche Befugnisnormen | 43 | ||
1. Befugnis zur unverbindlichen Befragung | 44 | ||
2. Gesetzlich geregelte Auskunftspflichten | 46 | ||
a) Die Anknüpfung der Auskunftspflicht an die Befugnis zur Befragung | 47 | ||
b) Die Anknüpfung der Auskunftspflicht an die polizeirechtliche Verantwortlichkeit | 47 | ||
c) Die Unterscheidung zwischen personenbezogenen und sachbezogenen Angaben | 48 | ||
aa) Sachbezogene Auskunftspflichten bei Vorliegen einer Gefahr | 48 | ||
bb) Sachbezogenen Auskunftspflichten bei Bestehen einer gesetzlichen Handlungspflicht | 49 | ||
(1) Zum Begriff „gesetzliche Handlungspflicht“ | 50 | ||
(2) Die einzelnen gesetzlichen Handlungspflichten des mutmaßlichen Entführers | 53 | ||
(a) Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 StGB) | 54 | ||
(b) Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB) | 54 | ||
(c) Ingerenz | 55 | ||
(d) Ergebnis | 58 | ||
3. Grenzen der Auskunftspflicht | 59 | ||
a) Uneingeschränktes Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten | 60 | ||
b) Eingeschränktes Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten | 61 | ||
c) Kein Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten | 62 | ||
d) Folgen einer Auskunftsverpflichtung für das Strafverfahren | 65 | ||
III. Anwendbarkeit unmittelbaren Zwangs | 66 | ||
IV. Zur Möglichkeit einer teleologischen Reduktion der Vorschriften über das Verbot unmittelbaren Zwangs | 68 | ||
1. Die Argumentation Bruggers für den Einsatz der Rettungsfolter in Entführungsfällen | 68 | ||
a) Die Zulässigkeit der Rettungsfolter nach Polizeirecht | 70 | ||
b) Die Vereinbarkeit der Rettungsfolter mit dem Grundgesetz | 72 | ||
c) Die Überprüfung der Rettungsfolter anhand völkerrechtlicher Normen | 74 | ||
2. Stellungnahme zu der Argumentation Bruggers | 75 | ||
a) Fehlen einer Regelungslücke in den Polizeigesetzen | 75 | ||
b) Erfordernis einer klaren Regelung der Voraussetzungen des Verwaltungszwangs | 76 | ||
c) Systematische Einwände aus den verschiedenen Ebenen polizeilichen Handelns | 77 | ||
C. Eingriffsbefugnisse aus Regelungen außerhalb des Polizeirechts | 78 | ||
I. Eingriffsbefugnisse auf verfassungsrechtlicher Grundlage | 79 | ||
II. Eingriffsbefugnisse aufgrund strafrechtlicher Rechtfertigungsgründe | 83 | ||
1. Entstehungsgeschichtliche Erwägungen | 85 | ||
a) Die Begrenzung staatlicher Gewalt als ursprüngliche Normfunktion der §§ 32, 34 StGB | 85 | ||
b) Zur Entstehungsgeschichte des § 34 StGB | 87 | ||
2. Verfassungsrechtliche Erwägungen | 87 | ||
a) §§ 32, 34 StGB und das Bestimmtheitsgebot | 88 | ||
b) §§ 32, 34 StGB und der Vorbehalt des Gesetzes | 90 | ||
c) §§ 32, 34 StGB und die bundesstaatliche Kompetenzverteilung | 91 | ||
Zweiter Teil: Rechtfertigung aufgrund strafrechtlicher Erlaubnisnormen | 93 | ||
A. Anwendungsbereich der strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe | 93 | ||
I. Zur Frage der Anwendbarkeit strafrechtlicher Rechtfertigungsgründe auf Amtsträger | 93 | ||
1. Zur Notwendigkeit eines rechtsgebietsspezifischen Rechtswidrigkeitsbegriffs aufgrund teleologischer Erwägungen | 94 | ||
2. Zur Notwendigkeit eines rechtsgebietsspezifischen Rechtswidrigkeitsbegriffs aufgrund formaler Erwägungen | 98 | ||
a) Fehlende Befugnis der Landesgesetzgeber zur Suspendierung strafrechtlicher Rechtfertigungsgründe | 98 | ||
b) Divergierendes Rechtswidrigkeitsurteil aufgrund Art. 103 Abs. 2 GG | 99 | ||
II. Die Bedeutung des § 343 StGB für die Frage einer Rechtfertigungsmöglichkeit der Rettungsfolter | 101 | ||
1. Die Abwägungsfestigkeit des § 343 StGB | 102 | ||
a) Die Rechtspflege als geschütztes Rechtsgut des § 343 StGB | 102 | ||
b) Die Einbeziehung gefahrenabwehrrechtlicher Befragungen in den Schutzzweck | 103 | ||
2. Die von § 343 StGB geschützten Verfahrensarten | 105 | ||
a) Die in der Literatur vertretenen Auffassungen | 105 | ||
b) Zur Notwendigkeit einer einheitlichen Beurteilung von objektivem und subjektivem Tatbestand | 106 | ||
c) Zur Frage der Einbeziehung präventiv-polizeilicher Befragungen in den Tatbestand des § 343 StGB | 107 | ||
aa) Zum Erfordernis einer einheitlichen Beurteilung von strafverfahrens- und gefahrenabwehrrechtlichen Befragungen (weite Auslegung) | 107 | ||
bb) Die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen strafverfahrens- und gefahrenabwehrrechtlichen Befragungen (enge Auslegung) | 108 | ||
B. Tatbestandliche Voraussetzungen der strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe | 113 | ||
I. Rechtfertigende Pflichtenkollision | 114 | ||
II. Nothilfe | 116 | ||
1. Gegenwärtiger rechtswidriger Angriff | 116 | ||
2. Erforderlichkeit | 118 | ||
a) Geeignetheit | 118 | ||
b) Mildestes Mittel | 120 | ||
3. Gebotenheit | 122 | ||
III. Rechtfertigender Notstand | 131 | ||
C. Höherrangige Vorgaben und Grenzen für die strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe | 134 | ||
I. Verfassungsrechtliche Vorgaben | 134 | ||
1. Die herrschende Meinung: Abwägungsfestigkeit der betroffenen Grundrechte | 135 | ||
a) Keine Rechtfertigungsmöglichkeit eines Eingriffs in die Menschenwürde | 135 | ||
b) Art. 104 Abs. 1 Satz 2 GG als absolute Schranken-Schranke des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG | 136 | ||
2. Abweichender Ansatz: Zur Relativierbarkeit des Menschenwürdesatzes | 138 | ||
a) Dogmatische Ansätze zur Begründung einer Relativierbarkeit des Art. 1 Abs. 1 GG | 138 | ||
aa) Herdegens Ansatz einer „normimmanenten Konkretisierung des Würdeanspruchs“ | 138 | ||
bb) Möllers Ansatz einer qualifizierten Abwägbarkeit des Art. 1 Abs. 1 GG | 144 | ||
cc) Die Stellung des Lebensgrundrechts über den Würdeschutz | 148 | ||
dd) Die Koppelung von Würde- und Lebensschutz | 151 | ||
ee) Eigene Ansicht: Die Schutzpflichtdimension des Art. 1 Abs. 1 GG als Schranke des Achtungsanspruchs der Menschenwürde | 155 | ||
(1) Die Gleichrangigkeit von Schutzpflicht und Achtungsanspruch bei Art. 1 Abs. 1 GG | 155 | ||
(2) Kein Vorrang der Abwehrfunktion aufgrund der liberal-abwehrrechtlichen Grundrechtstradition | 158 | ||
(3) Kein Vorrang der Abwehrfunktion aufgrund des Wortlauts | 158 | ||
(4) Kein Ausschluss der Relativierbarkeit aufgrund Art. 79 Abs. 3 GG | 160 | ||
(5) Ergebnis | 160 | ||
b) Bedeutung der Relativierbarkeit des Menschenwürdesatzes für Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG | 163 | ||
c) Zur Einschränkbarkeit des Art. 1 Abs. 1 GG in Entführungsfällen | 164 | ||
aa) Die Entführung als Würdebeeinträchtigung | 165 | ||
bb) Abwägung zwischen Täter- und Opferwürde | 167 | ||
II. Völkerrechtliche Vorgaben | 171 | ||
1. Völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik | 171 | ||
a) Wichtige völkervertragliche Folterabkommen | 171 | ||
b) Das Verbot der Folter als zwingendes Völkerrecht (ius cogens) | 172 | ||
2. Relevanz der völkerrechtlichen Folterverbote für die Auslegung des innerstaatlichen Rechts | 172 | ||
a) Zum Unterschied zwischen Rettungsfolter und völkerrechtlichem Folterbegriff | 173 | ||
b) Zur verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zur Anwendung der Rettungsfolter in Extremsituationen | 176 | ||
c) Exkurs: Zum subjektiven Recht des Opfers auf Anwendung der Rettungsfolter | 180 | ||
d) Zum Verhältnis der völkerrechtlichen Folterverbote zum deutschen Verfassungsrecht | 182 | ||
aa) Stellung des Vertragsvölkerrechts in der Normenhierarchie der Bundesrepublik | 183 | ||
(1) Zum grundsätzlichen Rang völkerrechtlicher Verträge | 183 | ||
(2) Zur Besonderheit der EMRK | 184 | ||
(a) Unmittelbare innerstaatliche Geltung | 184 | ||
(b) Mittelbare innerstaatliche Geltung | 186 | ||
bb) Stellung des Völkergewohnheitsrechts in der Normenhierarchie der Bundesrepublik | 189 | ||
(1) Dispositives Völkergewohnheitsrecht (ius dispositivum) | 189 | ||
(2) Zwingendes Völkergewohnheitsrecht (ius cogens) | 190 | ||
3. Zur Möglichkeit zweckbezogener Ausnahmen vom Folterverbot | 191 | ||
a) Die Berücksichtigung der Opferwürde im Rahmen des Art. 3 EMRK | 191 | ||
b) Die Berücksichtigung der Opferwürde im Rahmen des völkergewohnheitsrechtlichen Folterverbotes | 195 | ||
Zusammenfassung und Fazit | 197 | ||
Literaturverzeichnis | 202 | ||
Sachwortregister | 210 |