Die Hinterziehung rechtswidriger Steuern durch Fristerschleichung
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Die Hinterziehung rechtswidriger Steuern durch Fristerschleichung
Zugleich ein Beitrag zur Dogmatisierung der Steuerhinterziehung
Schriften zum Steuerrecht, Vol. 121
(2015)
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About The Author
Marcel Lemmer, geboren 1982, studierte Rechtswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz mit Schwerpunkt Steuerrecht und legte sein erstes Staatsexamen im Jahr 2007 ab. Das Referendariat absolvierte er am OLG Koblenz und beendete es im Jahr 2009 mit dem zweiten Staatsexamen. Im Anschluss war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem strafrechtlichen Lehrstuhl in Mainz tätig. Seit 2013 ist er Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und berät auf dem Gebiet des Steuerrechts und des Steuerstrafrechts.Abstract
Die vollumfängliche Korrektur von rechtswidrigen Steuerbescheiden kann nur innerhalb der vorgesehenen Rechtsbehelfsfristen verlangt werden. Lässt der Steuerpflichtige diese Fristen verstreichen, so hat er sich mit einer im Vergleich zur gesetzlichen Steuerschuld zu hohen Steuerfestsetzung abzufinden. Die Versuchung für den Steuerpflichtigen ist groß, sich eine nachträgliche Korrektur über unrichtige Tatsachen zu erschleichen, indem entweder der Zugang des rechtswidrigen Steuerbescheides geleugnet oder Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfunden werden. Der Verfasser geht der ursprünglich vom OLG Hamm (Beschluss vom 14.10.2008 - 4 Ss 345/08) verneinten Frage nach, ob eine bloß steuerverfahrensrechtlich ungerechtfertigte Korrektur einer bereits bestandskräftigen Steuerfestsetzung eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) darstellen kann. Er kommt insbesondere unter Zuhilfenahme von anerkannten Grundsätzen der Bestandskraft von Steuerbescheiden zu dem Ergebnis, dass »Fristerschleichungen« den Taterfolg der Erlangung von ungerechtfertigten Steuervorteilen erfüllen.»The Evasion of Illicit Taxes through the Subreption of a Deadline«Definitive tax assessments are despite their unlawfulness to be obeyed by the taxable person. This is why the temptation for the taxable person is vast to obtain elapsed deadlines of legal remedy through false facts surreptitiously and therefore to gain a tangible-legal correction of the taxing. The author considers the question whether the subreption of a deadline can fulfill the statutory offence of tax fraud.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einleitung | 13 | ||
1. Teil: Die Ursachen und Folgen einer fehlerbehafteten Steuerfestsetzung | 16 | ||
1. Abschnitt: Die Verfahrensabschnitte im Steuerrecht | 17 | ||
A. Das Ermittlungs- und Festsetzungsverfahren | 17 | ||
I. Das Ermittlungsverfahren | 17 | ||
1. Der Beginn | 18 | ||
2. Die Durchführung | 19 | ||
3. Die Beweislast im Steuerverfahren | 26 | ||
4. Das Ermittlungsverfahren aufgrund einer unrichtigen Steuererklärung | 27 | ||
II. Das Festsetzungsverfahren | 28 | ||
1. Die endgültige und vorbehaltsversehene Steuerfestsetzung | 31 | ||
2. Die behördliche Veranlagung und Steueranmeldung | 33 | ||
a) Die Veranlagungssteuern | 34 | ||
aa) Begriff | 34 | ||
bb) Die Bekanntgabe des Steuerbescheides | 34 | ||
cc) Der Streit um die Bekanntgabe | 37 | ||
b) Die Anmeldungssteuern | 39 | ||
3. Die steuerliche Wirkung einer zu hohen – unrichtigen – Steuerfestsetzung | 40 | ||
a) Der Rechtsgrund | 41 | ||
aa) Materielle Rechtsgrundtheorie | 43 | ||
bb) Formelle Rechtsgrundtheorie | 46 | ||
b) Die Regelungswirkung | 47 | ||
c) Auswirkungen auf die Fälle der „Fristerschleichung“ | 47 | ||
B. Das Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren | 49 | ||
I. Das Erhebungsverfahren | 49 | ||
II. Das Vollstreckungsverfahren | 50 | ||
2. Abschnitt: Die Änderung einer endgültigen Steuerfestsetzung | 52 | ||
A. Die Bestandskraft von Steuerbescheiden | 52 | ||
I. Formelle Bestandskraft | 53 | ||
1. Die Wirkung der formellen Bestandskraft | 53 | ||
2. Durchbrechung der formellen Bestandskraft | 53 | ||
II. Materielle Bestandskraft | 54 | ||
1. Die Wirkung der materiellen Bestandskraft | 54 | ||
a) Allgemeines | 54 | ||
b) Bindung der Strafgerichte an den bestandskräftigen Steuerbescheid? | 56 | ||
aa) Die typischen Fälle der Steuerhinterziehung | 57 | ||
bb) Die Fälle der „Fristerschleichung“ | 65 | ||
(1) Die atypischen Fälle der Steuerhinterziehung | 65 | ||
(2) Die anerkannten Abweichungsverbote | 67 | ||
2. Durchbrechung der materiellen Bestandskraft | 72 | ||
B. Die Aufhebung und Änderung durch das Einspruchsverfahren | 73 | ||
I. Reichweite des Einspruchs | 74 | ||
II. Der rechtzeitige Einspruch | 75 | ||
1. Einspruchsfrist | 75 | ||
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand | 78 | ||
C. Die Aufhebung und Änderung innerhalb des Festsetzungsverfahrens | 81 | ||
I. Sinn und Zweck der Änderungsvorschriften | 82 | ||
II. Die allgemeinen Änderungsvoraussetzungen | 82 | ||
III. Die besonderen Änderungsvoraussetzungen | 84 | ||
1. Korrektur gemäß § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a) AO | 85 | ||
2. Korrektur gemäß § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2c) AO | 86 | ||
a) Voraussetzungen | 86 | ||
b) Die „Fristerschleichung“ | 87 | ||
aa) Der Grundfall | 87 | ||
bb) Die „Erschleichung der Wiedereinsetzung“ | 90 | ||
3. Korrektur gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO | 93 | ||
a) Das nachträgliche Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln | 94 | ||
b) Das Führen zu einer niedrigeren Steuer | 96 | ||
c) Kein grobes Verschulden | 97 | ||
aa) Verstoß gegen Mitwirkungspflichten | 97 | ||
bb) Grobe Fahrlässigkeit | 99 | ||
(1) Das Vergessen von Tatsachen | 102 | ||
(2) Die sonstigen Fälle | 105 | ||
cc) Unbeachtlichkeit des groben Verschuldens | 106 | ||
dd) Beweislast | 108 | ||
d) Die „Fristerschleichung“ | 111 | ||
aa) Der Grundfall | 111 | ||
bb) Die „Erschleichung der Wiedereinsetzung“ | 112 | ||
IV. Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten gemäß § 129 AO | 113 | ||
D. Erlass aus Billigkeitsgründen | 114 | ||
I. Die sachliche Unbilligkeit | 115 | ||
II. Die persönliche Unbilligkeit | 118 | ||
E. Die „Fristerschleichung“ aufgrund vergessener Minderungsgründe – steuerliche Ausgangslage (bisheriges Ergebnis) | 120 | ||
3. Abschnitt: Weitere Anlässe zur Begehung einer „Fristerschleichung“ | 122 | ||
A. Schuldhaftes Verstreichenlassen der Einspruchsfrist | 123 | ||
B. Die „Fristerschleichung“ im finanzgerichtlichen Verfahren | 126 | ||
I. Identische Fallgestaltung | 126 | ||
II. Präklusion gemäß §§ 76 Abs. 3, 79b Abs. 3 FGO i. V. m. § 364b AO | 127 | ||
III. Nachträgliche Änderung der durch die „Fristerschleichung“ hervorgerufenen Steuerrechtslage | 129 | ||
1. Der Grundfall | 131 | ||
2. Die „Erschleichung der Wiedereinsetzung“ | 132 | ||
IV. OLG Hamm v. 14.10.2008 – 4 Ss 345/08 (steuerrechtliche Seite) | 134 | ||
2. Teil: Die Steuerhinterziehung durch „Fristerschleichung“ | 138 | ||
1. Abschnitt: Der strafrechtliche Charakter der Steuerhinterziehung | 139 | ||
A. Das Rechtsgut der Steuerhinterziehung | 139 | ||
I. Die Funktionsweisen des Rechtsguts | 139 | ||
1. Der systemkritische Rechtsgutsbegriff | 139 | ||
2. Der methodologische Rechtsgutsbegriff | 142 | ||
II. Die Steuerhinterziehung | 147 | ||
1. Der „Steuerbetrug“ | 147 | ||
2. Das Meinungsspektrum | 152 | ||
a) Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Lehre | 152 | ||
aa) Die Herleitung der heutigen Ansicht – zugleich: Abgrenzung von den Tatobjekten | 152 | ||
bb) Das Steueraufkommen als konkreter Vermögensbestandteil | 159 | ||
b) Schutz von Offenbarungspflichten | 162 | ||
c) Sonstige Rechtsgutsbestimmungen | 163 | ||
3. Der überzeugende Rechtsgutsansatz der Rechtsprechung und herrschenden Lehre | 168 | ||
B. Deliktsnatur der Steuerhinterziehung | 168 | ||
I. Erfolgsdelikt | 168 | ||
II. Gefährdungsdelikt | 169 | ||
1. Verletzung oder Gefährdung? | 169 | ||
2. Abstrakte oder konkrete Gefahr? | 177 | ||
a) Herleitung | 177 | ||
b) Unberechtigte Systemkritik | 182 | ||
3. Folgen für die Tatbestandsauslegung | 187 | ||
a) Allgemeine Überlegungen | 187 | ||
b) Konsequenzen für die Steuerhinterziehung | 197 | ||
aa) Objektiver Tatbestand | 197 | ||
bb) Subjektiver Tatbestand – zugleich: Ist die Steuerhinterziehung ein Blankett? | 198 | ||
(1) Keine überschießende Innentendenz, sondern Vorsatz bezüglich der gefährlichen Handlung | 199 | ||
(2) Richtigkeit der Steueranspruchstheorie | 201 | ||
(3) Ist die Steuerhinterziehung ein Blankett? | 210 | ||
(4) Die Steueranspruchstheorie und das Kompensationsverbot | 216 | ||
cc) Exkurs: Steuerhinterziehung trotz geleisteter Steueranrechnungsbeträge? | 217 | ||
2. Abschnitt: Rechtsgutsbeeinträchtigung durch „Fristerschleichung“ | 223 | ||
A. Die Unbeachtlichkeit der Erfolgseinordnung – zugleich: Das Meinungsspektrum der „Fristerschleichung“ | 224 | ||
I. Die „Fristerschleichung“ als unproblematischer Fall der Vorteilserlangung? | 224 | ||
II. Lösung über BGHSt 53, S. 99? (Schützeberg und Weidemann) | 226 | ||
III. Die übrigen Ansichten zur „Fristerschleichung“ | 229 | ||
1. Rolletschke und Weyand | 229 | ||
2. Joecks | 231 | ||
3. OLG Hamm v. 14.10.2008 – 4 Ss 345/08 (steuerstrafrechtliche Seite) | 232 | ||
a) Die Entscheidungen zur „Fristerschleichung“ (AG Münster, LG Münster, OLG Hamm) | 232 | ||
b) Die Auseinandersetzung mit den von den Strafgerichten vorgebrachten Argumenten | 235 | ||
aa) Keine steuerlich erheblichen Tatsachen und kein steuerrechtlicher Vorteil | 235 | ||
bb) Die „Fristerschleichung“ als artverwandter Fall des Prozessbetruges | 236 | ||
(1) Der „atypische“ Prozessbetrug | 236 | ||
(2) BayObLG v. 28.11.1989 – RReg 4 St 188/89 und RGSt 20, S. 56 | 240 | ||
(3) Schlussfolgerung für die „Fristerschleichung“ | 246 | ||
cc) BGH v. 08.03.1983 – 5 StR 7/83 | 246 | ||
B. Steuern im Sinne des § 3 Abs. 1 AO | 247 | ||
I. Geldleistung zur staatlichen Einnahmeerzielung auferlegt | 247 | ||
1. Staatliche Einnahmeerzielung durch Unteilbarkeit der Steuerforderung | 248 | ||
a) Der Wandel von der rechtswidrigen zur einheitlich bestandskräftigen Steuerforderung | 248 | ||
b) Unbeachtlichkeit der Rechtsgrundtheorien | 252 | ||
2. Auferlegt von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen | 253 | ||
3. Kein unmittelbarer Sanktionscharakter | 255 | ||
II. Entstehung der Leistungspflicht durch Tatbestandserfüllung | 257 | ||
1. Die Fälle der „Fristerschleichung“ | 257 | ||
2. Tatbestandsmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung – keine die Steuer begründenden Merkmale | 260 | ||
3. Verfassungsrechtliche Überlegungen zu den Wirkungen der Bestandskraft | 263 | ||
a) Vorrang des Rechtsschutzes durch die Fachgerichte | 264 | ||
b) Der Rechtsgedanke des § 79 BVerfGG | 266 | ||
c) Die logischen Folgen – ius viligantibus scriptum est | 269 | ||
III. Das steuerrechtliche Ergebnis | 271 | ||
C. Die Wirkungen für die Steuerhinterziehung – Übertragung der steuerrechtlichen Ergebnisse auf das Rechtsgut der Steuerhinterziehung | 271 | ||
I. Kein entgegenstehender Wille des Gesetzgebers (historische Auslegung) | 272 | ||
1. Das Bedürfnis zu einer Klarstellung | 272 | ||
2. Keine Äußerung des Gesetzgebers | 274 | ||
3. Schlussfolgerungen für die historische Auslegung | 275 | ||
II. Die Fälle der „Fristerschleichung“ – Steuerhinterziehung ohne gesetzlichen Steueranspruch | 277 | ||
1. Nochmals zu den typischen Fällen der Steuerhinterziehung | 277 | ||
2. Die „Fristerschleichung“ als ungerechtfertigter Steuervorteil | 279 | ||
a) Die Abgrenzung der Steuerverkürzung von der ungerechtfertigten Vorteilserlangung und die scheinbaren Folgen für die „Fristerschleichung“ | 280 | ||
b) Die Unbeachtlichkeit des materiellen Steueranspruchs für den Erfolg der ungerechtfertigten Vorteilserlangung – BGHSt 40, S. 109 | 283 | ||
3. Die strafrechtsdogmatische Herleitung – die Gestaltungswirkung als das maßgebliche Abweichungsverbot in den Fällen der „Fristerschleichung“ | 285 | ||
3. Abschnitt: Die Subsumtion der „Fristerschleichung“ unter den Tatbestand der Steuerhinterziehung – zugleich: Zusammenfassung der Ergebnisse | 288 | ||
A. Die Tathandlung des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO | 288 | ||
I. Das Machen unrichtiger oder unvollständiger Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen gegenüber einer Finanzbehörde oder einer anderen Behörde | 290 | ||
1. Das Machen unrichtiger oder unvollständiger Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen | 291 | ||
2. Das Angabenmachen gegenüber der Finanzbehörde oder einer anderen Behörde | 295 | ||
II. Das unrichtige oder unvollständige Angabenmachen in den Fällen der „Fristerschleichung“ | 296 | ||
1. Der Grundfall | 296 | ||
2. Die „Erschleichung der Wiedereinsetzung“ | 297 | ||
B. Die Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils | 298 | ||
I. Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse | 298 | ||
II. Erfolgseintritt | 299 | ||
1. Der Grundfall | 299 | ||
2. Die „Erschleichung der Wiedereinsetzung“ | 302 | ||
3. Keine Änderung der Steuerfestsetzung erforderlich | 303 | ||
C. Ursachen- und Zurechnungszusammenhang zwischen Tathandlung und Taterfolg | 304 | ||
I. Allgemein zum Erfordernis eines Ursachen- und Zurechnungszusammenhangs | 304 | ||
II. Die Fälle der „Fristerschleichung“ | 307 | ||
D. Tatvorsatz und kein Verbotsirrtum in den Fällen der „Fristerschleichung“ | 307 | ||
E. Endergebnis | 309 | ||
Literaturverzeichnis | 311 | ||
Sachverzeichnis | 326 |