Die Irrtumsanfechtung im Handelsverkehr
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Die Irrtumsanfechtung im Handelsverkehr
Schriften zum Bürgerlichen Recht, Vol. 285
(2004)
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Abstract
Die zivilrechtlichen Vorschriften über die Irrtumsanfechtung bilden bis heute den dogmatischen Kern der deutschen Rechtsgeschäftslehre. Dass sie seit dem Inkrafttreten des BGB am 1. Januar 1900 nicht wesentlich verändert worden sind, ist um so erstaunlicher, als um sie während der Beratungen zur Kodifikation durchaus heftig gerungen wurde. Für den Handelsverkehr wird ihre Geltung indes seit einiger Zeit in Zweifel gezogen: Kaufleute sollen nur eingeschränkt zur Anfechtung berechtigt sein, etwa dann, wenn sie den Irrtum nicht verschuldet haben.Die Verfasserin legt die konzeptionellen Grundlagen der Irrtumsvorschriften einschließlich ihrer historischen Wurzeln dar; rechtsvergleichend bezieht sie Lösungen anderer Rechtsordnungen sowie diejenigen der Unidroit Principles und der European Principles mit ein. Es erweist sich, dass die internationale Entwicklung einen dem deutschen Recht fremden, eher den österreichischen und niederländischen Irrtumsregelungen zugewandten Ansatz verfolgt. Den Schwerpunkt der Untersuchung bildet sodann die Möglichkeit einer Irrtumsanfechtung bei verschiedenen handelsrechtlichen Tatbeständen, etwa bei Vertragsschluss durch Schweigen, bei Handelsbräuchen oder -klauseln. Dabei zeigt sich, dass die Anfechtbarkeit im Rahmen dieser Tatbestände durchaus häufig Einschränkungen unterliegt, dies jedoch jeweils in den Besonderheiten der einzelnen Tatbestände begründet und keiner Verallgemeinerung für den gesamten Handelsverkehr zugänglich ist. Gründe für eine allgemeine Einschränkung der Irrtumsanfechtung finden sich schließlich auch nicht in speziellen handelsrechtlichen Wertungen, etwa dem Grundsatz vom Verkehrs- und Vertrauensschutz.Aufschlussreich ist die Arbeit deshalb nicht allein für den Wirtschaftsjuristen, sondern ebenso für den allgemein an zivilistischer Dogmatik interessierten Leser.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 16 | ||
Einführung | 21 | ||
I. Problemstellung | 21 | ||
II. Gang der Untersuchung | 24 | ||
Abschnitt 1: Handelsverkehr und Irrtumsrecht | 25 | ||
§ 1 Normativer Ausgangspunkt | 26 | ||
I. Handelsrechtliche Normierungen | 26 | ||
1. Das Fehlen irrtumsrechtlicher Bestimmungen im HGB | 26 | ||
2. Das Fehlen eines abweichenden Handelsbrauchs | 28 | ||
II. Das Irrtumsrecht des BGB | 31 | ||
1. Historische Entwicklung | 31 | ||
a) Das Römische Recht als Basis | 31 | ||
b) Savigny – System des heutigen Römischen Rechts III | 34 | ||
c) Von Savigny zum Theorienstreit | 36 | ||
d) Die Kodifikation | 38 | ||
2. Konzeptionelle Grundlagen | 40 | ||
III. Zu berücksichtigende Charakteristika des Handelsverkehrs | 44 | ||
§ 2 Anfechtungsbeschränkungen in ausgesuchten Rechtsgebieten | 48 | ||
I. Einschränkungen im Gesellschafts-, Arbeits- und Wertpapierrecht | 48 | ||
1. Gesellschaftsrecht | 48 | ||
2. Arbeitsrecht | 50 | ||
3. Wertpapierrecht | 51 | ||
II. Bedeutung für den Handelsverkehr | 53 | ||
§ 3 Entwicklungen und Tendenzen auf internationaler Ebene | 55 | ||
I. Die Behandlung von Irrtümern in den UNIDROIT Principles | 57 | ||
1. Die relevanten Irrtumsfälle (Artt. 3.4 – 3.6 UP) und die Wurzeln dieser Regelungen | 58 | ||
a) Der Inhalt von Artt. 3.4 – 3.6 UP | 58 | ||
b) Die Nähe der UNIDROIT Principles zum österreichischen Recht | 60 | ||
c) Übereinstimmungen mit dem italienischen Irrtumsrecht sowie mit verschiedenen osteuropäischen Rechtsordnungen | 64 | ||
d) Der Einfluß des anglo-amerikanischen Rechts, insbesondere der misrepresentation-Lehre | 66 | ||
e) Vergleich mit dem Schweizer Recht | 69 | ||
f) Zusammenfassung | 70 | ||
2. Die Ausgestaltung der Rechtsfolgen eines relevanten Irrtums | 71 | ||
II. Konzeptionelle Einordnung | 73 | ||
III. Die Irrtumsregeln der UNIDROIT Principles als Ausdruck einer europäischen Rechtsentwicklung | 77 | ||
1. Schiedsgerichtliche Anwendung der UNIDROIT-Regelungen | 78 | ||
2. Einfluß der UNIDROIT Principles auf neuere Kodifikationen | 80 | ||
a) Das Neue Bürgerliche Gesetzbuch der Niederlande | 80 | ||
b) Die neuen osteuropäischen Zivilgesetze | 84 | ||
c) LANDO Principles of European Contract Law | 87 | ||
3. Zusammenfassung | 89 | ||
Abschnitt 2: Induktive Analyse der Tatbestände eingeschränkter Irrtumsanfechtung im Handelsverkehr | 90 | ||
§ 4 Anfechtbarkeit wegen Irrtums über handelsrechtliche Normierungen und Typisierungen | 92 | ||
I. Der Schlüssigkeitsirrtum – fehlende Kenntnis von der Bedeutung des Schweigens | 93 | ||
1. Lösungsansätze | 93 | ||
2. Einordnung des Schlüssigkeitsirrtums als Rechtsfolgenirrtum | 96 | ||
3. Konsequenzen für die Irrtumsanfechtung | 97 | ||
a) Anfechtbarkeit eines Rechtsfolgenirrtums | 97 | ||
b) Anwendung auf den Schlüssigkeitsirrtum | 100 | ||
II. Handelsbräuche, Handelsklauseln | 102 | ||
1. Meinungsstand | 103 | ||
2. Beschränkung der Anfechtbarkeit aufgrund normativer Wirkungsweise | 106 | ||
a) Handelsbräuche | 106 | ||
aa) Interpretierende und normative Handelsbräuche | 107 | ||
bb) Konsequenzen der verschiedenen Wirkungsweisen für die Anfechtbarkeit | 110 | ||
b) Handelsklauseln | 111 | ||
aa) Sonderkonstellationen | 113 | ||
bb) Ähnlichkeit der Handelsklauseln mit Rechtsnormen | 115 | ||
cc) Rückschlüsse auf die Anfechtbarkeit | 117 | ||
3. Beschränkung der Anfechtbarkeit aufgrund eines gesteigerten Vertrauenstatbestands | 118 | ||
a) Sinn und Zweck typisierter Erklärungstatbestände | 118 | ||
b) Interessenanalyse | 119 | ||
aa) Vertrauenssteigerung und erhöhte Schutzwürdigkeit | 119 | ||
bb) Privatautonomie | 121 | ||
cc) Schlußfolgerungen hinsichtlich der Anfechtbarkeit | 121 | ||
c) Grenzen des Anfechtungsausschlusses | 122 | ||
d) Zusammenfassung | 124 | ||
III. Reichweite und Bedeutung der Anfechtungsbeschränkungen | 125 | ||
1. Ausdehnung der Anfechtungsbeschränkung auf nichttypisierte Bereiche | 126 | ||
2. Übertragung auf sonstige Typisierungen | 126 | ||
a) Typisierungen durch Handelsgesetze | 127 | ||
b) Allgemeingültige Typisierungen | 128 | ||
c) Allgemeine Geschäftsbedingungen | 130 | ||
3. Ausdehnung auf den Privatrechtsverkehr | 130 | ||
4. Zusammenfassung | 131 | ||
§ 5 Anfechtbarkeit bei vertragsbegründendem Schweigen | 132 | ||
I. § 362 Abs. 1 HGB | 132 | ||
1. Dogmatische Grundlagen | 133 | ||
a) Das Schweigen als Element des Tatbestands | 133 | ||
b) Die Rechtsfolge von § 362 Abs. 1 S. 1, 2. HS HGB | 137 | ||
c) Analoge Geltung der Vorschriften über Willenserklärungen | 138 | ||
2. Tatsachenunkenntnis | 138 | ||
a) Annahmefiktion bei Tatsachenunkenntnis | 139 | ||
b) Anfechtbarkeit bei Tatsachenunkenntnis | 141 | ||
aa) § 362 Abs. 1 HGB als Spezialregelung | 142 | ||
bb) Vergleichbarkeit der Interessenlagen | 143 | ||
(1) Die Wertung von § 130 BGB | 144 | ||
(2) Kaufmännisches Organisationsrisiko | 147 | ||
cc) Ergebnis | 148 | ||
3. Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 BGB | 149 | ||
II. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben | 151 | ||
1. Dogmatische Grundlagen | 153 | ||
a) Die Einordnung des Schweigens | 153 | ||
b) Die Rechtsfolge eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens | 155 | ||
2. Die Relevanz von Willensmängeln | 159 | ||
a) Allgemeines | 159 | ||
b) Anwendung auf die einzelnen Irrtumskonstellationen | 160 | ||
aa) Tatsachenunkenntnis | 160 | ||
bb) Inhaltsirrtum | 162 | ||
3. Wertende Einschränkungen | 164 | ||
4. Ergebnis | 165 | ||
III. Weitere Fälle normierten Schweigens | 166 | ||
IV. Zusammenfassende Würdigung | 167 | ||
§ 6 Irrtum und Mängelrüge | 168 | ||
I. Inhalt und Zweck der Rügeobliegenheit | 168 | ||
II. Irrtumsanfechtung | 169 | ||
1. Anfechtung der Mängelrüge | 169 | ||
2. Anfechtung des Unterlassens | 170 | ||
a) Die in § 377 Abs. 2 HGB bestimmte Rechtsfolge | 171 | ||
aa) Ablehnung einer rechtsgeschäftlichen Dogmatik | 171 | ||
bb) Zum Wortlaut der Vorschrift | 172 | ||
b) Konsequenzen für die Irrtumsanfechtung | 173 | ||
III. Zusammenfassung | 174 | ||
§ 7 Anfechtbarkeit von Rechtsscheintatbeständen | 175 | ||
I. Grundlagen der Rechtsscheinhaftung | 176 | ||
1. Einführung | 176 | ||
2. Das Problem des Anwendungsbereichs | 178 | ||
3. Das Problem des Verhältnisses zur Rechtsgeschäftslehre | 179 | ||
4. Das Wesen der Rechtsscheintatbestände | 181 | ||
a) Abgrenzung nach dem objektiven Inhalt des Scheintatbestandes | 181 | ||
b) Wertende Rechtfertigung | 183 | ||
c) Anwendung auf einzelne Rechtsscheintatbestände | 185 | ||
5. Ergebnis | 190 | ||
II. Anfechtbarkeit der Scheintatbestände | 191 | ||
1. Der Grundsatz der Unanfechtbarkeit | 192 | ||
2. Die Ausnahme bei rechtsgeschäftsersetzenden Scheintatbeständen | 193 | ||
a) Die besondere Wertungslage | 193 | ||
b) Die einzelnen Scheinvollmachten | 195 | ||
aa) Duldungsvollmacht | 195 | ||
bb) §§ 171 ff. BGB und § 56 HGB | 196 | ||
cc) Anscheinsvollmacht | 198 | ||
c) § 409 BGB | 199 | ||
d) § 405 BGB | 201 | ||
3. Sonderfälle | 202 | ||
a) Einwendungsausschluß im Wertpapierrecht | 202 | ||
b) Unter staatlicher Mitwirkung geschaffene Scheintatbestände | 203 | ||
c) Gutgläubiger Erwerb im Fahrnisrecht | 204 | ||
4. Zusammenfassung | 205 | ||
III. Einordnung in den Gesamtkontext | 207 | ||
§ 8 Fazit hinsichtlich gemeinsamer Wertungsgesichtspunkte | 208 | ||
I. Anfechtungsausschluß nach allgemeinem Irrtumsrecht | 209 | ||
II. Anfechtungsausschluß aufgrund abweichender Wertungslage | 210 | ||
III. Ergebnis | 211 | ||
Abschnitt 3: Einschränkung der Irrtumsanfechtung infolge handelsspezifischer Wertungen (deduktives Vorgehen) | 213 | ||
§ 9 Unternehmen als Verkehrsteilnehmer | 216 | ||
I. Das Irrtumsrisiko beim Kontrahieren mit Unternehmen | 216 | ||
II. Der Irrtum als betriebliches Organisationsrisiko | 219 | ||
III. Ergebnis | 220 | ||
§ 10 Gesteigertes Bedürfnis nach Verkehrs- und Vertrauensschutz | 221 | ||
I. Die Dichotomie von Verkehrs- und Vertrauensschutz | 222 | ||
II. Verkehrsschutz | 224 | ||
1. Funktionsfähigkeit des Handelsverkehrs | 224 | ||
2. Mißbrauchsgefahr | 228 | ||
3. Sonstige Erwägungen zum Verkehrsschutz | 229 | ||
III. Vertrauensschutz | 230 | ||
1. Bedürfnis nach verstärktem Vertrauensschutz | 230 | ||
2. Angemessenheit des negativen Vertrauensschutzes | 231 | ||
a) Form des Schadensersatzes | 232 | ||
b) Umfang des Schadensersatzes | 234 | ||
aa) Beschränkung auf das negative Interesse | 234 | ||
bb) Begrenzung durch das positive Interesse | 238 | ||
c) Schadensnachweis | 239 | ||
IV. Das Verschulden als Beschränkungskriterium | 242 | ||
V. Zusammenfassung der Ergebnisse | 246 | ||
§ 11 Grenzüberschreitendes Handeln | 247 | ||
I. Zusätzliche Schwierigkeiten bei grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit | 247 | ||
II. Die internationale Entwicklung im Irrtumsrecht und ihr Einfluß auf die Irrtumsanfechtung nach deutschem Handelsrecht | 250 | ||
1. Das internationale Irrtumskonzept als Element der lex mercatoria | 251 | ||
2. Die Berücksichtigung als internationaler Handelsbrauch | 252 | ||
3. Die Angleichung mit Hilfe von § 242 BGB | 253 | ||
4. Die internationale Entwicklung als Wertungselement im Rahmen der Irrtumsvorschriften | 254 | ||
III. Ergebnis | 255 | ||
§ 12 Gesamtergebnis und Ausblick | 256 | ||
I. Unbeschränkte Anwendbarkeit des Irrtumsrechts | 256 | ||
II. Erwägungen de lege ferenda im Rahmen einer gesamteuropäischen Perspektive | 256 | ||
1. Die Vorzüge des internationalen Konzepts | 257 | ||
a) Sachliche Rechtfertigung | 257 | ||
b) Internationale Anerkennung | 260 | ||
c) Ökonomische Aspekte | 261 | ||
2. Zur konkreten Ausgestaltung | 262 | ||
3. Rechtsdogmatische Konsequenzen | 267 | ||
4. Ergebnis | 269 | ||
Zusammenfassung | 270 | ||
Literaturverzeichnis | 275 | ||
Sachwortverzeichnis | 292 |