Ladendiebstahl und Bagatellprinzip
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Ladendiebstahl und Bagatellprinzip
Eine materiell-rechtliche Abgrenzung
Schriften zum Strafrecht, Vol. 151
(2004)
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Abstract
Untersuchungsziel der Arbeit ist es, dem Massenphänomen des Ladendiebstahls auf Grundlage einer materiell-rechtlichen Bestimmung des Verbrechens nach dem Bagatellprinzip gerecht zu werden. Hierzu erarbeitet der Verfasser als Grundlage den empirischen und normativen Begriff des Ladendiebstahls, um anschließend die prozessrechtliche Behandlung dieser Delikte über die §§ 153ff StPO und das sog. "sächsische Verfahrensmodell" einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Daneben analysiert er die Möglichkeit zivilrechtlicher Reaktionen auf den Ladendiebstahl und zieht rechtsvergleichend ausländische Bagatellregelungen heran.Kernstück der Untersuchung ist hierauf aufbauend ein an Unrechts- und Schuldgesichtspunkten orientierter Bezug des Bagatellprinzips auf das Phänomen des Ladendiebstahls. Dabei wird in einem mehrstufigen System auf Grundlage des Tatunrechts und der personenbezogenen Strafzumessungsschuld der Ladendiebstahl als Bagatelldelikt bestimmt. Im Anschluss an dieses Konzept erörtert Michael Nugel, ob der Ladendiebstahl darüber hinaus als Ordnungswidrigkeit erfasst werden kann. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf die materiell- und verfahrensrechtliche Ausgestaltung der erarbeiteten Lösung.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einführung | 15 | ||
I. Gegenstand der Arbeit | 15 | ||
II. Methodisches Vorgehen | 16 | ||
§ 1 Die Bedeutung des Ladendiebstahls | 18 | ||
I. Der Begriff des Ladendiebstahls | 18 | ||
1. Der Ladendiebstahl als Begriff der polizeilichen Kriminalstatistik | 18 | ||
2. Der Begriff des „Diebstahls“ | 19 | ||
3. Ausgelegte Ware | 20 | ||
a) Formen der Veräußerung | 20 | ||
b) Auslage gesicherter Ware | 21 | ||
c) Zum Verkauf bestimmt | 21 | ||
4. Durch Kunden | 23 | ||
5. Während der Geschäftszeit | 24 | ||
6. Ort des Diebstahls | 24 | ||
a) Dem Publikumsverkehr gewidmete Verkaufsflächen | 24 | ||
b) Lagerräume | 25 | ||
c) Geschäfte des Einzelhandels | 25 | ||
7. Die konkrete begriffliche Definition | 26 | ||
II. Die geschichtliche Entwicklung | 26 | ||
1. Gesetzliche Regelungen von 1700 v. Chr. bis zum 19. Jahrhundert | 26 | ||
2. Die Tatbestände des Mundraubes § 370 I Nr. 5 StGB a.F. und der Notentwendung § 248a StGB a.F. | 28 | ||
a) Verbrauchsmittelentwendung § 370 I Nr. 5 StGB a.F. | 28 | ||
b) Entwendung aus Not § 248a a.F. | 30 | ||
3. Die Einführung des Selbstbedienungsverfahrens und die Zunahme der registrierten Ladendiebstähle | 31 | ||
a) Entwicklung des Selbstbedienungsgeschäftes | 31 | ||
aa) Der Strukturwandel bei der Form des Warenangebotes | 31 | ||
bb) Konkrete Entwicklung des Selbstbedienungsverfahrens | 33 | ||
b) Die Entwicklung der Ladendiebstahlskriminalität anhand der polizeilichen Kriminalstatistik | 35 | ||
aa) Statistik des Jahres 2001 | 35 | ||
bb) Entwicklung des Ladendiebstahls seit 1963 | 35 | ||
(1) Die Aussagekraft der PKS vor 1977 trotz unterschiedlicher Definitionen des Ladendiebstahles | 35 | ||
(2) Die Entwicklung der Ladendiebstahlskriminalität von 1963–1979 | 36 | ||
cc) Grenzen der polizeilichen Kriminalstatistik | 37 | ||
c) Die polizeiliche Kriminalstatistik im Vergleich zur Entwicklung der Selbstbedienungsgeschäfte | 40 | ||
III. Empirische Daten zum Delikt des Ladendiebstahls | 41 | ||
1. Die Dunkelfeldforschung | 41 | ||
a) Täterbefragung | 42 | ||
b) Opferbefragung | 43 | ||
c) Experimente | 45 | ||
d) Zwischenergebnis | 46 | ||
2. Tätergruppen | 46 | ||
3. Altersstruktur | 50 | ||
4. Diebstahlsobjekte und Schadenshöhe | 52 | ||
IV. Zusammenfassung | 53 | ||
§ 2 Die Verfahrenseinstellung nach geltendem Recht | 55 | ||
I. Die geschichtliche Entwicklung der §§ 153, 153a StPO und § 248a StGB | 56 | ||
1. Geschichtliche Entwicklung der §§ 153, 153a StPO | 56 | ||
a) Unbedingte Verfolgung: RStGB von 1871 und RStPO von 1877 | 56 | ||
b) Notverordnung von 1924 | 57 | ||
c) Nachkriegszeit und 2. Strafrechtsreformgesetz von 1975 | 58 | ||
d) Rechtspflegeentlastungsgesetz von 1993 | 60 | ||
2. § 248a StGB | 60 | ||
II. Anwendungsbereich der §§ 153, 153a StPO | 61 | ||
1. Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 153, 153a StPO | 61 | ||
a) § 153 StPO | 61 | ||
aa) Der Begriff der geringen Schuld | 61 | ||
bb) Begriff des öffentlichen Interesses | 64 | ||
cc) Das Erfordernis der gerichtlichen Zustimmung | 65 | ||
b) § 153a StPO | 66 | ||
2. Anwendung und Bedeutung der §§ 153, 153a StPO in der Praxis | 69 | ||
a) Die Einstellungspraxis von 1977 bis 1989 | 69 | ||
b) Die Einstellungspraxis von 1990–1997 | 70 | ||
c) Die Richtlinien zur Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe | 71 | ||
d) Die Reaktion des Sachbearbeiters im konkreten Einzelfall | 73 | ||
3. Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft | 75 | ||
4. Das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister | 77 | ||
III. Die §§ 153, 153a StPO als „auch-materiell-rechtliche“ Vorschriften | 78 | ||
1. Materiell-rechtliche Erwägungen innerhalb der Tatbestandsmerkmale | 79 | ||
2. § 153 StPO als Strafausschließungsgrund | 80 | ||
3. Abgrenzung von materiellem Recht und Prozessrecht | 81 | ||
4. Indizwirkung der Einstellungspraxis | 83 | ||
IV. Alternativen: „Strafgeld“ und „Sächsisches Verfahrensmodell“ | 84 | ||
1. Das „Strafgeldmodell“ | 84 | ||
2. Das „sächsische Verfahrensmodell“ | 90 | ||
a) Das neue Modell im Überblick | 90 | ||
aa) Die Vorverlagerung des Zustimmungsverfahrens | 91 | ||
bb) Das „Justizkassenmodell“ | 91 | ||
cc) Der konkrete Anwendungsbereich | 92 | ||
dd) Die veröffentlichte Zwischenbilanz | 92 | ||
b) Die Kritik am sächsischen Verfahrensmodell | 94 | ||
V. Zusammenfassung | 99 | ||
§ 3 Zivilrechtliche Reaktionen auf den Ladendiebstahl | 101 | ||
I. Geltendes Zivilrecht | 101 | ||
1. Schadensersatzansprüche aus Vertrag und Delikt | 101 | ||
a) Anspruchsgrundlagen | 101 | ||
b) Schadensumfang | 103 | ||
aa) Aufwendungen vor Entdeckung: Vorsorgekosten | 103 | ||
bb) Aufwendungen nach der Entdeckung: Bearbeitungskosten | 104 | ||
cc) Aufwendungen nach der Entdeckung: Fangprämie | 106 | ||
2. Die zivilrechtliche Vertragsstrafe | 110 | ||
a) Die Voraussetzungen einer Vertragsstrafe | 110 | ||
aa) Die konkludente Annahme | 110 | ||
bb) Die Lehre vom sozialtypischen Verhalten | 112 | ||
b) Der Inhalt der Vertragsstrafe | 113 | ||
3. Zusammenfassung | 114 | ||
II. Alternativentwurf eines Gesetzes gegen den Ladendiebstahl | 114 | ||
1. Grundzüge des AE-GLD | 114 | ||
2. Kritik am AE-GLD | 117 | ||
3. Zusammenfassung | 128 | ||
§ 4 Vorschriften zur Behandlung geringfügiger Ladendiebstähle nach anderen Rechtsordnungen | 129 | ||
I. Umgang mit der Bagatellkriminalität nach österreichischem Recht | 129 | ||
1. § 42 ÖStGB | 129 | ||
a) Inhalt des § 42 ÖStGB | 129 | ||
b) Rechtsnatur der Vorschrift | 133 | ||
c) Kritische Würdigung | 135 | ||
2. Privilegierung bestimmter Diebstahlsformen nach § 141 ÖStGB | 138 | ||
3. Die intervenierende Diversion | 138 | ||
a) Gegenstand der intervenierenden Diversion | 139 | ||
aa) Voraussetzungen | 139 | ||
bb) Anwendungsberechtigte | 139 | ||
cc) Diversionsmaßnahmen | 140 | ||
(1) Geldbuße | 140 | ||
(2) Probezeit | 140 | ||
(3) Der außergerichtliche Tatausgleich | 141 | ||
b) Kritik an der intervenierenden Diversion | 141 | ||
II. Regelungen im StGB der ehemaligen DDR | 142 | ||
1. Anwendungsbereich | 142 | ||
2. Kritische Würdigung | 145 | ||
§ 5 Verbrechen und Bagatellprinzip | 149 | ||
I. Der Begriff des Verbrechens | 149 | ||
1. Das freiheitliche Rechtsgesetz | 149 | ||
2. Der Begriff des Unrechts | 150 | ||
3. Das Verbrechen als fundamentale Rechtsverletzung | 152 | ||
a) Rechtsguttheorie | 152 | ||
b) Qualität der Rechtsverletzung | 154 | ||
II. Das Bagatellprinzip | 155 | ||
1. Die positiv-rechtliche Zuordnung geringfügigen Unrechtes | 155 | ||
2. Das Bagatellprinzip als Diskrepanz zwischen formellem und materiellem Verbrechensbegriff | 157 | ||
III. Ladendiebstahl und Bagatellprinzip | 161 | ||
1. Die methodische Bestimmung des Bagatelldeliktes und seiner Rechtsfolge | 161 | ||
a) Die methodische Bestimmung des Bagatelldeliktes | 162 | ||
aa) Die Bedeutung präventiver Aspekte für die Bestimmung eines Bagatelldeliktes | 163 | ||
bb) Die Unterscheidung zwischen Unrechts- und Schuldgehalt | 163 | ||
(1) Die Funktion des Unrechtstatbestandes | 164 | ||
(2) Die Bedeutung der Schuld für die Bestimmung des Bagatelldeliktes | 164 | ||
cc) Das Verhältnis zwischen Unrechtsgehalt und Schuld | 165 | ||
b) Die methodische Bestimmung der Reaktion auf ein Bagatelldelikt | 167 | ||
aa) Präventive Erwägungen sind im Schuldprinzip zu integrieren | 167 | ||
bb) Generalpräventive Erwägungen und die Auswahl der gebotenen Rechtsfolge | 170 | ||
(1) Die eingeschränkte Zulässigkeit der negativen Generalprävention | 171 | ||
(2) Die eingeschränkte Wirkung der Generalprävention | 172 | ||
cc) Die Bestimmung der absoluten Bagatelle | 174 | ||
c) Schlussfolgerungen aus den gewonnenen Erkenntnissen | 175 | ||
2. Der Ladendiebstahl als Bagatelldelikt im Unrechtszusammenhang | 176 | ||
a) Methodisches Vorgehen innerhalb des Unrechtszusammenhanges | 177 | ||
aa) Bemessung anhand von Vergleichsfällen | 177 | ||
bb) Negative Eingrenzung | 177 | ||
b) Geringfügigkeit des Erfolgsunrechtes | 178 | ||
aa) Geringwertigkeit des Tatobjektes | 179 | ||
(1) Geschichtliche Grundlagen | 179 | ||
(2) Feste Wertegrenze | 180 | ||
(3) Konkrete Wertegrenze | 182 | ||
bb) Das Bedürfnis nach weiteren Kriterien des geringfügigen Erfolgsunrechtes | 184 | ||
cc) Betroffenheit des geschützten Rechtsgutes Eigentum | 185 | ||
dd) Der beobachte Diebstahl als versuchte Tat | 189 | ||
(1) Enklaventheorie | 189 | ||
(2) Kritische Würdigung | 191 | ||
c) Handlungsunrecht | 197 | ||
aa) Das Handlungsunrecht bei dem Bruch gelockerten Gewahrsams | 197 | ||
bb) Das Handlungsunrecht bei Vorhandensein eines elektronischen Sicherungsetikettes | 199 | ||
(1) Verwirklichung des Regelbeispiels nach § 243 I Nr. 2 StGB | 199 | ||
(2) Auswirkung der Erfüllung des Regelbeispiels | 202 | ||
d) Das Verhältnis der einzelnen Faktoren im Unrechtszusammenhang | 203 | ||
3. Der Ladendiebstahl als Bagatelldelikt im Zusammenhang der personenbezogenen Strafzumessungsschuld | 205 | ||
a) Beurteilungsgrundlage | 205 | ||
aa) Zur Doppelverwertung von Unrechtsgesichtspunkten der Tat | 206 | ||
bb) Die Festlegung der personenbezogenen Strafzumessungsschuld im Einzelfall | 206 | ||
b) Indizien für eine geringe Strafzumessungsschuld | 207 | ||
aa) Der Ladendiebstahl aus dem Motiv der persönlichen Not | 207 | ||
bb) Der Ladendiebstahl aus einer unmittelbaren Anreiz- und Bedürfnissituation | 209 | ||
cc) Die Schadenswiedergutmachung als schuldmindernder Faktor | 211 | ||
(1) Die gesetzliche Regelung der §§ 46 II, 46a StGB | 211 | ||
(2) Ladendiebstahl und Schadenswiedergutmachung | 213 | ||
(3) Voraussetzungen für eine schuldreduzierende Wirkung | 215 | ||
dd) Die schulderhöhende Wirkung der wiederholten Tatbegehung | 216 | ||
ee) Das Bagatelldelikt im Zusammenhang der Strafzumessung und die „feste“ Wertegrenze bei der Betrachtung der Tat | 217 | ||
4. Die Bestimmung der gebotenen Sanktion im Einzelfall | 218 | ||
§ 6 Ladendiebstahl und Ordnungsunrecht | 219 | ||
I. Der Begriff der Ordnungswidrigkeit in Abgrenzung zum Verbrechen und zum Bagatelldelikt | 219 | ||
1. Überblick der Abgrenzungskriterien | 219 | ||
2. Geschichtliche Entwicklung des Ordnungsunrechtes | 220 | ||
a) Einheitslösung: Tatbestände im Strafgesetzbuch | 220 | ||
b) Lösung in den Krisenjahren: Schrankenloses Verwaltungsunrecht | 221 | ||
c) Kombinationslösung: Wirtschaftsunrecht als Ordnungswidrigkeit oder Straftat | 221 | ||
d) Trennungslösung: Umfassendes Ordnungsunrecht | 223 | ||
e) Zusammenfassung | 227 | ||
3. Die Möglichkeit einer graduellen Abgrenzung | 228 | ||
a) Die qualitative Unterscheidung | 228 | ||
b) Die graduelle, quantitative Abgrenzung | 229 | ||
4. Schutz eines abstrakten Ordnungssystems | 235 | ||
5. Gesellschaftliche Bewertung | 237 | ||
6. Zusammenfassung | 240 | ||
II. Der Ausschluss einer Zuordnung zum Ordnungsunrecht | 241 | ||
1. Die Ordnungsfunktion im Vordergrund des Unrechtsvorwurfs | 242 | ||
a) Die Begründung der abstrakten Ordnungsfunktion | 242 | ||
b) Der Vorrang der Ordnungsfunktion | 243 | ||
2. Die gesellschaftliche Bewertung des Ladendiebstahls | 246 | ||
a) Anerkenntnis der geringfügigen Rechtsverletzung | 247 | ||
b) Eigentum in den Augen der Gesellschaft | 247 | ||
c) Der Ladendiebstahl als Nachlässigkeit | 248 | ||
3. Schlussfolgerung | 250 | ||
§ 7 Zusammenfassung der Ergebnisse | 251 | ||
§ 8 Die konkrete Ausgestaltung des Bagatellprinzips | 260 | ||
1. Das Bagatellprinzip im materiellen Recht | 260 | ||
a) Privilegierende Tatbestände im besonderen Teil | 260 | ||
b) Die gesetzliche Regelung im allgemeinen Teil des Strafrechtes | 261 | ||
2. Die angemessene Rechtsfolge nach dem Bagatellprinzip | 262 | ||
a) Die Schadenswiedergutmachung | 263 | ||
b) Die Geldauflage | 264 | ||
c) Die Probezeit | 265 | ||
3. Die prozessuale Umsetzung des Bagatellprinzips | 266 | ||
a) Die Einstellung durch den Staatsanwalt | 266 | ||
b) Das vereinfachte Gerichtsverfahren | 267 | ||
aa) Das „Bochumer Modell“ | 268 | ||
bb) Die Vorzüge des beschleunigten Verfahrens | 269 | ||
cc) Die Modifikation des „Bochumer Modells“ | 270 | ||
4. Zusammenfassung | 270 | ||
Literaturverzeichnis | 272 | ||
Sachwortverzeichnis | 282 |