Die Heimtücke im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB – ein das vortatliche Opferverhalten berücksichtigendes Tatbestandsmerkmal?
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Die Heimtücke im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB – ein das vortatliche Opferverhalten berücksichtigendes Tatbestandsmerkmal?
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 242
(2013)
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About The Author
Alexandra Zorn, Jahrgang 1979, ist Richterin. Sie studierte Rechtswissenschaften in Erlangen und arbeitete nach dem ersten Staatsexamen am Lehrstuhl für Straf- und Strafprozessrecht von Professor Dr. Volker Erb in Mainz als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Nach dem juristischen Vorbereitungsdienst in Mainz und Tel Aviv absolvierte sie 2011 das zweite Staatsexamen.Abstract
Obwohl das Heimtückemerkmal des § 211 Abs. 2 StGB eines der am häufigsten verwirklichten Mordmerkmale ist, steht bisher keine einheitlich anwendbare Definition zur Verfügung, mit welcher man die zahlreichen problematischen Fallkonstellationen einer sachgerechten Lösung zuführen kann.Die Autorin entwickelt erstmals eine Definition, die ohne fallgruppenspezifische Modifizierungen zu überzeugenden Ergebnissen führt. Ausgangspunkt ist dabei eine normative Auslegung des Heimtückemerkmals, wonach die heimtückische Tötung die $avorsätzliche Tötung eines tatsächlich und wertend betrachtet arglosen und deshalb wehrlosen Opfers$z ist. Wertend betrachtet besteht hierbei die Arglosigkeit, wenn das Opfer $asich keines Angriffs versieht und nicht versehen muss.$z Damit steht das vortatliche Opferverhalten im Fokus der Betrachtung. Die Verhaltensanforderungen an das Opfer werden von der Autorin als $aObliegenheiten$z herausgearbeitet; das Bestehen von Obliegenheiten im Strafrecht wird dabei zunächst begründet und schließlich werden die speziellen Obliegenheiten eines Heimtückemordopfers konkretisiert.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
A. Einleitung und Gegenstand der Arbeit | 15 | ||
B. Die Analyse der Leistungsfähigkeit der bisherigen Heimtückedefinition – Bestandsaufnahme und Bewertung bislang erfolgter Modifizierungen | 17 | ||
I. Die Grundformulierung | 17 | ||
1. Die Arglosigkeit | 18 | ||
a) Die Intensität der Opfervorstellung | 18 | ||
b) Der sachliche Bezug | 20 | ||
c) Der maßgebliche Zeitpunkt | 21 | ||
aa) Der Grundsatz | 21 | ||
bb) Die Ausnahmen | 26 | ||
(1) Die Hinterhalt- oder Fallen-Fälle | 27 | ||
(2) Vorsatzwechsel des Täters/vorsatzlos herbeigeführte Wehrlosigkeit | 31 | ||
cc) Zwischenbilanz und weitere Ausnahmefälle | 37 | ||
d) Die Problematik der konstitutionell Arglosen | 38 | ||
aa) Die Opfertauglichkeit permanent Argloser, insbesondere von Kleinkindern und Geisteskranken | 39 | ||
(1) Die grundsätzliche Behandlung | 39 | ||
(2) Die Ausnahmen aus Sicht der herrschenden Meinung | 45 | ||
bb) Die Opfertauglichkeit Schlafender | 48 | ||
cc) Zusammenfassung | 52 | ||
e) Die (un)berechtigte Arglosigkeit: Darf das Opfer arglos sein oder hätte es argwöhnisch werden müssen? | 52 | ||
aa) Die Fiktion des Argwohns in der „Erpresser“-Entscheidung | 53 | ||
(1) Zum Argument des geringeren Tückegehalts | 57 | ||
(2) Zum Argument des Wertungsgleichklangs der Heimtücke mit dem Notwehrrecht | 61 | ||
(3) Die begriffslogische (Un)Zugänglichkeit der Heimtücke für eine wertende Betrachtung und insbesondere die Opferverantwortung | 67 | ||
(4) Die Verallgemeinerungsfähigkeit der „Erpresser“-Entscheidung | 73 | ||
(5) Zwischenergebnis | 76 | ||
bb) Faktische und fingierte Arglosigkeit bei objektiv offen-feindseligem Auftreten des Täters | 77 | ||
(1) Der „Hirschfängermesser“-Fall | 79 | ||
(2) Der „Wartehallen“-Fall | 82 | ||
(3) Die „Beruhigungs“-Fälle | 83 | ||
(4) Der „Zigarettenschmuggler“-Fall | 86 | ||
(5) Zusammenfassung | 87 | ||
cc) Der Komplex „Tyrannen“-Tötungen | 88 | ||
f) Resümee | 94 | ||
2. Die Wehrlosigkeit | 95 | ||
a) Die eigenständige Bedeutung der Wehrlosigkeit | 95 | ||
b) Die die Wehrlosigkeit ausschließenden Abwehrmöglichkeiten | 99 | ||
aa) Verbale Umstimmung | 100 | ||
bb) Der Hilferuf | 102 | ||
cc) Sonstige Abwehrmöglichkeiten | 105 | ||
3. Die Kausalität der Arglosigkeit für die Wehrlosigkeit | 105 | ||
a) Konstitutionell bedingt arglose Opfer | 106 | ||
b) Die Tötung durch Unterlassen | 107 | ||
4. Die subjektive Seite: Vorsatz und Ausnutzungsbewusstsein des Täters | 110 | ||
a) Das Verhältnis von Ausnutzungsbewusstsein und Heimtückevorsatz | 110 | ||
b) Die Relevanz der Heimtückelage für das Ob der Tötung aus Sicht des Täters | 114 | ||
5. Zusammenfassende Bewertung der Grunddefinition | 118 | ||
II. Einschränkungsvorschläge | 120 | ||
1. Die Überlegung | 120 | ||
2. Die feindliche Willensrichtung | 124 | ||
a) Allgemeine Bedenken | 125 | ||
b) Spezielle Bedenken in Bezug auf die Fallgruppe des gescheiterten Mitnahmesuizids | 127 | ||
c) Spezielle Bedenken bei den Euthanasiefällen | 128 | ||
d) Die feindliche Willensrichtung in Bezug auf die Tötungsmodalität | 130 | ||
e) Fazit | 130 | ||
3. Der verwerfliche Vertrauensbruch | 131 | ||
a) Grundsätzliche Kritik | 131 | ||
b) Die einzelnen Spielarten der Vertrauenslösung | 134 | ||
c) Fazit | 136 | ||
4. Die Typenkorrekturen | 137 | ||
5. Die Rechtsfolgenlösung der Rechtsprechung | 140 | ||
a) Der Einwand der Kompetenzüberschreitung und der Begriff des contra legem-Handelns | 143 | ||
b) Der Vorwurf der Unbestimmtheit | 148 | ||
c) Kritikpunkte im Hinblick auf den mit der Rechtsfolgenlösung erzielbaren Schuldspruch | 149 | ||
d) Die Befürchtungen einer Ausweitung der Unterschreitung gesetzlicher Strafrahmen | 151 | ||
e) Zusammenfassende Würdigung | 152 | ||
6. § 213 StGB und das Konstrukt des „minder schweren Mordes“ | 152 | ||
a) Zur Existenz von Kollisionslagen | 154 | ||
b) Die Rechtsnatur des § 213 StGB beziehungsweise das Verhältnis der §§ 211, 213 StGB | 156 | ||
c) Die Frage einer „Ausstrahlungswirkung“ des § 213 StGB | 159 | ||
d) Abschließende Stellungnahme | 163 | ||
7. Der „Tücke“-Ansatz | 163 | ||
8. Claus Roxins Vorschlag | 166 | ||
9. Zwischenergebnis | 170 | ||
III. Ersetzungs- und Neuregelungsvorschläge | 171 | ||
1. Herbert Michael Veh: „Tötung bei vorwerfbarem Fehlen einer zuvor offen-feindseligen Täter-Opfer-Begegnung“ | 171 | ||
2. Kurt Schmoller: Die „im Verborgenen besonders weitgehend vorbereitete“ Tötung | 175 | ||
3. Maria-Katharina Meyer: „Heimtücke als Mißbrauch sozial-positiver Verhaltensweisen“ | 179 | ||
4. Bernd Müssig: Zweistufiges Modell der Tötungsdelikte mit einer Differenzierung nach Kriterien der objektiven Zurechenbarkeit | 182 | ||
5. Ersatzloses Streichen des Heimtückemerkmals, insbesondere der AE-Leben 2008 | 187 | ||
a) Einzelne Stimmen in der Literatur | 187 | ||
b) Der Alternativ-Entwurf Leben (AE-Leben) | 189 | ||
aa) Grundsätzliche Kritik | 189 | ||
bb) Kritik hinsichtlich der Streichungen der Mordmerkmale ,Heimtücke‘ und ,niederer Beweggrund‘ | 192 | ||
6. Zwischenergebnis | 194 | ||
IV. Der Kerngehalt der Heimtücke | 194 | ||
1. Erkenntnisse aus dem natürlichen Wortsinn des Begriffs | 195 | ||
2. Die besondere Verwerflichkeit, die besondere Tatschuld und die verwerfliche Gesinnung des Täters | 197 | ||
3. Die besondere Gefährlichkeit | 200 | ||
4. Abschließende Stellungnahme | 203 | ||
V. Der zu bevorzugende Bezugsrahmen der Heimtücke: Die Ein-, Zwei- oder Dreistufigkeit der Tötungsdelikte – ein rechtsvergleichender Blick auf die Gestaltung der Tötungsdelikte | 205 | ||
1. Die Dreistufigkeit in der Schweiz | 205 | ||
2. Der Einheitstatbestand in Dänemark | 206 | ||
3. Das zweistufige, privilegierungsausgerichtete Konstrukt in Österreich | 207 | ||
4. Zusammenfassende Bewertung und Präferenz des vorzugswürdigen Systems der Tötungsdelikte für Deutschland | 208 | ||
VI. Hauptergebnisse der Bestandsanalyse und Gang der weiteren Untersuchung | 210 | ||
C. Die Begründung des eigenen Ansatzes: Die normative Auslegung der Heimtücke | 212 | ||
I. Die normative Auslegung | 212 | ||
1. Normative und/oder deskriptive Natur von Rechtsbegriffen als allgemeine Strukturfrage | 213 | ||
2. Speziell die Zugänglichkeit der Heimtücke für wertende Aspekte | 218 | ||
II. Die Einbeziehung des Opferverhaltens bei ausgewählten Regelungszusammenhängen des Allgemeinen Teils des StGB sowie einigen Delikten des Besonderen Teils | 219 | ||
1. Vorbemerkung | 219 | ||
2. Das Meinungsbild zu der Frage, ob das Verhalten des Opfers im Vorfeld der Tat für die strafrechtliche Würdigung der Tat im Tatbestand oder bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist | 222 | ||
a) Thomas Hillenkamp | 222 | ||
aa) Die grundsätzliche Position Hillenkamps | 223 | ||
bb) Hillenkamps Einwand der unzulässigen Tatbestandskorrektur sowie verfassungsrechtliche Bedenken | 224 | ||
cc) Hillenkamps Einwand der zu weitreichenden Konsequenzen tatbestandlicher Berücksichtigung von Opferverhalten | 225 | ||
dd) Speziell auf die Delikte gegen das Leben bezogen: Das Argument der Indisponibilität des Rechtsguts Leben | 226 | ||
ee) Kriminalpolitische Bedenken | 226 | ||
ff) Zusammenfassende Bewertung | 228 | ||
b) Bernd Schünemann und Gunther Arzt | 229 | ||
c) Horst Schüler-Springorum | 231 | ||
d) Tatjana Hörnle | 232 | ||
e) Raimund Hassemer | 234 | ||
f) Die eigene grundsätzliche Position | 237 | ||
3. Regelungszusammenhänge und Rechtsfiguren des Allgemeinen Teils | 237 | ||
a) Die objektive Zurechenbarkeit | 238 | ||
aa) Überblick über verschiedene Ansätze und allgemeine Bedenken dagegen | 238 | ||
bb) Katharina Beckempers Ansatz | 240 | ||
cc) Die Sozialadäquanz | 241 | ||
dd) Fazit | 243 | ||
b) Die Fahrlässigkeit | 243 | ||
aa) Vorbemerkungen | 243 | ||
bb) Der Vertrauensgrundsatz | 244 | ||
cc) Der Ansatz von Peter Frisch | 246 | ||
dd) Fazit | 249 | ||
c) Die Einwilligung und Überlegungen aus der Beteiligungslehre | 249 | ||
aa) Allgemeine Überlegungen | 250 | ||
bb) Die Konzeption Ralf-Peter Fiedlers | 251 | ||
cc) Fazit | 253 | ||
d) Partielle Rechtfertigungen | 253 | ||
e) Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit sowie der materielle Verbrechensbegriff | 257 | ||
f) Die Heranziehung des Rechtsgedanken des § 254 BGB im Strafrecht | 258 | ||
g) Die Maxime der Eigenverantwortung – vor allem der Ingerenzgedanke | 259 | ||
h) Zwischenergebnis | 263 | ||
4. Eine Auswahl von Delikten, die Opferverhalten berücksichtigen | 264 | ||
a) Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, § 174 StGB | 264 | ||
b) Wechselseitig begangene Beleidigungen, § 199 StGB | 266 | ||
c) Verletzung von Privatgeheimnissen, § 203 StGB | 268 | ||
d) Nötigung, § 240 StGB | 268 | ||
e) Diebstahl, § 242 StGB und Unterschlagung, § 246 StGB | 270 | ||
f) Betrug, § 263 StGB | 273 | ||
aa) Der Irrtum über Tatsachen | 274 | ||
bb) Der Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und Irrtum | 279 | ||
cc) Der Vermögensschaden | 280 | ||
dd) Fazit | 281 | ||
g) Zwischenergebnis | 281 | ||
III. Die Vereinbarkeit der Berücksichtigung des Opferverhaltens bei der Auslegung des Heimtückemerkmals mit allgemeinen Grundlagen des Strafrechts | 283 | ||
1. Der ultima ratio-Gedanke und das Subsidiaritätsprinzip | 284 | ||
a) Vorbemerkung und Begriffsbestimmung | 284 | ||
b) Die Kritik des Vorrangs staatlicher Maßnahmen gegenüber privaten Schutzmaßnahmen | 287 | ||
c) Die Bedeutung des ultima ratio-Prinzips für die grundsätzliche Möglichkeit, den Privaten für seinen Rechtsgüterschutz zu verpflichten | 288 | ||
aa) Die Idee eines Gesellschaftsvertrags | 290 | ||
bb) Das Menschenbild unserer Rechtsordnung | 293 | ||
2. Die Höchstwertigkeit des Rechtsguts Leben und die Geeignetheit des Selbstschutzes für den hinreichenden Rechtsgüterschutz | 294 | ||
3. Die Bestimmtheit einer Obliegenheit zum Selbstschutz | 297 | ||
4. Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit | 301 | ||
5. Der Verwirkungsgedanke | 303 | ||
6. Fazit | 304 | ||
IV. Die Konkretisierung opferseitiger Obliegenheiten | 305 | ||
1. Passive und aktive Selbstschutzverletzungen sowie das Wiederaufleben des Heimtückeschutzes | 305 | ||
2. Primäre und sekundäre Pflichten gegenüber sich selbst | 307 | ||
3. Die Relevanz von Vorverhalten des Opfers, das keine Vorsatztat darstellt – sozial unerwünschtes Verhalten und fahrlässige Vortaten | 308 | ||
a) Nichtdeliktisches Verhalten | 308 | ||
b) Fahrlässiges Verhalten | 309 | ||
c) Fazit | 310 | ||
4. Der Umfang des zu erwartenden Angriffs | 310 | ||
5. Der Einfluss der Rechtfertigung des Täters auf die Verneinung der Arglosigkeit des Opfers im Rahmen der wertenden Auslegung | 311 | ||
6. Ergebnis | 312 | ||
D. Die Anwendung der anhand der Erpresser- und Tyrannen-Konstellation entwickelten Heimtückedefinition auf die übrigen Problemfälle der Heimtücke | 313 | ||
I. Die Hinterhalt- und Fallen-Fälle | 313 | ||
II. Heimtückemord durch Unterlassen | 315 | ||
III. Die Tötung konstitutionell bedingt Argloser | 316 | ||
IV. Tatsächliche Arglosigkeit trotz objektiv offen-feindseligem Auftreten des Täters | 316 | ||
V. Die „Onkel“-Entscheidung (BGHSt 30, 105 ff.) | 317 | ||
VI. Mitnahmesuizide und sonstige Tötungen zum vermeintlich Besten des Opfers | 318 | ||
VII. Fazit | 319 | ||
E. Endergebnis und Zusammenfassung | 320 | ||
Literaturverzeichnis | 323 | ||
Sachwortverzeichnis | 344 |