Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs
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Zur Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 254
(2014)
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Florian Alexander Kirsch studierte an der Universität des Saarlandes Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Deutsche und Internationale Strafrechtspflege, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Im Juni 2011 absolvierte er dort seine Erste Juristische Prüfung. Anschließend promovierte er bei Professor Dr. Carl-Friedrich Stuckenberg, LL.M. (Harvard), an dessen Lehrstühlen in Saarbrücken und Bonn er bis September 2014 arbeitete. Die Dissertation wurde durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des Deutschen Volkes gefördert. Seit August 2013 ist er Referendar am OLG Saarbrücken.Abstract
Die Frage, ob bzw. inwieweit der Nullum-crimen-Satz nicht nur Anforderungen an die Tatbestände des BT, sondern auch an die Zurechnungs- und Vorrangregeln des AT stellt, liegt auf einer Schnittstelle von Strafrecht, allgemeiner Methodenlehre und Verfassungsrecht. Bislang ist sie allerdings unzureichend beantwortet. Normen wie § 13 I StGB werfen im Hinblick auf ihre ausreichende gesetzliche Bestimmtheit nach wie vor Zweifel auf. Ebenso erscheint weiterhin unklar, wie bei solchen Normen die Überschreitung ihrer semantischen Grenzen und damit der Verstoß gegen das Analogieverbot festgestellt werden soll. Mit der vorliegenden Arbeit führt der Autor die Problematik einer verfassungsrechtlich abgesicherten und praxisgerechten Lösung zu. Im Wege einer präziseren Bestimmung des Gewährleistungsgehaltes von Art. 103 II GG begründet er, warum an die gesetzliche Bestimmtheit der Regelungen des AT nur abgeschwächte Anforderungen zu stellen sind. Gleichzeitig werden die Leistungen von Rechtsanwendung und Rechtslehre bei der hier notwendigen Präzisierung anerkannt, aber auch verstärkt in die Pflicht genommen.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
A. Einleitung | 15 | ||
I. Problemaufriss | 15 | ||
II. Der Satz nullum crimen, nulla poena sine lege und seine Ausformungen im Überblick | 18 | ||
1. Verfassungsrechtliche Verankerung und einfachgesetzliche Ausgestaltung | 18 | ||
2. Die Ausformungen des Nullum-crimen-Satzes | 21 | ||
a) Nullum crimen, nulla poena sine lege certa (Bestimmtheitsgebot) | 21 | ||
b) Nullum crimen, nulla poena sine lege stricta (Analogieverbot) | 23 | ||
c) Nullum crimen, nulla poena sine lege scripta (Verbot des Gewohnheitsrechts) | 25 | ||
d) Nullum crimen, nulla poena sine lege praevia (Rückwirkungsverbot) | 26 | ||
III. Verhältnis der Einzelverbürgungen zueinander | 27 | ||
1. Rückwirkungsverbot und Bestimmtheitsgebot bzw. Analogieverbot | 27 | ||
2. Gewohnheitsrechtsverbot und Analogieverbot | 27 | ||
3. Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot | 29 | ||
IV. Kritik am „strafrechtlichen Grundmodell“ | 30 | ||
1. Das „verfassungsrechtliche Grundmodell“ | 30 | ||
2. Erwiderung | 32 | ||
V. Gang der Untersuchung | 33 | ||
B. Historische Entwicklung mit Blick auf die verfolgten Zwecke, internationaler Überblick | 35 | ||
I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips unter Berücksichtigung des Verhältnisses zum Allgemeinen Teil | 35 | ||
1. Erste Ursprünge | 35 | ||
2. Constitutio Criminalis Carolina | 36 | ||
3. Entwicklung im 17. und 18. Jahrhundert | 38 | ||
a) Absolutismus und Aufklärung | 38 | ||
b) Erste gesetzliche Fixierung des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips | 41 | ||
4. Erste deutschsprachige Strafrechtskodifikationen | 41 | ||
a) Josephina | 41 | ||
b) Allgemeines Preußisches Landrecht | 42 | ||
5. Feuerbach und Diskussion in der Wissenschaft | 44 | ||
a) Nullum crimen, nulla poena sine lege | 44 | ||
b) Verhältnis des Nullum-crimen-Satzes zum AT | 46 | ||
6. Weitere Entwicklung des Prinzips in Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert | 47 | ||
a) Kodifikationen deutscher Partikularstaaten | 47 | ||
b) Preußisches StGB und Reichseinheit | 48 | ||
c) Kritik in der Wissenschaft | 50 | ||
7. Weimarer Republik | 50 | ||
8. NS-Zeit | 52 | ||
9. Entwicklung unter der Geltung des Grundgesetzes | 54 | ||
II. Grundgedanken und Zwecke des Gesetzlichkeitsprinzips i. d.F. des Art. 103 II GG | 56 | ||
1. Pluralität der Zwecke | 56 | ||
a) Schuldprinzip | 57 | ||
b) Verhaltenssteuerung | 59 | ||
c) Demokratie und Gewaltenteilung | 60 | ||
d) Rechtssicherheit, Freiheitssicherung, Sicherung der Rechte des Bürgers | 63 | ||
2. Rationes des Bestimmtheitsgebots und des Analogieverbots | 67 | ||
III. Überblick über die internationale Entwicklung und Verbreitung des Gesetzlichkeitsprinzips | 69 | ||
1. Nationale Rechtsordnungen | 70 | ||
a) Italien | 70 | ||
b) Spanien | 71 | ||
c) Portugal | 72 | ||
d) England und Wales, Schottland | 72 | ||
e) Nordische Staaten (an den Beispielen Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland) | 74 | ||
f) Österreich, Schweiz | 75 | ||
g) Frankreich | 76 | ||
h) Polen, Russland | 77 | ||
i) Türkei | 77 | ||
j) USA | 78 | ||
2. Internationale Bestimmungen und gewohnheitsrechtliche Geltung | 79 | ||
IV. Zusammenfassung der Ergebnisse des Kapitels | 80 | ||
C. Bisheriger Verlauf der Diskussion um die Geltung des Gesetzlichkeitsprinzips im Allgemeinen Teil anhand des Beispiels Analogieverbot | 83 | ||
I. Streitstand | 83 | ||
1. Herrschende Meinung: Geltung des Analogieverbots im AT | 85 | ||
a) Stellung von § 1 StGB | 85 | ||
b) Wortlaut von Art. 103 II GG, § 1 StGB und Wesen des AT | 86 | ||
c) Schutzzweck des Art. 103 II GG | 87 | ||
2. Mindermeinung: keine Geltung des Analogieverbots im AT | 89 | ||
a) Ansicht Feuerbachs | 89 | ||
b) Drohende umfassende Revision der Rechtsprechung | 90 | ||
c) Analogieverbot als Generalisierungsverbot (Jakobs) | 91 | ||
d) Lückenhafter Regelungszustand des AT | 93 | ||
3. Vermittelnde Ansätze | 93 | ||
II. Notwendigkeit eines Neuansatzes | 96 | ||
1. Einschränkungen innerhalb der h.M. | 97 | ||
a) Rechtfertigungsgründe | 97 | ||
b) Gewohnheitsrecht | 99 | ||
c) Erweiterte Auslegung | 101 | ||
2. Folgerung | 102 | ||
D. Begriffsbestimmung | 104 | ||
I. Allgemeiner Teil | 104 | ||
1. Herkömmliches Verständnis | 105 | ||
a) Gesetzestechnik | 106 | ||
b) Grundlagencharakter | 108 | ||
aa) Exkurs: begriffliche Abgrenzung | 109 | ||
bb) Trennung von AT und BT als vorzugswürdige Lösung | 111 | ||
c) Herstellung materieller Gerechtigkeit | 112 | ||
2. Eigenständiger Begriff des AT | 114 | ||
a) Conduct rules und rules of adjudication | 115 | ||
b) „Lücken im AT“ – Nauckes Kritik | 118 | ||
c) Rechtsgutsblindheit des AT – Fincke | 120 | ||
d) Geltungs-, Zurechnungs- und Vorrangregeln – Tiedemann | 121 | ||
3. Stellungnahme | 123 | ||
II. Bestimmtheitsgebot | 126 | ||
1. Was bedeutet Gesetzesbestimmtheit? | 127 | ||
2. Die Bestimmtheit eines Gesetzes im System des Grundgesetzes | 133 | ||
a) Allgemeiner Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 20 III GG | 134 | ||
b) Besondere verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebote | 135 | ||
3. Bestimmtheitsgebot im Strafrecht | 136 | ||
a) Anforderungen an das Strafgesetz | 137 | ||
aa) Skeptiker | 137 | ||
bb) Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 139 | ||
cc) Die 50-Prozent-Lösung | 143 | ||
dd) Das Bestimmtheitsgebot im Lichte der sog. personalen Straftatlehre | 144 | ||
ee) Abwägungslösungen | 145 | ||
ff) Drei-Stufen-Schema | 147 | ||
gg) Intersubjektivität der Bedeutungszuschreibung und Bestimmtheitsgebot | 149 | ||
hh) Programmsicherung | 151 | ||
ii) Fazit | 153 | ||
b) Bestimmtheitsgebot als Auslegungsregel: Präzisierungsgebot | 154 | ||
4. Bestimmtheit und AT | 160 | ||
a) Fahrlässigkeit | 160 | ||
aa) Kein Verstoß gegen Art. 103 II GG | 160 | ||
bb) Verstoß gegen Art. 103 II GG | 163 | ||
cc) Verfassungskonforme Auslegung? | 165 | ||
b) § 13 I StGB (Garantenstellung) | 167 | ||
aa) Bundesverfassungsgericht und herrschende Auffassung | 167 | ||
bb) Gegenansicht | 170 | ||
c) Bewertung | 171 | ||
III. Analogieverbot | 173 | ||
1. Abgrenzung von „Analogie“ und Auslegung | 174 | ||
a) Sinn und Zweck | 175 | ||
b) Subjektive Auslegung: historisch ermittelbarer Wille und Zweck des Gesetzgebers | 177 | ||
c) Wortsinngrenze | 178 | ||
2. „Erweitertes“ Analogieverbot | 188 | ||
3. Analogieverbot als Verlängerung des Bestimmtheitsgebots | 191 | ||
a) Adressat des Analogieverbots | 191 | ||
b) Analogieverbot, „erweitertes“ Analogieverbot und Präzisierungsgebot | 195 | ||
4. Analogieverbot und Allgemeiner Teil | 196 | ||
a) Streitfälle | 197 | ||
b) Fazit | 200 | ||
E. Verfassungsrechtliche Natur und Struktur des Art. 103 II GG: Einbettung der AT-Problematik in die Verfassungsstruktur des Art. 103 II GG | 201 | ||
I. Verfassungsrechtliche Natur von Art. 103 II GG: Grundrecht, grundrechtsähnliches Recht oder Schranken-Schranke? | 201 | ||
1. Art. 103 II GG als Schranken-Schranke? | 201 | ||
2. Grundrecht oder grundrechtsgleiches Recht? | 205 | ||
3. Fazit | 206 | ||
II. Verfassungsrechtliche Struktur des Art. 103 II GG und die „immanenten Grenzen“ | 207 | ||
1. Einschränkbarkeit von nullum crimen, nulla poena sine lege? | 208 | ||
2. Präzisierung des Schutzbereichs | 212 | ||
III. Gewährleistungsgehalt des Art. 103 II GG bezüglich des Allgemeinen Teils | 216 | ||
1. Bestimmtheitsgebot und Allgemeiner Teil | 217 | ||
a) Historische Auslegung | 217 | ||
b) Systematische Auslegung | 220 | ||
c) Teleologische Auslegung | 222 | ||
d) Ergebnis | 229 | ||
2. Analogieverbot und Allgemeiner Teil | 231 | ||
3. Präzisierungsgebot und Allgemeiner Teil | 233 | ||
F. Die Wirkungsweise von Art. 103 II GG im AT anhand von Beispielen | 237 | ||
I. Versuchte Beihilfe | 237 | ||
II. Fahrlässige Mittäterschaft | 238 | ||
1. Kausalitätsprobleme als impetus des Streits | 239 | ||
2. Zulässigkeit und Notwendigkeit einer fahrlässigen Mittäterschaft | 240 | ||
a) Die fahrlässige Mittäterschaft im Lichte des Analogieverbots | 242 | ||
b) Die fahrlässige Mittäterschaft im Lichte des Präzisierungsgebots | 244 | ||
aa) Fehlen eines gemeinsamen Tatplans | 245 | ||
bb) Rechtspflicht immer nur für ein Rechtssubjekt | 247 | ||
cc) Unverhältnismäßige Strafbarkeitsausdehnung | 248 | ||
dd) Entbehrlichkeit der fahrlässigen Mittäterschaft | 249 | ||
(1) Einheitstäterbegriff und Nebentäterschaft – Ausweitung des Kausalzusammenhangs | 249 | ||
(2) Unterlassungstäterschaft | 251 | ||
(3) Kausalitätslösungen bei Gremienentscheidungen | 252 | ||
c) Stellungnahme | 255 | ||
3. Die Voraussetzungen der fahrlässigen Mittäterschaft als Beispiel der Herausarbeitung des AT im konstruktiven Sinne | 256 | ||
a) Modell nach Otto | 257 | ||
b) Modell nach Renzikowski | 258 | ||
c) Modell nach Weißer | 258 | ||
d) Modell nach Kamm | 259 | ||
4. Bewertung und Ausblick | 259 | ||
III. Actio libera in causa | 261 | ||
1. Actio libera in causa und Art. 103 II GG | 262 | ||
a) Ausnahmemodell | 263 | ||
aa) Teleologische Reduktion von § 20 StGB | 265 | ||
bb) Gewohnheitsrecht, Richterrecht | 266 | ||
cc) Auslegung | 267 | ||
b) Tatbestandsmodell | 269 | ||
aa) Actio praecedens als Tathandlung | 269 | ||
bb) Actio praecedens als Tatbeginn | 270 | ||
cc) Fazit | 278 | ||
c) Ausdehnungsmodell | 279 | ||
aa) Ex-post-Betrachtung | 279 | ||
bb) „Schuldtatbestand“ – Ausdehnende Interpretation des Tatbegriffs bei § 20 StGB | 281 | ||
2. Resümee | 285 | ||
G. Zusammenfassung | 287 | ||
Literaturverzeichnis | 291 | ||
Sachwortverzeichnis | 331 |