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Hierarchie der Rechtsquellen im tradierten sunnitischen Islam

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Krawietz, B. (2002). Hierarchie der Rechtsquellen im tradierten sunnitischen Islam. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50302-5
Krawietz, Birgit. Hierarchie der Rechtsquellen im tradierten sunnitischen Islam. Duncker & Humblot, 2002. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50302-5
Krawietz, B (2002): Hierarchie der Rechtsquellen im tradierten sunnitischen Islam, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-50302-5

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Hierarchie der Rechtsquellen im tradierten sunnitischen Islam

Krawietz, Birgit

Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 208

(2002)

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Abstract

Die vorliegende Arbeit ist die erste umfassende Untersuchung in deutscher Sprache, die sich der sunnitisch-islamischen juristischen Methodik und Rechtsquellenlehre in systematischer Absicht zuwendet. Der Verfasserin geht es darum, normative Systemzusammenhänge und Charakteristika islamischer Rechtsquellenlehren herauszuarbeiten, so wie sie sich für arabischsprachige muslimische Autoren und Adressaten heutzutage üblicherweise darstellen, auch wenn diese $ade facto$z unterschiedlichen Rechtsordnungen angehören. Zwar darf islamisches Recht nicht mit dem Recht islamischer Staaten verwechselt werden, doch ist die Scharia in islamischen Ländern und vielen arabischen Staaten Ausgangspunkt, Grundlage und Maßstab der Beurteilung. Als solche beansprucht sie auch zukünftige Geltung.

Die Autorin rekonstruiert die Entwicklung des islamischen Rechts von den Anfängen bis zur Gegenwart. Sie folgt dabei den Eigendeutungen und den (Selbst-) Periodisierungen des tradierten wie des zeitgenössischen Rechtsdenkens aus der Binnenperspektive des islamischen Rechtssystems. Der begriffliche Rahmen und das von ihr entwickelte Verfahren gestatten ihr einen hinreichend weiten wie detaillierten Blick auf das Gesamtgefüge approbierter Rechtsquellen. Im Zentrum stehen dabei vor allem diejenigen Rechtsquellenlehren, die einem tradierten Verständnis folgen. Diese Orientierung am Mainstream zeitgenössischen islamischen Rechtsdenkens schließt jedoch gewisse Neuerungen nicht aus. Insgesamt zeigt die vorgestellte Literatur einen hohen Grad an Reflektiertheit und Flexibilität.

Zu den Zielen dieser Untersuchung gehört es auch, dem unter westlichen Betrachtern verbreiteten Zerrbild einer vermeintlich apodiktischen, wenig differenzierungsfähigen Scharia und ihrer Jurisprudenz zu begegnen, das nun wirklich nicht der Wahrheit entspricht. So kann sie u. a. zu dem Ergebnis gelangen, daß es im Bereich der juristischen Methodik, $aformal$z gesehen, mehr Gemeinsamkeiten mit der westlichen Jurisprudenz gibt, als gemeinhin angenommen wird. Dies gilt auch eingedenk der Tatsache, daß zwischen islamischem und westlichem Recht, $arechtsinhaltlich$z betrachtet, vielfach radikale Unterschiede bestehen, die man in Rechnung zu stellen hat.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort V
Inhaltsverzeichnis XV
Einleitung 1
Erster Abschnitt: Genese und Geltungsgrundlagen des islamischen Rechtssystems 12
§ 1 Islamisches Recht in der Frühzeit 12
1. Gesetzgebung zur Zeit Muhammads 16
a) Göttliche Herabsendung von Gesetz und Recht 16
b) Gesetzgebungsmacht und Rechtsquellenlage 18
c) Eigenheiten der Jurisprudenz zur Zeit Muhammads 20
2. Vom iğtihād des Propheten 21
a) Muhammad als eigenständiger Schöpfer von Recht? 21
b) Irrtümer und Fehler Muhammads bei der Ausübung seines iğtihād 22
c) Propheten-iğtihād als Rechtsquelle 24
3. Normative Wirksamkeit der Prophetengefährten (ṣaḥāba) 25
a) Iğtihād-Befugnis der Prophetengefährten zu Lebzeiten Muhammads 27
b) Relevanz von Meinungsstreitigkeiten unter den ṣaḥāba 30
c) Eigenheiten, Errungenschaften und Stellenwert der Gesetzgebung zur Zeit der Rechtgeleiteten Kalifen 33
§ 2 Konstitution und Phasen islamischer Jurisprudenz 46
1. Errungenschaften der Nachfolger 46
a) Kennzeichen und Merkmale der formativen Phase 47
b) Entwicklung und Verfälschung des Hadith 49
c) Rechtliche Willkür 53
2. Blüte und Entwicklung der islamischen Jurisprudenz 54
a) Juristen und Jurisprudenz unter der Obhut der Abbasiden 55
b) Verschriftlichung und Fixierung von Sunna und Recht 57
c) ,Freie' Rechtsfindung (iğtihād) 59
3. Schulen islamischen Rechts und Eigenheiten ihrer Methodologie 62
a) Malikiten 63
b) Hanafiten 64
c) Schafiiten 66
d) Hanbaliten 69
§ 3 Stagnation, Erstarrung und Neubeginn islamischen Rechtsdenkens 70
1. Zeitalter des taqlīd 70
a) Voraussetzungen und Gründe für den taqlīd 74
b) Merkmale taqlīd-gestützter Jurisprudenz 77
2. Islamisches Recht in der Moderne 79
a) Entwicklungstendenzen und neuer Aufschwung islamischen Rechts 79
b) Wandel und Umbruch im islamischen Recht des gegenwärtigen Zeitalters 82
Zweiter Abschnitt: Primärquellen des islamischen Rechtssystems 87
§ 4 Koran als Rechtsquelle 87
1. Merkmale, begriffliche Bestimmung und normative Definition des Korans 87
a) Koran als Wort Gottes und schrittweise Offenbarung seines Inhalts 88
b) Arabischer Koran und Probleme seiner Übersetzung 91
c) Authentizität des Korans und seiner Lesarten 95
2. Unversehrte Herabsendung und Fixierung des Korans auf Dauer 98
a) Korrekte Aufnahme und Anordnung der Verse und Suren 99
b) Schriftliche Fixierung des Korans auf Erden 100
3. Geltung und Beweiskraft (ḥuğğiyya) des Korans 104
a) Heiligkeit des Korans und koranisches Wunder als Beweise seiner göttlichen Herkunft 105
b) Normative Aspekte und Konsequenzen des koranischen Wunders 106
4. Rechtliche Bestimmungen des Korans 108
a) Kategorische und präsumtive Bestimmungen 110
b) Verhältnis von allgemeinen und speziellen Bestimmungen im Koran 111
c) Rechtliche Regelungsbereiche des Korans 112
§ 5 Prophetensunna als Rechtsquelle 115
1. Ausdrucksformen und Regelungsbereiche der Sunna 115
a) Begriffliche Bestimmung und normative Definition der Sunna 115
b) Formen normativer Äußerungen des Propheten 116
c) Gegenstandsbereiche der Sunna 118
2. Belege für die Beweiskraft der Sunna 121
a) Koranische Begründung der Sunna 121
b) Normative Eigenständigkeit und Selbstbegründung der Sunna 125
c) Gegner der Sunna als Rechtsquelle 129
3. Formen der Überlieferung authentischer Sunna 134
a) Sunna mutawātira 135
b) Sunna āḥādiyya 141
c) Sunna mašhūra 149
§ 6 Koran und Sunna als komplementäre Formen islamischen Rechts 151
1. Normative Verbindung von Koran und Sunna 151
a) Bestätigende Sunna 152
b) Verdeutlichung, Begründung und normative Konkretisierung des Korans durch Sunna 154
c) Schweigen des Korans 156
2. Abrogation (nasḫ) von Rechtsbestimmungen im Rahmen der Scharia 160
a) Begriffliche Bestimmung und Einordnung 160
b) Belege für die Existenz von nasḫ im Rahmen der Primärquellen 162
c) Arten und Bedingungen normativer Abrogation 170
3. Relevanz von Offenbarungsgesetzen im Vorfeld von Koran und Sunna 172
a) Definition von šarʿ man qablanā 174
b) Verhältnis des Islam zu vorislamischen Offenbarungsreligionen und ihrer Gesetzgebung 175
c) Erwähnung nichtislamischer Regeln in Koran und Sunna 177
Dritter Abschnitt: Sekundärquellen des islamischen Rechtssystems 182
§ 7 Sekundäre Rechtserzeugung im Rahmen der Scharia 182
1. Konsens (iğmāʿ) als abgeleitete Rechtsquelle 182
a) Konsens als dritte der allgemein anerkannten Quellen 182
b) Autorität und Anwendbarkeit des iğmāʿ 184
c) Legitimation und normative Bedingungen des iğmāʿ 193
2. Analogie (qiyās) als abgeleitete Rechtsquelle 203
a) Begründungen der Autorität des qiyās 206
b) Bestandteile und Bedingungen der Analogie 214
§ 8 Rechtlich geschützte Interessen, Ziele und Zwecke (maqāṣid) als normative Orientierungspunkte 223
1. Notwendigkeit göttlicher Anleitung zur Erkennung schützenswerter Interessen (maṣāliḥ) 224
a) Religionsrechtlich unterschiedliche Einstufung und Regelung von Interessen 224
b) Rechtliche Anerkennung und kategoriale Unterscheidung von Interessen 227
2. Dreistufigkeit rechtmäßiger Interessen 229
a) Notwendigkeiten und Grundwerte der islamischen Lebensordnung 229
b) Islamisches Recht als Mittelweg der Verwirklichung bedürfnisorientierter Interessen 232
c) Anerkannte Interessen als Optimierungs- und Vermeidungsgebote 234
3. Prinzipien, Maximen (qawāʿid) und Regeln des Umgangs mit diversen Interessenlagen 237
a) Interessenorientierte Prinzipien, Maximen und Regeln 237
b) Exemplarische und typische Gemengelagen von Rechtsgütern und Interessen 238
§ 9 Rücksichtnahme auf sonstige Interessen und Belange 242
1. Schariatrechtlich nicht ausdrücklich geschützte Interessen (maṣāliḥ mursala) 242
a) Meinungsstreitigkeiten bezüglich der maṣlaḥa mursala 243
b) Argumentation bei der Erörterung des Für und Wider von istiṣlāḥ 247
c) Bedingungen und Schranken der Berücksichtigung ungeschützter Interessen 254
2. Blockieren rechtmäßiger Handlungen und Mittel im Hinblick auf deren Voraussetzungen und Folgen (sadd al-ḏarāʾiʿ) 261
a) Abgrenzung gegenüber den muqaddimāt und den ḥiyal im Rahmen des Schariatrechts 263
b) Rechtmäßigkeit des Abstellens auf die Mittel (ḏarāʾiʿ) im Meinungsstreit der Gelehrten 266
c) Sadd al-ḏarāʾiʿ als Quelle und Prinzip islamischen Rechts 274
3. Präsumtion der Fortgeltung einer Rechtslage oder eines früheren Zustands (istiṣḥāb) 279
a) Istiṣḥāb als Grundlage von Maximen, Prinzipien und Regeln des Rechts 280
b) Arten des istiṣḥāb 283
c) Istiṣḥāb-Prinzip als Hilfsquelle und Mittel der Rechtsbildung 285
4. Gewohnheitsrecht (ʿurf) 291
a) Arten von ʿurf 294
b) Ableitung und Begründung des Gewohnheitsrechts 302
c) Rechtscharakter des ʿurf und Abgrenzung gegenüber anderen Rechtsquellen 305
5. Recht und Billigkeit (istiḥsān) im Islam 313
a) Begriff, Bestimmung und Arten von istiḥsān 313
b) Legitimation von Billigkeitserwägungen im Streit der Lehrmeinungen 318
Vierter Abschnitt: Islamisches Recht, Rechtsgewinnung und normative Richtigkeit von Fall zu Fall 327
§ 10 Hat jeder Muğtahid recht (Hal kull muğtahid muṣīb)? 327
1. Verhältnis von Wahrheit und Richtigkeit bei der Beantwortung religiös-rechtlicher Fragen 330
a) Einheit von Wahrheit und Richtigkeit bei theologischen Grundsatzfragen (masāʾil ʿaqliyya oder kalāmiyya) 331
b) Einheit von Wahrheit und Richtigkeit bei rechtstheoretischen Fragen (masāʾil uṣūliyya)? 334
c) Definitiv als richtig erwiesene rechtspraktische Antworten (masāʾil fiqhiyya qaṭʿiyya) 335
2. Idee der einzig richtigen Entscheidung in nicht definitiv erwiesenen rechtspraktischen Fragen bei der muḫaṭṭiʾa 337
a) Grundsatzposition 337
b) Argumente der muḫaṭṭiʾa 339
c) Meinungsstreit innerhalb der muḫaṭṭiʾa bezüglich der Erkennbarkeit des richtigen Rechts 341
3. Negation der Möglichkeit einzig richtiger (wahrer) Entscheidungen durch die muṣawwiba 343
a) Grundsatzposition 343
b) Vertreter der muṣawwiba im einzelnen 344
c) Argumente der muṣawwiba 345
4. Relevanz der rechtlichen Debatte um die Fehlbarkeit des Muğtahid 347
a) Mangelnde Richtigkeitsgewähr bei der Bestimmung der Gebetsrichtung nach Mekka (al-iğtihād fī al-qibla) als religionsrechtliche Metapher 347
b) Relative Richtigkeit der Argumente und Begründungen 349
c) Funktionale Erwägungen, Konsequenzen und Vorzüge der taḫṭiʾa 350
§ 11 Iğtihād-Reglementierungen und Rechtsgewinnung im Einzelfalle 353
1. Iğtihād-Monopol der Gelehrten 353
a) Auskunftspflicht und normative Verantwortung der Gelehrten 353
b) Vorbedingungen und Zugangsbarrieren des iğtihād 359
c) Kompetenzstufen und Teilbarkeit des iğtihād 365
2. Kollision von Rechtsnormen (taʿāruḍ al-adilla) 372
a) Konkurrenzen und Normenkonflikte innerhalb des Systems der Rechtsquellen 372
b) Definition und Gegenstandsbereich des taʿāruḍ 375
c) Lösungsmodelle (marātib) zur Abwehr von Normenkonflikten 378
3. Änderung und Aufhebung von Rechtsmeinungen 383
a) Subjektiver Sinneswandel des muğtahid 384
b) Rechtliche Bestimmungsmacht und normative Verbindlichkeit von Fatwas 386
c) Aufrechterhaltung oder Revision von Urteilen 388
§ 12 Pflichten und Rechte des juristischen Laien im Hinblick auf die erforderliche Rechtsgewinnung im Einzelfalle 390
1. Grundsätzliche Fragepflicht des Gläubigen 390
2. Positive und negative Formen des taqlīd 392
a) Übertragene Bedeutungen von taqlīd 393
b) Rechtlich approbierte Form des taqlīd 395
3. Person des muqallid 398
a) Muß der Laie taqlīd üben 398
b) Darf der muğtahid taqlīd üben 400
4. Rechtsschulwesen und Richtigkeit der Auskunft 401
a) Orthodoxie im Rahmen der vier sunnitischen Rechtsschulen 401
b) Maḏhab-Wahl versus maḏhab-Pflicht 405
5. Kriterien der Auswahl des richtigen Mufti 409
a) Kompetenz und persönliche Qualifikation 409
b) Prüfung der Qualität des Mufti 411
c) Die Qual der Mufti-Wahl, al-fāḍil wal-mafḍūl 413
Resümee und Ausblick 415
Schrifttumsverzeichnis 421
Personen- und Sachverzeichnis 449