Richterrecht der Arbeit – empirisch untersucht
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Richterrecht der Arbeit – empirisch untersucht
Möglichkeiten und Grenzen computergestützter Textanalyse am Beispiel des Arbeitnehmerbegriffs
Vogel, Friedemann | Pötters, Stephan | Christensen, Ralph
Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 278
(2015)
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About The Author
Friedemann Vogel ist Juniorprofessor für Medienlinguistik an der Universität Freiburg i.Br. und Koordinator der Heidelberger Gruppe der Rechtslinguistik. Er studierte Germanistik, Psychologie und Philosophie und wurde 2011 an der Universität Heidelberg promoviert. Die Dissertation wurde mit dem Preis »Sprache und Recht« der Universität Regensburg ausgezeichnet. An der Universität Freiburg leitet er das Forschungsprojekt JuReko zum Aufbau eines Referenzkorpus des deutschsprachigen Rechts. Friedemann Vogel hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u.a. den Lehrpreis »Innovatives Studium« der Universität Freiburg (2017).Dr. iur. Stephan Pötters, LL.M. (Cambridge), Akademischer Rat a.Z. am Institut für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit, Universität Bonn. Stephan Pötters studierte Rechtswissenschaften in Bonn, Strasbourg und Cambridge. Das Referendariat absolvierte er beim LG Köln mit Stationen in Düsseldorf und Berlin. Er promovierte zum Thema »Grundrechte und Beschäftigtendatenschutz« (2013). Die Dissertationsschrift wurde mit dem Wissenschaftspreis der GDD (Bernd-Hentschel-Preis) 2013 und dem Hugo Sinzheimer Preis 2014 ausgezeichnet. Aktuell habilitiert er sich zu einem arbeitsrechtlichen Thema. Stephan Pötters ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Arbeits-, Europa- und Verfassungsrecht.Dr. iur. Dr. phil. Ralph Christensen (Bonn/Mannheim), Repetitor für öffentliches Recht in Köln und Bonn und Mitbegründer der Heidelberger Gruppe der Rechtslinguistik. Ralph Christensen ist promovierter Rechtswissenschaftler und Philosoph und publiziert seit Jahrzehnten einschlägig zur Dogmatik von Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht und Europarecht. Neben zahlreichen Veröffentlichungen unter anderem auch zu Dogmatik, Rechtstheorie und Rechtsphilosophie ist er zusammen mit Friedrich Müller Autor einer »Methodik des öffentlichen Rechts« (11. Aufl., Berlin 2013) sowie »des Europarechts« (3. Aufl., Berlin 2012), beide bei Duncker & Humblot erschienen.Abstract
»Employment Law as Case Law - An Empirical Study«The authors examine fundamental questions of legal theory using German labour and employment law as an example. They implement methods of corpus linguistics for an empirical analysis of how employment law judges work and how they develop the semantic content of the particularly vague, heterogeneous and fragmentary regulatory framework of German employment and labour law. The authors also address related constitutional issues such as the limits of jurisprudence and separation of powers. In their view, the methodological questions and the constitutional problems are two sides of the same coin, as they both address the limits of language and legislation.Die gesetzlichen Grundlagen im Arbeitsrecht bilden kein einheitliches System. Die Begriffsbildung fordert den Richter heraus, selbst eine Bewertungsgrundlage herzustellen, ohne seine Rechtsprechungskompetenz zu überschreiten. Damit verbundene Methodenfragen sind immer auch Verfassungsfragen. Besonders deutlich wird dies beim Begriff des Arbeitnehmers. Die Autoren präzisieren diese Probleme mithilfe der Sprachwissenschaft. Die Methoden der Korpuslinguistik explizieren, was Juristen schon immer getan haben, verschaffen aber der Einschätzung juristischen Handelns auch eine empirische Grundlage: Gesetzesbindung liegt nicht darin, dass sich gerichtliche Urteile aus dem Text ableiten lassen, sondern darin, dass sie ihm zugerechnet werden. Die linguistische Analyse kann die pluralistischen Wertungen der Sprecher sichtbar und verhandelbar machen. Sie zeigt zudem: auch Gesetzesrecht ist notwendig Fallrecht. Ein Beitrag zur empirischen Wende der Jurisprudenz.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Inhaltsverzeichnis | 5 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 9 | ||
Einführung: Arbeitsrecht, Methodik und Korpuslinguistik | 11 | ||
A. Der Arbeitnehmer aus dogmatischer Perspektive: Ein Begriff mit Zukunft? | 17 | ||
I. Funktion des Arbeitnehmerbegriffs: Der Arbeitnehmer als Gatekeeper | 17 | ||
II. Umschreibungsversuche | 18 | ||
1. Ansatzpunkte in Gesetzen | 18 | ||
2. Der Arbeitnehmerbegriff des Bundesarbeitsgerichts und die Kritik bei Wank | 19 | ||
a) Das Merkmal der „persönlichen Abhängigkeit“ als Anknüpfungspunkt einer typologischen Begriffsbestimmung beim Bundesarbeitsgericht | 20 | ||
aa) Geläufige typologische Kriterien | 21 | ||
bb) Klassische Antitypen: Selbständige und Beamte | 21 | ||
(1) Beamte | 22 | ||
(2) (Schein-)Selbständige | 23 | ||
(3) Arbeitnehmerähnliche Personen | 23 | ||
b) Die alternative Konzeption bei Wank | 24 | ||
III. Arbeitsrechtliche Begriffsbildung und Europarecht | 25 | ||
1. Der Arbeitnehmer im Unionsrecht | 25 | ||
a) Arbeitnehmerbegriffe beim EuGH | 26 | ||
b) Perspektiven | 28 | ||
2. Verzahnung des nationalen Rechts mit unionsrechtlichen Vorgaben: Grenzen der Konformauslegung | 30 | ||
a) (Konform-)Auslegung und Rechtsfortbildung | 31 | ||
b) Die Wortlautgrenze im Unionsrecht | 33 | ||
c) Bewertung der Entscheidungen Quelle und Schultz-Hoff | 36 | ||
3. Ein Dialog verlangt Respekt vor Grenzen | 37 | ||
IV. Aktuelle Herausforderungen für Rechtspraxis und Politik | 38 | ||
1. Erosion und Europäisierung des Arbeitnehmerbegriffs | 39 | ||
a) Bedeutungsverlust des Arbeitnehmerbegriffs? | 40 | ||
b) Fortschreitende Europäisierung | 41 | ||
2. Die Agenda-Politik und ihre Folgen: Neue Abgrenzungsprobleme im Fokus des Arbeitsrechts | 42 | ||
a) Flucht in die Arbeitnehmerüberlassung | 42 | ||
b) Flucht aus der Arbeitnehmerüberlassung | 44 | ||
3. Arbeitsrecht und Bewältigung neuer Techniken | 46 | ||
4. Neue Machtverhältnisse in der Arbeitswelt? | 49 | ||
V. Die Tragfähigkeit typologischer Begriffsbildung | 52 | ||
1. Normative Unterbestimmtheit der Gesetzesbegriffe | 52 | ||
a) Die Unbestimmtheit von Begriffen | 53 | ||
b) Was dem Begriff fehlt | 55 | ||
2. Typus und Ganzheitsdenken | 56 | ||
a) Vom Gesetz zum Recht als Wert | 57 | ||
b) Vom Recht als Wert zum Recht in Fallketten | 59 | ||
3. Die logisch-semantische Kritik am Typus | 61 | ||
a) Von der Fallkette zur Definitionslehre | 62 | ||
b) Das Bereichsmodell soll die Fallreihe ersetzen | 64 | ||
4. Die Fallreihe als rationaler Kern der Typenlehre | 67 | ||
a) Was ist die Empirie von Sprache? | 68 | ||
b) Bedeutung existiert in Fallreihen oder Kontexten | 70 | ||
B. Korpuslinguistik − eine kurze Einführung für Rechtswissenschaftler | 72 | ||
I. Korpuslinguistik: Kurze Geschichte einer jungen Teildisziplin | 72 | ||
II. Methoden, Software und Algorithmen der Korpuslinguistik | 79 | ||
III. Korpuslinguistische Zugänge zur Rechtssprache: Juristische Sprachmuster als Indices für Sedimente juristischer Dogmatik | 88 | ||
C. Die fallbezogene Begriffsentwicklung beim BAG – Der Arbeitnehmerbegriff aus korpuslinguistischer Perspektive | 93 | ||
I. Zum Untersuchungsdesign | 93 | ||
1. Die Datengrundlage der Untersuchung | 93 | ||
2. Methodisches Vorgehen im Einzelnen | 97 | ||
II. Der ›Arbeitnehmer‹-Begriff in den Sedimenten der Rechtsdogmatik | 100 | ||
1. Komposita mit arbeitnehm | 100 | ||
2. Explizite Prädikationen zu arbeitnehm | 105 | ||
3. Cluster bzw. Mehrworteinheiten mit arbeitnehm | 109 | ||
4. Kookkurrenzpartner mit arbeitnehm | 111 | ||
III. Semantisches Schema und diskursive Funktion des ›Arbeitnehmers‹ – Sedimente der „herrschenden Meinung“ | 126 | ||
IV. Nachweis diachroner Tendenzen in der Entwicklung des ›Arbeitnehmer‹-Begriffs | 129 | ||
1. Zunehmende Europäisierung des Arbeitnehmer-Begriffs? | 131 | ||
2. Diachronie dogmatischer Abgrenzungsversuche | 133 | ||
V. Die Bedeutung von „Arbeitnehmer“ und „Arbeiter“ in Medientexten | 135 | ||
D. Der Widerspruch zwischen Theorie und Praxis der Gesetzesbindung im Arbeitsrecht | 138 | ||
I. Was die Gerichte sagen | 138 | ||
1. Die methodische Programmatik der Gerichte | 138 | ||
2. Die gerichtliche Auslegungslehre | 139 | ||
3. Vom Gesetz zur Gerechtigkeit | 141 | ||
II. Was die Gerichte tun | 146 | ||
1. Die Arbeit mit der Sprache | 146 | ||
2. Die Arbeit mit der Wissenschaft | 147 | ||
3. Die Arbeit mit Präjudizien | 149 | ||
E. Gesetzesbindung trotz Lücke und Richterrecht | 152 | ||
I. Ab durch die Lücke | 152 | ||
1. Die Bestimmtheitslücke | 153 | ||
2. Die Veränderungslücke | 157 | ||
3. Die Kollisionslücke | 159 | ||
4. Die Gesetzeslücke | 160 | ||
5. Die Rechtslücke | 163 | ||
6. Was bleibt von der Lücke? | 166 | ||
II. Richtermachtrecht und Richtergesetzesrecht | 167 | ||
1. Begriff des Richterrechts | 168 | ||
a) Richterrecht als Überschreitung der wörtlichen Bedeutung | 168 | ||
b) Gesetzesergänzendes und gesetzesverdrängendes Richterrecht | 169 | ||
c) Wie ist Richterrecht zu bewerten? | 170 | ||
2. Richtermachtrecht durch Unterstellung | 171 | ||
a) Rechtsunterstellung | 172 | ||
b) Wie ist der Normtext vorgegeben? | 178 | ||
c) Die Rechtsquelle als normativer Kreislauf | 179 | ||
d) Notwendiges und überschießendes Richterrecht | 182 | ||
3. Richtermachtrecht durch Verbiegung | 183 | ||
a) Rechtsverbiegung | 184 | ||
b) Die Reduktion des Gesetzes auf den Autor | 185 | ||
c) Die Reduktion des Gesetzes auf Werte | 188 | ||
d) Gibt es eine Hierarchie von Kontexten? | 190 | ||
4. Richtergesetzesrecht als Gesetzesbindung in Fallketten | 193 | ||
a) Semantik als Fallrechtsystem | 193 | ||
b) Fallrecht als Risiko für das Gesetz | 196 | ||
c) Fallrecht als Chance für das Gesetz | 202 | ||
d) Präjudiz als Argument | 208 | ||
III. Wortlautgrenze ohne wörtliche Bedeutung | 211 | ||
1. Sind Sprachregeln der Rechtsanwendung vorgeordnet? | 213 | ||
2. Bedeutungsfestsetzung oder die Sprache als Beute | 216 | ||
3. Bedeutungsfestlegung oder die Sprache als Überprüfungsinstanz | 221 | ||
F. Schlussbetrachtung | 227 | ||
I. Möglichkeiten und Grenzen korpusgestützter Zugänge zu juristischer Dogmatik | 227 | ||
II. Was verrät die Korpuslinguistik dem Arbeitsrechtler? | 229 | ||
1. Korpuslinguistische Software als Subsumtionsautomat? | 232 | ||
2. Korpuslinguistik als Analysetool für Rechtspolitik | 233 | ||
III. Im Wesentlichen frei? Begriffsbildung im Arbeitsrecht | 234 | ||
Über die Autoren | 236 |