Legitimation und Grenzen der strafrechtlichen Vertreterhaftung nach § 14 StGB
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Legitimation und Grenzen der strafrechtlichen Vertreterhaftung nach § 14 StGB
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 236
(2012)
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Tobias Ceffinato studierte von 2003 bis 2009 Rechtswissenschaften mit wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung an der Universität Bayreuth. Im Anschluss an das Studium war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Strafrecht I der Universität Bayreuth (Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Nikolaus Bosch) tätig. Seit April 2011 ist Tobias Ceffinato Rechtsreferendar im Bezirk des OLG Bamberg und nebenberuflich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bayreuth tätig.Abstract
Die Vertreterhaftung in Unternehmen ist geprägt durch eine anhaltende gesellschaftliche Entwicklung und wirft aufgrund ihrer Positionierung inmitten außerstrafrechtlicher Erforderlichkeit einer Vertretung infolge rechtlicher oder tatsächlich-ökonomischer Bedürfnisse, strafrechtlicher Individualhaftung und Tatbestandsbestimmtheit besondere Probleme auf. Abgekoppelt von ihren meist zivilrechtlichen Wurzeln geht es nicht um die Zurechnung des Vertreterverhaltens an den Vertretenen, sondern gemäß der Zielrichtung des Strafrechts um die Verantwortlichkeit des Vertreters. Diese Verantwortlichkeit wird im Zusammenhang mit wirtschaftsstrafrechtlichen Sachverhalten zunehmend im Bereich der Unternehmensleitung verankert, wovon auch § 14 I StGB ausgeht. Werden allerdings Zuständigkeitsbereiche im Anwendungsbereich von Sonderpflichtdelikten insgesamt übertragen, geht damit eine Befreiung von bestehenden Pflichten einher. Die Frage, wann Zuständigkeiten insgesamt übertragen werden, hat in § 14 II StGB eine Antwort gefunden.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 15 | ||
Vorüberlegungen | 19 | ||
§ 1 Einleitung | 20 | ||
I. Der rechtliche und gesellschaftliche Wandel als Problem bei der Realisierung der Bedingungen des Rechtsgüterschutzes innerhalb der modernen Gesellschaft | 20 | ||
1. Rechtsanpassung als Folge des gesellschaftlichen Wandels („rechtliches Phänomen“) | 23 | ||
a) Juristische Personen | 24 | ||
b) Personengesellschaften | 26 | ||
c) Der Zwang zur Rechtsanpassung wegen der Schwierigkeiten im Bereich der Organhaftung | 27 | ||
2. Rechtsanpassung als Folge der modernen Arbeitsteiligkeit („tatsächliches Phänomen“) | 30 | ||
3. Zwischenergebnis | 35 | ||
II. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Gang der Untersuchung | 35 | ||
III. Neuartige Problemkonstellationen als Anlass der Untersuchung | 39 | ||
1. Faktische Konzernierung | 40 | ||
2. Legitimationsketten | 42 | ||
3. Objektive Unstimmigkeiten bezüglich Grund und Grenzen der Vertreterhaftung | 43 | ||
§ 2 Bausteine der Vertreterhaftung – Zur Binnensystematik des Rechts | 46 | ||
I. Zivilrechtsakzessorietät und Eigenständigkeit des Strafrechts | 47 | ||
1. Die zivilrechtsakzessorische Betrachtungsweise im Problemaufriss | 50 | ||
2. Die tatsächliche Betrachtungsweise als potentielle Lösung | 51 | ||
3. Stellungnahme | 53 | ||
a) Kritik an der Prämisse der tatsächlichen Betrachtungsweise | 54 | ||
b) Zum Verhältnis von Zivilrecht und Strafrecht im Allgemeinen | 59 | ||
aa) Zum Spannungsverhältnis zwischen der Einheit der Rechtsordnung und der unterschiedlichen Zweckrichtung der Rechtsgebiete | 59 | ||
bb) Gegenüberstellung der Ergebnisse ähnlich gelagerter Fragestellungen | 64 | ||
(1) Zur Akzessorietät der Eigentumsdelikte | 65 | ||
(2) Zur Akzessorietät der Vermögensdelikte | 68 | ||
(3) Exkurs: Zur Akzessorietät des Umweltstrafrechts | 69 | ||
(4) Zwischenergebnis | 70 | ||
c) Schlussfolgerung zu ausgewählten Sonderdelikten | 72 | ||
aa) Der Arbeitgeber i. S. d. § 266a StGB | 72 | ||
bb) Der Schuldner nach den §§ 283ff. StGB | 75 | ||
cc) Gefangener, Unfallbeteiligter und Betriebsinhaber | 78 | ||
dd) Exkurs: Der Organwalter bei § 82 I GmbHG und § 15a IV, V InsO | 78 | ||
(1) Geschäftsführersondertatbestände | 79 | ||
(2) Tatbestände, die sämtliche Organwalter betreffen | 85 | ||
(a) Wortlautbetrachtung | 86 | ||
(b) Systematische Betrachtung | 87 | ||
(c) Intention des MoMiG | 87 | ||
4. Ergebnis | 89 | ||
II. Exkurs: Die Teilnahme an fremder Haupttat als dritte Möglichkeit des Rückbaus? | 92 | ||
1. Mittelbare Täterschaft des Vertretenen | 93 | ||
2. Delinquenz des Vertreters als Eigendelinquenz des Vertretenen? | 96 | ||
3. Teilnahme ohne Haupttat | 100 | ||
III. Das Handeln für einen anderen – Einführende Gedanken zur Grundstruktur des § 14 StGB | 100 | ||
1. Die Wirkweise der Norm | 101 | ||
2. Die Ausgestaltung der Norm | 107 | ||
3. Annäherung an den Anwendungsbereich des § 14 StGB | 110 | ||
a) Nicht positivierte (unechte) Unterlassungsdelikte | 110 | ||
b) Vertretersondertatbestände | 115 | ||
aa) Charakterisierung | 115 | ||
bb) Möglicher Einwand | 116 | ||
4. Schlussfolgerungen | 117 | ||
§ 3 Die Legitimation der Vertreterhaftung – Zur Struktur der Sonderdelikte | 120 | ||
I. Grundlegungen | 120 | ||
II. Zum Besonderen der Sonderdelikte | 123 | ||
1. Die Struktur des strafbaren Unrechts | 127 | ||
2. Das Unrecht der Sonderdelikte | 129 | ||
a) Modifikation des sachlichen Unrechtselements | 129 | ||
b) Modifikation des personalen Unrechtselements | 132 | ||
aa) Die Begründungsvoraussetzungen des Sonderunrechts | 134 | ||
(1) Besondere Tatgeneigtheit des Täters | 134 | ||
(2) Sozial vorgegebener Einflussbereich | 137 | ||
bb) Vom sozialen Einflussbereich zum Sonderunwert | 142 | ||
(1) § 266a StGB | 149 | ||
(2) §§ 283ff. StGB | 153 | ||
(3) Sonderpflichtdelikte des Nebenstrafrechts | 159 | ||
c) Zwischenergebnis | 161 | ||
d) Übereinstimmung mit ähnlichen Konzeptionen und denkbare Einwände | 161 | ||
aa) Ähnlichkeiten zur Konzeption der Überantwortung (Langer) | 161 | ||
bb) Ähnlichkeiten zur Konzeption sozialethischer Verwerflichkeit (Gallas, Blauth) | 163 | ||
cc) Mögliche Einwände | 164 | ||
(1) Garantenpflichten als Erfolgsabwendungspflichten | 164 | ||
(2) Argumentum a minore ad maius | 165 | ||
(3) Umdeutung von Statusdelikten in Funktionsdelikte | 166 | ||
(4) Wiederbelebung der formellen Rechtsquellenlehre | 167 | ||
3. Das Unrecht der im Subjektkreis beschränkten Gemeindelikte | 172 | ||
III. Zur Vereinbarkeit mit abweichenden Konzeptionen | 176 | ||
1. Die Übertragung von Sonderpflichten | 176 | ||
2. Die Lehre von den Pflichtdelikten (Roxin, Radtke, Rogall) | 178 | ||
a) Kritik | 179 | ||
b) Die Neufundierung der Pflichtdelikte in der Garantentheorie | 185 | ||
c) Zwischenergebnis | 188 | ||
3. Die Lehre vom Garantensonderdelikt (Schünemann) | 188 | ||
a) Kritik | 189 | ||
b) Zwischenergebnis | 193 | ||
4. Das einheitliche Kriterium der Sonderverantwortlichkeit (Freund) | 193 | ||
a) Kritik | 194 | ||
b) Zur Begründung solidarischer Pflichten im Strafrecht | 197 | ||
IV. Ergebnis | 198 | ||
§ 4 Der Rechtsgrund der strafrechtlichen Organ- und Vertreterhaftung | 204 | ||
I. Die Organwalterhaftung | 210 | ||
1. Übertragung einer bestehenden Garantenposition | 212 | ||
a) Abweichendes Ergebnis durch Parallelisierung zum außerstrafrechtlichen Bereich? | 215 | ||
b) Die Vorgehensweise der Rechtsprechung | 217 | ||
c) Eindeutigkeit ähnlich gelagerter Konstellationen | 223 | ||
d) Vereinbarkeit der Ablehnung abgeleiteter Garantenpflichten mit § 30 OWiG | 226 | ||
e) Schlussfolgerungen | 228 | ||
2. Sekundärpflicht zur Wahrnehmung von außerstrafrechtlichen Pflichten des Verbandes | 228 | ||
3. Auf das Verhaltensunrecht abgestimmter Kompetenzansatz | 235 | ||
a) Die Begründung der eigenen Ansicht | 235 | ||
aa) Tatsächliche Übernahme von Schutzfunktionen | 238 | ||
(1) Dogmatische Fundierung des Ergebnisses | 242 | ||
(2) Kritische Reflexion des Ansatzes | 247 | ||
bb) Originäre Sicherungspflicht | 253 | ||
(1) Dogmatische Herleitung der Sicherungspflichten | 256 | ||
(2) Kritische Reflexion des Ansatzes | 257 | ||
cc) Zwischenergebnis | 260 | ||
b) Sonderproblematik: Strohmann und faktischer Geschäftsführer | 262 | ||
aa) Strafbarkeit des Strohmanns / der Strohfrau | 262 | ||
bb) Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers | 263 | ||
c) Denkbare Kritik am entwickelten Modell | 268 | ||
aa) Unterscheidung originäre – fremde Organwalterpflichten | 268 | ||
bb) Horizontale Verantwortungsverteilung | 271 | ||
cc) Vorsätzliche Straftatbegehung durch Unternehmensmitarbeiter | 274 | ||
dd) Überformung der Pflichten des Individuums | 275 | ||
II. Die Haftung gewillkürter Vertreter | 276 | ||
1. Gewillkürte Vertretung natürlicher Personen | 276 | ||
2. Gewillkürte Vertretung rechtsfähiger Personenmehrheiten | 278 | ||
a) Delegation von Aufgaben | 279 | ||
b) Vertikale Aufgabenverteilung | 282 | ||
c) Die erforderliche Gleichheit im Straftatunwert | 284 | ||
3. Zum Erfordernis einer Kompetenz zur Delegation | 291 | ||
III. Mögliche Einwände gegen das gefundene Erklärungsmodell | 292 | ||
1. Das Handeln „als“ Vertreter als zusätzliche Restriktion? | 293 | ||
2. Sozialadäquanz der Pflichtenübertragung als Maßstab? | 296 | ||
3. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse | 298 | ||
IV. Die abweichenden Konzeptionen der Rechtslehre | 299 | ||
1. Pflichtenteilhabe | 300 | ||
a) Die Variante nach Blauth | 300 | ||
b) Die Spielart Roxins (Pflichtenübernahme) | 304 | ||
c) Fazit | 305 | ||
2. Garantentheorie | 306 | ||
3. Theorie der systemischen Repräsentantenhaftung | 308 | ||
4. Gedanke des Rechtsmissbrauchs | 313 | ||
V. Ergebnis | 314 | ||
§ 5 Die nähere Ausgestaltung der Organ- und Vertreterhaftung | 315 | ||
I. Der personale Anwendungsbereich | 315 | ||
1. Die erforderliche Betriebsbezogenheit der Vertretungsverhältnisse | 315 | ||
a) Deutungsversuch | 316 | ||
b) Auswirkungen der Beschränkung | 318 | ||
c) Der Ausschluss der gewillkürten Einzelvertretung | 321 | ||
2. Die ausdrückliche Auftragserteilung nach § 14 II 1 Nr. 2 StGB | 321 | ||
a) Die Deutungsversuche der herrschenden Meinung | 321 | ||
b) Versuch einer eigenen pflichtentheoretischen Ausdeutung | 323 | ||
3. Exkurs: Zur Geltung des Gesamthandsprinzips im Strafrecht | 325 | ||
a) Keine Parallele zum Vermögensschutz von Personengesellschaften | 327 | ||
b) Die gesellschaftsrechtlichen Gesamthandskonzeptionen | 328 | ||
c) Auswirkungen der Vermögensinhaberschaft | 330 | ||
II. Der sachliche Anwendungsbereich – Der Begriff der besonderen persönlichen Merkmale | 332 | ||
1. Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs nach den dargetanen Vertreterhaftungstheorien | 332 | ||
a) Pflichtentheorie | 332 | ||
b) Garantentheorie | 335 | ||
c) Sonderpflichtentheorie | 336 | ||
d) Zwischenergebnis | 337 | ||
2. Zum Verhältnis von § 28 I StGB und § 14 StGB | 339 | ||
3. Der Bedeutungsgehalt der besonderen persönlichen Merkmale | 342 | ||
4. Antizipierung der Einordnung durch die frühere Rechtsprechung | 346 | ||
5. Schlussfolgerungen für den sachlichen Anwendungsbereich des § 14 StGB anhand ausgewählter Deliktstatbestände | 347 | ||
a) Tatbestände, die ein besonderes Merkmal voraussetzen, dessen Träger lediglich der Vertretene ist | 347 | ||
aa) § 266 StGB | 347 | ||
bb) §§ 266a, 283 I Nrn. 5, 7 StGB | 351 | ||
cc) §§ 283 I Nrn. 1–4, 8 und § 288 StGB | 354 | ||
(1) Entgegenstehender Wille des Gesetzgebers | 356 | ||
(2) Leerlaufen der §§ 283 I Nrn. 2–4, 8 StGB in Vertretungsverhältnissen | 358 | ||
(3) Alternativitätsverhältnis zwischen § 283 StGB und § 283d StGB | 359 | ||
(4) Exkurs: Eingeschränkter Anwendungsbereich des § 283d StGB gegenüber § 283 StGB | 359 | ||
dd) § 370 I Nr. 2 AO | 361 | ||
ee) § 142 StGB | 364 | ||
b) Tatbestände, bei denen die Tathandlung bei akzessorischer Betrachtungsweise als Handlung des Vertretenen interpretiert wird | 365 | ||
aa) § 284 StGB | 365 | ||
bb) §§ 325ff. StGB | 370 | ||
c) Ergebnis | 373 | ||
§ 6 Die Auswirkungen des Lösungsmodells auf verbliebene Problemkonstellationen | 375 | ||
I. Verantwortlichkeit bei Legitimationsketten | 375 | ||
II. Verantwortlichkeit bei faktischer Konzernierung | 377 | ||
III. Verantwortlichkeit herrschender Gesellschafter | 378 | ||
IV. Verantwortlichkeit in der Einmann-GmbH | 379 | ||
§ 7 Zusammenfassung in Thesenform und Ausblick | 383 | ||
I. Zusammenfassung in Thesen | 383 | ||
II. Ausblick | 388 | ||
Anhang | 390 | ||
Literaturverzeichnis | 392 | ||
Sachwortverzeichnis | 418 |