Missbrauch von Marktmacht durch Kosten-Preis-Scheren im europäischen und US-amerikanischen Kartellrecht
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Missbrauch von Marktmacht durch Kosten-Preis-Scheren im europäischen und US-amerikanischen Kartellrecht
Schriften zum Wirtschaftsrecht, Vol. 270
(2015)
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Jan Henning Berg wurde 1984 in Bremen geboren und studierte von 2004 bis 2010 Rechtswissenschaften mit wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung an der Universität Osnabrück und am King's College London. Es folgte eine zweijährige promotionsbegleitende Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Andreas Fuchs, LL.M. (Universität Osnabrück). Von 2013 bis 2015 absolvierte Jan Henning Berg das Referendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf und legte dort im Mai 2015 das zweite juristische Staatsexamen ab.Abstract
Marktmächtige Unternehmen werden durch das Kartellrecht mit unterschiedlichen Restriktionen ihrer Preisgestaltungsfreiheit konfrontiert. Dazu gehört im europäischen Recht (Art. 102 AEUV) inzwischen auch das Verbot der Kosten-Preis-Schere. Es sanktioniert einen zweiseitig wirkenden Preisdruck auf die Gewinnmargen von Konkurrenten wegen der mit ihm einhergehenden Verdrängungswirkung. Im Antitrustrecht der USA soll die Figur des $aprice squeeze$z hingegen keine vergleichbar eigenständige Bedeutung als Fallgruppe verbotener Monopolisierungspraktiken haben. Die vorliegende Arbeit geht dieser ausgeprägten transatlantischen Divergenz der wettbewerbspolitischen Standpunkte nach und findet die Antworten in den Bezügen zum sektorspezifischen Regulierungsrecht. Zugleich wird der europäische Ansatz, ein eigenständiges Verbot der Kosten-Preis-Schere neben den bereits etablierten Fallgruppen des Missbrauchs anzuwenden, einer kritischen wettbewerbspolitischen und rechtsdogmatischen Prüfung zugeführt.»Price Squeezing as an Abuse of Dominant Position under EC Competition Law and as a Monopolization Offense under US Antitrust Law«Price squeezing can be a viable strategy for vertically integrated firms in order to exclude non-integrated competitors from downstream markets. The European Court of Justice has ruled that price squeezing in itself may amount to an abuse of a dominant position under article 102 TFEU. The US Supreme Court, however, has denied its relevance as a monopolization offense under section 2 of the Sherman Antitrust Act. The present thesis provides a comparative analysis with references to sector-spefic market regulation.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsübersicht | 9 | ||
Inhaltsverzeichnis | 11 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 17 | ||
Kapitel 1: Einführung | 21 | ||
A. Die Kosten-Preis-Schere als Untersuchungsgegenstand | 21 | ||
B. Ziele und Gang der Arbeit | 23 | ||
Kapitel 2: Die Kosten-Preis-Schere als Wirtschaftsphänomen mit kartellrechtlicher Relevanz | 26 | ||
A. Begriff und charakteristische Merkmale der Kosten-Preis-Schere | 26 | ||
I. Einzelheiten zur strukturellen Ausgangslage | 28 | ||
II. Unverhältnismäßige zweifache Preissetzung | 30 | ||
III. Spürbare Beschneidung fremder Gewinnmargen | 30 | ||
IV. Weitere Aspekte ohne funktionsnotwendige Relevanz | 32 | ||
B. Eckpfeiler der kartellrechtlichen Würdigung von Kosten-Preis-Scheren | 34 | ||
I. Anwendungsgrundsätze der maßgeblichen Vorschriften | 35 | ||
1. EU-Wettbewerbsrecht: Art. 102 AEUV | 35 | ||
2. US-Antitrustrecht: sec. 2 Sherman Act | 36 | ||
a) Monopolization | 36 | ||
b) Attempted monopolization | 38 | ||
II. Methodische Optionen für die kartellrechtliche Erfassung der Beschneidung fremder Gewinnmargen | 39 | ||
III. Kartellrechtliche Relevanz der Kosten-Preis-Schere als Verdrängungsstrategie | 41 | ||
IV. Bewertung vertikaler Integration als Blaupause für den wettbewerbspolitischen Umgang mit der Kosten-Preis-Schere? | 45 | ||
V. Sonderfall: Keine kartellrechtliche Relevanz der ausschließlich hoheitlich veranlassten Kosten-Preis-Schere | 49 | ||
Kapitel 3: Die Relevanz des price squeeze im US-Kartellrecht | 52 | ||
A. Entwicklung der Gerichtspraxis im 20. Jahrhundert | 52 | ||
I. Der Fall Alcoa als historischer Ausgangspunkt | 52 | ||
II. Spätere Entscheidungen der Courts of Appeals ab den 1970er Jahren | 54 | ||
B. Die Bedeutung des price squeeze als selbständige Monopolisierungsform nach den Entscheidungen in Linkline | 57 | ||
I. Sachverhalt | 58 | ||
II. Zum Hintergrund: Das Urteil in Trinko | 59 | ||
1. Sachverhalt | 59 | ||
2. Entscheidung des Supreme Court | 60 | ||
3. Mögliche Implikationen für Linkline | 62 | ||
III. Die instanzgerichtlichen Entscheidungen im Linkline-Verfahren | 63 | ||
1. District Court | 63 | ||
2. Court of Appeals | 65 | ||
IV. Das Verfahren vor dem US Supreme Court und dessen Entscheidung | 66 | ||
1. Der price squeeze und die Angreifbarkeit des Vorleistungspreises als anticompetitive refusal to deal | 67 | ||
2. Der price squeeze und die Angreifbarkeit des Endkundenpreises als predatory pricing | 70 | ||
a) Voraussetzungen des predatory pricing nach sec. 2 Sherman Act | 70 | ||
b) Konsequenzen für ein eigenständiges Verbot des price squeeze | 72 | ||
3. Weitere Argumente gegen eine eigenständige Preisspannenkontrolle | 72 | ||
V. Fazit nach Linkline | 73 | ||
1. Das Schicksal des price squeeze als eigenständige Monopolisierungsform | 74 | ||
2. Das Zusammenspiel von Kartell- und Regulierungsrecht | 76 | ||
C. Effektive Adressierung des price squeeze durch andere Verbotstatbestände? | 78 | ||
I. Kein Verbot des price squeeze als monopoly leveraging | 79 | ||
II. Unanwendbarkeit der essential facilities-Doktrin | 80 | ||
III. Keine unzulässige price discrimination | 82 | ||
IV. Fehlen einer isolierten Preishöhenkontrolle | 84 | ||
D. Fazit zum price squeeze im US-Kartellrecht | 85 | ||
Kapitel 4: Das Verbot der Kosten-Preis-Schere im europäischen Kartellrecht | 86 | ||
A. Entwicklung der bisherigen Entscheidungspraxis | 86 | ||
I. NCB und NSF/NCC („National Carbonising“) | 86 | ||
II. Napier Brown/British Sugar | 88 | ||
III. Industrie des Poudres Sphériques/Kommission | 89 | ||
IV. Deutsche Telekom | 91 | ||
1. Wirtschaftlicher Kontext: Die deutsche Telekommunikationswirtschaft gegen Ende der 1990er Jahre | 92 | ||
2. Vorgeschichte des Verfahrens und der zugrunde liegende Sachverhalt | 94 | ||
3. Die Verbotsentscheidung der Kommission | 96 | ||
4. Konsequenzen der Kommissionsentscheidung für die Preispolitik der DTAG | 99 | ||
5. Weiterer Verfahrensgang vor den Unionsgerichten | 100 | ||
6. Zwischenfazit | 102 | ||
V. Telefónica | 102 | ||
VI. Gasmarktabschottung durch RWE | 105 | ||
VII. Konkurrensverket/TeliaSonera | 107 | ||
B. Auswertung und Zusammenstellung erster Erkenntnisse | 109 | ||
I. Die historische Entwicklung im Überblick | 109 | ||
1. Die „erste Phase“ – Kosten-Preis-Scheren in klassischen Industriebereichen | 109 | ||
2. Die „zweite Phase“ – Kosten-Preis-Scheren in regulierten Netzwirtschaften | 110 | ||
II. Die Kosten-Preis-Schere in der Dogmatik des Art. 102 AEUV | 113 | ||
1. Einordnung als eigenständige Missbrauchsform in der Entscheidungspraxis | 113 | ||
2. Die Kosten-Preis-Schere in der Prioritätenmitteilung der Kommission | 115 | ||
C. Die Kriterien der Missbräuchlichkeit von Kosten-Preis-Scheren | 117 | ||
I. Positionierung des integrierten Unternehmens auf beiden Marktstufen | 118 | ||
1. Vorgelagerter Markt | 119 | ||
2. Nachgelagerter Markt | 121 | ||
3. Die Kosten-Preis-Schere als Ausprägung der leveraging-Theorie | 122 | ||
II. Aufrechterhalten einer unverhältnismäßigen Preisspanne | 123 | ||
1. Die Gewinnspanne als Bezugspunkt der Prüfung | 124 | ||
2. Inhaltliche Verfeinerung: Der zweigliedrige rechnerische Test der Kommission | 125 | ||
3. Kosten-Preis-Schere bei geringfügig positiver Gewinnspanne? | 127 | ||
4. Einzelfragen zum Kostenparameter | 129 | ||
a) Bezugsobjekte der Kostenermittlung | 130 | ||
aa) Die Kostenstruktur des „ebenso effizienten Wettbewerbers“ | 130 | ||
bb) Alternative Kostenstrukturen | 132 | ||
cc) Sonderproblem: Kostenunterschiede zwischen Fremd- und Selbstbelieferung der Vorleistung | 135 | ||
dd) Kritische Würdigung des Effizienzkriteriums | 138 | ||
b) Die Auswahl des sachgerechten Kostenmaßstabs | 141 | ||
5. Analyse der Kostendeckung bei zeitlich ausgedehnten Sachverhalten | 145 | ||
6. Rechnerische Ermittlung einer Kosten-Preis-Schere in komplexeren Fallkonstellationen | 147 | ||
a) Alternative nachgelagerte Verwendungszwecke der Vorleistung | 147 | ||
b) Gebündelte nachgelagerte Leistungen | 149 | ||
III. Wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen | 151 | ||
1. Allgemeine Vorgaben bei Behinderungsmissbräuchen | 151 | ||
2. Auswirkungsnachweis bei Kosten-Preis-Scheren | 153 | ||
3. Analyse und kritische Würdigung zur Bedeutung der „Unentbehrlichkeit der Vorleistung“ | 155 | ||
IV. Fehlende objektive Rechtfertigungsgründe | 157 | ||
1. Effizienzgewinne | 158 | ||
2. Defensive Preisanpassungsreaktion | 161 | ||
D. Fazit zur Kosten-Preis-Schere im EU-Kartellrecht | 162 | ||
Kapitel 5: Die Kosten-Preis-Schere im Verhältnis zu anderen Missbrauchsformen des europäischen Kartellrechts | 165 | ||
A. Missbräuchliche Kampfpreisunterbietung auf dem nachgelagerten Markt | 165 | ||
I. Grundzüge der Beurteilung nach Art. 102 AEUV | 166 | ||
1. Einführung | 166 | ||
2. Zusammenstellung der Missbrauchskriterien | 167 | ||
a) Festsetzung kostenunterschreitender Preise | 167 | ||
aa) Bisherige Anwendungspraxis: AKZO-Formel des EuGH | 168 | ||
bb) Modifizierte Prüfung auf Basis der Prioritätenmitteilung der Kommission | 171 | ||
(1) Equally efficient competitor-Test mit Kostengrenze LRAIC | 172 | ||
(2) Sacrifice-Test mit Kostengrenze AAC | 173 | ||
cc) Zwischenfazit | 175 | ||
b) Keine gesonderte Auswirkungsanalyse (recoupment test) | 176 | ||
c) Objektive Rechtfertigung von Niedrigpreisen | 178 | ||
II. Verhältnis des Kampfpreismissbrauchs zum Verbot der Kosten-Preis-Schere | 179 | ||
1. Kosten-Preis-Schere als Unterfall des Kampfpreismissbrauchs | 179 | ||
2. Kosten-Preis-Schere und Kampfpreismissbrauch als zwei unabhängig nebeneinander stehende Verbote | 180 | ||
3. Eigene Analyse und Stellungnahme | 182 | ||
4. Zwischenfazit | 188 | ||
III. Konsequenzen für die praktische Relevanz des Verbots der Kosten-Preis-Schere | 188 | ||
1. Erstes Vergleichspaar: Kosten-Preis-Schere und Kampfpreismissbrauch nach der AKZO-Formel | 189 | ||
2. Zweites Vergleichspaar: Kosten-Preis-Schere und Kampfpreismissbrauch nach dem sacrifice-Test | 192 | ||
IV. Fazit zum Verhältnis von Kosten-Preis-Schere und Kampfpreisverbot | 195 | ||
B. Missbräuchliche Geschäftsverweigerung auf dem vorgelagerten Markt | 196 | ||
I. Grundzüge der Beurteilung nach Art. 102 AEUV | 196 | ||
1. Einführung | 197 | ||
2. Zusammenstellung der Missbrauchskriterien | 199 | ||
a) Marktbezogene Rahmenbedingungen | 199 | ||
b) Unternehmensbezogene Rahmenbedingungen | 201 | ||
c) Die Verweigerung der Geschäftstätigkeit | 202 | ||
d) Objektive Notwendigkeit des Einsatzgutes | 205 | ||
e) Ausschaltung des nachgelagerten Wettbewerbs | 207 | ||
f) Fehlen einer objektiven Rechtfertigung | 208 | ||
3. Rechtsfolge: Kontrahierungszwang | 209 | ||
II. Berührungspunkte und Gemeinsamkeiten mit dem Verbot der Kosten-Preis-Schere | 211 | ||
III. Konsequenzen für die eigenständige Relevanz des Verbots der Kosten-Preis-Schere | 215 | ||
1. Integration des Verbots der Kosten-Preis-Schere in den Missbrauchstatbestand für Geschäftsverweigerungen | 215 | ||
2. Vorgaben aus dem Gebot der rechtlichen Konsistenz | 217 | ||
IV. Fazit zum Verhältnis der Verbote von Kosten-Preis-Schere und Geschäftsverweigerung | 221 | ||
C. Missbräuchliche Diskriminierung auf dem vorgelagerten Markt | 222 | ||
I. Grundzüge der Beurteilung nach Art. 102 AEUV | 222 | ||
II. Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbots auf die Fallkonstellationen der Kosten-Preis-Schere | 223 | ||
1. Konzernprivileg als Grund für Unanwendbarkeit des Diskriminierungsverbots? | 224 | ||
2. Die konzerninterne Begünstigung als taugliche Vergleichsbasis für einen Diskriminierungsvorwurf? | 225 | ||
D. Missbräuchliche Preisüberhöhung auf dem vorgelagerten Markt | 228 | ||
I. Grundzüge der Beurteilung nach Art. 102 AEUV | 228 | ||
II. Relevanz der Preishöhenkontrolle für die Kosten-Preis-Schere? | 232 | ||
E. Zusammenfassendes Fazit | 234 | ||
Kapitel 6: Abschließende rechtsvergleichende Würdigung der Kosten-Preis-Schere als Figur des Marktmachtmissbrauchs | 236 | ||
A. Erklärung der divergierenden Auffassungen im EU- und US-Kartellrecht durch die Bezüge zum sektorspezifischen Regulierungsrecht | 236 | ||
I. Zum regulierungsrechtlichen Charakter des Verbots der Kosten-Preis-Schere | 237 | ||
II. Einzelheiten des Zusammenspiels von Kartell- und Regulierungsrecht in der EU und in den USA | 245 | ||
1. EU: Parallele Anwendbarkeit und wechselseitige Ergänzung der Rechtsmaterien | 245 | ||
2. USA: Vorrang des Regulierungsrechts | 248 | ||
B. Schlussfolgerungen zur Relevanz der Kosten-Preis-Schere im Kartellrecht der EU und der USA | 251 | ||
C. Verbleibende Kritikpunkte und der Versuch eines Ausblicks auf rechtspolitisch vertretbare Lösungsansätze | 257 | ||
Literaturverzeichnis | 262 | ||
Stichwortverzeichnis | 273 |