Sekundärgesetzgebung internationaler Organisationen zwischen mitgliedstaatlicher Souveränität und Gemeinschaftsdisziplin
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Sekundärgesetzgebung internationaler Organisationen zwischen mitgliedstaatlicher Souveränität und Gemeinschaftsdisziplin
Schriften zum Völkerrecht, Vol. 158
(2005)
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Abstract
Internationale Organisationen sind zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Verfasstheit der Staatengemeinschaft geworden. Doch ihre Gesetzgebungskompetenzen blieben, zumindest auf universeller Ebene, lange Zeit auf technische Zuständigkeitsbereiche bestimmter UN-Sonderorganisationen beschränkt. Dies änderte sich grundlegend am 28. September 2001, als der UN-Sicherheitsrat unter dem Eindruck der Anschläge in den Vereinigten Staaten mit Resolution 1373 ein Regelwerk beschloss, das sich wie eine Querschnittskonvention zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus liest, zu deren Verabschiedung es bis heute nicht gekommen ist. Dieser generell-abstrakte Charakter macht Resolution 1373 zu einem echten legislativen Akt, der in der Beschlusspraxis des Rates ohne Präzedenzfall ist und nunmehr am 28. April 2004 mit Resolution 1540 Fortsetzung im Bereich der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen gefunden hat. Der Sicherheitsrat ist auf diese Weise zu einem Ersatzgesetzgeber der internationalen Gemeinschaft geworden in einem Normbereich, der von fundamentalem Interesse für die Staatengemeinschaft ist. Aber auch in der Praxis der UN-Sonderorganisationen hat es Entwicklungen gegeben, die zur Herausbildung zum Teil sehr innovativer Rechtsetzungsmechanismen geführt haben, deren Ausgestaltung in dem Maß variiert, wie der einzelne mitgliedstaatliche Wille bei der satzungsmäßig vorgesehenen Rechtsbindung noch geschützt wird.Staaten, die sich einem auf dem Mehrheitsprinzip beruhenden Rechtsetzungsmechanismus einer internationalen Organisation unterwerfen, schaffen eine Rechtsquelle, auf Grund derer sie in der Zukunft gegen ihren Willen gebunden werden können. Die dynamische Fortentwicklung der satzungsmäßigen Kompetenznormen durch die Organe der betreffenden Organisation aber kann zu einer erheblichen Divergenz zwischen Satzungstext und späterer Beschlusspraxis der Organisation führen, wodurch die Zustimmung zum primären Vertrag und damit das völkerrechtliche Konsensualprinzip als Schutzmantel der staatlichen Souveränität zur bloßen Fiktion verblassen kann. Hierin liegt gleichzeitig aber auch der Vorteil der institutionalisierten Völkerrechtsetzung, denn sie ermöglicht eine kontinuierliche und zeitnahe Anpassung des geltenden Rechts an neue Gegebenheiten in einer Zeit, da herkömmliche Instrumente wie völkerrechtlicher Vertrag oder Gewohnheitsrecht häufig nicht mehr Schritt halten können mit den Entwicklungen auf internationaler Ebene.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsübersicht | 9 | ||
Inhaltsverzeichnis | 11 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 19 | ||
Einleitung | 25 | ||
Teil 1: Was heißt Sekundärgesetzgebung? | 32 | ||
1. Kapitel: Der Begriff der Gesetzgebung im Völkerrecht | 33 | ||
A. Der Begriff der Gesetzgebung im nationalen Recht | 33 | ||
B. Übertragung auf das Völkerrecht | 37 | ||
I. Verwendung des Begriffs ohne Parallelen zum nationalen Recht | 37 | ||
II. Begriffliche Kohärenz mit dem nationalen Recht durch Beschränkung auf institutionelle Völkerrechtsetzung | 39 | ||
III. Stellungnahme | 40 | ||
C. Der Zusatz „sekundär“: Anleihe aus dem Europarecht | 46 | ||
2. Kapitel: Definitionsmerkmale eines Sekundärgesetzgebungsaktes | 50 | ||
A. Einseitiger Rechtsakt einer internationalen Organisation | 51 | ||
B. Geltungskraft im Außenverhältnis | 56 | ||
C. Abstrakt-genereller Normgehalt | 57 | ||
D. Ergebnis zu Teil 1 | 60 | ||
Teil 2: Erscheinungsformen | 62 | ||
3. Kapitel: Die Vereinten Nationen | 63 | ||
A. Der Sicherheitsrat: Neuer Ersatzgesetzgeber der Staatengemeinschaft | 64 | ||
I. Allgemeines zur bisherigen Beschlusspraxis | 65 | ||
II. Resolution 1373 (2001): Legislativer Präzedenzbeschluss im Bereich der Terrorismusbekämpfung | 68 | ||
1. Zur Bedeutung von Resolution 1373 | 70 | ||
a) Das bestehende Regelwerk zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus | 70 | ||
b) Legislativer Eingriff des Sicherheitsrats | 75 | ||
c) Vergleich mit der bisherigen Beschlusspraxis | 78 | ||
2. Die Feststellung abstrakter Gefahren für den Weltfrieden nach Art. 39 UN-Charta | 80 | ||
a) Zur autoritativen Interpretation von Kapitel VII durch den Sicherheitsrat | 81 | ||
b) Internationaler Terrorismus und der Friedensbegriff des Art. 39 | 87 | ||
c) Der Begriff der Friedensbedrohung | 89 | ||
3. Der Erlass generell-abstrakter Regeln nach Art. 41 UN-Charta | 94 | ||
a) Art. 41 UN-Charta als offene Ermächtigungsnorm | 95 | ||
b) Systematische Erwägungen | 95 | ||
c) Lehren aus der Errichtung der Kriegsverbrechertribunale für das ehemalige Jugoslawien und für Ruanda | 96 | ||
aa) Das Urteil des Jugoslawien-Tribunals im Fall Tadič | 97 | ||
bb) Staatenpraxis | 99 | ||
cc) Reaktionen in der Literatur | 101 | ||
dd) Schlussfolgerungen für das Verständnis von Art. 41 UN-Charta | 101 | ||
d) Übertragung auf den Untersuchungsgegenstand | 102 | ||
III. Resolution 1540 (2004) als Fortsetzung im Bereich der Proliferation von Massenvernichtungswaffen | 104 | ||
1. Entstehungsgeschichte | 105 | ||
2. Proliferation von Massenvernichtungswaffen als allgemeine Gefahr für den Weltfrieden | 108 | ||
3. Das beschlossene Regelwerk zur Proliferationsbekämpfung | 108 | ||
4. Vereinbarkeit mit Kapitel VII UN-Charta | 111 | ||
IV. Perspektiven | 112 | ||
1. Zwangsmaßnahmen des Sicherheitsrats auf der Grundlage legislativer Beschlüsse | 113 | ||
2. Einzelstaatliche Durchsetzung? | 115 | ||
3. Resolutionen 1373 und 1540 als Präzedenzfälle für andere Bereiche? | 116 | ||
B. Resolutionen der Generalversammlung | 119 | ||
I. Die Frage der Rechtsverbindlichkeit | 120 | ||
II. Rechtsbindung durch formlosen zwischenstaatlichen Konsens | 123 | ||
III. Geltungsgrund bei zwischenstaatlichem Konsens | 124 | ||
4. Kapitel: Sonderorganisationen der Vereinten Nationen | 125 | ||
A. Das Modell des Weltpostvereins | 126 | ||
I. Institutioneller Aufbau | 127 | ||
II. Sekundärgesetzgebungsakte des Weltpostvereins nach Art. 22 UPU und Teilung der Zuständigkeiten | 128 | ||
1. Rechtsakte des Kongresses | 128 | ||
a) Die allgemeinen Vollzugsregeln | 128 | ||
b) Die Allgemeine Postkonvention | 129 | ||
c) Die Vereinbarungen | 129 | ||
2. Rechtsakte des Postvollzugsrats | 130 | ||
a) Die Briefpost- und die Paketpostvollzugsordnungen | 130 | ||
b) Die Vereinbarungsvollzugsordnungen | 130 | ||
III. Die Praxis des Weltpostvereins | 131 | ||
B. Das Modell der Weltzivilluftfahrtorganisation | 132 | ||
I. Luftverkehrsvorschriften nach Art. 37 i.V.m. 54 ICAO | 133 | ||
II. Schutz der Mehrheit nach Art. 90 S. 2 ICAO | 134 | ||
III. Herausoptieren einzelner Staaten nach Art. 38 ICAO | 134 | ||
IV. Ausschluss des Herausoptierens | 135 | ||
1. Ausschluss bei Ablauf der Notifizierungsfrist? | 135 | ||
2. Ausschluss bei Vorschriften für den Luftraum über der Hohen See | 136 | ||
V. Die Praxis der ICAO | 138 | ||
C. Das Modell der Internationalen Arbeitsorganisation | 139 | ||
I. Annahme internationaler Konventionen nach Art. 19 Abs. 1 ILO | 139 | ||
II. Erfordernis der gesonderten Zustimmung nach Art. 19 Abs. 5 ILO | 140 | ||
III. Die Praxis der ILO | 140 | ||
D. Die Weltgesundheitsorganisation | 141 | ||
I. Erlass von Rechtsverordnungen nach Art. 21 WHO | 142 | ||
II. Annahme internationaler Konventionen nach Art. 20 WHO | 142 | ||
III. Die Praxis der WHO | 142 | ||
E. Die Welternährungsorganisation | 144 | ||
I. Konventionen der Staatenkonferenz nach Art. XIVAbs. 1 FAO | 144 | ||
II. Rechtsakte des Exekutivrats nach Art. XIVAbs. 2 FAO | 145 | ||
III. Die Praxis der FAO | 145 | ||
F. Die Weltkulturorganisation | 146 | ||
G. Die Weltmeteorologieorganisation | 147 | ||
H. Die Internationale Fernmeldeunion | 148 | ||
I. Grundsatzdokumente | 149 | ||
II. Aufbau der ITU | 150 | ||
III. Rechtsetzung in der ITU | 151 | ||
1. Anpassung der Primärverträge | 151 | ||
2. Standardisierung im Bereich des Fernmeldewesens | 151 | ||
3. Anpassung der Vollzugsordnungen für internationale Fernmeldedienste und für den Funkdienst | 152 | ||
IV. Die Praxis der ITU | 153 | ||
I. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation | 153 | ||
I. Rechtsakte der IMO | 154 | ||
1. Empfehlungen zur Annahme von Vorschriften und Richtlinien | 155 | ||
2. Ausarbeitung internationaler Konventionen | 155 | ||
3. Vertragsanpassung | 157 | ||
a) Schwächen des Verfahrens der positiven Zustimmung | 157 | ||
b) Die neue Praxis der stillschweigenden Zustimmung | 158 | ||
c) Bewertung der neuen Praxis | 159 | ||
II. Rechtsetzung durch Verweisung | 160 | ||
1. Mindest- und Höchststandards in der Seerechtskonvention 1982 | 160 | ||
2. Normausfüllungsbefugnis der IMO | 162 | ||
a) Verweis auf internationale Regeln und Normen | 162 | ||
b) Das Erfordernis „allgemein anerkannter“ Regeln und Normen | 164 | ||
5. Kapitel: Fallgruppenbildung: Der Begriff der Sekundärgesetzgebung „revisited“ | 166 | ||
A. Unmittelbar verbindliche Außenrechtsetzung | 167 | ||
I. Wesensmerkmale | 167 | ||
II. Zuordnung der Beispielsfälle | 167 | ||
III. Verbindliche Außenrechtsetzung und der Begriff der Sekundärgesetzgebung | 168 | ||
B. Das Verfahren der stillschweigenden Zustimmung („Opting-out“) | 169 | ||
I. Wesensmerkmale | 169 | ||
II. Zuordnung der Beispielsfälle | 169 | ||
III. „Opting-out“ und der Begriff der Sekundärgesetzgebung | 170 | ||
C. Das Verfahren der ausdrücklichen Zustimmung („Contracting-in“) | 172 | ||
I. Wesensmerkmale | 172 | ||
II. Zuordnung der Beispielsfälle | 172 | ||
III. „Contracting-in“ und der Begriff der Sekundärgesetzgebung | 173 | ||
D. Rechtsetzung durch Verweisung | 175 | ||
I. Wesensmerkmale | 175 | ||
II. Zuordnung der Beispielsfälle | 176 | ||
III. Rechtsetzung durch Verweisung und der Begriff der Sekundärgesetzgebung | 176 | ||
E. Exkurs: Der Sonderfall der supranationalen Gesetzgebung | 177 | ||
Teil 3: Zur Bedeutung der Sekundärgesetzgebung für das allgemeine Völkerrecht | 180 | ||
6. Kapitel: Der Beitrag der Sekundärgesetzgebung zur Entwicklung einer institutionellen Gemeinschaftsdisziplin | 180 | ||
A. Die Institutionalisierung der internationalen Beziehungen | 181 | ||
B. Die Bedeutung der Sekundärgesetzgebung für die Integrationskraft einer internationalen Organisation | 182 | ||
I. Determinanten der Integrationskraft | 183 | ||
1. Das Integrationsmodell nach Eric Stein | 183 | ||
a) Normativ-institutionelle Faktoren | 183 | ||
b) Sozio-empirische Faktoren | 184 | ||
2. Kritik | 184 | ||
3. Vorschlag eines modifizierten Modells | 187 | ||
II. Zuordnung der Sekundärgesetzgebung | 187 | ||
1. Die Fallgruppen der Erscheinungsformen „revisited“ | 188 | ||
2. Relativierung des Befundes | 189 | ||
3. Exkurs: Das Beispiel der Europäischen Gemeinschaften als Entwicklungsstufe höchster Integration | 190 | ||
C. Die Herausbildung dynamisch-sektoraler Rechtsregime durch Sekundärgesetzgebung internationaler Organisationen | 194 | ||
7. Kapitel: Das Spannungsverhältnis zum völkerrechtlichen Konsensualprinzip | 195 | ||
A. Bedeutung der Zustimmung zum Gründungsvertrag | 196 | ||
B. Einordnung der Sekundärgesetzgebung in die allgemeine Frage der Rechtsbindung eines Staates wider Willen | 198 | ||
I. Exkurs: Konturen einer verfassungsartigen Gemeinschaftsdisziplin | 199 | ||
II. Verknüpfung und Unterscheidung von institutioneller und verfassungsartiger Gemeinschaftsdisziplin | 209 | ||
III. Auswirkungen der Unterscheidung auf den Rechtsbindungstest im Streitfall | 210 | ||
1. Rechtsbindung in der institutionellen Gemeinschaftsdisziplin | 210 | ||
2. Rechtsbindung in der verfassungsartigen Gemeinschaftsdisziplin | 212 | ||
3. Zusammenfassung | 214 | ||
8. Kapitel: Die Sekundärgesetzgebung in der völkerrechtlichen Rechtsquellenlehre | 215 | ||
A. Was ist eine Rechtsquelle? | 215 | ||
B. Art. 38 IGH-Statut: Numerus clausus der Völkerrechtsquellen? | 217 | ||
C. Die Sekundärgesetzgebung als Quelle des Völkerrechts | 219 | ||
D. Das Paradoxon des Konsensualismus | 220 | ||
Schlussbetrachtung | 222 | ||
Literaturverzeichnis | 231 | ||
Personen- und Sachregister | 247 |