Strafe und Versöhnung
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Strafe und Versöhnung
Eine moral- und rechtsphilosophische Analyse von Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich als Formen unserer Praxis
Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 261
(2012)
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About The Author
Anja Schmidt ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie an der Juristenfakultät der Universität Leipzig tätig. Sie forscht in den Bereichen des Strafrechts, der praktischen Philosophie und der Geschlechterkritik. Neben ihrer Dissertation hat sie unter anderem zu Geschlechterrollen und Selbstständigkeit sowie zur geschlechterkritischen Sicht auf die Grundannahmen des Rechts und auf die rechtliche Regelung von Geschlecht und Sexualität veröffentlicht.Abstract
In der Untersuchung wird der vernünftige Sinn von Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich philosophisch fundiert analysiert. Dabei wurde ein holistischer Ansatz gewählt, weil sich mit ihm nicht nur Rechtsinstitute wie die Strafe, sondern auch rechtlich nicht unmittelbar regelbare Formen wie der Täter-Opfer-Ausgleich verstehen lassen. Die Strafe wird als staatlich-einseitig festgestellte Minderung des Täters in seinem Rechtsstatus zur rechtlichen Bewältigung einer Straftat verstanden. Der Täter-Opfer-Ausgleich wird als eine Form der unmittelbar-persönlichen Tatbewältigung zwischen Täter und Opfer im Weg eines Versöhnungsprozesses erläutert, die zwar rechtlich nicht erzwungen, aber in ihren Bedingungen rechtlich abgesichert werden kann, zum Beispiel hinsichtlich der Einrichtung zuständiger Stellen. Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich sind demnach eigenständige Formen der Bewältigung einer Straftat, können aber zueinander in Beziehung gesetzt werden. In der abschließenden Kritik des § 46a Nr. 1 StGB wird vorgeschlagen, diese Norm systematisch-teleologisch einschränkend auszulegen und den Täter-Opfer-Ausgleich rechtlich eigenständig zur Absicherung seiner Bedingungen zu regeln. Wichtiges Anliegen der Arbeit ist es zu verdeutlichen, dass die Rolle des Opfers bei der Bewältigung einer Straftat weiter gestärkt werden muss. Dafür müssen unmittelbar-persönliche Bewältigungsprozesse wie Versöhnung in den Fokus rechtlicher und ethisch-moralischer Theorie und Praxis rücken, weil sie angesichts der sich immer wieder verwirklichenden menschlichen Fehlbarkeit zentral für unser Miteinander sind.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsübersicht | 9 | ||
Inhaltsverzeichnis | 11 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 18 | ||
I. Kapitel: Einführung | 21 | ||
1. Ausgangssituation | 21 | ||
2. Fragestellung und Verortung im Forschungsfeld | 25 | ||
3. Methode | 30 | ||
a) Aufgabe der Philosophie nach Thomas Rentsch | 30 | ||
b) Methode des Philosophierens nach Thomas Rentsch | 31 | ||
aa) Hermeneutisch | 31 | ||
bb) Beschreibend (phänomenologisch) und praktisch (pragmatisch) | 32 | ||
cc) Transzendental | 33 | ||
dd) Aufweis der Grundzüge der Lebenswelt in paradigmatischer Praxisanalyse | 34 | ||
c) Philosophische Analyse von Praxisformen oder Interexistentialanalyse | 37 | ||
4. Gang der Untersuchung | 40 | ||
II. Kapitel: Moralität oder das Beurteilen von Praxisformen | 42 | ||
1. Kritik des Prüfverfahrens des kategorischen Imperativs | 42 | ||
a) Prüfverfahren des kategorischen Imperativs | 42 | ||
b) Einwand des „leeren Formalismus“ | 43 | ||
c) Einwand des Rigorismus | 47 | ||
d) Einwand des idealen Sollens | 48 | ||
e) Unzureichende Ausformung des Aspekts der Vorgängigkeit von Praxisformen | 49 | ||
f) Zusammenfassung | 50 | ||
2. Konstitution der Moralität nach Thomas Rentsch | 51 | ||
a) Vorgängigkeit gelebter Praxisformen | 51 | ||
b) Grundzüge der Lebenswelt als Rationalitätskriterien für praktisches Urteilen | 52 | ||
aa) Lebenswelt | 52 | ||
bb) Gleichursprüngliche Grundzüge der Lebenswelt als Rationalitätskriterien | 53 | ||
cc) Vernunft und Grundzüge der Lebenswelt | 55 | ||
c) Grundzüge der Lebenswelt | 56 | ||
aa) Situationalität | 56 | ||
bb) Selbstverhältnis I: Existenz | 57 | ||
cc) Wirklichkeit, Sinngetragenheit und Sprachlichkeit | 59 | ||
dd) Gemeinsamkeit oder Interexistentialität | 61 | ||
ee) Selbstverhältnis II: Einsamkeit | 63 | ||
ff) Leiblichkeit, Empfinden und naturale Getragenheit | 64 | ||
gg) Räumlichkeit und Zeitlichkeit | 66 | ||
hh) Möglichkeit und Begrenztheit (Endlichkeit) | 67 | ||
ii) Selbstverhältnis III: Existenz als Selbstständige | 68 | ||
(1) Selbstständigkeit als Neubeginn innerhalb einer vorgängigen Praxis | 68 | ||
(2) Praktische Sinnentwürfe und Rationalitätskriterien | 71 | ||
(3) Fehlbarkeit und Paradox menschlicher Selbstständigkeit | 73 | ||
(4) Ausrichtung der Sinngestalten auf Erfüllung | 76 | ||
(5) Praxisformen als spezifische komplexe Sinngestalten | 77 | ||
(6) Praktische Sinngestalten als kommunikative Interexistentiale | 78 | ||
jj) Interexistenz und Existenz (interexistentielle Abhängigkeit und Achtung) | 79 | ||
kk) singuläre Totalität | 81 | ||
ll) Fragilität | 84 | ||
mm) Asymmetrie (Dominanz oder Herrschaft) | 85 | ||
(1) Gründe für die Asymmetrie der Lebensverhältnisse, Macht und Gewalt | 85 | ||
(2) Recht als auf die Asymmetrie der Lebensverhältnisse bezogene Praxisform | 86 | ||
(a) Recht als ursprüngliche Praxisform und Gerechtigkeit | 86 | ||
(b) Kriterien für gerechtes Recht | 87 | ||
(c) Gewaltmonopol des Staates | 89 | ||
(d) Strafrecht | 90 | ||
nn) Zusammenfassung | 90 | ||
d) Moralität als einsichtsgetragenes Verhalten | 91 | ||
aa) Moralität als Verhalten aus Pflicht? | 91 | ||
bb) Sinn der Rede von der Pflicht zu einem bestimmten Verhalten | 93 | ||
cc) Bedeutung für die Grenzen rechtlicher Regelbarkeit | 95 | ||
3. Verwobenheit von Faktizität und Normativität sowie naturalistischer Fehlschluss | 97 | ||
4. Zusammenfassung | 99 | ||
III. Kapitel: Straftat | 101 | ||
1. Straftat als kommunikatives Interexistential und ursprüngliche Praxisform sowie Methode der Analyse | 101 | ||
2. Erläuterung des vernünftigen Sinns des Interexistentials der Straftat | 103 | ||
a) Paradigmen und Strömungen in der wissenschaftlichen Diskussion um den Straftatbegriff | 103 | ||
aa) Positives Recht | 103 | ||
bb) Straftat als spezifische Verletzung des Rechts (materiale Verbrechensbegriffe) | 105 | ||
cc) Straftat als Konflikt | 107 | ||
dd) Straftat als Konflikt und spezifische Verletzung des Rechts | 108 | ||
b) Erläuterung des vernünftigen Sinns des Interexistentials der Straftat als spezifisch rechtlich verbotene existentiell-missachtende Verletzung | 110 | ||
aa) Straftat als singuläre Totalität | 110 | ||
bb) Unmittelbar-persönliche, rechtlich eingehegte Ebene der Straftat im Hinblick auf den Täter-Opfer-Ausgleich | 112 | ||
(1) Missachtende Verletzung durch einen Menschen | 112 | ||
(a) Als Ausdruck der selbstständigen Weltgestaltung durch den Täter | 112 | ||
(b) Als Gestaltung des wechselseitigen Verhältnisses als Missachtung | 114 | ||
(c) Als Gestaltung des eigenen Lebens | 117 | ||
(2) Existentielle Verletzung eines Menschen | 117 | ||
(a) Missachtung des Opfers als in der Selbstorientierung Gleiches | 117 | ||
(b) Leiblichkeit | 120 | ||
(c) Zugeordnete Bereiche gemeinsamer Wirklichkeit | 122 | ||
(d) Existentielle Verletzung | 123 | ||
(3) Das strafrechtliche Verbot als rechtliche Einhegung der unmittelbar persönlichen Ebene (rechtlich ausgeformtes Anerkennungsgeflecht) | 126 | ||
cc) Ebene der Straftat als Missachtung des Rechts, soweit sie mit Strafe rechtlich bewältigt werden kann | 129 | ||
dd) Sinn der Unterscheidung zwischen der rechtlich eingehegten unmittelbar-persönlichen Verletzungsdimension und der Dimension der Missachtung des Rechts | 133 | ||
ee) Wirklichkeit von Straftaten als unumkehrbare und je einzigartige Gestaltungen des gemeinsamen Lebens mit Wirkung für die Zukunft | 135 | ||
3. Zusammenfassung | 137 | ||
IV. Kapitel: Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich als Formen der Bewältigung von Straftaten | 138 | ||
1. Bewältigung von Straftaten als unumkehrbar Geschehenes | 138 | ||
a) Wiedergutmachung der Tat? | 138 | ||
b) Tatbewältigung und das Paradox der Selbstständigkeit | 139 | ||
2. Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich als kommunikative Interexistentiale und ursprüngliche Praxisformen | 141 | ||
a) Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich als kommunikative Interexistentiale | 141 | ||
b) Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich als ursprüngliche Praxisformen | 142 | ||
c) Methode der Analyse | 145 | ||
3. Vernünftiger Sinn von Strafe | 145 | ||
a) Strafe in der Rechtspraxis | 145 | ||
b) Strömungen in der wissenschaftlichen Diskussion um den Begriff der Strafe | 147 | ||
aa) Tatorientierte (absolute) Straftheorien | 148 | ||
(1) Wiedervergeltung | 148 | ||
(2) Wiedervergeltung im Wert | 149 | ||
(3) Aspekte kritischer Analyse | 150 | ||
bb) präventive (relative) Straftheorien | 152 | ||
(1) Generalpräventiv | 152 | ||
(2) Spezialpräventiv | 153 | ||
(3) Aspekte kritischer Analyse | 154 | ||
cc) Abschaffung des Strafens | 155 | ||
(1) Darstellung der Theorie | 155 | ||
(2) Aspekte kritischer Analyse | 156 | ||
dd) Sühnefunktion der Strafe | 158 | ||
ee) Verschiedene Elemente vereinigende Theorien | 159 | ||
(1) § 46 I StGB und der seiner Anwendung zugrunde liegende Vereinigungsgedanke | 160 | ||
(a) Darstellung | 160 | ||
(b) Aspekte kritischer Analyse | 161 | ||
(2) Wiederherstellung des Rechts als Recht mit Integration präventiver Zwecke nach Michael Köhler | 162 | ||
(a) Zum Letztbegründungsanspruch der Theorie | 162 | ||
(b) Darstellung der Inhalte der Theorie | 167 | ||
(c) Kritische Analyse der Inhalte | 170 | ||
(aa) Unhintergehbarkeit der Selbstständigkeit | 170 | ||
(bb) Vorrangstellung der Existentialität vor der Interexistentialität | 171 | ||
(3) Schuldausgleich in Verbindung mit präventiven Zwecken nach Ernst Amadeus Wolff | 174 | ||
c) Erläuterung des vernünftigen Sinns des Interexistentials der Strafe als gemeinsame rechtliche Form unserer Praxis zur Bewältigung von Verbrechen | 178 | ||
aa) Das Strafen als ursprüngliche Praxisform und kommunikatives Interexistential | 178 | ||
bb) spezifischer komplexer Sinn des Strafens als einseitig-feststellende Wiederherstellung des Anerkennungsgeflechts mit rechtlichen Mitteln | 179 | ||
(1) Minderung des Rechtsstatus des Täters | 179 | ||
(2) Wiederherstellung des Rechts und normbestätigende Wirkung gegenüber den Angehörigen der Rechtsgemeinschaft | 181 | ||
(3) Bestätigung des Rechtsstatus des Tatopfers und Erledigung der Tat im Bereich möglicher wechselseitiger Gewaltausübung | 183 | ||
(4) Strafen als kommunikativer Prozess | 184 | ||
(5) Strafe als Rechtsinstitut | 185 | ||
d) Zusammenfassung | 185 | ||
4. Vernünftiger Sinn des Täter-Opfer-Ausgleichs als Versöhnungsprozess | 186 | ||
a) Täter-Opfer-Ausgleich in der Praxis | 186 | ||
aa) Entwicklung und Praxis des Täter-Opfer-Ausgleichs als Verfahren der Konfliktschlichtung | 187 | ||
bb) Einbindung des Täter-Opfer-Ausgleichs in das Recht | 191 | ||
b) Verhältnis der Interexistentiale Täter-Opfer-Ausgleich und Versöhnung | 193 | ||
c) Paradigmen und wissenschaftliche Entfaltungen des Interexistentials der Versöhnung | 194 | ||
d) Erläuterung des vernünftigen Sinns des Interexistentials des Täter-Opfer-Ausgleichs als Versöhnungsprozess nach einer Straftat | 197 | ||
aa) kommunikative Aufarbeitung der Tat | 197 | ||
(1) Verstehen der Tat | 198 | ||
(2) Tat als gemeinsam erzählte Geschichte | 199 | ||
(3) Selbstbehauptung | 200 | ||
(4) Aufrichtigkeit | 201 | ||
(5) Existenz, Interexistenz und Sprachlichkeit | 201 | ||
bb) Reue und Sichentschuldigen | 201 | ||
(1) Reue und das Paradox der Selbstständigkeit | 201 | ||
(2) Sichentschuldigen: Äußern der Reue als kommunikativer Akt | 203 | ||
(3) Aufrichtigkeit | 204 | ||
cc) Verzeihen (Vergeben, Ent-schuldigen) | 205 | ||
(1) Verzeihen, das Paradox der Selbstständigkeit und das Unverzeihliche | 205 | ||
(2) Verzeihen als kommunikativer Akt (jemanden Ent-schuldigen) | 208 | ||
(3) Aufrichtigkeit | 209 | ||
dd) Bedeutung von Ausgleichsleistungen | 211 | ||
ee) Versöhnung als wechselseitiger kommunikativer Prozess | 213 | ||
(1) Versöhnung als wechselseitiger Prozess | 213 | ||
(2) Versöhnung als Form der wechselseitigen Anerkennung oder Modus der kommunikativen Solidarität | 215 | ||
(3) Faktische (A-)Symmetrien zwischen Täter und Opfer im Bewältigungsprozess | 216 | ||
ff) Konfliktvermittlung durch geschulte Dritte | 217 | ||
gg) rechtliche Regelung des Versöhnungsprozesses im Täter-Opfer-Ausgleich | 219 | ||
(1) Faktische Sinnlosigkeit einer rechtlichen Pflicht zur Konfliktbeilegung im Täter-Opfer-Ausgleich | 219 | ||
(2) Institutionelle Absicherung des Täter-Opfer-Ausgleichs | 220 | ||
e) Zusammenfassung | 221 | ||
5. Verhältnis von Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich | 222 | ||
a) eigenständiges Nebeneinander von Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich | 222 | ||
aa) eigenständiges Nebeneinander von Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich als Ergebnis der Interexistentialanalyse | 222 | ||
bb) Abgrenzung zu anderen Positionen zum Verhältnis von Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich | 224 | ||
b) Wechselwirkungen zwischen Strafe und Täter-Opfer-Ausgleich am Beispiel des § 46a Nr. 1 StGB | 225 | ||
aa) Regelung des § 46a Nr. 1 StGB und gesetzgeberische Motive | 226 | ||
bb) Grundzüge der Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB in der Rechtsprechung | 227 | ||
cc) kritische Analyse | 230 | ||
(1) Keine „Wiedergutmachung“ der Tat | 231 | ||
(2) § 46a Nr. 1 StGB als vertypter Strafmilderungsgrund wegen eines bestimmten Nachtatverhaltens | 231 | ||
(a) Aufrichtige Reue der Täterin und gelungene unmittelbar-persönliche Tatbewältigung als strafmildernder Umstand | 232 | ||
(b) Kritik des § 46a Nr. 1 StGB als vertypter Strafmilderungsgrund | 235 | ||
(c) Vorschläge zur systematisch-teleologischen Auslegung des § 46a Nr. 1 StGB | 236 | ||
(d) Kritik des § 46a Nr. 1 StGB als Regelung des Täter-Opfer-Ausgleichs | 239 | ||
(3) Eigenständige rechtliche Institutionalisierung des Täter-Opfer-Ausgleichs | 240 | ||
c) Zusammenfassung | 241 | ||
V. Kapitel: Zusammenfassung | 242 | ||
1. Ertrag der Untersuchung | 242 | ||
2. Zusammenfassende Thesen | 245 | ||
Literaturverzeichnis | 254 | ||
Sachverzeichnis | 264 |