Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch künstlerische Werke
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Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch künstlerische Werke
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 1248
(2013)
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Karoline Sophia Bülow, geboren 1982, studierte deutsch-französische Rechtswissenschaften in München und Paris. Berufserfahrung im Studium sammelte sie beim deutschen Generalkonsulat in Barcelona sowie bei Anwaltskanzleien in Paraguay und Paris. Nach dem 1. Staatsexamen folgte eine Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Gleiss Lutz im Medien- und Presserecht. Die Referendarszeit verbrachte Frau Bülow in Berlin, mit Stationen u.a. bei der Pressekammer des Landgerichts, dem Bundesministerium für Justiz und der Deutschen Botschaft in Tokyo. Nach Abschluss des 2. Staatsexamens 2011 und einer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Noerr LLP ist Frau Bülow seit 2012 Richterin in Berlin. Das Promotionsvorhaben wurde von Prof. Dr. Krieger an der FU Berlin betreut.Abstract
Der Künstler lässt sich für sein Kunstschaffen oftmals von der Realität inspirieren, von seiner eigenen Biographie und von Personen, denen er begegnet ist. Was aber, wenn sich das reale Vorbild bloßgestellt fühlt?Die Analyse zeigt das Spannungsfeld von Persönlichkeitsrechten und künstlerischen Werken ohne Realitätsanspruch. Hierfür wird zunächst erläutert, wie es zu einer Überschneidung von ästhetischen und sozialen Wirkungen der Kunst kommen kann; als klassisches Beispiel dient der Schlüsselroman. Ferner werden die beiden Leitentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts »Mephisto« und »Esra« in die Systematik eingeordnet. Schließlich stellt die Autorin einen eigenen Lösungsansatz vor. Maßgebliches Kriterium ist die Transformationsebene des künstlerischen Werkes. Abzugrenzen sind die Reinform »ästhetischer« Realität, die verschlüsselte sowie die offensichtliche Darstellung der Realität. Nur in letzteren beiden Fällen wird eine Risikobetrachtung durchgeführt.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einleitung | 15 | ||
Kapitel 1: Notwendigkeit einer kunstspezifischen Betrachtungsweise zur Lösung des Konflikts zwischen Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit | 20 | ||
A. Wesensmerkmal der Kunst: Kein Abbild, sondern Transformation der Wirklichkeit | 21 | ||
I. Die Schwierigkeit der Bestimmung von Wirklichkeit und die Transformation der Wirklichkeit durch Kunst | 21 | ||
1. Die Bestimmung der Wirklichkeit | 21 | ||
2. Die Transformation der Wirklichkeit durch Kunst | 23 | ||
3. Abgrenzung der Kunst zu anderen Darstellungsformen | 26 | ||
II. Anerkennung der Kunstspezifität in der deutschen Geschichte | 28 | ||
1. Die Kunstzensur in der Wilhelminischen Ära 1849–1919 | 29 | ||
2. Die Kunstfreiheit unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt in der Weimarer Republik 1919–1933 | 31 | ||
3. Die absolute Negation der freien Kunst während des Nationalsozialismus 1933–1945 | 32 | ||
B. Die grundrechtliche Verwirklichung der Kunstfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG | 35 | ||
I. Wie definiert man Kunst im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG? | 36 | ||
1. Der Konflikt zwischen Notwendigkeit und Unmöglichkeit einer Begriffsbestimmung | 36 | ||
2. Vorschläge für eine Definition des Kunstbegriffs | 37 | ||
3. Gleichlauf von Kunstspezifität im Sinne Schaffung „ästhetischer“ Realität und Schutzbereichseröffnung des Art. 5 Abs. 3 GG? | 41 | ||
II. Praktische Konkordanz zwischen Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit | 41 | ||
1. Die Begrenzung von Grundrechten als notwendiges Korrektiv für eine effektive Grundrechtsausübung | 41 | ||
2. Schrankenbestimmung im Fall der vorbehaltlos gewährleisteten Kunstfreiheit | 42 | ||
3. Wechselwirkung zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht | 45 | ||
C. Zusammenfassung Kapitel 1 | 46 | ||
Kapitel 2: Vereinbarkeit einer kunstspezifischen Betrachtungsweise mit den sozialen Wirkungen der Kunst | 47 | ||
A. Die Problematik der sozialen Wirkungen von Kunst | 48 | ||
I. Nebeneinander von sozialen und ästhetischen Wirkungen der Kunst | 48 | ||
1. Widerspruch zwischen kunstspezifischer Betrachtungsweise und den sozialen Wirkungen der Kunst | 49 | ||
2. Die Rezeption eines Kunstwerks als individueller Akt | 49 | ||
3. Grenzen einer kunstspezifischen Betrachtungsweise im Falle einer bewussten Vermengung von Realität und Fiktion | 51 | ||
II. Beispiel einer bewussten Vermengung von Realität und Fiktion: Der sogenannte Schlüsselroman | 52 | ||
1. Charakteristika eines Schlüsselromans | 53 | ||
2. Klaus Manns „Mephisto“ | 54 | ||
3. Martin Walsers „Tod eines Kritikers“ | 59 | ||
B. Die gesetzliche Ausgestaltung des durch die sozialen Wirkungen der Kunst berührten Persönlichkeitsrechts | 62 | ||
I. Historische Grundlagen des Persönlichkeitsrechts | 63 | ||
1. Ursprünge eines verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrechtsschutzes | 63 | ||
2. Entwicklungsetappen eines zivil- und strafrechtlichen Persönlichkeitsrechtsschutzes | 64 | ||
3. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Bundesrepublik | 66 | ||
a) Im Verfassungsrecht: Herleitung des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG | 66 | ||
b) Im Zivilrecht: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB | 68 | ||
II. Inhaltliche Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts | 69 | ||
1. Im Verfassungsrecht: Mindeststandard eines umfassenden Persönlichkeitsrechtsschutzes | 70 | ||
2. Im Zivilrecht: Verfassungskonforme Auslegung durch normative Leitung | 72 | ||
a) Der Schutz vor Entstellungen, unwahren Behauptungen und Herabsetzungen | 73 | ||
b) Der Schutz vor der Verbreitung von Persönlichkeitsäußerungen und wahren Tatsachen | 74 | ||
c) Der Schutz der Intimsphäre | 74 | ||
d) Der Schutz der Beziehungen zwischen Eltern und Kindern | 75 | ||
e) Der Schutz vor wirtschaftlicher Nutzung | 75 | ||
3. Im Strafrecht: Schutz des Persönlichkeitsrechts in Teilbereichen | 76 | ||
C. Zusammenfassung Kapitel 2 | 77 | ||
Kapitel 3: Die Auflösung des Konflikts zwischen Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit durch den Richter | 79 | ||
A. Folgen der verfassungsrechtlichen Überlagerung des Zivilrechtsstreits für den Prüfungsmaßstab des Zivilrichters | 80 | ||
I. Begründungsansätze zur Unterscheidung zwischen zivilrechtlichem und verfassungsrechtlichem Persönlichkeitsrecht | 81 | ||
1. Die Theorie der unmittelbaren Wirkung von Grundrechten im Privatrecht: Gleichlauf von Zivil- und Verfassungsrecht | 81 | ||
2. Die Theorie der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten: Ausgleich zwischen Privatautonomie und Grundrechtsschutz | 83 | ||
3. Die Theorie der grundrechtlichen Schutzpflichten: Evolution der klassischen Grundrechtsfunktionen | 84 | ||
II. Materielle Gleichwertigkeit von zivilrechtlichem und verfassungsrechtlichem Persönlichkeitsrecht | 88 | ||
1. Bindungswirkung aus Art. 1 Abs. 3 GG für Rechtsprechung und Gesetzgeber | 89 | ||
2. Gleichwertigkeit von Schutzpflichten- und Abwehrgrundrechten | 90 | ||
3. Rechtsschutzgesichtspunkte | 91 | ||
B. Folgen der verfassungsrechtlichen Überlagerung des Zivilrechtsstreites für den Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts | 92 | ||
I. Eingeschränkter Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts | 93 | ||
1. Begrenzung der Prüfung auf spezifisches Verfassungsrecht | 93 | ||
2. Im Mephisto-Urteil: Beschränkung auf eine abstrakte Willkürprüfung | 94 | ||
3. Folge einer reinen Willkürprüfung: Verkürzung des Grundrechtsschutzes | 95 | ||
II. Verfassungsmäßig gebotene Erweiterung des Prüfungsmaßstabes bei besonders intensiven Eingriffen in die Kunstfreiheit | 96 | ||
1. Hohe Eingriffsintensität bei strafrechtlichen Sanktionen | 96 | ||
2. Hohe Eingriffsintensität bei einem Romanverbot | 97 | ||
3. Konsequenz der Erweiterung des Prüfungsmaßstabes: Vollumfängliche Überprüfung zivilrechtlicher Streitigkeiten | 98 | ||
C. Zusammenfassung Kapitel 3 | 99 | ||
Kapitel 4: Die Leitentscheidungen „Mephisto“ und „Esra“ des Bundesverfassungsgerichts: Von der Verselbstständigungs- zur Je-Desto-Formel | 101 | ||
A. Die Mephisto-Entscheidung: Abgleich zwischen Abbild und Urbild nach der Verselbstständigungs-Formel | 102 | ||
I. Anwendung eines „auch“ kunstspezifischen Maßstabes | 103 | ||
1. Die Unterscheidung zwischen realer und „ästhetischer“ Wirklichkeit als Grundlage der Abwägung | 103 | ||
2. Inhalt der Verselbstständigungsformel | 104 | ||
3. Besonderheiten des postmortalen Persönlichkeitsrechts im Konflikt mit der Kunstfreiheit | 107 | ||
II. Unzureichende Beachtung der zeitgeschichtlichen Bedeutung des „Mephisto“ | 109 | ||
1. Die zeitgeschichtliche Bedeutung des „Mephisto“ | 109 | ||
2. „Mephisto“ als Angriff auf die damalige Legitimationsgrundlage der Bundesrepublik | 111 | ||
3. Verkennung der zeitgeschichtlichen Bedeutung durch das Hanseatische Oberlandesgericht | 112 | ||
III. Entscheidungen zwischen Mephisto und Esra | 113 | ||
B. Die Esra-Entscheidung: Die Je-Desto-Formel als Wechselwirkungslehre zwischen Persönlichkeitsbeeinträchtigung und Verfremdung | 115 | ||
I. Kunstspezifische Abwägungsgrundsätze | 116 | ||
1. Grundvoraussetzung: Erkennbarkeit und Bagatellvorbehalt | 116 | ||
2. Notwendigkeit einer kunstspezifischen Abwägung | 118 | ||
3. Vermutung für die Fiktionalität eines Romans | 119 | ||
II. Die Je-Desto-Formel und ihre konkrete Anwendung | 120 | ||
1. Wechselwirkung zwischen Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung und gelungener Verfremdung des realen Vorbildes | 120 | ||
2. Schluss von der Erzählperspektive auf die gelungene Verfremdung | 120 | ||
3. Verhältnismäßigkeit eines Gesamtverbotes | 122 | ||
III. Zusammenfassung der Esra-Leitlinien | 123 | ||
C. Zusammenfassung Kapitel 4 | 124 | ||
Kapitel 5: Die Folgen einer konsequenten Anwendung der Esra-Rechtsprechung für die Freiheit der Kunst | 125 | ||
A. Defizite der Esra-Rechtsprechung mit Blick auf eine kunstspezifische Betrachtungsweise | 126 | ||
I. Kunstfremde Abwägung trotz kunstspezifischer Abwägungsgrundsätze | 126 | ||
1. Schwierige Abgrenzung zwischen Erkennbarkeit und Fiktionalisierung | 127 | ||
2. Schlüssigkeit und Kunstspezifität der Je-Desto-Formel | 129 | ||
3. Widerspruch zwischen der Je-Desto-Formel und einer Vermutung für das Künstlerische | 131 | ||
II. Illustration der mangelnden Kunstspezifität der Esra-Rechtsprechung anhand ihrer exemplarischen Anwendung auf bedeutende Werke der Literatur | 133 | ||
1. Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ | 134 | ||
2. Thomas Manns „Der Tod in Venedig“ | 136 | ||
3. Übertragbarkeit auf weitere Werke der Literatur | 138 | ||
B. Entscheidungen nach „Esra“: Restriktive Anwendung der Je-Desto-Formel | 138 | ||
I. Esra-ähnliche Fälle ohne beabsichtigten Realitätsbezug | 139 | ||
1. Die Entscheidung „Pestalozzis Erben“ | 140 | ||
a) Anwendung einer kunstspezifischen Betrachtungsweise in Form der Vermutung für die Fiktionalität des Werkes | 140 | ||
b) Keine Widerlegung der Vermutung der Fiktionalität | 141 | ||
2. Die Entscheidung „Ehrensache“ | 141 | ||
a) Anwendung einer kunstspezifischen Betrachtungsweise in Form der Vermutung für die Fiktionalität des Werkes | 142 | ||
b) Keine Widerlegung der Vermutung für die Fiktionalität des Werkes | 143 | ||
c) Die autobiographische Erzählform als Indiz für die Darstellung der Wirklichkeit | 143 | ||
d) Verringerte Schutzintensität des postmortalen Persönlichkeitsrechts | 144 | ||
e) Übertragbarkeit der Esra-Grundsätze auf das Theater | 144 | ||
3. Die Entscheidung „Dignitas“ | 145 | ||
a) Schutz des Persönlichkeitsrechts auch von juristischen Personen | 146 | ||
b) Feststellung der Unwahrheit von Tatsachen trotz Anwendung einer kunstspezifischen Betrachtungsweise | 146 | ||
c) Entscheidende Kriterien: Verminderter Persönlichkeitsrechtsschutz von juristischen Personen und legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit | 147 | ||
II. Fälle der Dokufiktion | 148 | ||
1. Die Entscheidung „Contergan“ | 149 | ||
a) Anwendung der Esra-Leitlinien | 150 | ||
b) Abwägung im Rahmen der Doppelhypothese zwischen Persönlichkeitsrecht und den Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG | 151 | ||
c) Keine Berücksichtigung des Schutzes der Eltern-Kind-Beziehung | 152 | ||
2. Die Entscheidung „Kannibale von Rothenburg“ | 153 | ||
a) Berücksichtigung der medialen Selbstvermarktung des Antragstellers | 153 | ||
b) Kein Fall der Esra-Rechtsprechung? | 155 | ||
3. Die Entscheidung „Baader-Meinhof-Komplex“ | 156 | ||
a) Keine erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch die Realitätsabweichungen des Spielfilms | 157 | ||
b) Berücksichtigung der zeitgeschichtlichen Bedeutung des „Baader-Meinhof-Komplex“ | 157 | ||
C. Zusammenfassung Kapitel 5 | 158 | ||
Kapitel 6: Vorschlag eines kunstspezifischen Lösungsansatzes für den Konflikt zwischen Persönlichkeitsrecht und Kunstfreiheit | 160 | ||
A. Zweistufige Prüfung: Gesamtbetrachtung des Werkes und anschließende Abwägung mithilfe einer Risikobetrachtung | 161 | ||
I. Erste Stufe: Abgrenzung zwischen den verschiedenen Transformationsebenen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung | 161 | ||
1. Ausschließliche Darstellung „ästhetischer“ Realität | 162 | ||
2. Verschlüsselte Darstellung der Realität | 163 | ||
3. Offensichtliche Darstellung der Realität | 165 | ||
II. Zweite Stufe: Abwägung mithilfe einer Risikobetrachtung | 165 | ||
1. Faktoren einer Risikobetrachtung auf Seiten des Betroffenen | 166 | ||
2. Faktoren einer Risikobetrachtung auf Seiten des Künstlers | 167 | ||
3. Faktoren einer Risikobetrachtung auf Seiten der Öffentlichkeit | 168 | ||
B. Anwendung des kunstspezifischen Lösungsansatzes auf die Fälle „Esra“ und „Mephisto“ | 171 | ||
I. Im Fall „Esra“: Ablehnung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung auf der ersten Stufe | 172 | ||
1. Ergebnis einer Gesamtbetrachtung: Vorliegen „ästhetischer Realität“ in Reinform | 172 | ||
2. Hilfsweise: Abwägung anhand einer Risikobetrachtung | 175 | ||
II. Im Fall „Mephisto“: Ablehnung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung auf der zweiten Stufe | 176 | ||
1. Ergebnis der Gesamtbetrachtung: Verschlüsselte Darstellung der Realität | 176 | ||
2. Abwägung anhand einer Risikobetrachtung | 176 | ||
C. Zusammenfassung Kapitel 6 | 178 | ||
Zusammenfassung | 179 | ||
Fazit | 182 | ||
Literaturverzeichnis | 184 | ||
Sachwortverzeichnis | 194 |