»Lex« und »ordo«
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»Lex« und »ordo«
Eine rechtshistorische Untersuchung der Rechtsauffassung Melanchthons
Schriften zur Rechtsgeschichte, Vol. 121
(2005)
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Nicht nur als Humanist, Reformator und Praeceptor Germaniae, sondern auch als Rechtsdenker hat Philipp Melanchthon in mitten der religiös-historischen Ereignisse seiner Zeit eine wichtige Rolle gespielt. »Lex« und »Ordo«: Unter diesen beiden Oberbegriffen werden seine zahlreichen Fragestellungen über die Gerechtigkeit, das Recht und das Gesetz einerseits, über die institutionellen Träger der gesellschaftlichen Ordnung andererseits gegliedert.Isabelle Deflers analysiert zunächst Melanchthons Naturrechtslehre, die für das Verständnis seiner weiteren Ausführungen über das Recht eine fundamentale Rolle spielt. Nach der Auseinandersetzung der Wittenberger Reformatoren mit den »Schwärmern« und dem Bauernkrieg 1525 begann Melanchthon, für die Anwendung einer einheitlichen und festgeschriebenen Gesetzgebung zu plädieren und trug damit zu der damaligen Rezeption des römischen Rechts wesentlich bei. Auch beschäftigte er sich mit der Frage des Anwendungsbereichs der Gesetze, der den Begriff des »Ordo politicus« umfasst. Aufgrund seiner Beschäftigung mit der aristotelischen Politik setzte er sich mit der Bedeutung und Rolle der Obrigkeit als »Wächterin« der gesellschaftlichen Ordnung auseinander. Mit seiner »Obrigkeitslehre« arbeitete er eine neue Legitimation der weltlichen Herrschaft heraus, die die Gehorsamspflicht der Untertanen verfestigte und die Zulassungsbedingungen des Widerstandsrechts streng begrenzte. Auch weitere weltliche Institutionen des »Ordo politicus« (die Ehe und die Familie, das Eigentumsrecht, das Vertragsrecht und das Strafrecht), die Melanchthon als Säule der gesellschaftlichen Ordnung betrachtete, werden in dieser Studie rechtshistorisch erläutert.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 3 | ||
Inhaltsverzeichnis | 5 | ||
Einleitung | 13 | ||
A. Historischer Kontext | 13 | ||
B. Stand der Forschung | 21 | ||
C. Aufbau der Arbeit | 22 | ||
Erster Teil: Das Gesetz bei Melanchthon | 26 | ||
Erstes Kapitel: Die Definition des Gesetzes bei Melanchthon und seine Naturrechtslehre | 28 | ||
A. Einleitung: Ius und lex | 28 | ||
B. Die Dreiteilung der Gesetze | 32 | ||
I. Die leges naturae | 32 | ||
1. Erste Anordnung und Definition der Naturgesetze | 33 | ||
2. Anordnung und Definition der Naturgesetze in den Loci communes von 1521 und 1522 | 35 | ||
3. Naturgesetze und weltliche Gesetze | 38 | ||
II. Die leges divinae | 39 | ||
III. Die leges humanae | 40 | ||
C. Melanchthons „biblische“ Naturrechtslehre | 42 | ||
I. Die unlösbare Verbindung von Recht und Moral | 42 | ||
1. Die Hierarchie der Rechtsnormen | 42 | ||
2. Rezeption dieser Idee und die falschen Interpretationen | 46 | ||
a) Auseinandersetzung mit den Schwärmern | 46 | ||
b) Melanchthons Erläuterung seiner Rechtsauffassung gegenüber den „Schwärmern“ | 48 | ||
II. Die Zwei-Reiche-Lehre | 51 | ||
D. Die Lehre vom Naturrecht in der Zeit Melanchthons | 55 | ||
I. Melanchthons Naturrechtslehre in ihrem historischen Kontext | 55 | ||
1. Die Rezeption der antiken Naturrechtsphilosophie | 55 | ||
2. Neue Richtung der Naturrechtslehre mit Scotus und Ockham | 56 | ||
3. Die Rezeption des Naturrechtsgedankens bei den Reformatoren | 57 | ||
4. Die Rezeption der Naturrechtslehre insbesondere bei Melanchthon | 58 | ||
II. Zu den Parallelen zwischen ius naturae und ius gentium in humanistischer Zeit | 60 | ||
1. Das Problem der Feststellung einer völkerrechtlichen Ordnung zu dieser Zeit | 61 | ||
a) Das Problem der Dualität der Universalmächte im Mittelalter | 61 | ||
b) Zur Entstehung der Souveränitätslehre | 64 | ||
2. Das ius gentium als zwischenstaatliches Recht | 65 | ||
a) Meinungsverschiedenheiten über das Anwendungsgebiet des ius gentium | 66 | ||
b) Die Voraussetzungen für eine völkerrechtliche Ordnung | 68 | ||
III. Die naturrechtliche Begründung des staatsrechtlichen Denkens bei Melanchthon | 72 | ||
E. Melanchthons Auffassung von Gesetzgebung und weltlicher Ordnung | 76 | ||
Zweites Kapitel: Welches weltliche Recht soll angewandt werden: Mosaisches oder römisches Recht? | 78 | ||
A. Melanchthons ursprüngliche Position zum biblischen Recht | 79 | ||
B. Der radikale Biblizismus und der Bauernkrieg als Faktoren der Meinungsänderung Melanchthons | 83 | ||
I. Melanchthons Konfrontation mit den Wittenberger Unruhen und den Zwickauer Propheten 1521/1522 | 83 | ||
II. Die ersten religiösen und politischen Programme der Bauernbewegung | 87 | ||
1. Von den ersten Forderungen bis zur Bundschuh-Bewegung 1513 | 88 | ||
2. Das Verständnis vom „göttlichen Recht“ bei Wiclif | 89 | ||
3. Jan Hus’ Vorstellung von der „reinen Kirche“ und deren Einfluss | 90 | ||
4. Die Radikalisierung der ursprünglichen Forderungen | 92 | ||
5. Die Bundschuhbewegung von 1513 | 93 | ||
III. Gründe für die Einsetzung des „göttlichen Rechts“ in die Forderungen der Bauern in 1525 | 94 | ||
1. Die Rolle der Rechtfertigung des Widerstandsrechts durch die Reformation | 94 | ||
2. Der Einfluss der Bestrebungen nach einer neuen Machtverteilung | 96 | ||
3. Der Einfluss der Forderung Luthers nach Erneuerung der Kirche | 97 | ||
4. Analyse der Forderungen der Bauern nach „altem“ oder „göttlichem“ Recht | 98 | ||
5. Luthers Reaktion zu den damaligen Konsequenzen seiner Lehre und Kritik | 101 | ||
IV. Melanchthons Gutachten zu den „Zwölf Artikeln“ | 103 | ||
1. Die Notwendigkeit der Bestrafung und der strafrechtlichen Ordnung | 104 | ||
2. Kurze Darstellung der damaligen Rechtslage im Bereich des Strafrechts | 105 | ||
3. Melanchthons Appell zur Wiederherstellung der Ordnung und der gesellschaftlichen Ruhe | 107 | ||
V. Die Rezeption des römischen Rechtes in den Beschwerden der Bauern | 108 | ||
1. Der Hass gegen das „fremde Recht“ | 108 | ||
2. Die Forderung der Bauern nach der Ersetzung des römischen Rechts durch göttliches Recht | 109 | ||
C. Zum damaligen Stand der Rezeption des römischen Rechtes | 111 | ||
I. Das römische Recht in der deutschen Rechtsprechung | 112 | ||
1. Die Reichskammergerichtsordnung und die Rezeption des römischen Rechts | 113 | ||
2. Das Subsidiaritätsprinzip der Anwendung des römischen Rechts in Theorie und Praxis | 115 | ||
3. Der Aufstieg eines Juristenstands im Dienst der Landesfürsten | 115 | ||
4. Unterschiedliche Einstellungen über die Rezeption des römischen Rechts | 117 | ||
5. Der geringe Einfluss der humanistischen Prinzipien auf die Rechtsprechung in Deutschland | 118 | ||
II. Der Zustand der Jurisprudenz in Wittenberg | 119 | ||
1. Die Besonderheit des Sachsenspiegels | 119 | ||
2. Humanistische Gedanken an der Universität Wittenberg | 124 | ||
a) Die Einführung der humanistischen Gedanken in der Pädagogik | 125 | ||
b) Die humanistische Jurisprudenz | 128 | ||
aa) Gründe für die notwendige Verbesserung des Rechtsstudiums | 128 | ||
bb) Einführung einer neuen systematischen Methode | 130 | ||
cc) Melanchthons Einfluss auf die Einführung der humanistischen Lernprinzipien in das Rechtsstudium | 130 | ||
D. Melanchthons spätere Aufwertung des römischen Rechtes | 133 | ||
I. Einfluss des Rechtsgelehrten Hieronymus Schürpf | 133 | ||
1. Kurze biographische Darstellung von Schürpf | 134 | ||
2. Schürpfs Verhältnis zur Reformation | 135 | ||
3. Der Streit an der Wittenberger Universität zwischen den Juristen und den Theologen | 137 | ||
II. Melanchthons Apologie des römischen Rechts | 139 | ||
1. Die Notwendigkeit eines festgeschriebenen Rechts | 139 | ||
a) Als Schutzmittel gegen die unprofessionellen Schöffen | 139 | ||
b) Als Lösung für die damalige Rechtsunsicherheit im Reich und in den Territorien | 141 | ||
c) Als Schutzmittel gegen die Willkür | 142 | ||
d) Als Schutzmittel gegen die schwache Natur des Menschen | 143 | ||
e) Als Schutzmittel gegen die radikalen Reformatoren | 145 | ||
f) Als Schutzmittel gegen nutzlose Gesetzesänderungen | 146 | ||
2. Die Rolle der Pädagogik bei der Festigung des Respekts vor dem Gesetz | 147 | ||
a) Ausbildung und Erziehung der künftigen Juristen | 147 | ||
b) Ausbildung der Herrscher | 148 | ||
3. Eine festgeschriebene Gesetzgebung als Schutzmittel gegen die Kriegsgefahr | 149 | ||
4. Die positiven Eigenschaften des römischen Rechts nach Melanchthons Auffassung | 151 | ||
a) Die Übereinstimmung des römischen Rechts mit seiner Naturrechtslehre | 152 | ||
b) Die besondere Gelehrsamkeit und Weisheit des römischen Rechts | 155 | ||
c) Das römische Recht als europäisches „ius commune“ | 158 | ||
III. Plädoyer für das „allerbilligste Recht“ (ius aequissimum) | 159 | ||
1. Definition und Inhalt Melanchthons epieikeia-aequitas-Lehre | 159 | ||
a) Billigkeit als Mittel für die Gesetzinterpretation | 161 | ||
b) Die Billigkeit als Instrument zur Milderung des „ius strictum“ | 162 | ||
c) Die Verbindung Melanchthons epieikeia-aequitas-Lehre mit seiner Naturrechtslehre | 163 | ||
d) Anpassung seiner Naturrechtslehre mit Hilfe der Moralgesetze | 164 | ||
e) Die „epieikeia“ und die „interpretatio legum“ | 165 | ||
2. Melanchthons epieikeia-aequitas-Lehre und deren Verwirklichung im rezipierten römischen Recht | 166 | ||
a) Die begrenzte Anwendung der aequitas als Konsequenz der Rezeption des römischen Rechts | 166 | ||
b) Melanchthons Interpretation der „lex Placuit“ | 169 | ||
c) Die Billigkeit des römischen Rechts als Argument zugunsten seiner Rezeption | 170 | ||
d) Die Gegenüberstellung des „ius scriptum aequissimum“ und des „ius strictum“ | 171 | ||
E. Schlusswort des zweiten Kapitels | 173 | ||
Zweiter Teil: Definition des ordo politicus bei Melanchthon | 174 | ||
Drittes Kapitel: Kirche und weltliche Obrigkeit, Träger des ordo politicus | 177 | ||
A. Definition des ordo politicus bei Melanchthon | 178 | ||
B. Die Rollenverteilung zwischen Staat und Kirche | 182 | ||
I. Die neue Legitimation der weltlichen Macht | 184 | ||
II. Melanchthons Argumentation in seiner Schrift von 1559 | 185 | ||
1. Über die kaiserliche Würde | 186 | ||
2. Über das Amt des Papstes | 189 | ||
3. Über die Wahl des Papstes | 190 | ||
4. Über die Rangordnung der päpstlichen Macht | 190 | ||
5. Über die Berufung der Synoden | 190 | ||
6. Über die Gehorsamspflicht und Ungehorsamspflicht der Kirche gegenüber | 191 | ||
7. Über die Rolle der Obrigkeit als Beschützerin der neuen Glaubenslehre | 192 | ||
8. Über die strafrechtliche Funktion der Kirche | 192 | ||
9. Über die strafrechtliche Funktion der Obrigkeit gegenüber der Kirche | 193 | ||
10. Über die Unterwerfung des Papstes durch die weltliche Macht | 193 | ||
C. Die Politik | 195 | ||
I. Begründung der Autonomie der gesellschaftlichen Ordnung | 196 | ||
1. Naturrechtliche Legitimation der weltlichen Macht bei Melanchthon | 196 | ||
2. Machiavellis gegensätzliche Begründung der Autonomie des Staates | 197 | ||
II. Melanchthons Kommentar zu der Politik des Aristoteles (1531) | 199 | ||
1. Form und Zweck der gesellschaftlichen Ordnung | 200 | ||
a) Die Familie | 200 | ||
b) Die Ablehnung der Sklaverei | 201 | ||
c) Die Rolle der Wirtschaft und der Güterverteilung | 202 | ||
d) Die Notwendigkeit festgeschriebener Gesetze | 204 | ||
e) Der Zweck der gesellschaftlichen Ordnung | 204 | ||
2. Die Frage der Staatsform und der Machtausübung | 205 | ||
a) Die Begrenzung der Machtausübung: Die Frage des Widerstandsrechts | 207 | ||
b) Die Begrenzung der Machtausübung: Die Rolle der Gesetze und der Erziehung | 208 | ||
3. Melanchthons Auffassung von der gesellschaftlichen Ordnung – Eine kurze Zusammenfassung | 209 | ||
D. Politica und politia | 210 | ||
I. Regelungen der damaligen Landes- und Reichspoliceyordnungen | 213 | ||
1. Die Reichspoliceyordnungen von 1497 bis 1530 | 214 | ||
2. Die Reichspoliceyordnung von 1530 und ihre spätere Ergänzung | 215 | ||
II. Religiöse Aspekte der „Policey“: Die Frage der Gotteslästerung | 218 | ||
E. Zusammenfassung des dritten Kapitels | 221 | ||
Viertes Kapitel: Die Grundinstitutionen des ordo politicus | 223 | ||
A. Die Obrigkeit | 223 | ||
I. Die Stellung der Reformatoren zur Frage des Widerstandsrechts | 224 | ||
1. Erste Periode: Melanchthons strenge Ablehnung des aktiven Widerstandsrechts | 224 | ||
a) Widerstand der Bauern gegen die Obrigkeit | 224 | ||
b) Eine neue Art von Widerstand: die Fürsten gegen die kaiserliche Autorität | 227 | ||
2. Zweite Periode: Anerkennung des Widerstandsrechts der Fürsten gegen den Kaiser | 230 | ||
a) Die Rechtfertigung des Widerstands als „Notwehr“ | 231 | ||
b) Die Begrenzung der Anwendung der „Notwehr“ | 232 | ||
II. Rechte und Pflichten der Obrigkeit nach Melanchthons Auffassung | 234 | ||
1. Definition der weltlichen Pflichten der Obrigkeit | 235 | ||
2. Die doppelte Natur der Obrigkeit: selbstständig, aber auch in Gottes Hand | 241 | ||
III. Weitere Aufgaben der Obrigkeit nach Melanchthons Auffassung | 242 | ||
B. Die Ehe und die Familie | 244 | ||
I. Melanchthons und Luthers unterschiedliche Auffassungen von Ehe und Ehegerichtsbarkeit | 245 | ||
II. Die damalige Reform der Ehegerichtsbarkeit inWittenberg | 248 | ||
III. Auseinandersetzungen über die Weiterverwendung des kanonischen Rechts in Ehesachen | 249 | ||
1. Der Streit über die Rechtsgültigkeit von heimlichen Verlöbnissen | 250 | ||
a) Auffassung Luthers und der Juristen | 250 | ||
b) Melanchthons Position zu den in Ehesachen geltenden Rechtsquellen | 251 | ||
c) Melanchthons Betonung der Rolle der Obrigkeit in Ehesachen | 253 | ||
2. Kurzer Überblick über die damalige eherechtliche Praxis | 255 | ||
C. Das Eigentum | 257 | ||
D. Das Vertragsrecht | 258 | ||
E. Das Strafrecht | 260 | ||
I. Die Strafe als Notwendigkeit | 261 | ||
1. Die utilitaristische Funktion der Strafe | 262 | ||
2. Die pädagogische Funktion der Strafe | 265 | ||
II. Überblick über die damalige strafrechtliche Gerichtsbarkeit | 266 | ||
1. Die Strafe als Kampfmittel gegen die radikalen Reformatoren | 267 | ||
2. Die Einführung des Inquisitionsprozessverfahrens und der Carolina (1532) | 269 | ||
III. Melanchthons Schweigen über die Anwendung der Folter | 271 | ||
Zusammenfassung der Ergebnisse | 273 | ||
Quellen- und Literaturverzeichnis | 278 | ||
I. Gedruckte Quellen | 278 | ||
II. Literatur | 280 | ||
III. Enzyklopädien | 314 | ||
Sach- und Personenregister | 315 |