Grenzen des Paternalismus im Strafrecht
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Grenzen des Paternalismus im Strafrecht
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 239
(2013)
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Maria Rigopoulou, geboren 1981 in Patras/Griechenland, studierte Jura an der Nationalen Kapodistrias Universität Athen. Nach einem Aufbaustudium (LL.M. im deutschen Recht) an der Ludwig-Maximilians-Universität München promovierte sie unter der Betreuung von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Bernd Schünemann. Sie war als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für die Gesamten Strafrechtswissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig. Sie ist seit 2007 Mitglied der Rechtsanwaltskammer Athen.Abstract
Maria Rigopoulou wirft die grundsätzliche Frage auf, ob und inwieweit der Staat den Einzelnen vor sich selbst mit den Mitteln des Strafrechts schützen darf. Nach einer Erläuterung der begrifflichen Merkmale einer paternalistischen Rechtsnorm wendet sie sich der rechtsphilosophischen Begründung der Paternalismuskritik zu. Im zweiten Teil der Untersuchung steckt die Autorin die Grenzen der Selbstverfügungsfreiheit aus verfassungsrechtlicher Sicht ab. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ein aufgedrängter staatlicher Schutz gegen den freiverantwortlichen Willen des Betroffenen gegen das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes verstößt. Anhand einer kritischen Darstellung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entlarvt sie schließlich die latenten Strategien für die Legitimation der paternalistisch suspekten Vorschriften.Im dritten Teil der Arbeit analysiert Rigopoulou die strafrechtsspezifischen Einwände gegen den direkten Paternalismus und untersucht besonders problematische Tatbestände mit Rückgriff auf das Prinzip eines autonomieorientierten (weichen) strafrechtlichen Paternalismus. Schließlich werden die Typologien des indirekten Paternalismus behandelt und die Einwilligungsdogmatik des Allgemeinen Teils des Strafrechts erneut bearbeitet.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 9 | ||
Inhaltsverzeichnis | 11 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 17 | ||
Einleitung | 19 | ||
A. Problemstellung | 19 | ||
B. Prolegomena zum thematischen Feld der Untersuchung | 20 | ||
C. Grundgedanke der Untersuchung | 21 | ||
D. Begriffliche Vorfragen | 23 | ||
1. Teil: Rechtsphilosophische Grundlagen | 27 | ||
A. Die Relevanz einer philosophischen Grundlegung des Antipaternalismus | 27 | ||
I. Die Inadäquatheit der konsequentialistischen Begründung der Paternalismuskritik | 28 | ||
II. Weicher Paternalismus als die liberale Lösung | 32 | ||
1. Feinbergs Modell | 33 | ||
2. Selbstverfügung als intrapersonaler Rechtspflichtverstoß? | 35 | ||
3. Weicher Paternalismus im Lichte beschränkter Rationalität (Bounded Rationality) | 38 | ||
B. Leitlinien zur Zulässigkeit eines begrenzten staatlichen (nicht-strafrechtlichen) Paternalismus | 40 | ||
2. Teil: Verfassungsrechtliche Grundlagen | 47 | ||
A. Die Paternalismuskritik als Produkt des politischen Liberalismus | 47 | ||
B. Die grundrechtsdogmatische Verortung der Selbstverfügungsfreiheit | 50 | ||
I. Die Relevanz der einzelnen Grundrechte für den grundrechtlichen Schutz selbstverfügender Entscheidungen | 50 | ||
II. Der Schutz des selbstverfügenden Verhaltens durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG | 53 | ||
III. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Grundrecht zur Abwehr von Paternalismus | 55 | ||
C. Schranken der Verfügungsfreiheit | 57 | ||
I. Der Schutz des mündigen Menschen vor sich selbst als legitimer Gesetzeszweck | 58 | ||
1. Verfassungsrechtlich vorgegebene Zwecke | 58 | ||
a) Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten | 59 | ||
b) Schranken aus dem Schutz der Menschenwürde | 61 | ||
c) Das Sozialstaatsprinzip | 66 | ||
d) Zwischenergebnis | 67 | ||
2. Grenzen der Zwecksetzungskompetenz des Gesetzgebers | 67 | ||
II. Schranken der Verfügungsfreiheit bei defizitären Entscheidungen | 73 | ||
1. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Geisteskranken- und Jugendschutzes vor selbstgefährdenden Handlungen | 73 | ||
2. Vorgaben für die normative Relevanz defizitärer Entscheidungen grundsätzlich kompetenter Personen unter dem Grundgesetz | 78 | ||
3. Verfassungsrechtliche Grenzen weich paternalistischer Eingriffe | 82 | ||
III. Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung und der Rechte anderer | 84 | ||
1. Beeinträchtigung von Rechten Dritter | 85 | ||
2. Bestand der Gesellschaft | 89 | ||
3. Der Schutz der Allgemeinheit vor Folgekosten von selbstschädigenden Verhaltensweisen | 93 | ||
IV. Die Schranke des Sittengesetzes | 98 | ||
V. Der Schutz des Menschen vor sich selbst in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 100 | ||
1. Entscheidungen über den allgemeinen Rechtspaternalismus | 100 | ||
2. Entscheidungen über den strafrechtlichen Paternalismus | 106 | ||
VI. Zwischenergebnis | 114 | ||
3. Teil: Direkter strafrechtlicher Paternalismus | 115 | ||
A. Strafrechtsspezifische Einwände gegen den direkten Paternalismus | 117 | ||
I. Strafrechtsfundamentaler Einwand | 118 | ||
II. Strafrechtsutilitaristischer Einwand | 123 | ||
III. Präventionsstrafrechtlicher Einwand | 125 | ||
IV. Strafrechtsethischer Einwand | 128 | ||
B. Besonderer Teil | 130 | ||
I. Die Strafbarkeit des Erwerbs und Besitzes von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BtMG | 132 | ||
1. Schutz inkompetenter Betäubungsmittelkonsumenten (weicher Paternalismus) | 134 | ||
a) Betäubungsmittelabhängigkeit als Grund der Zurechnung | 135 | ||
b) Jugendschutz | 138 | ||
c) Konsequenzen für das abstrakte Gefährdungsdelikt des Verbots des Erwerbs und Besitzes von Betäubungsmitteln: weicher Paternalismus als Erweiterungsprinzip der Kriminalisierung? | 138 | ||
2. Schutz der Rechte und Interessen Dritter und der Gesellschaft | 145 | ||
a) Schutz der Volksgesundheit als kollektives Rechtsgut | 145 | ||
b) Schutz konkreter Interessen Dritter | 149 | ||
3. Staatliche Drogenverkehrshoheit als Zwischenrechtsgut | 154 | ||
4. Zwischenergebnis | 156 | ||
II. Strafbarer Organhandel gem. § 18 Abs. 1 TPG | 157 | ||
1. Schutz der Menschenwürde des Spenders (harter Paternalismus) | 160 | ||
2. Gesundheitsschutz des Spenders vor sich selbst (harter Paternalismus) | 165 | ||
3. Schutz vor Ausbeutung von existentiellen Notlagen (weicher Paternalismus) | 167 | ||
a) Schutz von potentiellen Organempfängern vor Ausnutzung einer gesundheitlichen Notlage | 168 | ||
b) Schutz von potentiellen Organspendern vor Ausnutzung einer wirtschaftlichen Notlage | 170 | ||
4. Schutz vor Selbstkorrumpierung (weicher Paternalismus) | 177 | ||
5. Schutz des Pietätsgefühls der Allgemeinheit | 180 | ||
6. Bekämpfung des Organhandels in Schwellen- und Entwicklungsländern | 182 | ||
7. Schutz der Integrität der Transplantationsmedizin | 184 | ||
8. Zwischenergebnis | 187 | ||
III. Paternalistische Verbote im Recht der Ordnungswidrigkeiten | 188 | ||
IV. Zwischenergebnis | 192 | ||
4. Teil: Typologien des indirekten Paternalismus im Strafrecht | 194 | ||
A. Die freiverantwortliche, die Rechte anderer nicht beeinträchtigende, selbstverfügende Opferentscheidung als normativer Ausgangspunkt für die Beurteilung des Verhaltens des Außenstehenden | 195 | ||
I. Die Fälle der Mitwirkung an einer eigenverantwortlichen Selbstschädigung | 195 | ||
1. Kritik zum Teilnahmeargument der h.M. | 195 | ||
2. Das Prinzip der Selbstverantwortung | 198 | ||
a) Dogmatische Einordnung innerhalb der Lehre der objektiven Zurechnung: das Veranlassen bzw. Ermöglichen eigenverantwortlicher Selbstschädigungen als ein rechtlich erlaubtes Risiko | 200 | ||
aa) Die Ausgliederung des rechtlich unerlaubten Risikos in die Prüfung des tatbestandsmäßigen Verhaltens | 200 | ||
bb) Fehlen einer rechtlich missbilligten Gefahrschaffung kraft Eigenverantwortlichkeit des Opfers | 203 | ||
II. Die Fälle der einverständlichen Fremdschädigung | 206 | ||
1. Die Position der Rechtsprechung | 206 | ||
2. Normative Kriterien zur Abgrenzung zwischen strafloser Mitwirkung an eigenverantwortlicher Selbstschädigung und Fremdtötungstäterschaft in der Literatur | 210 | ||
a) Das Kriterium der Tatherrschaft | 210 | ||
b) Abgrenzung nach dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit | 219 | ||
c) Das Kriterium des tatbestandsmäßigen Verhaltens nach Murmann | 225 | ||
III. Die Fälle der eigenverantwortlichen Selbst- und der einverständlichen Fremdgefährdung | 228 | ||
1. Die Abgrenzung zwischen Schädigungs- und Gefährdungssituation | 228 | ||
2. Die dogmatische Differenzierung zwischen der Beteiligung an einer Selbstgefährdung und der einverständlichen Fremdgefährdung anhand des Kriteriums der Tatherrschaft | 229 | ||
3. Dogmatische Behandlung der Beteiligung an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung | 235 | ||
a) Der Erst-Recht-Schluss | 235 | ||
b) Die Lehre vom Schutzzweck der Norm | 237 | ||
c) Dogmatische Grenzen des viktimodogmatischen Ansatzes | 239 | ||
d) Eigenverantwortlichkeit des Opfers als maßgebliches Zurechnungskriterium und ihre Einschränkung im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts | 242 | ||
4. Die Behandlung der Fälle der einverständlichen Fremdgefährdung | 245 | ||
a) Die Sorgfaltswidrigkeitslösung | 246 | ||
b) Die Rechtsfigur der Risikoeinwilligung | 247 | ||
aa) Einwilligung in die Gefährdung | 248 | ||
bb) Disponibilität des Rechtsguts | 251 | ||
c) Die tatbestandliche Zurechnungslösung | 256 | ||
d) Plädoyer zugunsten einer Streichung der dogmatischen Kategorie der einverständlichen Fremdgefährdung | 259 | ||
IV. Dogmatische Einordnung der Einwilligung: ein Problem „sinnvoller Begriffsbildung“ | 260 | ||
1. Tatbestand und Rechtswidrigkeit als Grundkategorien des Deliktstypus | 262 | ||
2. Die Einwilligung als Sonderfall des Ausschlusses der objektiven Zurechnung | 267 | ||
B. Grenzen der Selbstverfügungsfreiheit wegen defizitärer Entscheidungen | 271 | ||
I. Normativ relevante Defizite bei der Einwilligung | 272 | ||
1. Täuschungen | 273 | ||
2. Irrtümer | 279 | ||
3. Drohung und Zwang | 280 | ||
II. Zum Begriff der Verantwortlichkeit in Fällen der Selbstschädigung bzw. -gefährdung | 284 | ||
III. Zur normativen Gleichwertigkeit von Selbstverletzung und einverständlicher Fremdverletzung – eine einheitliche Beurteilung der Verantwortlichkeit für defizitäre Entscheidungen? | 291 | ||
IV. §§ 216, 228 StGB als abstrakter Schutz vor der Gefahr von Entscheidungsdefiziten | 294 | ||
1. Die abstrakte Gefahr fehlender Freiverantwortlichkeit des Tötungsverlangens | 295 | ||
2. Der Verstoß gegen die guten Sitten als (mögliche) Verfehlung der Autonomie des Einwilligenden | 300 | ||
V. Zwischenergebnis | 304 | ||
C. Grenzen der Selbstverfügungsfreiheit aus Rechten anderer | 305 | ||
I. Schutz vor Missbrauchsgefahren | 305 | ||
II. Schutz des Lebens anderer durch Aufrechterhaltung des Tötungstabus | 308 | ||
III. Schutz vor einem Dammbruch | 311 | ||
IV. Schutz des sozialen Friedens | 314 | ||
5. Teil: Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse | 316 | ||
Literaturverzeichnis | 324 | ||
Sachwortverzeichnis | 363 |