Leibeigene Bauern und Römisches Recht im 17. Jahrhundert
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Leibeigene Bauern und Römisches Recht im 17. Jahrhundert
Ein Gutachten des David Mevius
Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, Vol. 52
(2006)
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Abstract
Der 30jährige Krieg dezimierte die ländliche Bevölkerung Europas um die Hälfte. Die Überlebenden flohen in weniger heimgesuchte Gebiete. Nach Kriegsende stellten viele Grundbesitzer Nachforschungen nach den von ihren Ländereien geflohenen Bauern an. Sie überzogen entweder die Bauern selbst, oder andere Grundbesitzer, unter deren Schutz die Bauern inzwischen lebten, mit Rückforderungsprozessen und stützten sich auf das Argument, die Bauern seien früher ihre "Leibeigenen" gewesen.Diese Situation lenkte das Interesse der Juristen auf die Frage der Leibeigenschaft. Zu der Vielzahl der hierzu entstandenen Abhandlungen gehört das Gutachten "Ein kurtzes Bedencken über die Fragen, so von dem Zustand, Abforderung und verwiederter Abfolge der Bauersleute" von David Mevius. In ihm nimmt er zu den Fragen der Entstehung der Leibeigenschaft, ihrer Beendigung und ihrer Auswirkungen für den Einzelnen Stellung. Er stützt sich hierbei auf gewohnheitsrechtlich überlieferte Bräuche, Partikularrechte, auf naturrechtliche und christliche Grundsätze, aber auch auf Texte des römischen Rechts über Sklaven, Kolonen, Freigelassene oder freie Menschen. Seine Gewichtung variiert dabei stark von Frage zu Frage. So unterwirft er einige Aspekte, wie etwa die Frage der Parteifähigkeit der Leibeigenen oder die Behandlung bösgläubig flüchtiger Leibeigener ohne größere Abweichungen dem römischen Kolonenrecht. An anderer Stelle, etwa bei der Frage der Ersitzung der Freiheit dank Stadtrechts oder der Beendigung der Leibeigenschaft wegen unmäßiger Grausamkeit des Herrn, kommt Mevius zu Ergebnissen, die das Römische Recht nicht trägt.Im Kern der Untersuchung steht daher die Frage, ob für Mevius der Rückgriff auf das römische Recht ein rechtfertigungsbedürftiger Anachronismus war, oder ob vielmehr jede Bevorzugung eines Partikularrechts, des Gewohnheitsrechts oder Naturrechts einer Rechtfertigung bedurfte.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Danksagung | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
A. Einleitung | 15 | ||
I. Norddeutschland am Ende des 30-jährigen Krieges | 19 | ||
II. Biographie des David Mevius | 22 | ||
III. Das Gutachten „Ein kurtzes Bedencken. . .“ | 28 | ||
1. Die erste Hauptfrage | 31 | ||
2. Die zweite Hauptfrage | 34 | ||
3. Die dritte Hauptfrage | 42 | ||
4. Die vierte Hauptfrage | 48 | ||
B. Kolonen und Leibeigene | 51 | ||
I. Rechtliche Behandlung der Kolonen in der Spätantike | 51 | ||
1. Entstehung des Kolonats | 53 | ||
2. Die Rechtsstellung des Kolonen des römischen Rechts | 59 | ||
a) Die persönliche Rechtsstellung des Kolonen | 60 | ||
b) Das Verhältnis des Kolonen des römischen Rechts zum Boden | 61 | ||
c) Sonstige Rechte und Pflichten des Kolonen | 64 | ||
3. Die Begründung des Verhältnisses des Kolonats | 67 | ||
4. Die Beendigung des Verhältnisses des Kolonats | 68 | ||
II. Die frühneuzeitliche Agrarverfassung | 70 | ||
1. Stellung deutscher Bauern im ausgehenden Mittelalter | 70 | ||
a) Starke Stellung der deutschen Städte | 71 | ||
b) Erleichterungen zwecks Kolonisation | 72 | ||
2. Entwicklung zur Leibeigenschaft | 74 | ||
a) Übergang der Gerichtsbarkeit auf die Grundherren | 76 | ||
b) Rationalisierung der Landwirtschaft und „Bauernlegen“ | 78 | ||
c) Rückforderungsrecht der Gutsherren | 79 | ||
d) Ungemessenheit der Dienste | 81 | ||
e) Einfluss der gelehrten Jurisprudenz | 83 | ||
aa) Der Einfluss des Friedrich Husanus | 86 | ||
bb) Einfluss des David Mevius | 90 | ||
C. Mevius und die Jurisprudenz seiner Zeit | 92 | ||
I. Usus modernus | 94 | ||
II. Entdeckung der deutschen Rechtstradition | 98 | ||
III. Naturrecht | 103 | ||
IV. Christentum | 107 | ||
1. Christliche Weltanschauung und römisches Recht | 108 | ||
2. Die Lutheraner und das römische Recht | 109 | ||
V. Literarische Quellen des David Mevius | 112 | ||
1. Johannes Friedrich Husanus | 113 | ||
2. Johann Hermann Stamm | 113 | ||
3. Ulrich Zasius | 114 | ||
4. Andreas Gaill | 116 | ||
5. Antonius Faber | 117 | ||
6. Giacomo Menochio | 118 | ||
7. Ernst Cothmann | 119 | ||
8. Lucas de Penna | 120 | ||
9. Johannes Oldendorp | 121 | ||
10. Johannes de Platea | 122 | ||
11. Jacobinus de Sancto Georgio | 123 | ||
12. Thomas Grammatico | 124 | ||
D. Einzelfragen der Frühneuzeitlichen Leibeigenschaft | 126 | ||
I. Die Rechtsstellung des Leibeigenen | 126 | ||
1. Vergleichbarkeit der Leibeigenen mit römischen Bevölkerungsschichten | 126 | ||
a) Entstehungsgeschichte der Leibeigenschaft | 127 | ||
b) Rechtliche Einordnung der leibeigenen Bauern | 129 | ||
aa) Die Schichten der bäuerlichen Bevölkerung im Römischen Reich | 130 | ||
bb) Freie Bauern in der frühen Neuzeit | 131 | ||
cc) Pachtleute der frühen Neuzeit | 132 | ||
dd) Leibeigene Bauern der frühen Neuzeit | 133 | ||
ee) Römische Bezeichnungen für deutsche Zustände? | 135 | ||
2. Einzelne persönliche Rechte des leibeigenen Bauern | 138 | ||
a) Patria potestas | 139 | ||
b) Rechtsfähigkeit, Vermögensfähigkeit und Geschäftsfähigkeit | 139 | ||
c) Testierfähigkeit | 140 | ||
d) Parteifähigkeit des Leibeigenen | 141 | ||
aa) Parteifähigkeit der Kolonen im römischen Recht | 142 | ||
bb) Parteifähigkeit der leibeigenen Bauern der Neuzeit | 145 | ||
(1) Keine Klagebefugnis für rufschädigende Klagen gegen den Herrn | 146 | ||
(2) Erforderlichkeit einer Zustimmung des Herrn | 147 | ||
(3) Parteifähigkeit in zivilrechtlichen Streitigkeiten in Ausnahmefällen | 149 | ||
(4) Parteifähigkeit bei bestimmten Straftaten des Herrn | 150 | ||
cc) Parteifähige Leibeigene zwischen Kolonen und Freigelassenen | 151 | ||
II. Schollengebundenheit | 152 | ||
1. Freizügigkeit des Leibeigenen | 153 | ||
a) Schollenbindung im römischen Recht | 154 | ||
b) Bindung des Leibeigenen an Grund und Boden | 155 | ||
aa) Verbot, Grund und Boden zu verlassen | 155 | ||
bb) Flucht des Leibeigenen und ihre Konsequenzen | 158 | ||
(1) Zulässigkeit der Ergreifung durch den Herrn selbst | 158 | ||
(2) Zugriff auf den Flüchtigen von Seiten der Obrigkeit | 162 | ||
(3) Festsetzen des Flüchtigen in privaten Gefängnissen | 163 | ||
(4) Sanktionen gegen Fluchthelfer | 164 | ||
(5) Besonders verwerflicher Vorgang der Flucht | 166 | ||
c) Leibeigene als freie partes fundi | 167 | ||
2. Trennung von Land und Leibeigenen | 168 | ||
a) Verkauf von Kolonen nach römischem Recht | 168 | ||
b) Loslösung der Leibeigenen von Grund und Boden durch den Herrn | 171 | ||
aa) Verbot jeglicher Trennung nach gemeinem Recht | 171 | ||
bb) Gewohnheitsrechtliche Zulässigkeit der Trennung | 172 | ||
cc) Trennung gegen den Willen des Leibeigenen | 173 | ||
(1) Handel mit Leibeigenen aufgrund Gewohnheitsrechts | 173 | ||
(2) Konsequenzen dieses Handels | 174 | ||
c) Handel mit Leibeigenen zwischen ius commune und Gewohnheit | 175 | ||
III. Familienstand | 176 | ||
1. Ehen im römischen Kolonenrecht | 177 | ||
2. Ehen zwischen leibeigenen Bauern | 180 | ||
a) Wirksamkeit der Ehe zwischen zwei Leibeigenen | 181 | ||
b) Ehe zwischen einem Leibeigenen und einer Freien | 181 | ||
c) Auswirkungen der Ehe auf den Stand der Ehefrau | 183 | ||
aa) Schutz der freien Frau | 185 | ||
bb) Bedingungen dieses Schutzes | 186 | ||
cc) Stand der Frau nach dem Tod des Mannes | 187 | ||
d) Ehe zwischen Leibeigenen verschiedener Herren | 188 | ||
3. Römische und christliche Einflüsse auf die Ehe des Leibeigenen | 189 | ||
a) Gültigkeit von Sklavenehen und gemischten Ehen | 189 | ||
b) Standesveränderung durch die Ehe und error conditionis | 190 | ||
c) Erfordernis der Zustimmung des Herrn | 193 | ||
IV. Leibeigenschaft durch Geburt | 196 | ||
1. Nachkommen römischer Kolonen | 197 | ||
2. Nachkommen leibeigener Bauern | 199 | ||
a) Verschiedene Stände der Eltern im Geburtszeitpunkt | 200 | ||
b) Noch keine Leibeigenschaft der Eltern im Geburtszeitpunkt | 202 | ||
aa) Leibeigenschaft des Vaters als Sühne für eine Straftat | 203 | ||
bb) Leibeigenschaft der Kinder durch vertragliche Vereinbarung | 204 | ||
cc) Unterwerfung aus einer Notsituation heraus | 205 | ||
3. Kinder leibeigener Bauern zwischen Kolonen und Freien | 205 | ||
V. Leibeigenschaft durch Vertrag | 206 | ||
1. Unfreiheit durch Vertrag in Rom | 207 | ||
2. Vertrag zur Begründung der Leibeigenschaft | 208 | ||
a) Wirksamkeit der vertraglichen Aufgabe der Freiheit | 208 | ||
aa) Verfechter der Unwirksamkeit | 209 | ||
(1) Keine Aufhebung der Freiheit durch Vertrag | 209 | ||
(2) Bäuerliche Dienste stehen dem Boden zu | 210 | ||
bb) Befürworter der Wirksamkeit | 211 | ||
(1) Vorbilder aus biblischer Zeit | 211 | ||
(2) Vorbilder aus römischer Zeit | 212 | ||
(3) Zeitgenössische Vorbilder | 214 | ||
b) Indizien und Beweis der Leibeigenschaft | 215 | ||
c) Auswirkungen solcher Verträge auf die Freiheit der Kinder | 217 | ||
3. Römischrechtliche Grundsätze und gewohnheitsrechtliche Bräuche | 218 | ||
VI. Beendigung der Leibeigenschaft wegen saevitia des Herrn | 219 | ||
1. Spuren von Sanktionen der saevitia im römischen Recht | 221 | ||
2. Saevitia gegen leibeigene Bauern | 224 | ||
a) Rechtfertigung der Sanktionen wegen saevitia | 225 | ||
aa) Erst-recht-Schluss aus dem Sklavenrecht | 225 | ||
bb) Öffentliches Interesse – dominorum interest | 227 | ||
cc) Abutens imperio, privator | 228 | ||
b) Erlaubte, angemessene Bestrafung | 229 | ||
c) Einfluss der Obrigkeit in Fällen der saevitia des Herrn | 230 | ||
d) Einfluss Dritter auf das Verhältnis zwischen Herrn und Leibeigenem | 232 | ||
3. Ein neuartiger Beendigungsgrund für die Unfreiheit | 233 | ||
a) Loslösung vom römischen Recht im Interesse der Leibeigenen | 234 | ||
b) Humanitäre Motivation der Befreiung wegen saevitia? | 235 | ||
c) Naturrecht, Christentum und Menschenrechte | 236 | ||
VII. Beendigung durch Verjährung | 238 | ||
1. Ersitzung – Verjährung nach römischem Recht | 239 | ||
a) Vorklassische und klassische Entwicklung | 239 | ||
b) Nachklassische Entwicklungen | 240 | ||
c) Die Justinianische Ordnung | 241 | ||
d) Die Ersitzung der Freiheit | 242 | ||
2. Ersitzung der Freiheit für leibeigene Bauern | 243 | ||
a) Verjährungsdauer | 244 | ||
aa) Verjährungsdauer bei flüchtigen Leibeigenen | 244 | ||
(1) Keine ordentliche Ersitzung der Freiheit für fugitivi | 244 | ||
(2) Außerordentliche Verjährung für fugitivi | 245 | ||
(a) Lediglich praescriptio infinitae memoriae möglich | 245 | ||
(b) Praescriptio nach 40 Jahren | 246 | ||
bb) Gerechtfertigter Glaube des Bauern an seine Freiheit | 248 | ||
(1) Kurze Verjährungsfrist des C. 7, 22, 2 für gutgläubige Bauern | 248 | ||
(2) Zehn- oder zwanzigjährige Frist gemäß C. 7, 22, 2 | 250 | ||
cc) Abzug aus unabwendbaren Notsituationen | 251 | ||
dd) Verjährungsdauer bei Zugriffsmöglichkeit des Herrn | 251 | ||
b) Untätigkeit des Herrn | 252 | ||
aa) Praescriptio in poenam negligentiae | 253 | ||
bb) Grenzen der vorwerfbaren negligentia | 253 | ||
c) Modifikation der Ersitzung durch Stadtrechte oder Gewohnheitsrecht | 255 | ||
aa) Erschwerung der Verjährung | 255 | ||
bb) Erleichterung der Verjährung | 256 | ||
(1) Rechtfertigung der städtischen Privilegien | 257 | ||
(2) Freiheit aufgrund Stadtrechts nur bei Gutgläubigkeit | 258 | ||
(3) Bürgerrecht nur bei bürgerlichem Leben | 259 | ||
(4) Ablauf der Bürgerrechte | 260 | ||
3. Rückgriff auf römisches Recht im Grundsatz, Modifikation im Detail | 261 | ||
a) Ersitzung unter den Voraussetzungen des römischen Rechts | 261 | ||
b) Neuartige Ersitzungsmöglichkeiten dank städtischer Privilegien | 263 | ||
E. Die tatsächliche Rolle des römischen Rechts bei Mevius | 265 | ||
F. Das Gutachten des David Mevius | 271 | ||
Index | 359 | ||
Aufstellung sämtlicher von David Mevius zitierter Literatur | 362 | ||
Quellenverzeichnis | 367 | ||
Literaturverzeichnis | 369 | ||
Personenverzeichnis | 380 | ||
Sachwortverzeichnis | 382 |