Systemgerechtigkeit bei den Marktfreiheiten der Europäischen Union
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Systemgerechtigkeit bei den Marktfreiheiten der Europäischen Union
Die gebotene Kohärenz nationaler Gesetzgebung
Schriften zum Europäischen Recht, Vol. 174
(2016)
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Abstract
Der Autor befasst sich mit einem anhaltend kontrovers diskutierten Rechtfertigungsstandard für Eingriffe in die EU-Marktfreiheiten: dem Gebot der Kohärenz nationaler Gesetzgebung. Die offenbare Nähe zur Widerspruchsfreiheit, aber vor allem auch die engen Bezüge zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Gleichbehandlungsgebot charakterisieren das Kohärenzgebot als unionsspezifische Ausprägung der im Verfassungsrecht entwickelten Systemgerechtigkeit. Mit Blick auf etwaige übertragbare Normen setzt die Untersuchung an diesen verfassungsrechtlichen Wurzeln an, um hierauf aufbauend zu einer abschließenden dogmatischen Verortung und Gesamtbeurteilung des Gebotes zu gelangen. Letztere nimmt dabei insbesondere das Spannungsfeld zwischen der Kontrollfunktion des Kohärenzgebotes und den gewichtigen demokratiebezogenen Friktionen in den Blick. Die abschließende rechtsvergleichende Analyse des Einsatzes von Kohärenzprinzipien im Welthandelsrecht und in der EMRK dient zusätzlich der Auflösung des um das Kohärenzgebot geführten Legitimationskonflikts.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 13 | ||
A. Einleitung | 17 | ||
I. Problemstellung und Untersuchungsgegenstand | 17 | ||
II. Gang der Untersuchung | 24 | ||
B. Kohärenz als europäischer Systemgerechtigkeitsbegriff | 27 | ||
I. Erarbeitung eines unionsrechtlichen Begriffs der Systemgerechtigkeit | 27 | ||
1. Ausgangsüberlegungen zur Systemgerechtigkeit | 27 | ||
2. Überleitung von der verfassungsrechtlichen zur unionsrechtlichen Systemgerechtigkeit | 29 | ||
3. Systemgerechtigkeit als Widerspruchsfreiheit bei Engisch | 31 | ||
4. Ableitung der unionsrechtlichen Kohärenz aus dem Gebot der Folgerichtigkeit | 37 | ||
a) Zur Unterscheidung zwischen Folgerichtigkeit und Systemgerechtigkeit | 37 | ||
b) Formen verfassungsrechtlicher Systemgerechtigkeit | 40 | ||
aa) Konkretisierungsbedarf der Systemgerechtigkeit | 40 | ||
bb) Systemgerechtigkeit als Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung | 40 | ||
cc) Systemgerechtigkeit als Gebot systemischer Kontinuität | 41 | ||
dd) Systemgerechtigkeit als spezifisch steuerrechtliches Gebot | 46 | ||
ee) Systemgerechtigkeit als Widerspruchsfreiheit in der gesetzlichen Zielbezogenheit | 48 | ||
II. Abgrenzung des Kohärenzgebotes vom Postulat der Systemgerechtigkeit | 50 | ||
1. Vergleichbarkeit und Unvergleichbarkeit | 50 | ||
a) Systemgerechtigkeit im Rahmen des Gleichheitssatzes | 52 | ||
b) Systemgerechtigkeit im Rahmen der Freiheitsgrundrechte | 56 | ||
c) Systemgerechtigkeit als gesetzgebungslenkendes Instrument | 58 | ||
2. Gesteigerte Rigorosität unionsrechtlicher Systemgerechtigkeit? | 59 | ||
3. Der Begriff des Systems | 63 | ||
a) Die Marktfreiheiten als „passives“ System | 63 | ||
b) Der gesetzlich geordnete Regelungsbereich als „aktives“ System | 64 | ||
C. Das unionsrechtliche Kohärenzgebot in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs | 68 | ||
I. Normativer Kontext des Kohärenzgebotes | 68 | ||
1. Die Grundfreiheiten als primäres Instrument zur Verwirklichung des Binnenmarktes | 70 | ||
2. Einordnung des Kohärenzgebotes in die Grundfreiheitsdogmatik | 73 | ||
a) Allgemeine Strukturmerkmale der Grundfreiheitsdogmatik | 73 | ||
b) Tatbestandliche Gewährleistungen der Grundfreiheiten | 74 | ||
c) Rechtfertigung von Grundfreiheitsbeeinträchtigungen | 76 | ||
d) Friktionen mit dem Subsidiaritätsgedanken | 77 | ||
3. Funktionale Ausrichtung des Kohärenzgebotes an den Strukturelementen des Binnenmarktes | 81 | ||
a) Bedingte Aufnahme des Gebots der Wettbewerbsfreiheit | 81 | ||
b) Konzentration auf das Gebot der Wettbewerbsgleichheit | 86 | ||
4. Kohärenz als Indikator für eine missbrauchsfreie gesetzgeberische Absicht | 91 | ||
II. Die semantischen Grundlagen des unionsrechtlichen Kohärenzgedankens | 94 | ||
1. Terminologische Vielfalt | 94 | ||
2. Der Begriff Kohärenz und seine Unterscheidung vom Begriff Konsistenz | 96 | ||
a) Kohärenz: die Problematik der begrifflichen Konturierung | 96 | ||
b) Kohärenzgedanken in Philosophie und Rechtstheorie | 99 | ||
c) Das Kohärenzgebot in Art. 7 AEUV | 103 | ||
d) Kohärenz in der Diktion des Europäischen Gerichtshofs | 105 | ||
aa) Wirkliche Zielverfolgung im Sinne der Entscheidung Zenatti | 105 | ||
bb) Das Gebot der Kohärenz und Systematik in der Entscheidung Gambelli | 107 | ||
cc) Erklärungsversuche für die „verfehlte“ Bezeichnung | 115 | ||
dd) Abgrenzung zum unionsbezogenen Kohärenzgebot | 118 | ||
ee) Zusammenfassung | 119 | ||
III. Die Entwicklung des Kohärenzgedankens durch den Europäischen Gerichtshof | 120 | ||
1. Das Kohärenzgebot als unionsrechtliches Novum? | 120 | ||
2. Historische Entwicklung | 121 | ||
3. Erklärungsversuche für die quantitative Zunahme von Kohärenzargumentationen | 125 | ||
4. Aufwertung des Kohärenzgedankens in qualitativer Hinsicht? | 127 | ||
a) Strengere Kohärenzprüfung ausgehend von Loi Evin und Corporación Dermoestética? | 127 | ||
b) Indiz für schwächere Ausübung der Kohärenzprüfung ausgehend von Kommission / Griechenland und Apothekerkammer des Saarlandes? | 128 | ||
c) Zwischenfazit | 135 | ||
d) Das Kohärenzgebot im Bereich der Glücksspielregulierung | 136 | ||
e) Ergebnis | 141 | ||
IV. Die inhaltliche Reichweite des Kohärenzgebotes | 141 | ||
1. Keine Pflicht zu einem uniformen Schutzniveau | 141 | ||
2. Inhaltliche Reichweite des Kohärenzgebotes | 143 | ||
a) Innere und äußere Kohärenz | 143 | ||
b) Der Kohärenzmaßstab als kritisches Charakteristikum der Gesamtkohärenz | 148 | ||
c) Die konkreten Anforderungen an die innere und äußere Kohärenz nach Maßgabe der Urteile Carmen Media, Markus Stoß und Winner Wetten | 152 | ||
aa) Kohärenzanforderungen in Bezug auf ein Konzessionssystem | 153 | ||
bb) Kohärenzanforderungen in Bezug auf ein staatliches Monopol | 155 | ||
cc) Kohärenzanforderungen in Bezug auf ein Veranstaltungsverbot | 158 | ||
dd) Zusammenfassung der glücksspielrechtlichen Kohärenzvorgaben | 160 | ||
ee) Reichweite des Kohärenzmaßstabes bei den Glücksspielen | 162 | ||
ff) Zusammenfassung | 164 | ||
3. Die von der Kohärenzprüfung erfassten Grundfreiheiten | 164 | ||
V. Rechtfertigungsbezogener Anwendungsbereich des Kohärenzgebotes | 166 | ||
1. Anwendbarkeit auf geschriebene und ungeschriebene Rechtfertigungsgründe | 166 | ||
2. Zielrichtung: Das Kohärenzgebot als Missbrauchskontrolle | 168 | ||
a) Anti-Protektionismus als lediglich funktioneller Ausschnitt | 168 | ||
b) Kohärenz zur Abwehr illegitimer fiskalischer Interessen | 172 | ||
c) Geringerer Strengemaßstab bei fehlender wirtschaftlicher Zielrichtung des Gesetzgebers | 175 | ||
d) Rationalitässtiftende Funktion als Legitimationsstärkung? | 178 | ||
3. Anerkennung von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses | 181 | ||
4. Mitgliedstaatliche Ermessensspielräume als Korrelat von Kohärenzanforderungen | 185 | ||
a) Ermessensspielraum und Beweislast | 185 | ||
b) Bezugspunkt des mitgliedstaatlichen Ermessens | 191 | ||
c) Die prozessualen Anforderungen an die Kohärenz | 194 | ||
aa) Mitgliedstaatliche Nachweispflichten | 194 | ||
bb) Der erforderliche Umfang des Tatsachenmaterials | 195 | ||
cc) Das zeitliche Moment der vorzulegenden Materialien | 196 | ||
dd) Der Umgang mit wissenschaftlichen Unsicherheiten | 197 | ||
(1) Ausschluss rein hypothetischer Erwägungen | 197 | ||
(2) Tatbestandlicher Beurteilungsspielraum im Rahmen der Risikobewertung | 199 | ||
(3) Inkonsistente Rechtsprechung zur prozeduralen Kohärenz | 201 | ||
VI. Außerachtlassung der innerstaatlichen Kompetenzordnung | 203 | ||
1. Keine Konzentration der Zuständigkeit auf einen Normgeber | 203 | ||
2. Vertikale Kohärenz und horizontale Kohärenz | 205 | ||
a) Begriffserklärung | 205 | ||
b) Unterscheidung zwischen sektoraler und lokaler Uniformität | 207 | ||
c) Bewertung eines horizontalen Kohärenzgebotes | 208 | ||
aa) Minimierung des Regulierungsniveaus als zwangsläufige Folge horizontaler Kohärenz? | 209 | ||
bb) Wahrung der Autonomie der Bundesländer | 210 | ||
cc) Teleologische Vereinbarkeit | 213 | ||
VII. Implizite Beachtung sozioökonomischer Belange | 216 | ||
1. Problemaufriss | 216 | ||
2. Die Berücksichtigung sozioökonomischer Belange in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs | 219 | ||
a) Inkonsistente Rechtsprechungslinie im Hinblick auf den Bewertungsmaßstab | 219 | ||
b) Die rechtspolitische Dimension der Rechtsprechung | 223 | ||
c) Nationale Besonderheiten im Bereich der Grundrechte | 226 | ||
3. Keine zwingende Minderung der Kontrolldichte | 228 | ||
4. Auswirkungen auf die Kohärenzprüfung | 230 | ||
VIII. Die dogmatische Einordnung des Kohärenzgebotes | 231 | ||
1. Kohärenz im Rahmen des „legitimen Zwecks“ | 231 | ||
2. Kohärenz als Element des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (im engeren Sinne) | 233 | ||
a) Kohärenz als Teil der Geeignetheitsprüfung | 233 | ||
b) Kohärenz als Teil der Erforderlichkeitsprüfung | 236 | ||
3. Kohärenz als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes | 238 | ||
4. Das Kohärenzgebot als prozedurales Erfordernis | 253 | ||
5. Zusammenfassende Stellungnahme | 254 | ||
D. Das unionsrechtliche Systemgerechtigkeitsgebot in der Beurteilung | 261 | ||
I. Vorüberlegungen | 261 | ||
II. Das Erfordernis der Gesamtkohärenz | 265 | ||
1. Gesamtkohärenz als richterliches „Europäisierungsinstrument“? | 265 | ||
2. Keine Überschreitung der grammatikalischen Grenzen | 268 | ||
3. Ungewissheiten bei der Bildung des Kohärenzmaßstabes | 272 | ||
a) Problemaufriss | 272 | ||
b) Offenheit des Systembegriffs | 273 | ||
c) Keine Überspannung des Kohärenzmaßstabes durch den Gerichtshof | 274 | ||
d) Antonyme als erste Kontur des Kohärenzmaßstabes | 277 | ||
e) Ableitbarkeit von Kriterien in anderen Sachzusammenhängen | 282 | ||
aa) Gleichartigkeit i. S. v. Art. III:2 Satz 1 GATT | 282 | ||
bb) Das Kriterium der Substituierbarkeit | 287 | ||
f) Die Bildung des Kohärenzmaßstabes in der Rechtsprechung anderer Gerichte | 291 | ||
aa) Der Appellate Body der Welthandelsorganisation | 291 | ||
bb) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte | 293 | ||
g) Zusammenfassung | 295 | ||
4. Bedenken in Bezug auf die Außerachtlassung der innerstaatlichen Zuständigkeiten | 296 | ||
5. Relativierung der Gesamtkohärenz | 308 | ||
a) Relative Bedeutung des Erfordernisses der Gesamtkohärenz | 308 | ||
b) Kein „Schein-Ermessen“ | 309 | ||
aa) Kein Ausschluss bestimmter Regulierungsmodelle im Glücksspielbereich | 309 | ||
bb) Keine anderen Schlussfolgerungen für den Bereich der nationalen Gesundheits- und Sozialpolitik | 315 | ||
c) Gesamtkohärenz als Effektivitätsprinzip | 319 | ||
d) Keine Überforderung der Tatsacheninstanzen | 322 | ||
e) Zwingende Vorgaben an die nationalen Gerichte nur bei evidenter Inkohärenz | 322 | ||
III. Kohärenzgebot und Subsidiaritätsgedanke: Auflösung des Konflikts | 326 | ||
IV. Bedenken in rechtsstaatlicher und demokratischer Hinsicht | 335 | ||
1. Rechtsstaatsbezogene Bedenken | 335 | ||
a) Rechtsstaatliche Anknüpfung für Kohärenz | 335 | ||
b) Die Unbestimmtheit der Vergleichskriterien als Wertungsfrage | 339 | ||
c) Normative Bestimmung der Deutungshoheit über die Rationalität | 344 | ||
2. Überlegungen zur Abmilderung des Kohärenzgebotes | 349 | ||
a) Umkehrbarkeit der Indizwirkung | 349 | ||
b) „Erheblichkeit“ als Kohärenz relativierendes Kriterium | 350 | ||
aa) Lokale Erheblichkeit | 350 | ||
bb) Sektorale Erheblichkeit | 354 | ||
c) Zusammenfassung | 357 | ||
3. Demokratiespezifische Bedenken | 358 | ||
a) Keine Erosion des institutionellen Gleichgewichts | 358 | ||
b) Gegenteiliger Effekt: Stärkung demokratischer Rationalität | 362 | ||
c) Keine verbindlichen, freiheitsverkürzenden Handlungsanweisungen an den Gesetzgeber | 365 | ||
V. Zur Legitimität von sozioökonomischen Belangen | 372 | ||
E. Kohärenzargumentationen außerhalb der Grundfreiheitsdogmatik | 382 | ||
I. Kohärenzanforderungen im Rahmen der EU-Grundrechte | 382 | ||
1. Kohärenz als Korrektiv bei Altersdiskriminierungen | 382 | ||
2. Der Fall Test-Achats | 385 | ||
II. Kohärenzargumente in der Europäischen Konvention für Menschenrechte | 391 | ||
1. Die Rs. S.H. u. a. . / . Österreich | 392 | ||
a) Das Urteil der „kleinen“ Kammer | 393 | ||
b) Das Urteil der Großen Kammer | 395 | ||
c) Bewertung der Entscheidungen | 396 | ||
2. Die Rs. X. u. a. . / . Österreich | 399 | ||
3. Die Rs. Costa und Pavan . / . Italien | 402 | ||
4. Die Rs. R.R . / . Polen | 403 | ||
5. Exkurs: Der Beurteilungsspielraum der Konventionsstaaten | 405 | ||
6. Vorzug einer geringeren Kontrolldichte im Bereich der EMRK | 411 | ||
III. Kohärenzargumente im Welthandelsrecht | 417 | ||
1. Normierte Kohärenzanforderungen des GATT | 418 | ||
a) Der chapeau in Art. XX GATT | 418 | ||
b) Das Kriterium der even-handedness in Art. XX (g) GATT | 420 | ||
2. Kohärenzanforderungen in der Verhältnismäßigkeitsprüfung | 424 | ||
3. Keine höhere Kontrolldichte der Kohärenz durch dualen Ansatz | 426 | ||
F. Zusammenfassung | 429 | ||
Literaturverzeichnis | 438 | ||
Sachverzeichnis | 458 |