Strafzumessungstatsachen zwischen Verbrechenslehre und Straftheorie
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Strafzumessungstatsachen zwischen Verbrechenslehre und Straftheorie
Zugleich ein Beitrag zur Strafzumessungsrelevanz des Vor- und Nachtatverhaltens
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 264
(2015)
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Dominik Stahl, geboren 1983 in Dortmund, studierte Rechtswissenschaften in Freiburg. Während der Erstellung seiner Dissertation war er als akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Strafrechtsphilosophie zunächst bei Professor Dr. Dres. h.c. Wolfgang Frisch und später Professor Dr. Dr. h.c. Michael Pawlik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg tätig. Seit April 2014 leistet er sein Referendariat am OLG Karlsruhe mit Stammdienststelle Landgericht Freiburg und Stationen u.a. bei Friedrich Graf von Westphalen (Freiburg) und CMS, China (Shanghai) ab.Abstract
For meting out punishment within a statutory range of sentences, it is essential to know the facts and circumstances that must be taken into consideration. To answer this normative question, modern German literature often focuses on criminal dogmatics. The thesis discusses the theoretical basis of this approach and its significance within a comprehensive sentencing concept. The anlysis shows what criminal dogmatics can specifically contribute to sort out relevant facts for sentencing.Welche Tatsachen bei der Bestimmung der Strafhöhe innerhalb eines Strafrahmens berücksichtigt werden müssen, ist für den angeklagten Straftäter von besonderer Bedeutung. Zur Beantwortung dieser Frage wird in der modernen Lehre oftmals die Straftatdogmatik herangezogen. Die Abhandlung versucht diesen Ansatz (straf)theoretisch zu fundieren und zu klären, was die Verbrechenslehre für die Ergründung von Strafzumessungsrelevanzen konkret leisten kann. In diesem Zusammenhang werden auch Umstände beleuchtet, die sich auf den ersten Blick zwar nicht aus der Verbrechenslehre herleiten lassen, deren Relevanz in der Praxis der Strafzumessung aber gleichwohl anerkannt ist. Am Beispiel des Vor- und Nachtatverhaltens wird herausgearbeitet, dass solche Umstände die Bedeutung der Verbrechenslehre für die Zumessung nicht in Frage stellen, Begründung und Zumessung der Strafe vielmehr Teile eines übergreifenden Systems bilden, die sich gegenseitig ergänzen und konkretisieren, aber niemals im Widerspruch zueinander stehen können.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung | 17 | ||
A. Induktive Methode zur Ergründung von Strafzumessungsrelevanzen | 19 | ||
I. Traditioneller Ansatz | 19 | ||
1. Finale, reale und logische Strafzumessungsgründe | 19 | ||
2. Bedeutung der Strafzwecke | 20 | ||
3. Bedeutung der Strafzumessungstatsachen | 20 | ||
4. Verhältnis der Strafzumessungsgründe zueinander | 21 | ||
II. Zur Validität einer Entwicklung von Strafzumessungsrelevanzen anhand der Praxis | 23 | ||
1. Gewohnheitsrecht | 24 | ||
a) Consuetudo und Opinio Iuris | 24 | ||
b) Die Relevanz der Straftheorien für die Frage der Reichweite zulässigen Gewohnheitsrechts | 26 | ||
2. Richterrecht | 27 | ||
3. Katalog der Strafzumessungsgründe | 28 | ||
III. Ableitung von Zumessungsrelevanzen aus einer Strafzumessungstheorie | 28 | ||
1. Deduktionsskeptizismus bei Spendel | 29 | ||
2. Strafzumessungskonzept und Straftheorie | 29 | ||
3. Methodisches Vorgehen zur Entwicklung und theoretischen Fundierung eines Strafzumessungskonzepts | 30 | ||
a) Induktion und Diskurs | 30 | ||
b) Auswahl des zu Grunde zu legenden Materials und schrittweise Präzisierung – Theoriebildung „von innen nach außen“ | 31 | ||
c) Zusammenfassung | 32 | ||
IV. Fazit | 33 | ||
B. Theoretischer Zusammenhang zwischen Verbrechenslehre und Strafzumessung | 34 | ||
I. Funktionen von Verbrechenslehre und Zumessung | 34 | ||
1. Unterscheidung zwischen Tatbestand und Rechtsfolge | 35 | ||
2. Funktionale Einheit von Tatbestand und Rechtsfolge? | 36 | ||
a) Theorie der Schwereskala | 37 | ||
b) Neubewertung des Lebenssachverhalts (Hassemer) | 39 | ||
c) Bewertung der verbrechensdogmatischen Schuld (Gössel) | 41 | ||
d) Tatbestandsausfüllende Strafzumessung | 43 | ||
e) Ausblick | 44 | ||
II. Materiale Begründungen | 45 | ||
1. Methodische Eingrenzung auf den Hintergrund der Unrechts- und Schuldschwererelevanz | 46 | ||
2. Von den Straftheorien losgelöste Konzepte der Strafzumessung | 46 | ||
a) Strafzumessung als soziale Praxis | 46 | ||
b) Strafzweckunabhängige Strafzumessung | 47 | ||
c) Vereinigungstheorien | 51 | ||
aa) Die reine Limitierungswirkung von Schuld | 52 | ||
bb) Durchbrechungen des Konzepts durch konstitutive Elemente der Schuld | 53 | ||
cc) Limitierungsfunktion der Schuld i. e. S. | 55 | ||
3. Absolute Konzepte der Strafe | 55 | ||
a) Vergeltung | 56 | ||
b) Wiederherstellung des Rechts | 58 | ||
aa) Anerkennungsgedanke | 58 | ||
bb) Selbstsubsumtion und Aufhebung des Scheins | 60 | ||
cc) Ausblick | 62 | ||
4. Expressive Funktion der Strafe zwischen absoluter und präventiver Straftheorie | 62 | ||
a) Expressivität als eigenständiger Ansatz? | 63 | ||
aa) Hörnle | 63 | ||
bb) Neumann | 64 | ||
b) Tadel als Element von absoluter und präventiver Straftheorie | 65 | ||
aa) Expressivität der Strafe im Lichte absoluter Theorien | 66 | ||
bb) Expressivität als Kernelement einer präventiven Theorie | 67 | ||
5. Spezialprävention | 67 | ||
6. Generalprävention | 68 | ||
a) Negative Generalprävention | 69 | ||
aa) Strafzumessung als Realisierung der Strafdrohung | 69 | ||
bb) Psychologische Interpretation von Unrecht und Schuld | 70 | ||
cc) Proportionalität und negative Generalprävention | 72 | ||
b) Positive Generalprävention im engeren Sinne | 73 | ||
aa) Die empirische Relevanz der Schuldstrafe | 74 | ||
bb) Normative Relevanz der Schuldstrafe | 77 | ||
cc) Positive Generalprävention und Freiheit | 82 | ||
c) Positive Generalprävention i. w. S. | 82 | ||
aa) Wahrung des Rechtsfriedens | 83 | ||
bb) Strafe als Muster für den richtigen Umgang mit abweichendem Verhalten (Hassemer) | 85 | ||
cc) Jakobs | 86 | ||
d) Intellektuelle Infragestellung der faktischen Normgeltung | 90 | ||
aa) Ausgangspunkt: Kognitive Erwartungsstabilisierung | 90 | ||
bb) Autonomie und rationale Alternative | 90 | ||
cc) Umsetzung der Unvernunft in die Lebenswirklichkeit durch Strafe | 92 | ||
dd) Bedeutung von Unrecht und Schuld | 93 | ||
ee) Empirische Absicherung? | 95 | ||
ff) Erforderlichkeit einer spezifischen Legitimation generalpräventiver Strafe gegenüber dem Täter | 96 | ||
C. Übertragbare Schwerebewertungen aus der Verbrechenslehre | 98 | ||
I. Grundlagen | 98 | ||
1. Ordnungsbegriffe in der Verbrechenslehre | 99 | ||
a) Merkmal als geeigneter Gegenstand einer schweremäßigen Bewertung | 99 | ||
b) Schwerebewertungen, die im Merkmal angelegt sind | 99 | ||
aa) Typusbegriff | 100 | ||
bb) Klassenbegriff | 101 | ||
cc) Materielle Legitimation | 102 | ||
2. Grenzwerthypothese | 103 | ||
3. Methode | 104 | ||
a) Strafrahmenvergleich mit Blick auf Schweregesichtspunkte | 104 | ||
b) Skalen mit Relevanz für die Infragestellung des Rechts | 104 | ||
II. Schuldschwere in der Verbrechenslehre | 105 | ||
1. Grundlage: Schuld als Vorwerfbarkeit | 105 | ||
2. Verbotsirrtum | 106 | ||
a) Teilbarkeit des Unrechtsbewusstseins | 107 | ||
b) Vermeidbarkeit | 107 | ||
3. Seelische Störungen und geistige Reife | 108 | ||
4. Entschuldigungsgründe | 110 | ||
III. Strafhöhenrelevante Faktoren im Bereich des Unrechts | 110 | ||
1. Wert des angegriffenen Rechtsguts | 111 | ||
a) Grundtatbestand und Qualifikation/Privilegierung | 111 | ||
b) Quervergleiche | 113 | ||
c) Beeinträchtigung des Rechtsguts | 114 | ||
2. Die Intensität des Angriffs – Gefährlichkeit | 115 | ||
a) „Gefahrengrade“ | 115 | ||
b) Vorsatz und Fahrlässigkeit | 117 | ||
c) Art und Weise der Tatausführung | 117 | ||
d) Hintergrund der Relevanz der Gefährlichkeit | 118 | ||
3. Rechtswidrigkeit | 119 | ||
4. Pflichten und Pflichtwidrigkeit | 121 | ||
a) Intensität des Pflichtenverstoßes und Gefährlichkeit | 121 | ||
b) Gewicht der Pflicht und Freiheitsabschichtungen | 122 | ||
5. Täterschaft und Teilnahme | 123 | ||
a) Ordinale Differenzierungen im Bereich von Täterschaft und Teilnahme | 124 | ||
b) Verortung anderer Differenzierungen auf derselben Skala – Rechtsfolgendifferenzierung im Bereich von Täterschaft und Teilnahme | 125 | ||
c) Zum Hintergrund von Strafmaßmodifizierungen im Rahmen von Täterschaft und Teilnahme | 126 | ||
6. Vorsatz | 127 | ||
a) Vorsatz und Fahrlässigkeit | 127 | ||
b) Vorsatzformen | 128 | ||
IV. Nicht eindeutig zuordenbare Faktoren der Verbrechenslehre | 130 | ||
1. Beweggründe | 130 | ||
a) Parallele zu Rechtfertigungsgründen und Entschuldigungsgründen? | 130 | ||
b) Ideelle Bedeutung der Beweggründe im Lichte des Anerkennungsgedankens | 131 | ||
c) Die grundsätzliche Bedeutung ideeller Faktoren de lege lata | 132 | ||
2. Ziele | 133 | ||
3. Rücktritt und tätige Reue | 134 | ||
a) Strafhöhenrelevante ordinale Differenzierungen im Bereich von Rücktritt und tätiger Reue | 134 | ||
b) Hintergrund dieser Modifizierungen | 135 | ||
D. Abweichungen von der Verbrechenslehre | 137 | ||
I. Nicht übertragbare Aussagen der Verbrechenslehre | 137 | ||
1. Die verschuldeten Auswirkungen der Tat | 138 | ||
a) Konkurrenz und Schwereskala | 139 | ||
b) Konsequenzen für die Verwertung von „verschuldeten Auswirkungen der Tat“ | 140 | ||
c) Tatbestände als Grenze | 141 | ||
aa) Bindung an den Tatbestand im Hinblick auf die Maßstäbe der Strafzumessung | 142 | ||
bb) Bindung an den Tatbestand im Hinblick auf den Bewertungsgegenstand | 143 | ||
d) Fazit | 144 | ||
2. Die Anwendung der Versuchsregeln auf Regelbeispiele | 144 | ||
3. Teilnahme und Regelbeispiel | 146 | ||
II. Relevanzen, die sich nicht aus der Verbrechenslehre herleiten lassen | 147 | ||
1. Präventive Faktoren | 147 | ||
a) Konzeptioneller Rahmen: Die Spielraumtheorie | 148 | ||
b) Negative Generalprävention | 148 | ||
aa) Das empirische Problem | 148 | ||
bb) Das normative Problem | 150 | ||
c) Spezialprävention | 151 | ||
aa) Vermeidung von Nebenfolgen | 151 | ||
bb) Spezialpräventive Strafschärfungen | 152 | ||
cc) Überzeugungskraft spezialpräventiver Ausfüllung des Schuldrahmens | 152 | ||
d) Exkurs zur Problematik der Spielraumtheorie | 155 | ||
2. Zeitablauf | 156 | ||
a) Hintergrund der Relevanz des Zeitablaufs | 157 | ||
aa) Veränderte Bewertung der Schuld | 157 | ||
bb) Indizielle Bedeutung des Zeitablaufs | 158 | ||
b) Kompatibilität des Strafzumessungsfaktors Zeitablauf mit dem hiesigen Konzept | 159 | ||
3. Strafempfindlichkeit | 160 | ||
a) Prognoseunsicherheiten und gerechter Umgang mit der Strafempfindlichkeit | 161 | ||
b) Klassenjustiz und Schuldangemessenheit | 161 | ||
4. Straftatfolgen | 162 | ||
5. Fazit und Ausblick | 163 | ||
E. Die Zumessungsrelevanz des Vor- und Nachtatverhaltens | 165 | ||
I. Identität der Schuldbegriffe | 165 | ||
1. Abweichungen | 165 | ||
a) Strafzumessungsschuld als verschuldetes Unrecht | 165 | ||
b) Ordinaler Begriff in der Strafzumessung | 168 | ||
2. Die These von der Deckungsgleichheit | 168 | ||
II. Vor- und Nachtatverhalten in der Praxis der Strafzumessung | 169 | ||
1. Indizkonstruktion | 169 | ||
2. Vortatverhalten | 170 | ||
a) Vorgeschichte der Tat | 170 | ||
aa) Tatplanung und Vorbereitung | 171 | ||
bb) Konflikttaten | 176 | ||
cc) Alkoholisierung und andere Schuldminderungsgründe | 179 | ||
dd) Fazit | 180 | ||
b) Das sonstige Vorleben des Täters | 181 | ||
aa) Warnungen | 182 | ||
bb) Vortaten und sonstiges Vorleben | 188 | ||
cc) Grenzen strafschärfender Berücksichtigung des Vorlebens | 191 | ||
c) Fazit | 197 | ||
3. Nachtatverhalten | 198 | ||
a) Umkehrverhalten des Täters nach formeller Vollendung | 198 | ||
b) Täter-Opfer-Ausgleich und Wiedergutmachung | 199 | ||
c) Hinzufügung weiteren Unrechts | 202 | ||
d) Einstellung des Täters bei der Tat | 205 | ||
aa) Die Begehung weiterer Straftaten | 205 | ||
bb) Tatspurenbeseitigung | 205 | ||
cc) Prozessverhalten | 206 | ||
e) Ausblick und Fazit | 209 | ||
aa) Negation der Negation durch Täterleistung | 209 | ||
bb) Einstellung | 210 | ||
III. Die Schuldrelevanz der Einstellung des Täters zu seiner Tat | 210 | ||
1. Die Problematischen Aspekte des Vor- und Nachtatverhaltens | 210 | ||
2. Die Bedeutung der Einstellung im Rahmen des positiv generalpräventiven Konzepts | 211 | ||
a) Rationale Motivation | 212 | ||
b) Personale Verbindlichkeit | 213 | ||
aa) Aufriss | 213 | ||
bb) Praktische Handhabung | 213 | ||
c) Konflikte mit einem freiheitlichen Schuldverständnis | 214 | ||
3. Integration in die Schuld als Vermeidemacht | 216 | ||
a) Empirische Probleme | 216 | ||
b) Normative Probleme: Steigerbarkeit der Schuld | 217 | ||
aa) Steigerungen der Schuld und Selbstbild | 218 | ||
bb) Strukturelle Implikationen des Verbrechenssystems | 219 | ||
cc) Fazit | 220 | ||
4. Erweiterungen des Schuldbegriffs der Verbrechenslehre | 220 | ||
a) Extensive Auslegung des Schuldbegriffs | 221 | ||
aa) Charakterschuld | 221 | ||
bb) Lebensführungsschuld | 222 | ||
cc) Funktionaler Schuldbegriff | 224 | ||
dd) Tatschuld | 227 | ||
ee) Schuld i. e. S. – das Andershandelnkönnen | 227 | ||
b) Extensive Auslegung des Unrechtsbegriffs | 228 | ||
aa) Ideelles Unrechtsverständnis als straftheoretisch zwingende Konsequenz | 228 | ||
bb) Loslösung vom Tatstrafrecht | 229 | ||
IV. Zum Verhältnis ideeller und gegenständlicher Unrechtselemente | 231 | ||
1. Gesinnungselemente als konkretisierende Faktoren der von dem gegenständlichen Normbruch umrissenen Infragestellung des Rechts | 232 | ||
a) Ideelle Elemente im Bereich des Vorsatzes | 232 | ||
b) Ziele und Beweggründe | 233 | ||
c) Die rechtsfeindliche Einstellung | 234 | ||
d) Schuld i. e. S. | 235 | ||
2. Umsetzung | 235 | ||
a) Schrittweise Konkretisierung des Strafmaßes | 235 | ||
b) Spielraumtheorie | 236 | ||
F. Schlussbetrachtung | 238 | ||
Literaturverzeichnis | 243 | ||
Sachverzeichnis | 273 |