Der Staat als juristische Person
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Der Staat als juristische Person
Dogmengeschichtliche Untersuchung zu einem Grundbegriff der deutschen Staatsrechtslehre
Schriften zur Verfassungsgeschichte, Vol. 61
(2000)
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Abstract
Ist der Staat eine juristische Person? Erstmals vertrat 1837 der Göttinger Staatsrechtslehrer Wilhelm Eduard Albrecht in einer Rezension die Auffassung, daß der Staat als juristische Person zu denken sei. Diese Rechtskonstruktion ermöglichte es, den Staat selbst als Träger von Rechten und Pflichten anzusehen, so daß die staatsrechtlichen Beziehungen, die bis dahin als System zweiseitiger Rechtsverhältnisse zwischen Monarch und Untertanen gedeutet wurden, einen neuen Bezugspunkt erhielten. Diese Theorie ermöglichte es, den liberalen Rechtsstaatsgedanken auch juristisch zu untermauern. Denn als Organ der juristischen Persönlichkeit nahm der Monarch nicht mehr eigene Rechte, sondern Kompetenzen des ihm übergeordneten Staates wahr, die er allein nach den Vorgaben der Verfassung auszuüben hatte.Erst durch die positivistische Staatsrechtslehre gelangte die Lehre jedoch zu allgemeiner Anerkennung. Die Verknüpfung der Theorie von der juristischen Staatspersönlichkeit mit dem savigny'schen Personenbegriff (Person ist, wer Subjekt eines eigenen Willens ist) die Carl Friedrich von Gerber und Paul Laband Mitte des 19. Jahrhunderts vollzogen, bewirkte aber eine juristische Verfestigung des monarchischen Prinzips und diente daher konservativen Kräften als Argumentation. Der Monarch hatte als oberstes Willensorgan des Staates die Aufgabe, den Willen des Staates in Erscheinung zu bringen. Dieser Staatswille äußerte sich als Staatsgewalt bzw. Herrschaft gegenüber den Bürgern, die in einem allgemeinen Gewaltverhältnis zum Staat standen.Trotz aller Veränderungen im deutschen Verfassungsgefüge seit 1867 wird dieser vom monarchischen Prinzip geprägte Staatsbegriff von der herrschenden deutschen Staatsrechtslehre seitdem nahezu unverändert als "Grund- und Eckstein" dem Staatsrecht zu Grunde gelegt.Bei der Darstellung der dogmengeschichtlichen Entwicklung der Lehre von der juristischen Persönlichkeit des Staates und der gegen diese Lehre stets geäußerten Kritik kommt der Autor zu dem Ergebnis, daß die Theorie nur als juristischer Staatsbegriff des konstitutionellen Verfassungsstaates unter Geltung des monarchischen Prinzips verstanden werden kann. Unter Geltung des Grundgesetzes und der in Art. 20 Abs. 2 festgeschriebenen Volkssouveränität kann diese Lehre jedoch nur sehr eingeschränkt aufrechterhalten werden.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung | 17 | ||
1. Kapitel: Ausgangspunkt: Die Ansichten über die Rechtsnatur des Staates zu Anfang des 19. Jahrhunderts | 20 | ||
I. Grundlagen der Staatsrechtslehre im frühen 19. Jahrhundert | 20 | ||
1. Die staatsrechtliche Literatur bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert | 20 | ||
a) Ursprung der Lehre von der Staatsperson im Naturrecht | 20 | ||
b) Juristischer Wert der naturrechtlichen Persönlichkeitslehre | 21 | ||
2. Das politische und verfassungsrechtliche Umfeld der Staatslehre zu Beginn des 19. Jahrhunderts | 22 | ||
a) Politische Grundströmungen der Gesellschaft im „Vormärz“ | 22 | ||
b) Verfassungsdualismus in den frühkonstitutionellen Monarchien | 23 | ||
3. Methodenwandel der Staatsrechtslehre zu Beginn des 19. Jahrhunderts | 25 | ||
a) Emanzipation der Staatsrechtswissenschaft von der Philosophie | 25 | ||
b) Trennung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht | 26 | ||
II. Juristische Staatslehren und ihre rechtsphilosophischen Grundlagen | 26 | ||
1. Auf die individualistische Philosophie Kants zurückgehende Staatslehren (die vernunftrechtliche Staatstheorie) | 27 | ||
a) Johann Ludwig Klüber | 27 | ||
b) Silvester Jordan | 29 | ||
c) Carl von Rotteck und Carl Theodor Welcker | 29 | ||
2. Auf der patrimonialen Staatsphilosophie Hallers basierende Staatslehren (die patrimonial-privatrechtliche Staatstheorie) | 30 | ||
a) Romeo Maurenbrecher | 31 | ||
b) Karl Friedrich Vollgraff | 31 | ||
c) Karl Eduard Weiss und Johann Christoph Leist | 32 | ||
3. Staatslehren auf der Grundlage der Staatsphilosophie Schellings und Hegels (die historisch-organische Staatstheorie) | 32 | ||
a) Nicolaus Thaddäus Gönner | 34 | ||
b) Friedrich Ancillon | 34 | ||
c) Karl Salomo Zachariä | 34 | ||
d) Friedrich Christoph Dahlmann | 35 | ||
III. Zusammenfassende Bewertung | 35 | ||
1. Widerspruch der Postulate der herrschenden Staatslehre mit dem Verfassungsrecht im Frühkonstitutionalismus | 36 | ||
2. Die Suche nach einer dogmatischen Grundlage für das konstitutionelle Staatsrecht | 37 | ||
2. Kapitel: Wilhelm Eduard Albrecht und die Begründung der Theorie der juristischen Persönlichkeit des Staates | 39 | ||
I. Die neue staatsrechtliche Auffassung Wilhelm Eduard Albrechts | 39 | ||
1. Der Gegensatz zwischen älterem und neuerem Verfassungsrecht | 40 | ||
2. Die Theorie der juristischen Staatspersönlichkeit | 41 | ||
3. Die Intention Albrechts und die Auswirkungen seiner Staatstheorie | 47 | ||
4. Zeitgenössische Kritik an Albrechts Thesen | 49 | ||
a) Romeo Maurenbrecher | 49 | ||
b) Friedrich Julius Stahl | 50 | ||
c) Wilhelm Roscher | 51 | ||
5. Kritische Würdigung der Staatspersönlichkeitslehre Albrechts | 51 | ||
II. Auswirkungen der Lehre von der juristischen Staatspersönlichkeit auf die Staatslehre der Jahrhundertmitte | 56 | ||
1. Die konservativ-hegelianische Staatsrechtslehre | 57 | ||
a) Friedrich Julius Stahl | 57 | ||
b) Heinrich Zoepfl | 58 | ||
c) Friedrich Jakob Schmitthenner | 59 | ||
2. Die liberalistisch-frühpositivistische Staatsrechtslehre | 60 | ||
a) Robert von Mohl | 60 | ||
b) Eduard Wippermann | 61 | ||
c) Heinrich Albert Zachariä | 61 | ||
3. Zusammenfassung | 62 | ||
3. Kapitel: Die juristische Persönlichkeit als Ausdruck der staatlichen Willensmacht nach Carl Friedrich von Gerber | 63 | ||
I. Der Methodenwandel in der Staatsrechtslehre | 63 | ||
II. Das Staatsrechtssystem in Gerbers Schrift „Über öffentliche Rechte“ von 1852 | 64 | ||
1. Wille und Herrschaft als Grundlage des Staatsrechts | 65 | ||
2. Der Staat als außerjuristischer Tatbestand | 66 | ||
3. Literarische Reaktionen auf Gerbers frühe Staatsrechtskonstruktion | 68 | ||
a) Joseph von Held | 68 | ||
b) Johann Caspar Bluntschli | 69 | ||
c) Otto Bähr | 70 | ||
d) Hermann Bischof | 70 | ||
4. Würdigung des Systematisierungsversuchs von 1852 | 70 | ||
III. Gerbers „Grundzüge eines Systems des deutschen Staatsrechts“ von 1865 | 72 | ||
1. Die Persönlichkeit des Staates als Ausgangs- und Mittelpunkt des Staatsrechts | 73 | ||
2. Das Staatsrecht als Lehre vom herrschenden Staatswillen | 74 | ||
3. Zeitgenössische Reaktion und Kritik an Gerbers „Grundzügen“ | 76 | ||
a) Karl Viktor Fricker | 77 | ||
b) Robert von Mohl | 77 | ||
c) Hermann Schulze | 78 | ||
4. Zusammenfassende Würdigung von Gerbers „Grundzügen“ | 79 | ||
4. Kapitel: Die Fortführung der Staatspersönlichkeitslehre Gerbers durch Paul Laband | 84 | ||
I. Labands Reichsstaatsrecht und die juristische Person | 84 | ||
1. Labands Gesetzespositivismus | 84 | ||
2. Die individualistische impermeable Staatspersönlichkeit | 85 | ||
3. Herrschaft des Reiches und der Einzelstaaten über das Volk | 86 | ||
II. Kritiker der Gerber-Laband’schen Staatsrechtskonstruktion | 89 | ||
1. Die Theorie der realen Verbandspersönlichkeit des Staates | 89 | ||
a) Otto von Gierke | 89 | ||
b) Hugo Preuss | 92 | ||
2. Der Staat als Rechtsverhältnis nach den Herrschertheorien | 94 | ||
a) Max von Seydel | 94 | ||
b) Edgar Loening | 94 | ||
c) Conrad Bornhak | 95 | ||
d) Emil Lingg | 95 | ||
e) Ludwig Gumplowicz | 95 | ||
f) Albert Affolter | 96 | ||
3. Die Fiktionstheorie | 96 | ||
a) Albert Hänel | 96 | ||
b) Eduard Holder | 97 | ||
c) Alexander Hold-Ferneck | 97 | ||
d) Hermann Rehm | 97 | ||
4. Otto Mayers Anstaltsmodell | 98 | ||
III. Zusammenfassende Würdigung der Gerber-Laband’schen Staatskonstruktion | 99 | ||
5. Kapitel: Georg Jellinek und die juristische Persönlichkeit des Staates als Grund- und Eckstein des Staatsrechts | 104 | ||
I. Soziologischer und juristischer Staatsbegriff | 104 | ||
1. Die Drei-Elemente-Lehre des Staates | 105 | ||
2. Der Staat als Gebietskörperschaft | 105 | ||
II. Die Lehre von der Selbstverpflichtung des Staates | 105 | ||
III. Unterscheidung zwischen Staatsorgan und Organträger | 107 | ||
IV. Die Statuslehre | 109 | ||
V. Kritische Würdigung des Staatspersönlichkeitsdogmas | 110 | ||
6. Kapitel: Die Staatslehre der Weimarer Republik | 114 | ||
I. Gleichsetzung der Staatsperson mit der Rechtsordnung | 114 | ||
1. Die Reine Rechtslehre Hans Kelsens | 115 | ||
a) Die juristische Persönlichkeit des Staates als Personifikation der Rechtsordnung | 116 | ||
b) Die Rechtsordnung als Ausdruck des Staatswillens | 116 | ||
c) Die Auflösung des Dualismus von Staat und Recht durch den Rechtsstaat | 117 | ||
d) Die Staatspersönlichkeit als unableitbares Symbol der Systemeinheit des Rechts | 118 | ||
e) Zusammenfassende Würdigung | 119 | ||
2. Staatslehren der Nachfolger Kelsens: Die „Wiener Schule“ | 120 | ||
a) Alfred Verdross und Adolf Merkl | 120 | ||
b) Fritz Sander | 120 | ||
3. Die Lehre von der Rechtssouveränität | 121 | ||
II. Die juristische Persönlichkeit des Staates als Rechtskonstruktion | 122 | ||
1. Die Rechtspersönlichkeit als juristische Konstruktion des Gesamtstaates | 122 | ||
a) Gerhard Anschütz | 122 | ||
b) Richard Thoma | 123 | ||
2. Personifizierung der Staatsorgane durch die Rechtspersönlichkeit des Staates | 123 | ||
a) Felix Somló | 123 | ||
b) Max Wenzel | 124 | ||
c) Hans Julius Wolff | 124 | ||
3. Der Staat als Rechtsordnungssubjekt | 127 | ||
a) Ernst von Beling | 127 | ||
b) Hans Nawiasky | 127 | ||
4. Zusammenfassende Bewertung der Staatspersönlichkeitslehre in der Weimarer Staatslehre | 128 | ||
III. Die geisteswissenschaftliche Richtung der Weimarer Staatsrechtslehre | 129 | ||
1. Die Integrationslehre Rudolf Smends | 129 | ||
2. Die Staatslehre Hermann Hellers | 131 | ||
a) Der volonté générale als Subjekt der Souveräniät | 131 | ||
b) Der Staat als reales Handlungs- und Wirkungsgefüge | 132 | ||
IV. Die politische Staatslehre Carl Schmitts | 134 | ||
1. Politische Dezision als Basis der Rechtsordnung | 135 | ||
2. Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet | 136 | ||
7. Kapitel: Die nationalsozialistische Staatslehre | 138 | ||
I. Grundlagen der nationalsozialistischen Staatsideologie | 138 | ||
II. Die Staatspersönlichkeit in der nationalsozialistischen Staatslehre | 138 | ||
1. Der Staat als Genossenschaft der Volksgemeinschaft | 139 | ||
a) Hans Helfritz | 139 | ||
b) Otto Koellreutter | 139 | ||
c) Edgar Tatarin-Tarnheyen | 140 | ||
2. Unvereinbarkeit der Staatspersönlichkeit mit dem Führerprinzip | 140 | ||
a) Reinhard Höhn | 141 | ||
b) Franz Wilhelm Jerusalem | 141 | ||
c) Ernst Rudolf Huber | 142 | ||
3. Zusammenfassende Bewertung | 142 | ||
8. Kapitel: Staatspersönlichkeit und Grundgesetz | 144 | ||
I. Staatliche Kontinuität Deutschlands als Rechtsproblem | 144 | ||
II. Die Lehre von der juristischen Persönlichkeit des Staates in der bundesdeutschen Staatsrechtslehre | 145 | ||
1. Naturrechtlich-genossenschaftliche Staatspersönlichkeitslehren | 145 | ||
a) Heinrich Kipp | 146 | ||
b) Hans Helfritz | 147 | ||
c) Günther Küchenhoff und Erich Küchenhoff | 148 | ||
2. Die juristische Staatsperson in der konservativen deutschen Staatslehre | 149 | ||
a) Herbert Krüger | 149 | ||
b) Roman Herzog | 152 | ||
c) Ernst Forsthoff | 152 | ||
3. Neuansätze zur rechtsdogmatischen Erfassung des Staates | 154 | ||
a) Gerhard Leibholz | 154 | ||
b) Otto Kimminich | 155 | ||
c) Hans Heinrich Rupp | 156 | ||
d) Ernst-Wolfgang Böckenförde | 158 | ||
III. Abschließende Stellungnahme: Der Staat des Grundgesetzes als juristische Person? | 164 | ||
9. Kapitel: Zusammenfassung und Ergebnis der Untersuchung | 172 | ||
Literaturverzeichnis | 176 | ||
Sachverzeichnis | 193 |